Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug).

Die Klägerin - Gewerkschaft …(G.) - unterhält bei G…-P… ein "Schulungs- und Erholungsheim" (Haus Hammersbach), welches der Durchführung von Bildungsveranstaltungen über gewerkschaftliche und politische Fragen dient. Die Geschäftsführung wird von dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der Klägerin wahrgenommen, doch ist darüber hinaus auch ein Heimgeschäftsführer, der die laufenden Geschäfte (Personalangelegenheiten, Einkauf, Instandhaltung) wahrnimmt, eingesetzt. Nach der Geschäftsanweisung, die Bestandteil des zwischen dem Hauptvorstand der G. und dem Heimgeschäftsführer abgeschlossenen Anstellungsvertrages ist, besteht die Möglichkeit, daß zwecks Auslastung der Kapazität während eines Zeitraumes, in welchem aus betriebsbedingten Gründen bei der Deutschen Bundesbahn ein Sonderurlaub für Bildungszwecke - nicht möglich ist, Gäste aufzunehmen.

Am 29. November 1971 zeigte die Klägerin schriftlich bei der Beklagten - Arbeitsamt W… - unvermeidbaren Arbeitsausfall für die 24 Beschäftigten des Hauses Hammersbach an und begründete den Arbeitsausfall damit, daß durch zwingende behördliche Anordnung des Landratsamtes G…-P… die Spannbeton-Fertigteildecken aus Tonerdeschmelzzement über Keller und Erdgeschoß endgültig gesichert werden müßten; wegen der hierfür erforderlichen Sanierungsarbeiten, die nicht vor Ende März 1972 beendet sein würden, bitte sie, ihr Kug zu gewähren. Durch die Umbaumaßnahmen trat ein Arbeitsausfall vom 1. Januar bis 10. Mai 1972 ein.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 1971 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Kug ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 1. März 1972 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, daß das Haus Hammersbach nicht nach erwerbswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werde und deshalb nicht zum Kreis der Betriebe i.S. der Vorschriften über das Kug gehöre.

Die Klage hiergegen hat das Sozialgericht (SG) Frankfurt durch Urteil vom 1. Februar 1974 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) - nach Beiladung des Betriebsrates des Hauses Hammersbach - durch Urteil vom 20. Oktober 1976 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für das von der Klägerin beantragte und von der Beklagten abgelehnte Kug lägen nicht vor, da das von der Klägerin unterhaltene Schulungs- und Erholungsheim Hammersbach nicht zum Kreis der Betriebe gehöre, für die § 63 AFG die Gewährung von Kug vorsehe. Das Heim diene vorwiegend bildungs- und sozialpolitischen Zwecken der Gewerkschaft. Zwar würden nach der Definition des arbeitsrechtlichen Betriebsbegriffs auch solche Betriebe erfaßt, doch könne der arbeitsrechtliche Betriebsbegriff dem sozialrechtlichen Betriebsbegriff insoweit nicht gleichgesetzt werden. Der Zweckbestimmung und Zielsetzung des Kug nach dem AFG sei vielmehr zu entnehmen, daß unter Betrieben i.S. des § 63 AFG nur solche mit wirtschaftlichen Zwecken verstanden werden könnten. Die Vorschrift schließe damit Betriebe aus, die - wie das Heim der Klägerin - nicht wirtschaftlichen, sondern bildungs- und sozialpolitischen und ähnlichen Zwecken dienten.

Das ergäbe sich auch aus der historischen Entwicklung der Vorschriften über das Kug. Die Zahlung von Kug diene dem Ausgleich konjunktureller Schwankungen und der Überbrückung betrieblicher, durch die wirtschaftliche Entwicklung verursachter Strukturveränderungen. Betriebe, die bildungs- und sozialpolitischen und ähnlichen Zwecken dienten, unterlägen solchen konjunkturellen Schwankungen und Strukturveränderungen nicht.

§ 63 Abs. 2 AFG, der bestimmte Betriebe von der Gewährung des Kug gänzlich ausschließe, lasse für die Definition des Betriebsbegriffs keine andere Schlußfolgerung zu, da es sich bei den dort genannten Betrieben ebenfalls um Wirtschaftsbetriebe handele, die nach Ansicht des Gesetzgebers in ihren Produktions- und Arbeitsbedingungen den Betrieben der übrigen Wirtschaft nicht angeglichen gewesen wären und bei denen Schwankungen der Beschäftigungslage typischerweise durch die Eigenart der Betriebe bedingt seien oder regelmäßig wiederkehrten. In diesen Fällen vorhandene Schwankungen auszugleichen, solle nicht Aufgabe des Kug sein. Ferner gebe der Umstand, daß auch die auf einem unabwendbaren Ereignis beruhenden Arbeitsausfälle zur Gewährung von Kug berechtigten, keinen Anlaß für eine Ausdehnung des Betriebsbegriffs. Auch in diesen Fällen solle dem Betrieb die eingearbeitete Belegschaft erhalten bleiben, damit er alsbald nach Wegfall der Ursache für den Arbeitsausfall die Produktion wieder voll aufnehmen könne.

