Leitsatz (amtlich)

1. Die Tätigkeit der Richter ist eine solche "im öffentlichen Dienst"; die Berechnung ihres Berufsschadensausgleichs regelt sich daher nach DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 4 Abs 1.

2. Die Einstufung der Richter in die Besoldungsgruppe A 14 BBesG ist zur Zeit - noch - nicht zu beanstanden.

 

Leitsatz (redaktionell)

BVG § 30 Abs 7 - DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 4 - strukturelle Besoldungsänderungen:

a) Der Auffassung, die nach DV § 4 für die Beamten des höheren Dienstes vorgesehene Höchsteinstufung nach der Besoldungsgruppe A 14 ist für Richter nicht anzuwenden, ist nicht zu folgen.

b) Ebensowenig ist anzunehmen, daß wegen der inzwischen eingetretenen wirtschaftlichen Veränderungen und der strukturellen Gehaltsverbesserungen im öffentlichen Dienst DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 4 nicht (mehr) gesetzeskonform ist, soweit er die Höchsteinstufung für Beamte des höheren Dienstes und Richter auf die Besoldungsgruppe A 14 BBesG begrenzt.

Das Gesetz erstrebt erkennbar und im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit zulässigerweise einen pauschalierten Ausgleich nach einer generalisierenden Berechnungsweise des Einkommensverlustes. Deshalb rechtfertigen es die bisherigen strukturellen Änderungen in der Besoldung der Beamten und Richter noch nicht, den DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 4 über die Ermittlung des Einkommensverlustes als nicht mehr in Einklang mit der Ermächtigungsnorm (BVG § 30 Abs 7) anzusehen.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1966-12-28, Abs. 4 Fassung: 1966-12-28, Abs. 7 Fassung: 1966-12-28; BVG § 30 Abs 3 u 4 DV § 4 Abs. 1 Fassung: 1968-02-28

