Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage des Unfallversicherungsschutz für die Folgen eines Unfalls bei einem Fußballspiel (hier: Fußballspiel von Angehörigen eines Bundesbahn-Bauzuges nach Beendigung der Arbeit)

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage des Unfallversicherungsschutz für die Folgen eines Unfalls bei einem Fußballspiel (hier: Fußballspiel von Angehörigen eines Bundesbahn-Bauzuges nach Beendigung der Arbeit):

 

Orientierungssatz

Fußballspiel zwischen Angehörigen eines auf abseitigen Strecken abgestellten Bauzuges muß nicht deshalb gegen Unfall geschützt sein, weil die Bundesbahn an ihm durch Beschaffung entsprechender Sportgeräte ihr eigenes Interesse bekundet hat.

 

Normenkette

RVO § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 31. März 1965 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger beansprucht Entschädigung für die Folgen eines Unfalls bei einem Fußballspiel.

Der Kläger ist Bediensteter der Deutschen Bundeshahn und war im April 1962 bei dem Weichenbauzug 0506 beschäftigt. Dieser Zug war am 18. April 1962 im Bahnhof H abgestellt. Nach Beendigung der Arbeit spielten Angehörige des Bauzuges auf einer in der Nähe gelegenen Wiese Fußball. Hierbei stürzte der Kläger und zog sich einen Unterschenkelbruch rechts zu.

Die Bundesbahnausführungsbehörde ( BBAusfBeh .) für Unfallversicherung, Bezirksleitung K, lehnte durch Bescheid vom 23. Januar 1963 den Entschädigungsanspruch des Klägers ab und führte zur Begründung u. a. aus: Das Fußballspielen der Bauzugsangehörigen, das hin und wieder bei schönem Wetter nach Feierabend stattgefunden habe, falle nicht unter den unfallversicherten Betriebssport. Hierzu sei eine gewisse Dauer, Regelmäßigkeit und eine unternehmensbezogene Organisation erforderlich. Es seien zwar von der Dienststelle und vom Betriebsrat gemeinsame Sportbekleidung und Fußbälle beschafft worden. Darin habe sich jedoch deren Unterstützung erschöpft. Vor allem seien keine anleitenden und aufsichtsführenden Personen von der Dienststelle oder dem Betriebsrat oder auch von den Spielern selbst aufgestellt worden. Es handele sich auch nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, die von der Autorität des Unternehmers getragen gewesen sei. Der Unternehmer sei nicht durch einen Beauftragten vertreten gewesen. Auch der Betriebsrat habe nicht an seiner Stelle eine Gemeinschaftsveranstaltung, die von der Autorität des Unternehmers getragen gewesen sei. Der Unternehmer sei nicht durch einen Beauftragten vertreten gewesen. Auch der Betriebsrat habe nicht an seiner Stelle eine Gemeinschaftsveranstaltung durchgeführt.

Mit der beim Sozialgericht (SG) Kassel erhobenen Klage hat der Kläger u. a. vorgetragen: Es sei immer Fußball gespielt worden, wenn es die Wetterlage erlaubt habe und ein geeigneter Platz vorhanden gewesen sei. Regelmäßig hätten sich auch der Dienststellenleiter oder Aufsichtskräfte sowie Mitglieder des Personalrates beteiligt und für einen ordnungsmäßigen Spielablauf gesorgt. Es habe auch im Interesse des Arbeitgebers gelegen, daß die Bediensteten sich sportlich betätigten, um einen Ausgleich für die tägliche schwere Arbeit zu erhalten und die Arbeitsfreude zu heben. Da schon lange Zeit Fußball gespielt worden sei, hätten die Bediensteten den Schluß ziehen können, daß das Spielen vom Unternehmen getragen werde. Das SG hat den dem Personalrat angehörenden Kraftfahrer Karl G und den technischen Bundesbahninspektor Sch als Zeugen vernommen und durch Urteil vom 16. Januar 1964 wie folgt entschieden:

Der Bescheid vom 23. Januar 1963 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Folgen des Unfalls des Klägers vom 18. April 1962 nach den Vorschriften des 3. Buches der Reichsversicherungsordnung zu entschädigen und als vorläufige Leistung 300.- DM dem Kläger zu gewähren.