Zu einer anderen Beurteilung könne nicht der Hinweis der Klägerin führen, die Arbeitnehmer, für die Kug beantragt worden sei, seien im Dienstleistungsbetrieb des Heimes "Küche, Beherbergung, Empfang) beschäftigt gewesen; denn der "Dienstleistungsbetrieb" des Heimes sei nicht eine Betriebsabteilung i.S. des § 63 Abs. 3 AFG, da er organisatorisch mit dem Gesamtbetrieb zu einer Einheit verbunden sei.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 63 AFG durch das LSG. Zur Begründung macht sie geltend, im Gegensatz zur Auffassung des LSG sei das Schulungs- und Erholungsheim ein Betrieb i.S. des § 63 Abs. 1 AFG. Der Betriebsbegriff sei im Gesetz nicht umschrieben, zutreffend aber der Zweckbestimmung sozialversicherungsrechtlicher Grundnormen zu entnehmen. Demzufolge komme es für ihn weder auf die Rechtsform, in der der Betrieb betrieben werde, noch darauf an, ob er ein solcher i.S. der Gewerbeordnung sei und mit Gewinnabsicht geführt werde. Betriebe, für die Kug nicht gewährt werde, seien in § 63 Abs. 2 AFG ausdrücklich aufgezählt. Unter diese Vorschrift fielen nicht Gaststätten und Hotelbetriebe. Zwar verfolge die Klägerin im Rahmen ihrer Schulungs- und Bildungsveranstaltungen eine sozial- und berufspolitische Zwecksetzung, doch ergebe sich aus der Natur der Sache, daß die Durchführung der im Internatsbetrieb erfolgenden Schulungsveranstaltungen nur gewährleistet sei, wenn die technischen Anforderungen eines Hotelbetriebs erfüllt seien. Außerdem rügt die Klägerin die Beweiswürdigung seitens des LSG hinsichtlich des Nichtvorhandenseins eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes.

Die Klägerin beantragt,das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. Oktober 1976, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 1. Februar 1974 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 1972 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Kurzarbeitergeld für 22 Arbeitnehmer für die Zeit vom 1. Januar 1972 bis 10. Mai 1972 zu gewähren,hilfsweise,die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Berufungsgerichts für zutreffend und trägt ergänzend vor:

Selbst wenn davon ausgegangen werde, das Schulungs- und Erholungsheim der Klägerin gehöre zu dem Kreis der zum Bezug von Kug zugelassenen Betriebe, müsse die Leistung versagt werden. Ein unabwendbares Ereignis i.S. des § 64 Abs. 1 Nr. 1 AFG liege nicht vor, da die behördliche Anordnung den Arbeitsausfall nicht, wie es erforderlich sei, unmittelbar verursacht habe. Des weiteren sei bisher trotz eines entsprechenden Hinweises in dem von der Klägerin empfangenen Merkblatt über das Bestehen einer dreimonatigen Ausschlußfrist ein Antrag auf Kug nicht eingereicht worden. Allein aus diesem Grunde könne Kug für den bloß angezeigten Arbeitsausfall nicht gewährt werden, da es sich bei der Anzeige und dem Antrag um zwei selbständige, voneinander unabhängige Anspruchsvoraussetzungen handele und durch die Anzeige nicht auch die Voraussetzung des Antrags erfüllt werden könne. Schließlich sei noch offen, ob der Arbeitsausfall bezüglich seiner Dauer unvermeidbar gewesen sei und ob die Verminderung der Arbeitszeit rechtswirksam erfolgt sei oder den Arbeitnehmern Lohnansprüche für die Dauer des Arbeitsausfalls zugestanden hätten.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und trägt auch nichts vor.

II

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Kug scheitert entgegen der Auffassung des LSG nicht bereits daran, daß das Haus Hammersbach nicht zum Kreis der Betriebe gehört, für deren Arbeitnehmer § 63 AFG die Gewährung von Kug vorsieht.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 AFG wird Arbeitnehmern bei vorübergehendem Arbeitsausfall in Betrieben Kug gewährt, in denen regelmäßig mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt ist, wenn zu erwarten ist, daß durch die Gewährung von Kug den Arbeitnehmern die Arbeitsplätze und dem Betrieb die eingearbeiteten Arbeitnehmer erhalten werden. Betrieb im Sinne dieser Vorschrift ist auch das Schulungs- und Erholungsheim der Klägerin, das Haus Hammersbach.