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 16. Juni 1972 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 19. Oktober 1971 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin ist die Witwe und Rechtsnachfolgerin des Amtsgerichtsrats F K (K.); dieser ist während des Revisionsverfahrens am 26. September 1972 verstorben. K. erhielt Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe (BesGr) A 14 des Saarländischen Besoldungsgesetzes. Er bezog ferner eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 v.H., Pflegezulage Stufe III und Schwerstbeschädigtenzulage Stufe V. Mit Ablauf des Monats März 1968 wurde er vorzeitig in den Ruhestand versetzt; die Pensionierung erfolgte wegen der Schädigungsleiden. Mit Bescheid vom 13. November 1968 wurde K. ein Berufsschadensausgleich vom 1. April 1968 an gewährt. Als Vergleichsgrundlage wurde des Endgrundgehalt der BesGr A 14 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zuzüglich Ortszuschlag zugrunde gelegt. Der Widerspruch des K., mit dem er die Einstufung in die BesGr A 15 begehrte, war erfolglos (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Saarland vom 19. März 1969). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 19. Oktober 1971 abgewiesen. Im Berufungsverfahren beantragte K., bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs (BSchA) eine höhere BesGr als A 14 des BBesG zugrunde zu legen. Das Landessozialgericht (LSG) hat eine Auskunft des Saarländischen Ministers des Inneren eingeholt. Durch Urteil vom 16. Juni 1972 hat das LSG das Urteil des SG vom 19. Oktober 1971 aufgehoben, den Bescheid des Versorgungsamtes (VersorgA) N vom 13. November 1968 geändert und das beklagte Land verurteilt, dem Kläger Berufsschadensausgleich auf der Grundlage des Endgrundgehalts der BesGr A 15 des BBesG zu gewähren. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, K. sei zwar von der Versorgungsverwaltung nach § 4 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zutreffend in die BesGr A 14 eingestuft worden. Diese Bestimmung sei jedoch - zumindest für den Zeitraum, auf den sich die Entscheidung erstrecke - nicht gesetzeskonform. Die Gerichte seien befugt, über die Übereinstimmung einer Rechtsverordnung mit einem Gesetz in eigener Zuständigkeit zu entscheiden. Entgegen der Auffassung des K. seien zwar bei der Anwendung des § 4 DVO die Richter nicht prinzipiell anders zu behandeln als die Beamten des öffentlichen Dienstes. Die Betrachtung der Besoldungssituation der Richter und der Beamten des höheren Dienstes führe aber zu dem Ergebnis, daß die Berechnung des Durchschnittseinkommens bei diesen Personengruppen vom vollendeten 45. Lebensjahr an auf der Grundlage des Endgrundgehaltes der BesGr A 14 der Regelung in § 30 Abs. 4 BVG zuwiderlaufe. Aus der Auskunft des Saarländischen Ministers des Inneren ergebe sich, daß von insgesamt 458 Richtern und Beamten mit vergleichbarer Vorbildung zur Zeit 110 in der BesGr A 15 seien. Diese BesGr werde von Beamten durchschnittlich bereits in einem Lebensalter von 40 Jahren und von Richtern des Eingangsamtes mit 45 Jahren, von Richtern im ersten Beförderungsamt (Direktoren) mit 41 Jahren erreicht. Für den Zeitpunkt der Entscheidung sei somit festzustellen, daß sich die Berufsgruppe, der K. angehöre durchschnittlich nach Vollendung des 45. Lebensjahres in der BesGr A 15 befinde. Der Saarländische Minister der Justiz habe in einer Bescheinigung vom 4. Oktober 1967 bestätigt, daß K. zu diesem Zeitpunkt ohne die Schädigungsfolgen die Stelle eines Amtsgerichtsdirektors oder eine andere nach A 15 bewertete Stelle innegehabt hätte. Demnach wäre es keineswegs ein außergewöhnlicher, sondern ein durchschnittlicher Berufserfolg gewesen, wenn K. sich seit April 1968 in einem Amt der BesGr A 15 befunden hätte. Daher sei es gerechtfertigt, daß der dem K. seit dieser Zeit gewährte BSchA auf der Grundlage des Endgrundgehalts der BesGr A 15 berechnet werde. Bei der Ermittlung des Einkommensverlustes sei ein durchschnittlicher Berufserfolg zugrunde zu legen. Diesem Erfordernis könne nicht dadurch Rechnung getragen werden, daß der VO-Geber Werte zugrunde lege, die allenfalls im Zeitpunkt des Erlasses der VO noch den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht würden. Vielmehr sei es erforderlich, entweder die VO in kürzeren Zeiträumen den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen oder, wenn sie für einen längeren Zeitraum gelten solle, anhand einer Prognose für den voraussichtlichen Geltungszeitraum einen Mittelwert zu ermitteln und zugrunde zu legen. Der Senat habe daher dem VO-Geber die Gefolgschaft versagen und auf Grund des formellen Gesetzes entscheiden müssen.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 1. August 1972 zugestellt, der dagegen am 25. August Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 2. November 1972 mit einem Schriftsatz vom 26. Oktober, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 27. Oktober 1972, begründet hat.

Der Beklagte beantragt;

Das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 16. Juni 1972 wird aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 19. Oktober 1971 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Mit der Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG iVm § 4 der DVO vom 28. Februar 1968. Zur Begründung trägt er vor, es könne dahingestellt bleiben, ob die Feststellung des LSG richtig sei, daß die Mehrzahl der höheren Beamten und Richter in einem Lebensalter von 45 Jahren sich in der BesGr A 15 befinde. Das LSG habe aber unbeachtet gelassen, daß diese Personen nicht gleichzeitig die Endgehälter der BesGr A 15 erhielten. Nach dem Gesetz vom 17. Oktober 1972 betrage das Endgrundgehalt der BesGr A 14 2.569,57 DM. Dieser Betrag entspreche in etwa der 11. Dienstaltersstufe der BesGr A 15, die 2.589,10 DM betrage. Das Endgrundgehalt der BesGr A 15 aber werde erst von der 15. Dienstaltersstufe an gewährt. Mit diesen Feststellungen habe sich das LSG nicht auseinandergesetzt. Durchschnittseinkommen im Sinne des § 30 Abs. 3 und 4 BVG sei auch nicht das tatsächliche Einkommen, das der Beschädigte ohne die Schädigungsfolgen erzielt hätte, sondern ein der Berechnung des BSchA zugrundeliegendes "fiktives Einkommen". Das beklagte Land sei der Auffassung, daß die DVO vom 28. Februar 1968 dem § 30 Abs. 3 und 4 BVG nicht entgegenstehe.

