Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 10.01.1969)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Januar 1969 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin erlitt am 17. September 1963 einen Verkehrsunfall, durch den sie sich erhebliche Verletzungen zuzog. Zur Unfallzeit war sie als Fahrerin eines Pkw unterwegs von Herrsching nach München, um dort einen neuen Pkw (Marke Opel) für das Unternehmen ihres Ehemannes abzuholen. Der Ehemann der Klägerin, der Kraftfahrzeugmeister ist, unterhält in Herrsching eine Opel-Vertretung und betreibt außerdem eine Tankstelle mit Autoreparatur; im Jahre 1962 beschäftigte er vier Gehilfen und drei Lehrlinge. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Angestellte ihres Ehemannes unter Versicherungsschutz stand.

Bis zu ihrer Eheschließung im Jahre 1958 war die Klägerin als Buchhalterin und zuletzt als Inhaberin eines Lebensmittelgeschäfts tätig gewesen. Nach der Heirat half sie bei den im Geschäftsbetrieb ihres Ehemannes anfallenden Arbeiten mit. Etwa von 1960 an – nach dem Tode des bisherigen Buchhalters – übernahm sie die gesamten Buchhaltungsaufgaben, sie war ferner in der Tankstelle, beim Einkauf von Kfz-Ersatzteilen sowie bei der Überführung und. Zulassung von Neuwagen – ganztägig – tätig.

Am 15. Februar 1962 schloß die Klägerin mit ihrem Ehemann („Firma Fritz R. – Opel-Händler”) folgenden schriftlichen „Dienstvertrag”:

  1. Frau Anneliese R. erhält ab 1.1.1962 ein monatliches Bruttogehalt von DM 1.200,–.
  2. Die Lohnsteuer wird ordnungsgemäß abgeführt – eine Lohnsteuerkarte wird vorgelegt. Sozialversicherungsbeiträge fallen nicht an.
  3. Die Bezüge der Ehefrau werden ordnungsgemäß über Gehaltskonto verbucht.
  4. Die Ehefrau nimmt die Stelle einer Angestellten ein und stellt ihre Arbeitskraft der Firma zur Verfügung.