Der Begriff des Betriebes ist im AFG gesetzlich nicht beschrieben . Das Gesetz sagt zwar, in welchen Betrieben Kug nicht gewährt wird (§ 63 Abs. 2 AFG) und auch, daß Betriebsabteilungen Betriebe i.S. der Vorschriften über das Kug sind (§ 63 Abs. 3 AFG); der Betriebsbegriff als solcher ist jedoch gesetzlich nicht näher bestimmt. Wie der Senat bereits im Urteil vom 17. März 1972 entschieden hat, ist der Betriebsbegriff nach der herrschenden Verkehrsauffassung, den Erfahrungen des täglichen Lebens, insbesondere nach Lehre und Rechtsprechung auch verwandter Rechtsgebiete zu beurteilen (BSGE 34, 120, 121 = SozR Nr. 1 zu § 129 AVAVG; vgl. auch Schönefelder-Kranz-Wanka, Kommentar zum AFG, § 63 Rdnr. 22). Die heute gebräuchliche Definition des Betriebsbegriffs, der zu den Kernbegriffen des Arbeitsrechts gehört, ist von der Rechtsprechung und der Rechtslehre entwickelt worden. Danach ist - im Anschluß an die grundlegende Entscheidung des Reichsarbeitsgerichts -RAG- (ARS 30, 323, 326) - der Betrieb die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit Hilfe sächlicher und sonstiger Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl. Bd. I, S. 93; BAG AP Nr. 1 zu § 88 Betriebsverfassungsgesetz -BetrVG- und AP Nr. 5 zu § 3 BetrVG). Der Betrieb ist demnach im Gegensatz zum Unternehmen eine technisch-organisatorische Einheit (BSG SozR 4670 Nr. 2 zu § 2, 8. DV AVAVG). Da beim Betrieb der arbeitstechnische Zweck im Vordergrund steht, ist es für den Betriebsbegriff zunächst unerheblich, ob mit ihm letztlich weitere Zwecke - etwa sozialer oder ideeller Art - verfolgt werden, oder ob ein hinter dem Betrieb stehendes Unternehmen als die rechtlich-wirtschaftliche Einheit (BSG a.a.O.) derartige Zwecke verfolgt (vgl. auch BAG 2, 91, 93).

Auch die Rechtsprechung des Senats ist, wie die angeführten Entscheidungen zeigen, im Prinzip bei der Feststellung dessen, was unter Betrieb i.S. der Regelungen über das Kug zu verstehen ist, von dem gekennzeichneten allgemeinen, für das Arbeitsrecht entwickelten Betriebsbegriff ausgegangen (BSGE 34, 120, 122; SozR 4670 zu § 2 Nr. 2, 8. DV AVAVG). Das ist für das Kug grundsätzlich gerechtfertigt, weil in bezug auf die Gewährung dieser Leistung eine Abhängigkeit zum Arbeitsrecht besteht (vgl. Grewe, Überblick über die arbeitsrechtlichen Aspekte des Arbeitsförderungsgesetzes, in: Müller, Das Arbeitsrecht der Gegenwart (1971, S. 71, 77). Ein Anspruch auf Kug besteht nämlich, wie sich aus § 65 Abs. 3 AFG ergibt, nicht, wenn die Kurzarbeit arbeitsrechtlich nicht zulässig ist (vgl. eingehend Kuhn, Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld, BlStSozArbR 1976, 65). Diese enge Verbindung des Arbeitsrechts, die auch in der Stellung des Betriebsrates im Verfahren über das Kug zum Ausdruck kommt, rechtfertigt für den Bereich des Kug die Anknüpfung an den dort entwickelten Begriff des Betriebes. Dies stellt auch die Beklagte, wie sich aus ihren Weisungen zum Kug vom 18. Juni 1969 ergibt (ANBA 1969, Beilage zu Nr. 12, S. 3), nicht in Abrede.

Aus der Betonung des arbeitstechnischen Zweckes für den Betriebsbegriff auch im Sinne von § 63 AFG ergibt sich, daß das Haus Hammersbach vom Zugang zum Kug-Bezug nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden kann, es diene keinen wirtschaftlichen Zwecken denn der o. a. Betriebsbegriff läßt eine derartige Einschränkung nicht zu.

Der Senat hat allerdings betont, daß bei der Anwendung des Betriebsbegriffs der Zweck der jeweiligen gesetzlichen Regelung nicht außer acht gelassen werden darf, die Bestimmung des Begriffes vielmehr am Ziel der jeweiligen gesetzlichen Regelung auszurichten ist (BSG, a.a.O.). Der Zweck der Kug-Regelungen rechtfertigt jedoch nicht eine Beschränkung der Leistungen auf bestimmte Betriebe mit wirtschaftlichen Zielsetzungen.

Das LSG hat den Zweck des Kug unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 63 AFG darin erblickt, eine unerwünschte Fluktuation der Arbeitskräfte zu vermeiden. Die Zahlung von Kug diene dem Ausgleich kurzfristiger konjunktureller Schwankungen und der Überbrückung betrieblicher, durch die wirtschaftliche Entwicklung verursachter Strukturveränderungen. Mit dieser Zweckbestimmung sei die Leistung an Betriebe, die nicht wirtschaftliche sondern kulturelle, soziale oder ähnliche Zwecke verfolgten, nicht zu vereinbaren (ebenso Schönefelder-Kranz-Wanka, a.a.O., § 63 Rdnr. 27; Draeger-Buchwitz-Schönefelder, Kommentar zum AVAVG, § 116 Rdnr. 24).

Diese Begründung rechtfertigt die Schlußfolgerung des LSG nicht, denn sie gibt lediglich eine verkürzte Bestimmung der Funktionen wieder, die durch die Gewährung von Kug erfüllt werden sollen. Ebenso wie die Beklagte in ihren Weisungen vom 18. Juni 1969 zu § 63 AFG (a.a.O.), läßt sich das Berufungsgericht bei der Zweckbestimmung nicht vom Gesetz selbst, sondern von einem aus der Regierungsbegründung zum Kug verallgemeinernd herausgegriffenen Satz leiten.