Die Klägerin beantragt,

die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung sind die rechtlichen Überlegungen des Berufungsgerichts auch soweit sie im Gegensatz zu der bisher vertretenen höchstrichterlichen Rechtsprechung stehen, überzeugend und schlüssig. Dies nicht zuletzt deshalb, weil sie zweifellos der in der Zwischenzeit offenkundig eingetretenen Änderung der wirtschaftlichen und besoldungsrechtlichen Situation besser und gerechter Rechnung trügen, als die den gegenwärtigen Verhältnissen in vieler Hinsicht nicht mehr genügenden Einstufungssätze der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG. Der VO-Geber sei verpflichtet, durch rechtzeitige Anpassung und Neufassung der Einstufungsgruppen den eingetretenen Veränderungen von Fall zu Fall Rechnung zu tragen. Im Rahmen dieser Notwendigkeit obliege ihm selbstverständlich auch die Aufgabe, bei einzelnen Berufsständen und Berufsgruppen eingetretene Änderungen bezüglich der Bewertungsmaßstäbe zu berücksichtigen und zu beachten, wie dies das LSG hinsichtlich des Berufsstandes der Richter ausdrücklich dargelegt habe.

II

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist von dem Beklagten frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG), sie ist daher zulässig. Der Beklagte mußte mit seinem Rechtsmittel Erfolg haben.

Mit Bescheid vom 13. November 1968 hat der Beklagte dem verstorbenen Ehemann der Klägerin einen BSchA gewährt. Der Beklagte hat damit anerkannt, daß K. durch die vorzeitige Pensionierung einen Einkommensverlust erlitten hatte und daß dieser Einkommensverlust auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen war (vgl. § 30 Abs. 3 und 4 BVG). Streitig ist lediglich die Höhe des zu gewährenden BSchA. Da K. einen höheren BSchA für die Zeit vom 1. April 1968 an begehrte, richtet sich der Anspruch nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG idF des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 28. Dezember 1966 (BGBl I S. 750 - 3. NOG -) iVm der dazu erlassenen DVO vom 28. Februar 1968 (BGBl I S. 134 - DVO 1968 -).

Nach § 30 Abs. 4 BVG ist Einkommensverlust der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung ... wahrscheinlich angehört hätte. Allgemeine Vergleichsgrundlage zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die amtlichen Erhebungen des Statischen Bundesamtes für das Bundesgebiet und die jeweils geltenden beamten- oder tarifrechtlichen Besoldungs- oder Vergütungsgruppen des Bundes. Gemäß § 30 Abs. 7 BVG ist die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, a) welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, b) ..., c) was als derzeitiges Bruttoeinkommen gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden.

Nach den Feststellungen des LSG, die von der Revision nicht angegriffen und daher für den Senat gemäß § 163 SGG bindend sind, war K. vor seiner Pensionierung als Amtsgerichtsrat mit einem Gehalt nach der BesGr A 14 tätig und hätte sich seit April 1968 in einem Amt der BesGr A 15 befunden - wobei dies "keineswegs ein außergewöhnlicher Berufserfolg gewesen wäre". Aufgrund dieser Feststellung ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß sich das Durchschnittseinkommen zur Berechnung des BSchA grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 DVO 1968 richtet; denn die Tätigkeit eines Richters ist eine solche im "öffentlichen Dienst" (§ 2 Abs. 1 Buchst. b der DVO 1968). Nach § 4 Abs. 5 DVO ist öffentlicher Dienst im Sinne dieser Vorschrift die hauptberufliche Tätigkeit im Dienst des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes. Das aber traf auf K., der als Richter im Saarländischen Justizdienst tätig war, zu. Die Erwägung der Klägerin, daß bei Anwendung der DVO eine Unterscheidung getroffen werden müsse zwischen den Beamten des öffentlichen Dienstes und den Richtern, findet im Gesetz und in der DVO keine Stütze. § 30 Abs. 4 Satz 2 BVG weist lediglich auf die jeweils geltenden "beamten- oder tarifrechtlichen Besoldungs- oder Vergütungsgruppen des Bundes" hin. Dabei kann dahinstehen, ob in § 4 DVO neben den Beamten, den Berufssoldaten, den Angestellten und den Arbeitern im öffentlichen Dienst eine besondere Regelung für Richter getroffen werden sollte. Eine solche Erweiterung des § 4 DVO ist jedenfalls solange nicht zwingend geboten, als im Bund und in den Ländern - mit Ausnahme von Hessen - eine eigenständige Richterbesoldung ("R-Besoldung") nicht geschaffen ist und die Richter nach den beamtenrechtlichen Besoldungsgruppen vergütet werden (vgl. § 30 Abs. 4 Satz 2 BVG; s. auch BVerfG 32, 199).