Mit der Berufung hiergegen hat die BBAusfBeh . u. a. vorgetragen, das Fußballspielen sei eine freiwillige Freizeitgestaltung gewesen, zu der sich die Bauzugsangehörigen nach Feierabend locker zusammengefunden hätten. Auch habe die Bundesbahn keine Sportgeräte zur Verfügung gestellt. Diese seien vielmehr zum Teil vom Bundesbahn-Sozialwerk gestiftet worden, das die Aufgabe habe, über die Fürsorgepflicht des Dienstherrn hinaus Bedienstete und Ruheständler im Wege der Selbsthilfe zu betreuen und sie bei der Gestaltung der Freizeit zu unterstützen.

Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 31. März 1965 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen sowie die Revision zugelassen.

Zur Begründung hat das LSG u. a. ausgeführt: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei es für die Anerkennung einer sportlichen Betätigung als Betriebssport u. a. erforderlich, daß der Sport im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinde. Eine organisierte Sportgemeinschaft innerhalb des Bauzuges habe nicht bestanden, sie sei weder vom Dienststellenleiter noch vom Betriebsrat gebildet worden. Hin und wieder habe zwar ein Spiel der Innendienstler gegen die Außendienstler stattgefunden. Meist hätten sich aber die Beteiligten eingefunden und unter sich Mannschaften gebildet. Die Spiele seien auch nicht an festgelegten Tagen durchgeführt worden, sondern nur wenn sich Gelegenheit ergeben habe und das Wetter entsprechend gewesen sei. Meist seien auch zu viel Interessenten gekommen, so daß es auf den einzelnen gar nicht angekommen sei. Der Bauzugleiter Sch habe es zwar lieber gesehen, daß Fußball gespielt wurde als daß die Belegschaft in eine Wirtschaft ging, und habe auch gelegentlich selbst mitgespielt. Die Angehörigen des Bezuges hätten sich aber ganz nach ihrem Belieben zusammengefunden, ohne daß eine bestimmte Organisation bestanden habe. Das gemeinsame Spiel habe zwar der Erholung nach schwerer Arbeit gedient und die Kameradschaft gefördert, wobei zu berücksichtigen sei, daß durch das einsatzbedingte enge Zusammenleben der Angehörigen eines Bauzuges leicht Spannungsmöglichkeiten beständen. Insofern habe das Fußballspiel auch den Interessen des Unternehmers gedient. Trotzdem sei das Fußballspiel eine reine Freizeitgestaltung geblieben. Auch der Umstand, daß der Fußball und die Trikots ebenso wie Geräte für Federball und Tischtennis teilweise vom Bundesbahn-Sozialwerk zur Verfügung gestellt worden seien, rechtfertige keine andere Entscheidung. Da es an der betriebsbezogenen Organisation fehle, bedürfe es keiner Prüfung, ob die anderen vom BSG geforderten Merkmale bestanden hätten. Der Senat habe es insbesondere dahingestellt gelassen, ob Fußballspiel ein geeigneter Ausgleichssport sei. Da das Spiel weder vom Arbeitgeber noch vom Betriebsrat veranstaltet worden sei, handele es sich auch nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung.

Gegen das Urteil des LSG hat der Kläger in der gesetzlichen Form und Frist Revision eingelegt und sie in der gesetzlichen Frist begründet.