Schon die Stellung der Vorschriften über das Kug innerhalb des dritten Abschnittes des AFG, der mit "Leistungen der Arbeitslosenversicherung zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen" überschrieben ist, verdeutlicht den Zweck der Regelung. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum AFG heißt es zu diesem Abschnitt, daß durch die Leistungen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer "stabilisiert und damit nach Möglichkeit, Arbeitslosigkeit verhindert werden" solle; ferner würden für Arbeitslose neue Arbeitsplätze geschaffen. "Ein unverschuldeter Lohnausfall, der in bestimmten Fällen durch Arbeitszeitverkürzungen" entstehe, werde "angemessen ausgeglichen" (BT-Drucks. V/2291, S. 55). Bereits diese allgemeine Zweckbestimmung der Normen des dritten Abschnitts des AFG spricht gegen die Beschränkung des Kug-Anspruchs auf Betriebe, die in erster Linie wirtschaftlichen Zwecken dienen.

Ebensowenig kann eine derartige Beschränkung aus der Vorbemerkung zur Regierungsbegründung für den ersten Unterabschnitt über das Kug hergeleitet werden, wenngleich hier davon die Rede ist, das Kug diene in wirtschaftspolitischer Hinsicht dem Ausgleich kurzfristiger konjunktureller Schwankungen und der Überbrückung betrieblicher, durch die wirtschaftliche Entwicklung verursachter Strukturveränderungen (BT-Drucks. a.a.O.). Abgesehen davon, daß diese Begründung nur für einen, wenngleich wohl für den typischen Fall der Gewährung von Kug, nämlich dem des Arbeitsmangels, der auf konjunkturellen Ursachen beruht, zutrifft, ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang der Regelung des Kug, in dem er die Begriffe "wirtschaftspolitisch", "wirtschaftliche" Entwicklung ebenso verwendet wie an anderer Stelle den Ausdruck "Wirtschaftszweig" (BT-Drucks. a.a.O. zu § 58 Abs. 1, S. 70), von einem solch engen Wirtschaftsbegriff ausgegangen ist, der allein es gerechtfertigt erscheinen ließe, nur Betriebe in die Kug-Regelung einzubeziehen, deren vornehmlicher Zweck in der Erzielung wirtschaftlicher Gewinne oder der Produktion materieller Güter besteht. Es ist ersichtlich, daß die Bundesregierung in ihrer Begründung zum Regierungsentwurf einen weiten Wirtschaftsbegriff zugrunde gelegt hat. Dies wird z.B. deutlich durch den Gebrauch des Begriffes der Hauswirtschaft in § 65 Abs. 2 AFG für einen Bereich, in dem wirtschaftliche Zwecke i.S. von Gewinnerzielung bzw. Güterproduktion ebenfalls in der Regel nicht verfolgt werden. Ähnliches trifft auch für die in § 63 Abs. 2 AFG genannten Theater- oder Konzertunternehmen zu, bei denen wirtschaftliche Gesichtspunkte - so wie sie offenbar das LSG verstanden wissen will - gegenüber den in erster Linie verfolgten kulturellen Zwecken weit in den Hintergrund treten.

Bereits aus diesen Gründen rechtfertigt sich die Annahme, daß der Gesetzgeber auch Betriebe, die zuvorderst sozialen, kulturellen oder ähnlichen Zwecken dienen, zur "Wirtschaft" jedenfalls dann rechnet, wenn in ihnen Arbeitnehmer beschäftigt sind, zumal da in der Begründung der Bundesregierung die wirtschaftspolitische Bedeutung des AFG auch damit begründet wird, der Ausgleich konjunktureller Schwankungen sowie die Überbrückung betrieblicher Strukturveränderungen werde dadurch erreicht, daß den Betrieben die eingearbeiteten Arbeitskräfte erhalten bleiben (BT-Drucks. a.a.O., S. 55). Dieser Effekt besteht aber nicht nur bei Gewährung von Kug in Wirtschaftsunternehmen bzw. Betrieben mit erwerbswirtschaftlicher Zielsetzung, sondern auch - unterstellt man, daß Arbeitsausfälle aufgrund wirtschaftlicher Ursachen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 AFG) eingetreten sind - bei Leistungserbringung in anderen Betrieben, in denen Arbeitnehmer beschäftigt sind.

Wesentlich ist jedoch, daß der wirtschaftspolitische Wert des Kug lediglich eine und zudem nur teilweise zutreffende Seite einer umfassenderen Zielsetzung darstellt, die nicht überbewertet werden darf. Deutlich wird dies schon daran, daß Kug nicht allein bei auf wirtschaftlichen Ursachen im weitesten Sinne beruhenden Arbeitsausfällen, sondern auch bei - von wirtschaftlichen Faktoren sowie der Konjunktur gänzlich unabhängigen - auf unabwendbaren Ereignissen i.S. des § 64 Abs. 2 AFG beruhenden Arbeitsausfällen gewährt werden soll.