Für ein monatliches Bruttogehalt von 1.200,– DM wurden Lohn- und Kirchensteuer an das Finanzamt abgeführt. Im Lohnnachweis für die Beklagte ist die Klägerin nicht als Beschäftigte angegeben. Die Beklagte, deren Mitglied der Ehemann der Klägerin mit seinem Gewerbebetrieb ist, lehnte einen Entschädigungsanspruch durch Bescheid vom 27. August 1964 mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht gegen Arbeitsunfall versichert, die im Unternehmen tätigen Ehegatten der Unternehmer seien, soweit sie nicht nach anderen Vorschriften pflichtversichert seien, von der Versicherungspflicht ausgenommen; da die Satzung der Berufsgenossenschaft die Pflichtversicherung für Unternehmer oder ihre im Unternehmen tätigen Ehegatten nicht vorsehe und die Klägerin von der Möglichkeit, eine freiwillige Unternehmerversicherung abzuschließen, nicht Gebrauch gemacht habe, bestehe kein Unfallversicherungsschutz.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) München nach Beweiserhebung durch Urteil vom 17. Januar 1967 dem Antrag der Klägerin folgend die Beklagte zur Entschädigungsleistung verurteilt. Es hat angenommen, die Klägerin sei aufgrund eines ernstgemeinten, praktisch durchgeführten Dienstvertrages im Unternehmen ihres Ehemannes beschäftigt gewesen (§ 539 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung – RVO –) und auf einem mit dieser Tätigkeit zusammenhängenden Betriebsweg verunglückt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 10. Januar 1969 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Bundessozialgericht (BSG 11, 149) habe es zwar für zweifelhaft gehalten, ob in der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) überhaupt Raum für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Unternehmer und seinem im Unternehmen mittätigen Ehegatten sei, es habe indessen diese Frage nicht entschieden. Dagegen habe inzwischen das Bundesverfassungsgericht (BVerfG 18, 257) klargestellt, daß aufgrund der gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklung die Möglichkeit eines Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten anerkannt worden sei; der in einem echten Arbeitsverhältnis stehende Ehegatten gehöre dann zu den Beschäftigten der im § 165 Abs. 1 RVO bezeichneten Art (BVerfG 13, 318 ff). Es bestünden danach keine Bedenken dagegen, daß auch in der gesetzlichen UV ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem in seinem Unternehmen mittätigen Ehegatten angenommen werden könne, zumal da es in der UV nie eine Vorschrift gegeben habe (anders als für die Rentenversicherung durch die seit dem 1. Januar 1967 aufgehobenen §§ 4 Abs. 1 Nr. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und 1228 Abs. 1 Nr. 1 RVO), nach welcher der bei seinem Ehegatten Beschäftigte versicherungsfrei sei. Allein aus der in § 545 RVO eingeräumten Möglichkeit, sich als Ehefrau freiwillig gegen Arbeitsunfall zu versichern, sei nicht zu folgern, daß eine Ehefrau nicht aufgrund, eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses im Unternehmen ihres Ehemannes beschäftigt werden könne. Daß die Klägerin tatsächlich aufgrund eines Dienstverhältnisses wie eine Angestellte im Unternehmen ihres Ehemannes tätig geworden sei, lasse sich unter Berücksichtigung der durch die Beweisaufnahme erhärteten Umstände dieses Einzelfalls ebenfalls nicht verneinen. Unabhängig von den familienrechtlich, steuerrechtlich und auch unfallversicherungsrechtlich theoretisch denkbaren Möglichkeiten sowie in der Erkenntnis, daß Ehefrauen grundsätzlich zur Mitarbeit im Unternehmen des Ehemannes verpflichtet seien, sei im Falle der Klägerin nicht zu übersehen, daß sie mit ihrem Ehemann am 15. Februar 1962 nicht nur einen als solchen bezeichneten, sondern auch seinem Inhalt nach als Dienstvertrag auszulegenden Vertrag abgeschlossen habe, was nicht nur durch diesen Dienstvertrag selbst, sondern auch durch die Lohnsteuerkarte und den Lohnnachweis erhärtet worden sei. Das Bestehen eines echten Dienstvertrages werde auch durch die von der Klägerin im Rahmen des Unternehmens ihres Ehemannes ausgeübte Tätigkeit unterstrichen. Mit der Besorgung der Buchführung, dem Heranschaffen von Ersatzteilen für das Unternehmen und der Überführung von Kraftfahrzeugen vom Großhandel zum Unternehmen des Ehemannes habe die Klägerin eine Tätigkeit verrichtet, die im Rahmen dessen liege, was sonst auch Angestellte, die nicht zur Familie gehörten, auszuführen pflegten. Die Höhe der vereinbarten Vergütung halte sich im Rahmen dessen, was erfahrungsgemäß im Kraftfahrzeuggewerbe und -kleinhandel an Vergütungen für Angestellte dieser Art gezahlt werde.

Die Auffassung der Beklagten, § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO verlange nicht nur ein Dienst- sondern auch ein Beschäftigungsverhältnis, greife hier nicht durch, da die Klägerin tatsächlich im Betrieb ihres Ehemannes reichlich beschäftigt worden sei und sie diese Beschäftigung aufgrund des mit ihrem Ehemann abgeschlossenen Dienstvertrages ausgeübt habe. Daran ändere auch nichts die bei Abschluß des Dienstvertrages unter Umständen mit in Betracht gezogene Ersparnis an Einkommen- und Gewerbesteuer, denn maßgeblich für das Bestehen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses und eines damit zusammenhängenden Beschäftigungsverhältnisses sei die tatsächliche Ausgestaltung, die hier eindeutig für die Beschäftigung der Klägerin aufgrund eines Dienstverhältnisses spreche. Der Annahme eines Dienstverhältnisses und eines darauf beruhenden Beschäftigungsverhältnisses stehe ferner nicht, entgegen, daß die Klägerin im Beitragsnachweis nicht namentlich aufgeführt worden sei. Dies habe die Klägerin treffend mit dem Hinweis erklärt, in dem ihrem Ehemann von der Beklagten zur Ausfüllung übersandten Formblatt für den Lohnnachweis 1962 sei ausdrücklich erwähnt worden, daß die Ehefrau nicht aufzuführen sei; die Gründe hierfür seien nicht angegeben.