Nach § 4 Abs. 1 DVO 1968 ist Durchschnittseinkommen bei Beamten des höheren Dienstes bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres das Endgrundgehalt der BesGr A 13, vom vollendeten 45. Lebensjahr an das Endgrundgehalt der BesGr A 14 des BBesG. Da K. bei Beginn der Gewährung des BSchA im April 1968 das 45. Lebensjahr bereits überschritten hatte, hat ihn die Versorgungsverwaltung zutreffend in die höchste nach § 4 DVO zulässige BesGr, nämlich A 14, eingestuft. Die Auffassung des LSG, daß die einschlägige Bestimmung der DVO "zumindest für den Zeitraum, auf den sich die Entscheidung erstreckt", d.h. also für die Zeit von April 1968 an, nicht gesetzeskonform sei, vermag der Senat nicht zu teilen. Das LSG hat seine Auffassung allein und allzu einseitig auf § 30 Abs. 3 und 4 BVG ausgerichtet, dabei jedoch übersehen, daß auch § 30 Abs. 7 BVG - mit der darin enthaltenen Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung - zum "Gesetz" gehört. Grundsätzlich ist überdies davon auszugehen, daß nicht nur das Verwaltungshandeln nach dem Grundsatz der "Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" auszurichten ist, sondern daß auch der Richter "dem Gesetze unterworfen" ist (vgl. Art. 97 Abs. 1 GG). Der Begriff "Gesetz" ist dabei nicht im engen, formellen Sinn, sondern im weiteren Sinne als "Rechtsnorm" zu verstehen. Dazu gehören auch Rechtsverordnungen, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen und von den dazu legitimierten Stellen ordnungsgemäß erlassen sind (vgl. Art. 80 GG).

Durch die in § 30 Abs. 7 BVG enthaltene - "gesetzliche" - Ermächtigung ist der Bundesregierung - mit Zustimmung des Bundesrates - ein umfangreiches Gestaltungsrecht hinsichtlich der Bestimmung der Berufs- und Wirtschaftsgruppen und der zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehenden Vergleichsgrundlage eingeräumt worden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat insoweit bereits entschieden, daß die weitgefaßte Ermächtigung in § 30 Abs. 7 BVG die Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 GG erfüllt (vgl. Entscheidung vom 14. Mai 1969 in BVerfG 26, 16 = SozR GG Art. 80 Nr. 1). Bei der Prüfung dieses weiteren Ermessensrahmens muß einerseits berücksichtigt werden, daß die Regelung des BSchA und des Schadensausgleichs für Witwen dem Bereich der gewährenden Staatsverwaltung angehört, für welche dem Gesetzgeber eine weitergehende Gestaltungsfreiheit zusteht als im Rahmen der Eingriffsverwaltung (vgl. BVerfG 27, 253, 283; Urteil des erkennenden Senats vom 21. Februar 1972 - 10 RV 366/71). Zum anderen ist bei der Vielzahl der zu ordnenden Tatbestände die Schaffung von generalisierenden und pauschalierenden Regelungen unerläßlich (vgl. BVerfG 17, 1, 23). Eine solche generalisierende Berechnungsmethode bringt Begünstigungen, aber notwendigerweise auch nachteilige Einstufungen mit sich.