Vorrangige Bedeutung hat vielmehr die - vom LSG nicht in Betracht gezogene - Funktion der Sicherung des Arbeitsplatzes, wie dies auch in der Begründung der Bundesregierung besonders zum Ausdruck kommt, die den Sinn des Kug kennzeichnet mit den Worten: "Das Kug wird Arbeitnehmern gewährt, für die durch einen vorübergehenden, auf wirtschaftlichen Ursachen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhenden Arbeitsausfall im Betrieb ein Lohnausfall entsteht. Sein gesellschaftspolitischer Wert besteht darin, daß die den Arbeitnehmer belastende Unsicherheit seiner beruflichen Existenz vermindert wird… . Die arbeitsmarktpolitische Bedeutung des Kug besteht darin, daß die Arbeitsverhältnisse stabilisiert werden" (BT-Drucks. a.a.O.). Der Gesetzgeber hat diese Zielvorstellungen in der positiv-rechtlichen Ausgestaltung des Gesetzes voll verwirklicht; der Gesetzestext des § 63 Abs. 1 AFG verankert nunmehr den Grundsatz, der unter Geltung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) zwar herrschende Meinung (vgl. Draeger-Buchwitz-Schönefelder, a.a.O., § 116 Rdnr. 3), aber gesetzlich nicht fixiert war (vgl. § 116 AVAVG), daß durch die Gewährung von Kug den Arbeitnehmern die Arbeitsplätze und dem Betrieb die eingearbeiteten Arbeitnehmer erhalten werden sollen.

Zusätzliches Gewicht erhält diese Zweckbestimmung noch aus der primären Zielsetzung des AFG. Gem. § 1 AFG hat die Bundesanstalt für Arbeit (BA) ihre Maßnahmen im Rahmen der Sozial- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung u.a. darauf auszurichten, daß ein hoher Beschäftigungsstand erzielt und aufrecht erhalten sowie die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird. Nach § 2 des Gesetzes hat die BA durch die Maßnahmen, die sie nach dem AFG ergreifen kann, u.a. dazu beizutragen, daß keine Arbeitslosigkeit eintritt. Aus dieser Regelung ergibt sich eindeutig der Vorrang der Gewährung von Leistungen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, wozu insbesondere das Kug zu rechnen ist, vor der Gewährung von Leistungen an Arbeitslose. Mit diesen Vorstellungen erscheint es im Gegensatz zur Auffassung des LSG nicht nur vereinbar, sondern geradezu geboten, auch Arbeitnehmern, die in Betrieben mit letztlich sozialen, kulturellen oder ähnlichen Zwecken beschäftigt sind, das Kug zu gewähren. Deren Interesse an der Erhaltung ihrer arbeits- und tarifrechtlich "normalen" Arbeitsplätze ist nämlich völlig unabhängig von den Motiven, aus denen ihr Arbeitgeber seinen Betrieb betreibt. Nur durch ihre Gleichstellung mit Arbeitnehmern in Betrieben mit wirtschaftlicher Zielrichtung kann dem Sinn und Zweck des AFG, in vertretbarem Umfange bestehende Arbeitsplätze zu erhalten, Rechnung getragen werden. Anderenfalls würde genau die Folge eintreten, die das Gesetz verhindern - will, nämlich, daß der Betriebsinhaber bei kurzzeitigem Arbeitsausfall, der weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer zu vertreten ist, Arbeitnehmer entläßt, die ihm nach Beseitigung der Ursachen für den Arbeitsausfall fehlen würden.

Ein rechtfertigender Grund für eine Einschränkung des Betriebsbegriffes i.S. des § 63 Abs. 1 AFG bestünde nach alledem wenn überhaupt - nur dann, wenn die Gründe, aus denen § 63 Abs. 2 AFG bestimmte Betriebe vom Kug-Bezug schlechthin ausnimmt, auch auf solche Betriebe zuträfen, die - wie bei der Klägerin der Fall - dadurch gekennzeichnet sind, daß nicht in erster Linie erwerbswirtschaftliche, sondern andere Zwecke verfolgt werden. Dies ist aber nicht der Fall.

Der Ausschluß von der Gewährung des Kug gem. § 63 Abs. 2 AFG soll verhindern, daß gelegentliche Arbeitsausfälle, deren Kalkulation als Produktionskostenfaktoren ein typisches Unternehmerrisiko darstellt, finanziell durch die Arbeitslosenversicherung aufgefangen werden müssen. Der Gesetzgeber war der Meinung, den ausgeschlossenen Betrieben sei ein ungleichmäßiger Arbeitsanfall eigentümlich, so daß die Kosten gelegentlicher Arbeitsausfälle zu den normalen Produktionskosten gehörten, die nicht auf die Gemeinschaft der Beitragszahler verlagert werden sollten. Es sei im übrigen in den meisten der betroffenen Wirtschaftszweige möglich und üblich, Arbeitsausfälle durch Vor- und Nacharbeiten auszugleichen (BT-Drucks. V/2291, Anl. 3 S. 118 zu 30). Diese für die Regelung des § 63 Abs. 2 AFG maßgebenden Gründe haben nicht ohne weiteres Gültigkeit für Betriebe mit nichtwirtschaftlichen Zwecken, da nicht von vornherein mit gelegentlichen Arbeitsausfällen gerechnet werden kann. Es besteht aus diesem Grunde kein Anlaß, solche Betriebe im Wege einer restriktiven Auslegung des Betriebsbegriffes zum Kug-Bezug von vornherein selbst dann auszuschließen, wenn in ihnen eine regelmäßige Arbeitszeit bzw. ein regelmäßiger Arbeitsanfall üblich ist.