Mit der sogenannten Chef/Chefin-Theorie habe das BVerfG sich eingehend, auseinandergesetzt und in ihr keinen Hinderungsgrund gesehen, ein Beschäftigungsverhältnis der Ehefrau im Unternehmen des Ehemannes zu bejahen. Nach alledem sei die Klägerin dem nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versicherten Personenkreis zuzuordnen und ihr Unfall am 17. September 1963, weil er sich in Ausübung der versicherten Tätigkeit ereignet habe, als Arbeitsunfall zu erachten.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet: Die Regelung des Versicherungsschutzes in der UV (§ 539 Abs. 1 Nrn. 2, 5, 6, § 541 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a, § 542 Nr. 2 Buchst. a, §§ 543, 545 RVO) zeige, daß der im Unternehmen des Ehegatten mitarbeitende andere Ehegatte wie der Unternehmer, nicht jedoch wie ein Arbeitnehmer angesehen werde. Der in der UV zugrunde liegende Gedanke der Ablösung der Unternehmerhaftpflicht könne zwischen Ehegatten nicht zum Tragen kommen. Die Mitarbeit im Unternehmen des Ehegatten folge im allgemeinen aus der ehelichen Lebensgemeinschaft. Das LSG habe unter Verstoß gegen § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) keine Ermittlungen darüber angestellt, ob der zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann geschlossene Dienstvertrag nicht lediglich die schriftliche Festlegung ihrer ehelichen Mitarbeitspflicht charakterisiere. Falls jedoch ein Arbeitsverhältnis zwischen Ehegatten überhaupt als möglich und versicherungsrechtlich bedeutsam anzusehen wäre, könnte dies jedenfalls nur bei Annahme eines für ein Beschäftigungsverhältnis erforderlichen Über- und Unterordnungsverhältnisses bejaht werden. Daran fehle es aber im vorliegenden Fall, da die Klägerin nicht nur untergeordnete und belanglose Arbeiten, sondern Tätigkeiten verrichtet habe, die ohne ihre Mithilfe der Unternehmer selbst ausgeführt haben würde.

Die Beklagte beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die zugelassene Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Zutreffend hat das LSG entschieden, daß die Klägerin aufgrund eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt war und daher nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO unter UV-Schutz stand. Unter der – hier gegebenen – Voraussetzung, daß die Ernsthaftigkeit des Arbeitsverhältnisses nach den tatsächlichen Umständen eindeutig nachgewiesen ist, steht dem UV-Schutz nicht entgegen, daß es sich bei dem Unternehmer um den Ehegatten des Beschäftigten handelt.

Für den Bereich der gesetzlichen UV gibt es keine Vorschrift, nach der die Beschäftigung eines Ehegatten durch den anderen keine Versicherungspflicht begründet. Die Vorschrift des § 159 RVO, die eine solche Regelung enthielt, ist durch Art. 2 Abs. 1 der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung – VereinfVO – vom 17. März 1945 (RGBl I 41) aufgehoben worden. Die VereinfVO gilt spätestens seit dem Tage des erstmaligen Zusammentritts des Deutschen Bundestages (7. September 1949) im gesamten Bundesgebiet (vgl. BSG 3, 161; 10, 156, 15, 65; 18, 246). § 159 RVO ist daher nicht mehr anzuwenden (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.–7. Aufl., S. 470 y I).

Das Reichsversicherungsamt – RVA – (vgl. 1888, 314; 1903, 571; 1905, 406) hatte dem zwischen Ehegatten bestehenden Arbeitsverhältnis die sozialversicherungsrechtliche – auch unfallversicherungsrechtliche – Anerkennung allerdings versagt und dies insbesondere aus dem Wesen der Ehe begründet. Die Frage, ob in der gesetzlichen UV Raum für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Unternehmer und seinem im Unternehmen mittätigen Ehegatten ist, hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 15. Dezember 1959 (BSG 11, 149) offen gelassen. In einer späteren – unveröffentlichten – Entscheidung vom 18. Dezember 1969 (2 RU 232/67) hat der Senat jedoch schon zum Ausdruck gebracht, daß auch in der UV ein solches Arbeitsverhältnis nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann. Die entgegenstehende Auffassung des RVA (aaO.; vgl. auch Rienau in SozVers 1967, 27) läßt sich nicht aufrechterhalten.

