Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 9. Juli 1969 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger erhielt wegen der Folgen eines am 9. März 1963 erlittenen Arbeitsunfalls eine Dauerrente in Höhe von zuletzt 20 v.H. der Vollrente, die durch den Rentenbescheid vom 23. Dezember 1964 festgestellt wurde. Diese Leistung entzog die Beklagte durch Bescheid vom 24. November 1967 mit Ablauf des Jahres 1967, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers nur noch um 10 v.H. gemindert sei. Vor dem Sozialgericht (SG) hat der Kläger beantragt, diese Rente über den 31. Dezember 1967 hinaus zu gewähren, weil eine wesentliche Besserung nicht eingetreten sei. Während des Klageverfahrens erlitt der Kläger am 27. Februar 1968 einen weiteren Arbeitsunfall, den die Beklagte durch Bescheid vom 11. September 1968 für die Zeit vom 4. April bis 31. Juli 1968 mit einer Rente in Höhe von 10 v.H. der Vollrente entschädigte. Diesen Bescheid hat der Kläger nicht angefochten.

Mit einem weiteren Bescheid vom 11. September 1968 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 4. April bis zum 31. Juli 1968 (Beginn und Ende der Stützrente aus dem zweiten Unfall) eine Teilrente in Höhe von 10 % wegen der Folgen des ersten Unfalls. Diesen letzteren Bescheid hat das SG als gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) angefochten angesehen.

Das SG hat die Beklagte verurteilt, die Teilrente aus dem ersten Unfall über den 31. Juli 1968 hinaus bis zum 3. April 1969 zu gewähren. Es hat dazu ausgeführt, die Erwerbsunfähigkeit des Klägers sei zwar über den 31. Dezember 1967 hinaus nur noch um 10 v.H. gemindert, so daß ihm nach § 581 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Rentenanspruch an sich nicht mehr zustehe. Da die Beklagte ihm aber wegen der Gewährung der Rente wegen des zweiten Unfalls auf Grund des § 581 Abs. 3 RVO auch für den ersten Unfall eine Dauerrente für die Zeit vom 4. April 1960 bis zum 31. Juli 1968 gewährt habe, bestehe nach § 622 Abs. 2 RVO Anspruch auf Gewährung dieser Rente für mindestens ein Jahr; denn die gestützte Rente entfalle nicht mit der stützenden Rente, sondern könne erst mit Ablauf des für sie maßgebenden Schutzjahres geändert werden.

Auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil aufgehoben, soweit es den Bescheid vom 11. September 1968 und die Verpflichtung der Beklagten zur Weitergewährung der Teilrente bis zum 3. April 1969 betrifft, weil § 96 SGG auf diesen Bescheid nicht anwendbar sei.

Die Klage sei im übrigen aber auch sachlich unbegründet. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei infolge des ersten Unfalls nur noch um 10 v.H. gemindert. Auch in Verbindung mit der Erwerbsminderung um weitere 10 v.H. durch den zweiten Unfall könne die Kleinrente nicht für die Dauer eines Jahres gewährt werden. Die Fassung des § 581 Abs. 3 RVO verdeutliche hinreichend, daß Beginn und Ende derartiger Kleinrenten wechselseitig voneinander abhängig seien und ihre Voraussetzungen entfielen, sobald die Erwerbsfähigkeit durch die verschiedenen Arbeitsunfälle insgesamt um weniger als 20 v.H. gemindert sei. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob einer Kleinrente eine bereits als Dauerzustand im Sinne der Unfallversicherung (UV) geltende Erwerbsminderung zugrunde liege oder nicht. § 622 Abs. 2 Satz 2 RVO sei unter den gegebenen Umständen nicht anwendbar; er betreffe die Neufeststellung der Leistungen infolge wesentlicher Änderung der Verhältnisse und normiere in diesem Zusammenhang das sogenannte Schutzjahr für jeden einzelnen Unfallfolgezustand getrennt. Das bedeute, daß zwar der dem Bescheid vom 11. September 1968 zugrunde liegende Grad der MdE vor Ablauf dieser Zeit nicht geändert werden könne, nicht aber, daß auch die Kleinrente für die gleiche Zeit geschützt sei. Denn diese beruhe nicht auf einer Änderung der Verhältnisse und der sich daraus ergebenden Neufeststellung im Sinne des § 622 RVO, sondern auf der durch einen anderen Unfall verursachten MdE.