Einer Einschränkung des Betriebsbegriffs auf Betriebe mit wirtschaftlicher Zielsetzung, wie sie die Beklagte und das LSG für gerechtfertigt erachten, widerspricht im übrigen der Regelung des § 63 Abs. 2 AFG. Danach sind - worauf bereits hingewiesen worden ist - von der Gewährung des Kug bestimmte, im einzelnen näher bezeichnete Betriebe ausgeschlossen. Es handelt sich hierbei wie schon unter Geltung des § 116 Abs. 2 AVAVG um einen abschließenden Katalog der vom Kug ausgeschlossenen Betriebe (Niemann, Das Kurzarbeitergeld, BlStSozArbR 1974, 33; vgl. auch Schönefelder-Kranz-Wanka a.a.O., § 63 Rdnr. 17), unter die das Schulungs- und Erholungsheim der Klägerin auch nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten nicht fällt. Wenn das Gesetz selbst, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob Betriebe wirtschaftlichen oder nichtwirtschaftlichen Zwecken dienen, im einzelnen regelt, in welchen Betrieben Kug nicht vorgesehen ist, so ist daraus zu schließen, daß in nicht von der Ausnahmevorschrift erfaßten Betrieben Kug zu gewähren ist. Hätte der Gesetzgeber den Ausschluß von Betrieben, die anderen als wirtschaftlichen Zwecken dienen, gewollt, so hätte er dies ausdrücklich geregelt. Die abweichende Auffassung des LSG, wonach der Ausnahmevorschrift des § 63 Abs. 2 AFG deshalb kein Aussagewert zukomme, weil es sich bei den genannten ausgeschlossenen Betrieben gerade auch um "Wirtschaftsbetriebe" handeln solle, ist schon deshalb hinfällig, weil die Zweckbestimmung der Regelung des Kug ergeben hat, daß auch für Betriebe mit anderen als wirtschaftlichen Zielen ohne Einschränkung der arbeitsrechtliche Betriebsbegriff maßgebend bleibt.

Die vom Senat vertretene Auffassung, nach der der Zweck der Gewährung von Kug nicht zu der vom LSG befürworteten Einschränkung des allgemeinen Betriebsbegriffs führen kann, wird nunmehr - entgegen ihrem Vortrag in der Revision - von der Beklagten selbst vertreten. Nach der Nr. 1.2 des Runderlasses der BA 307/76.4 vom 20. Oktober 1976 (abgedruckt bei Schmitz-Specke-Picard, AFG, zu § 63, S. 63-3) ist die Gewährung von Kug in allen Betrieben zulässig, sofern sie über die verlangte Mindestbelegschaft verfügen und nicht ausdrücklich nach § 63 Abs. 2 AFG ausgeschlossen sind. So werden jetzt zu den Betrieben ebenfalls gerechnet Verwaltungen jeder Art (Behörden), Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten, obgleich "in der Regel" die Leistung deshalb nicht möglich sein werde, weil - abgesehen vom unabwendbaren Ereignis - der Arbeitsausfall in diesen Betrieben, die nicht zum Bereich der Wirtschaft gehörten, nicht auf wirtschaftlichen Ursachen beruhen werde. Da es im Streitfall der Klägerin nicht um diesen Regelfall geht, sondern das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses fraglich ist, spielt eine mangelnde wirtschaftliche Zweckrichtung des Hauses Hammersbach schon nach den Weisungen der Beklagten keine entscheidende Rolle für den Anspruch auf Kug.

Nach alledem ist für die Entscheidung des Falles nicht erheblich, daß mit dem Schulungs- und Erholungsheim bildungs- und sozialpolitische Zwecke verfolgt werden. Allein entscheidend für das Bestehen eines Betriebes ist - wie dargelegt - die Verfolgung eines technischen Zweckes mittels einer auf räumlicher Einheit beruhender Zusammenfassung von Personen und Sachen. Diese Voraussetzungen sind beim Haus Hammersbach, das nach den Feststellungen des LSG über eine eigene technische Leitung (Heimgeschäftsführer) verfügt, vorhanden. Nicht hinderlich ist, daß für wichtige und bedeutende Geschäfte die Zuständigkeit einer Hauptgeschäftsführung, bestehend aus dem Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden der Gewerkschaft, vorgesehen ist; eine derartige "Oberleitung" steht der Annahme eines selbständigen Betriebes nicht entgegen.