Um die vom Gesetzgeber erstrebte Praktikabilität nicht zu gefährden, war mit der Schaffung des BSchA ein konkreter und individueller Ausgleich auch gar nicht beabsichtigt (vgl. Urteil BSG vom 21.2.1972 a.a.O.). Das ergibt sich u.a. schon daraus, daß nicht ein voller Ausgleich gewährt, sondern nur ein im Gesetz näher bestimmter Prozentsatz des Einkommensverlustes ersetzt wird (vgl. § 30 Abs. 3 BVG). Aus sozialen Gründen ist es auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn der VO-Geber bestimmte Höchstgrenzen festgelegt hat, über die hinaus eine Entschädigung nicht gewährt werden darf (vgl. die Ausführungen des BVerfG in 26, 16 zu § 6 DVO). In Übereinstimmung damit haben sämtliche Kriegsopfersenate des BSG entschieden, daß aufgrund der Ermächtigung des § 30 Abs.7 Buchst. a BVG in der DVO nicht vorwiegend oder ausschließlich das "Verfahren" zur Einkommensermittlung einer Regelung bedurfte und zugeführt worden ist, sondern daß der Anspruch auf BSchA gemäß der vorgesehenen Einordnung des Beschädigten in eine bestimmte Berufsgruppe oder BesGr auch sachlich-rechtlich begrenzt oder gekürzt werden durfte (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 16. Februar 1967 in SozR DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964, § 4 Nr 1; BSG 27, 69; 27, 178; Urteil vom 26. November 1968 - 9 RV 724/66 -).

Die Bundesregierung war auch nicht gehalten, für höher besoldete Beamte im höheren Dienst - oder für Richter - eine besondere "Berufsgruppe" mit erweiterten Höchstsätzen zu bilden. Auch bei der Abgrenzung des Personenkreises, auf den die jeweilige gesetzliche Regelung Anwendung finden soll, steht dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit ein weiter Ermessensspielraum zur Verfügung (vgl. BVerfG 32, 199); er hat also weitgehende Gestaltungsfreiheit. Danach sind Abgrenzungskriterien nicht zu beanstanden, wenn vernünftige Gründe für sie sprechen und der Gesetzgeber unsachliche Privilegierungen oder Diskriminierungen vermeidet (vgl. BVerfG 29, 337, 339). Unter Berücksichtigung des angestrebten pauschalierten Ausgleichs und der weitgehenden Ermächtigung in § 30 Abs. 7 BVG ist es daher nicht zu beanstanden, daß der VO-Geber auf diejenigen Besoldungsgruppen abstellt, die die Beamten des höheren Dienstes "im Durchschnitt" erreichen. Gerade im Hinblick auf den Grundsatz der Praktikabilität der Berechnung des BSchA durfte der VO-Geber auch bei Beamten des höheren Dienstes - und bei Richtern - von einem "durchschnittlichen Berufserfolg" ausgehen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21. Februar 1972 aaO).

Nach den Feststellungen, die das LSG aufgrund der Auskunft des Saarländischen Ministers des Inneren vom 20. April 1972 getroffen hat, befinden sich im Saarland von insgesamt 458 Richtern und Beamten mit vergleichbarer Ausbildung zur Zeit 110 in der BesGr A 15, weitere 68 sind in A 16. Die BesGr A 15 wird von Beamten durchschnittlich in einem Lebensalter von 40 Jahren und von Richtern mit 45 Jahren bzw. - bei Direktoren - mit 41 Jahren erreicht. Der Beklagte weist in diesem Zusammenhang jedoch mit Recht darauf hin, daß diese Personen nicht gleichzeitig das Endgrundgehalt der BesGr A 15 erhalten, sondern daß das Endgrundgehalt erst mit einem wesentlich höheren Lebensalter erreicht wird. Das LSG scheint auch übersehen zu haben, daß der VO-Geber durchaus bestrebt ist, "die VO in kürzeren Zeiträumen den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen" (vgl. die DVOen zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1961, vom 30. Juli 1964 und vom 28. Februar 1968). Gerade die hier einschlägige Bestimmung des § 4 DVO war vom VO-Geber erst am 28. Februar 1968 - also nur einen Monat vor Beginn der Gewährung des BSchA an K. - dahin geändert worden, daß bei Beamten des höheren Dienstes bereits mit der Vollendung des 45. Lebensjahres - vorher des 47. Lebensjahres - das Endgrundgehalt der BesGr A 14 maßgebend ist. Die Auffassung des LSG, daß der VO-Geber "anhand einer Prognose für den voraussichtlichen Geltungszeitraum einen Mittelwert zu ermitteln und zugrunde zu legen" habe, läßt sich aus dem Gesetz nicht herleiten. Vielmehr ist dem VO-Geber, wie sich nach den obigen Ausführungen aus der verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung des § 30 Abs. 7 BVG ergibt, ein weiter Ermesssens- und Beurteilungsspielraum eingeräumt. Er hat die Vergleichsgrundlage zu bestimmen und darf insoweit neben wirtschaftlichen auch soziale Gesichtspunkte berücksichtigen, sofern er sich nicht von den gesetzlichen Grundlagen des Berufsschadensausgleichs entfernt. Er hat in diesem Rahmen auch darüber zu bestimmen, ob und von welchem Zeitpunkt an höhere Leistungen gewährt und ob aus sozialen Gründen oder aus Gründen der materiellen Gleichbehandlung gewisse Höchstgrenzen nicht überschritten werden. Eine jährliche Anpassung ("Dynamisierung") ergibt sich bereits dadurch, daß nach § 4 DVO die jeweils geltenden Endgrundgehälter als Vergleichseinkommen maßgebend sind.