In seinen zum Steuerrecht ergangenen Entscheidungen hat das BVerfG (vgl. BVerfG 9, 237; 13, 290 und 318; 16, 243) ausgesprochen, daß sachgerechte Gründe, welche die Nichtanerkennung nachweislich abgeschlossener, ernst gemeinter und vereinbarungsgemäß vollzogener Arbeitsverträge unter Ehegatten rechtfertigen würden, aus dem Wesen der Ehe nicht hergeleitet werden können. Wie das BVerfG ausgeführt hat (BVerfG 13, 290, 301), sind sich zivil- und arbeitsrechtliche Rechtsprechung und Literatur einig, daß ein Ehegatte sich auch zu unselbständiger Arbeit im Betrieb des anderen verpflichten kann und dann als echter Arbeitnehmer anzusehen ist, wenn auch einzelne Vorschriften des Arbeitsrechts kraft ausdrücklicher normativer Bestimmung oder nach der Natur der Sache nicht praktisch werden. Im Steuerrecht ist deshalb ernsthaften Verträgen zwischen Ehegatten die Anerkennung nicht versagt worden (BVerfG aaO). Für den Bereich der Krankenversicherung und der Rentenversicherung ist das BVerfG zwar der Ansicht des Bundessozialgerichts, das die hier – anders als in der UV – der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten ausdrücklich entgegenstehenden Vorschriften (vgl. §§ 175, 1228 Abs. 1 Nr. 1 RVO, 4 Abs. 1 Nr. 2 AVG, 30 Abs. 1 Nr. 1 des Reichsknappschaftsgesetzes –RKG–) wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig gehalten hat (vgl. Beschluß vom 25. April 1962 in SGb 1963, 108; BSG 17, 27, 30, 19, 265, 269), zur Krankenversicherung nicht und zur Rentenversicherung nur teilweise gefolgt (Beschluß vom 26. November 1964 in BVerfG 18, 257 = NJW 1965, 195). Auch in den Gründen dieser die Sozialversicherung betreffenden Entscheidung hat das BVerfG jedoch hervorgehoben, die Auffassung, daß die umfassende Lebensgemeinschaft der Ehe ihrem Wesen nach ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis eines Ehegatten gegenüber dem anderen ausschließe, sei nicht mehr gerechtfertigt, nachdem aufgrund der gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklung die Möglichkeit eines Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten anerkannt worden sei und das BVerfG dies bestätigt habe (vgl. BVerfG 18, 257, 266). Der in einem echten Arbeitsverhältnis stehende Ehegatte gehört dann, wie das BVerfG ausgeführt hat, zu den Beschäftigten der in § 165 Abs. 1 RVO bezeichneten Art (vgl. BVerfG 18, 257, 266). An dieser Rechtsprechung hat das BVerfG auch später festgehalten (Entscheidung vom 22. Juli 1970 in BStBl II 625 = NJW 1970, 1787). Der Gesetzgeber hat dieser Rechtsprechung dadurch Rechnung getragen, daß er in den Rentenversicherungen die bisherigen – oben angeführten – Vorschriften über Versicherungsfreiheit der bei ihren Ehegatten Beschäftigten aufgehoben (vgl. Art. 1 des 2. Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes –RVändG– vom 23. Dezember 1966 – BGBl I 745) und in der Krankenversicherung die Vorschrift des § 175 RVO mit Wirkung vom 1. Januar 1971 (Art. 1 Nr. 3 des 2. KrVÄndG vom 21. Dezember 1970 – BGBl I 1770) außer Kraft gesetzt hat.

Es sind keine Gründe ersichtlich, die es für den Bereich der gesetzlichen UV anders als in den übrigen Zweigen der Sozialversicherung sowie im Arbeits- und Steuerrecht rechtfertigen würden, die Möglichkeit eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO zwischen Ehegatten nicht anzuerkennen. Allerdings ist wie auch im Steuer- und im Arbeitsrecht (vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band I, 7. Aufl., §. 9 S. 52 mit weiteren Nachweisen) jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob eindeutige Grundlagen für die Annahme eines echten Arbeitsverhältnisses gegeben sind oder ob der Ehegatten lediglich aufgrund der ehelichen Mitarbeitspflicht tätig wird (vgl. § 1356 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB–).