Der Kläger trägt u. a. vor: Bei einer Wertung der Ursachenreihe: private Freizeitgestaltung und Ausgleich für die betriebliche Beanspruchung, müßten die Besonderheiten berücksichtigt werden, sie sich bei einer in einem Bauzug zusammengefaßten Beschäftigtengemeinschaft ergeben. Es komme darauf an, ob der Verletzte einer Gefahr erlegen, sei, die innerlich und ursächlich mit der Unterbringung bzw. dem Aufenthalt im Bauzug zusammenhänge. Das Interesse der Bundesbahn am Fußballspiel ergebe sich u. a. daraus, daß die Verwaltung an der kameradschaftlichen Verbundenheit der Bauzugangehörigen interessiert sei. Sie habe auch Bälle, Sportkleidung, Tennisschläger, Federballspiele und für die Ausübung des Sportes Bahngelände wie Laderampen und Ladestraßen zur Verfügung gestellt. Die Verwaltung sei daran interessiert, schädliche Freizeitgestaltung wie z. B. Besuch von Gastwirtschaften möglichst zu verhindern. Das Fehlen einer "betriebsbezogenen Organisation" sei nicht entscheidend. Der erkennende Senat habe im Urteil vom 26. April 1963 (2 RU 264/58 - SozR Nr. 63 zu RVO § 542 aF) auch nur das private und das geschäftliche Interesse des Versicherten an der Sportveranstaltung gegeneinander abgewogen. Bei der Frage des Ausgleichs dürfe man nicht nur die körperliche Seite berücksichtigen, sondern auch besonders den seelisch-geistigen Bereich, nämlich die Ablenkung von einer monotonen Belastung.

Der Kläger beantragt:

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Kassel vom 16. Januar 1964 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt:

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Wie die Revision an sich zutreffend ausführt, hatte die Deutsche Bundesbahn zwar ein unmittelbares Interesse daran, daß die Angehörigen des Bauzuges ihre Freizeit in einer für die Erhaltung der Arbeitskraft und ein kameradschaftliches "Betriebsklima" förderlichen Weise ausnutzten. Auch ist es in diesem Zusammenhang nicht von entscheidender Bedeutung, daß ein Teil der für die Beschaffung von Fußbällen und Trikots - ebenso wie von Federball- und Tischtennisgeräten - erforderlichen Mittel nicht unmittelbar von der für den Bauzug zuständigen Dienststelle der Bundesbahn, sondern von deren "Sozialwerk" zur Verfügung gestellt worden war. Diese Verknüpfung des Fußballspieles mit den Interessen des Unternehmers, die auch vom LSG nicht verkannt worden ist, genügt jedoch nicht, um das Fußballspiel während der Freizeit hinsichtlich des Versicherungsschutzes der gesetzlichen Unfallversicherung der versicherten Tätigkeit im Unternehmen gleichstellen zu können. Vielmehr steht die Ausnutzung von Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, auch wenn sie vom Unternehmer geschaffen sind, grundsätzlich nicht unter Versicherungsschutz (vgl. BSG 9, 222, 226; auch SozR Nr. 25 zu RVO § 542 aF). Die Revision berücksichtigt auch nicht, daß in dem durch das Urteil des erkennenden Senats vom 26. April 1963 - 2 RU 264/58 - SozR Nr. 63 zu RVO § 542 aF), auf das sich die Revision beruft, entschiedenen Fall die Teilnahme an einer Motorradgeschicklichkeitsfahrt der Tätigkeit des Verletzten in einem Kraftfahrzeugunternehmen zugerechnet worden ist, weil die Verwendung des als Verkaufsmodell dienenden Kraftrades eine unmittelbare Werbewirkung für das Unternehmen ermöglichte.

Im vorliegenden Fall bedarf es auch keiner eingehenden Prüfung, welche Folgerungen sich aus den von der Rechtsprechung für Unfälle auf Dienstreisen (vgl. BSG 8, 48, 50) und für den sog. "Betriebsbann" der Unternehmen der Binnenschiffahrt (vgl. BSG 14, 197) entwickelten Grundsätzen infolge der besonderen Verhältnisse, unter denen die Angehörigen eines Bauzuges arbeiten und untergebracht sind, für Unfälle von Bauzugangehörigen während der Freizeit ergeben. Denn diese Grundsätze gewinnen nur rechtliche Bedeutung, wenn ein Unfall während der Freizeit rechtlich wesentlich durch Umstände verursacht ist, die mit den besonderen Arbeits- und Unterbringungsverhältnissen in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Das trifft im vorliegenden Fall nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht zu.