Die weitere Voraussetzung des § 63 Abs. 1 Satz 1 AFG, daß durch die Gewährung von Kug den Arbeitnehmern die Arbeitsplätze und dem Betrieb die eingearbeiteten Arbeitnehmer erwartungsgemäß erhalten werden, ist ebenfalls gegeben; denn nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 AFG) ist hier Kurzarbeit tatsächlich eingeführt worden. Das reicht für die Annahme einer Gefährdung dieser Arbeitsplätze i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 AFG aus.

Die Klägerin hat den für ihren Anspruch maßgeblichen Arbeitsausfall wirksam angezeigt. Die Anzeige nach §§ 64 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 72 Abs. 1 AFG ist am 29. November 1971 schriftlich beim zuständigen Arbeitsamt erfolgt, also vor Beginn des Zeitraumes, für den Kug begehrt wird. § 66 AFG, wonach für Tage vor Eingang der Anzeige Kug nicht gewährt werden darf, steht dem Anspruch deshalb nicht entgegen. Das Fehlen der nach § 72 Abs. 1 Satz 1 AFG vorgeschriebenen Beifügung der Stellungnahme der Betriebsvertretung berührt die Rechtswirksamkeit der Anzeige nicht (BT-Drucks. V/2291 zu § 67 Abs. 1, S. 73; Hennig-Kühl-Heuer, Kommentar z. AFG, § 72, Anm. 6; Krebs, Kommentar z. AFG, § 72 Rdnr. 4; vgl. auch Schönefelder-Kranz-Wanka, a.a.O., § 72, Rdnr. 9). Durch diese Vorschrift soll lediglich erreicht werden, daß der Arbeitgeber den Betriebsrat von der beabsichtigten Kurzarbeit unterrichtet; die Nichtbeachtung dieser im Interesse der Arbeitnehmer bestehenden Verpflichtung des Arbeitgebers macht die Anzeige nicht unwirksam.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin auch den nach § 72 Abs. 2 AFG erforderlichen Antrag auf Kug rechtzeitig und wirksam gestellt. Nach dieser Vorschrift muß der Antrag auf Kug jeweils für den nach § 64 Abs. 1 Nr. 3 AFG maßgeblichen Zeitraum (§ 72 Abs. 2 Satz 3 AFG) sowie innerhalb einer Ausschlußfrist von drei Monaten (§ 72 Abs. 2 Satz 4 AFG) gestellt werden (vgl. BSGE 22, 257, 259). Der Senat läßt es offen, ob ein Antrag nach § 72 Abs. 2 AFG überhaupt noch erforderlich ist, wenn und solange ein nach § 72 Abs. 1 Satz 4 AFG ergangener ablehnender Bescheid mit Widerspruch und Klage angefochten ist, oder ob während eines solchen Verfahrens die Antragsfrist nach § 72 Abs. 2 Satz 4 AFG gehemmt ist. Vorliegend hat die Klägerin dem Antragserfordernis des § 72 Abs. 2 AFG nämlich Genüge getan. Sie hat mit ihrem am 29. November 1971 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 27. November 1971 nicht nur den bevorstehenden Arbeitsausfall angezeigt, sondern gleichzeitig den Antrag auf Gewährung von Kug i.S. von § 72 Abs. 2 AFG gestellt. In dem dem Anzeigevordruck beigefügten Schreiben vom 27. November 1971 heißt es am Ende "… und wir bitten, uns nach § 64 (4) AFG das Kug zu gewähren". Damit hat die Klägerin unmißverständlich ihren Willen zur Antragstellung zum Ausdruck gebracht. Davon ist auch die Beklagte ausgegangen; denn sie hat in dem angefochtenen Bescheid vom 29. Dezember 1971 - bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 1. März 1972 - diesen "Antrag" der Klägerin "auf Gewährung von Kurzarbeitergeld" abgelehnt.

Die Rechtswirksamkeit des Antrags der Klägerin wird nicht dadurch berührt, daß er mit der Anzeige verbunden und vor Beginn des Laufs der dreimonatigen Ausschlußfrist gestellt worden ist. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß es einem Antrag unter diesen Umständen die Beachtlichkeit versagt. Eine solche Konsequenz ist nicht daraus zu ziehen, daß der Antrag - wie § 72 Abs. 2 Satz 4 AFG vorschreibt - innerhalb einer Ausschlußfrist von drei Monaten zu stellen ist, wobei die Frist mit Ablauf des Kalendermonats beginnt, in dem die Tage, für die Kug beantragt ist, liegen. Der Sinn der Ausschlußfrist liegt allein darin, daß später eingehende Anträge wegen Fristversäumung abgelehnt werden können und müssen. Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise nach längerer Zeit möglicherweise auftretende Beweisschwierigkeiten vermeiden (BT-Drucks. V/2291 zu § 67 Abs. 2, S. 73). Diesem Sinnzusammenhang widerspräche es, wenn auch schon vor Fristbeginn gestellte Anträgen ein Erfolg hinsichtlich der Realisierung des Kug-Anspruchs unter allen Umständen versagt würde; Beweisschwierigkeiten sind in diesen Fällen gerade nicht zu erwarten.