Die besonderen Vorschriften über eine Einbeziehung der im Unternehmen tätigen Ehegatten in die UV stehen der Annahme eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO nicht entgegen. Die kraft Gesetzes bestehende Versicherung für Hausgewerbetreibende, landwirtschaftliche Unternehmer und Kleinunternehmer der Seefischerei (§ 539 Nrn. 2, 5 und 6 RVO) umfaßt auch die mittätigen Ehegatten. Diese Personen sollen auf jeden Fall geschützt sein, auch wenn die besonderen Voraussetzungen eines echten Arbeitsverhältnisses zwischen den Ehegatten nicht vorliegen; es bedarf folglich nicht der Prüfung, wie die Tätigkeit des Ehegatten im einzelnen gestaltet ist. Die Möglichkeiten, den mittätigen Ehegatten des Unternehmers aufgrund der Satzung (§ 543 Abs. 2 RVO) oder aufgrund freiwilligen Beitritts (§ 545 Abs. 2 RVO) an der Versicherung teilhaben zu lassen, stehen unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß eine Versicherung nicht schon kraft Gesetzes besteht. Hieraus sowie aus allgemeinen Gründen läßt sich herleiten, daß der aufgrund eines echten Beschäftigungsverhältnisses bestehende Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO demjenigen aus §§ 543, 545 RVO vorrangig ist (vgl. Brackmann, aaO, S. 471). Während der zeitlichen Geltungsdauer des § 159 RVO war durch den ausdrücklichen Vorbehalt in dieser Vorschrift sichergestellt, daß die (jetzt) von § 543 und § 545 RVO erfaßten Personenkreise unter Versicherungsschutz standen. Aber auch nach dem Wegfall des § 159 RVO haben die angeführten Vorschriften ihre Bedeutung in den Fällen behalten, in denen die Mitarbeit des Ehegatten nicht den an ein echtes Beschäftigungsverhältnis zu stellenden Erfordernissen entspricht (vgl. Brackmann, aaO, S. 471).

Der Annahme des LSG, daß die Klägerin aufgrund eines ernstgemeinten, praktisch durchgeführten Arbeitsverhältnisses bei ihrem Ehemann beschäftigt war, ist auch unter Berücksichtigung des hierfür anzulegenden strengen Maßstabs zu folgen. Der von der Beklagten hervorgehobene Umstand, daß die Klägerin keine untergeordneten Arbeiten verrichtet hat, ist unerheblich; auch sogenannte höhere Dienstleistungen können in abhängiger Stellung ausgeübt werden. Es liegt in der Natur der Verhältnisse, daß die Abhängigkeit unter Eheleuten im allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist. Der Hinweis im Dienstvertrag, daß „Sozialversicherungsbeiträge nicht anfallen”, entsprach jedenfalls für die Krankenversicherung und die Rentenversicherung der damaligen Rechtslage (vgl. §§ 175 RVO, 4 Abs. 1 Nr. 2 AVG). Die unterlassene Meldung der Klägerin im Lohnnachweis läßt sich, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, durch den Vermerk im Vordruck erklären, daß der Ehegatte nicht aufzuführen sei. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die nicht wirksam angegriffen sind, ist es gerechtfertigt, ein echtes Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann anzunehmen. Da die unfallbringende Fahrt mit diesem Beschäftigungsverhältnis in ursächlichem Zusammenhang stand und Unfallfolgen in einem für die Leistungsgewährung vorausgesetzten Mindestumfang vorhanden sind, hat das LSG die Beklagte mit Recht – unter Bestätigung des SG-Urteils – zur Entschädigungsleistung verurteilt.

Die Revision ist demnach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

Unterschriften

Vizepräsident Brackmann ist durch Urlaub verhindert, das Urteil zu unterschreiben. Friedrich, Friedrich, Küster

 

Fundstellen

BSGE, 207

NJW 1973, 295

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