Da nach der Lage des Falles auch ein Versicherungsschutz für die Teilnahme beim Fußballspiel unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung (BSG 1, 179; 7, 249) ausscheidet, hat das LSG zutreffend darauf abgestellt, ob das Fußballspiel als "Betriebssport" der versicherten Arbeitstätigkeit zuzurechnen ist.

Das ist auch nach der Auffassung des erkennenden Senats zu verneinen. Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen die sportliche Betätigung der in einem Unternehmen Beschäftigten als "Betriebssport" unter Versicherungsschutz steht, hat der erkennende Senat im Urteil vom 28. November 1961 - 2 RU 130/59 - (BSG 16, 1), auf das im einzelnen Bezug genommen wird, folgende Leitsätze aufgestellt:

Der Betriebssport als Maßnahme zur Gesunderhaltung der Beschäftigten und zur Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft steht unter Unfallversicherungsschutz, wenn folgende Merkmale gegeben sind:

a) Die Leibesübungen müssen dem Ausgleich für die Belastung durch die Betriebstätigkeit dienen, nicht dagegen der Teilnahme am allgemeinen sportlichen Wettkampfverkehr oder der Erzielung von Spitzenleistungen.

b) Die Übungen müssen mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfinden.

c) Der Teilnehmerkreis muß im wesentlichen auf die Beschäftigten des veranstaltenden Unternehmens oder der an der gemeinsamen Durchführung des Betriebssports beteiligten Unternehmen beschränkt sein.

d) Die Übungszeiten und die jeweilige Dauer der Übung müssen in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit stehen.

e) Die Übungen müssen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden, zu der sich auch mehrere Unternehmen zusammenschließen können. Der Anerkennung versicherten Betriebssports steht es nicht entgegen, daß diese Organisation auf einen aus Betriebsangehörigen bestehenden Verein übertragen ist, der die soziale Betreuung der Belegschaft bezweckt und insoweit in enger Zusammenarbeit mit dem Unternehmen steht.

Bei dem Erfordernis der Regelmäßigkeit (Leitsatz b) muß allerdings, wie wohl auch das LSG nicht verkannt hat, berücksichtigt werden, daß die Möglichkeit zu körperlicher Betätigung durch Fußballspiel jeweils von der Witterung und den durch den Standort des Bauzuges bedingten örtlichen Verhältnissen abhängig war. Auch das Erfordernis, daß die Übungen im Rahmen einer "unternehmensbezogenen Organisation" (Leitsatz e) stattfinden, auf dessen Fehlen das LSG entscheidend abgestellt hat, dient in erster Linie der Abgrenzung gegenüber Betätigungen in Vereinen oder sonstigen Einrichtungen, die mit dem Unternehmen nicht in Beziehung stehen. Es ist nicht auszuschließen, daß Fälle denkbar sind, in denen nach den tatsächlichen Umständen eine "Organisation" als Rahmen der Übungen nicht geschaffen werden kann.

Doch kann das für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da nach den Feststellungen des LSG das Fußballspielen, zu dem sich die jeweils daran Interessierten je nach Gelegenheit in wechselnder Zahl nach Belieben zusammenfanden, nicht durch eine Leitung unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichszwecks diesem besonderen Zweck entsprechend gestaltet war. Es fehlte an einer vom Unternehmen oder einem Beauftragten ausgehenden zweckgerichteten Einflußnahme auf die Gestaltung der Übungen. Deshalb handelte es sich nur um eine Gelegenheit, die Freizeit zum Fußballspielen zu benutzen, und nicht um zweckentsprechend gestaltete betriebssportliche Übungen. Diese Betätigung während der Freizeit ist auch nach der Auffassung des erkennenden Senats dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen.

Die Revision des Klägers ist hiernach nicht begründet und war zurückzuweisen (§ 170 SGG).

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens ergeht auf Grund von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324378

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