Mit der zugelassenen Revision trägt der Kläger vor, das „Schutzjahr” gelte auch dann, wenn es sich um eine Kleinrente handele. § 622 Abs. 2 RVO gehe § 581 Abs. 3 RVO in seiner Wirkung vor. Die MdE aus dem einen Unfall sei nicht tatsächliche Anspruchsvoraussetzung für den Rentenanspruch aus dem anderen Unfall. Der Bescheid vom 11. September 1968 sei Gegenstand des anhängigen Verfahrens; deshalb müsse auch die Kleinrente aus dem ersten Unfall in ihrem gesamten Umfang einbezogen werden. Diese Rente habe schon mit dem 27. Februar 1968 beginnen müssen, weil durch den zweiten Unfall an diesem Tage eine Änderung in den Verhältnissen im Sinne des § 622 RVO eingetreten sei.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 2. Mai 1969 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und führt zum Rentenbeginn aus, der Anspruch auf eine Kleinrente bestehe solange nicht, wie der durch einen weiteren Unfall Verletzte noch arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung sei. Anderenfalls werde jede über die 13. Woche hinaus andauernde unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit den Anspruch auf die Kleinrente auslösen.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Kleinrente wegen des Unfalls vom 9. März 1963 für die Dauer eines Jahres zu gewähren.

Verfahrensrechtliche Gründe stehen der materiell-rechtlichen Prüfung des Anspruchs nicht entgegen; denn der Bescheid vom 11. September 1968 ist Gegenstand des vor dem SG anhängigen Verfahrens geworden. Entgegen der Ansicht des LSG liegen die Voraussetzungen des § 96 SGG vor. Danach wird ein neuer Verwaltungsakt dann Gegenstand des Verfahrens, wenn er den angefochtenen abändert oder ersetzt. Der Bescheid vom 11. September 1968 hat den angefochtenen Entziehungsbescheid vom 24. November 1967 in seiner Wirkung abgeändert. Denn nach dessen Inhalt war der durch die Rentenbewilligung für die Zukunft zeitlich unbegrenzt festgestellte Rentenanspruch mit Ablauf des auf die Zustellung des Bescheids folgenden Monats erloschen; der Dauerrentenbescheid vom 23. Dezember 1964 war m. a. W. mit Wirkung vom 1. Januar 1968 aufgehoben. Demgegenüber ist in dem Bewilligungsbescheid vom 11. September 1968 festgestellt, daß für die Zeit vom 4. April bis zum 31. Juli 1968 ein Rentenanspruch doch besteht. Dieser Fall ist dem der auf einen gleichbleibenden Dauerzustand einrichten konnte, schützt ihn die Vorschrift insofern, als eine Änderung nur in Abständen von mindestens einem Jahr möglich ist. Anders als bei Entziehung oder Änderung einer Rente, wird im vorliegenden Fall aber nicht ein bestehender Dauerzustand geändert, auf dessen Fortbestehen der Kläger wegen des zeitlich uneingeschränkten Bewilligungsbescheides vertrauen konnte, sondern es wird von vornherein das Ende der Rente bereits mit der Bewilligung der Rente festgesetzt.

Mit Ablauf des 31. Juli 1968 waren die Voraussetzungen für die Gewährung einer Kleinrente nach § 581 Abs. 3 Satz 1 RVO entfallen, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers aus beiden Unfällen zusammen nicht mehr um 20 v.H. gemindert war. Zutreffend hat daher das LSG die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Einer Entscheidung über den Beginn der Kleinrente steht der von Amts wegen zu beachtende Einwand der Rechtskraft entgegen (§ 141 SGG).

Die Revision war deshalb zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Unterschriften

Dr. Dapprich, Dr. Witte, Burger

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 29.09.1970 durch Mackenroth Reg. Hauptsekretär Schriftführer

 

Fundstellen

Haufe-Index 707789

BSGE, 11

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