Dem Gesetz ist ferner nicht zu entnehmen, daß Kug in jedem Falle erst nach Anzeige des Arbeitsausfalles beantragt werden kann. Insbesondere ergibt sich eine solche Schlußfolgerung nicht aus § 72 Abs. 2 Satz 3 AFG, der bestimmt, daß Kug jeweils für den nach § 64 Abs. 1 Nr. 3 AFG maßgebenden Zeitraum - das ist ein zusammenhängender Zeitraum von mindestens vier Wochen - beantragt werden muß. Ist auch - angesichts zahlreicher Unwägbarkeiten vor allem hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung - in der Regel zutreffend, daß ein den Zeitraum des § 64 Abs. 1 Nr. 3 AFG benennender und daher bestimmter Antrag erst möglich ist, falls er nachträglich überblickt werden kann, so gilt dies ausnahmsweise nicht in Fällen, in denen schon früher, beispielsweise im Zeitpunkt der Anzeige, zweifelsfrei voraussehbar ist, daß der Arbeitsausfall den Mindestgewährungszeitraum des § 64 Abs. 1 Nr. 3 AFG erreichen wird. Da die Klägerin bei Anzeige und Antragstellung ausdrücklich erklärt hat, daß die im Dezember 1971 beginnenden Sanierungsarbeiten nicht vor Ende März 1972 beendet sein würden, liegt ein den Erfordernissen des § 72 Abs. 2 Satz 3 AFG entsprechender bestimmter Antrag vor.

Der Antrag der Klägerin umfaßt auch den gesamten Zeitraum des hier streitigen Arbeitsausfalls. Insbesondere kann aus der Formulierung in ihrem Schreiben vom 27. November 1971, es sei damit zu rechnen, daß die Sanierungsarbeiten vor Ende März 1972 nicht beendet sein werden" nicht auf eine Beschränkung des Antrags geschlossen werden. Dem Gesamtinhalt ihres Vorbringens ist vielmehr zu entnehmen, daß sie Kug für den vollen Zeitraum des durch diese Arbeiten bedingten Arbeitsausfalls erhalten wollte. So hat auch die Beklagte das Anliegen der Klägerin verstanden; denn sie hat in dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich entschieden, daß sie dem "Antrag auf Gewährung von Kurzarbeitergeld für die Dauer der durch die Bausanierungsnahme verursachten Stillegung des Erholungsheimes" nicht stattgeben könne.

Einer wirksamen Antragstellung steht es ferner nicht entgegen, daß die Klägerin hierfür nicht die von der Beklagten in § 2 der Kug-Anordnung vom 30. Juni 1971 (ANBA S. 633) vorgeschriebenen Vordrucke verwendet hat. Das Gesetz schreibt nur Schriftlichkeit des Antrages vor (§ 72 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AFG). Deshalb genügt auch ein ohne Benutzung des Vordrucks gestellter schriftlicher Antrag dem Formerfordernis (Hennig/Kühl/Heuer, a.a.O., § 72 Anm. 2 und 13; vgl. hierzu jetzt auch § 60 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil -SGB 1- vom 11. Dezember 1975 -BGBl. I S. 3015). Eine entsprechende Regelung hat die Beklagte in ihren Dienstanweisungen über die Durchführung des Verfahrens für das Kug getroffen (vgl. RdErl 307/76.4 vom 20. Oktober 1976, Rdnr. 205.52 zu § 72 AFG, insoweit bei Schmitz-Specke-Picard a.a.O. nicht abgedruckt, mit Anschluß an RdErl 192/69.4 vom 18. Juni 1969 Nr. 55 - Berndt/Draeger, AVAVG, Bd. 0/1, § 72 E 1 S. 0/562 - und RdErl 84/76.4 vom 4. März 1976 - Dienstblatt A der BA Nr. 24 vom 19. März 1976 S. 438 -). Sie läßt darin eine formlose schriftliche Antragstellung genügen, sofern sich daraus - wie hier - die wesentlichen Merkmale für den Kug-Anspruch ergeben. Die Beklagte sieht in diesem Falle sogar den Widerspruch gegen die Entscheidung über die Anzeige nach § 72 Abs. 1 AFG als ausreichenden Antrag i.S. des § 72 Abs. 2 AFG an und stellt an die Substantiierungspflicht der Antragstellung nur maßvolle Anforderungen. Diese - zulässige - generelle Verwaltungsregelung für die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über den Kug-Antrag macht es im übrigen treuwidrig, wenn die Beklagte sich abweichend hiervon gegenüber der Klägerin erstmals im Revisionsverfahren auf das Fehlen eines formgerechten Antrages beruft, ganz abgesehen davon, daß sie durch eine derartige Abweichung von einer zulässigen Selbstbindung durch Verwaltungsregelung auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt (vgl. Urteil des Senats vom 6. Oktober 1977 - 7 RAr 55/76 - mit weiteren Nachweisen).

Für eine abschließende Entscheidung des Senats fehlen allerdings Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des Anspruchs auf Kug, insbesondere zur Frage des Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 AFG), zur Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 AFG) und zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitsentgelt durch Kurzarbeit (§ 65 Abs. 3 AFG). Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.7/12 RAr 100/76

Bundessozialgericht

Verkündet am 30. Mai 1978

 

Fundstellen

BSGE, 218

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