Andererseits ist nicht zu verkennen, daß der Gesetzgeber die Ermächtigung in § 30 Abs. 7 BVG gerade deshalb so weit gefaßt hat und auch fassen durfte, damit der VO-Geber bei dem Erlaß der Vorschriften zur Durchführung der §§ 30 und 40 a BVG den ständigen Veränderungen des Berufs- und Wirtschaftslebens Rechnung tragen kann (vgl. BVerfG vom 14. Mai 1969 aaO). Die letzte größere Änderung und Anpassung ist durch die DVO vom 28. Februar 1968 vorgenommen worden; seither sind mehr als fünf Jahre vergangen. In der Zwischenzeit sind die strukturellen Verbesserungen der Beamten- und Richterbesoldung nicht nur voll wirksam, sondern weiter ausgebaut worden. Unter diesem Gesichtspunkt haben das LSG und die Klägerin einen höchst unbefriedigenden Rechtszustand aufgezeigt, dessen Aufrechterhaltung über einen längeren Zeitraum mit dem Interesse an einer gleichmäßigen, am Gesetz orientierten Handhabung des BSchA nicht zu vereinbaren wäre. Der VO-Geber wird daher in naher Zukunft eine neue Regelung zu treffen haben (vgl. BVerfG vom 14. Februar 1973 in NJW 73, 696, 698), bei der auch die strukturellen Änderungen des Besoldungsgefüges angemessen zu berücksichtigen sind. Nach dem bisherigen und derzeit noch geltenden Rechtszustand ist jedoch die Einstufung des K. über § 4 DVO in die BesGr A 14 nicht zu beanstanden.

Die Einstufung in die BesGr A 15 kann auch nicht aus § 6 DVO hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen, in denen der Beschädigte nachweislich in dem vor Eintritt der Schädigung oder vor Auswirkung der Folgen der Schädigung ausgeübten Beruf eine Stellung erreicht hatte, die durch die Vorschriften der §§ 3 und 4 DVO nicht ausreichend berücksichtigt wird, als Durchschnittseinkommen das Endgrundgehalt einer dieser Stellung angemessenen BesGr der Besoldungsordnung A des BBesG zugrunde zu legen. Nach der Änderung, die § 6 Abs. 1 durch die DVO 1968 erfahren hat, kommt es also nicht allein auf den "vor Eintritt der Schädigung", sondern - wahlweise - auch auf den "vor Auswirkung der Folgen der Schädigung" ausgeübten Beruf an. Diese zweite Alternative könnte für K. günstiger sein, da nunmehr auf den Zeitpunkt seiner vorzeitigen Pensionierung (zum 31. März 1968) abgestellt werden kann. Zu diesem Zeitpunkt war K. nach den Feststellungen des LSG Amtsgerichtsrat und bezog Gehalt nach der BesGr A 14. Dabei kann dahinstehen, ob K. später in BesGr A 15 aufgestiegen wäre und ob ihm ein Ruhegehalt nach dieser BesGr gewährt worden ist. Jedenfalls gehörte K. im Zeitpunkt seiner Pensionierung gerade der BesGr an, die auch in § 4 DVO als Vergleichseinkommen für ihn vorgesehen ist. Die Voraussetzungen des § 6 Satz 1 DVO sind daher bei K. nicht gegeben. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf später eingetretene Erhöhungen und Verbesserungen verbietet sich schon deshalb, weil es sich bei § 6 DVO um eine Ausnahmeregelung handelt, die nach allgemeiner Rechtsüberzeugung eng auszulegen und auf die unmittelbar angesprochenen Fälle zu begrenzen ist.

Auf die Revision des Beklagten war daher das Urteil des LSG aufzuheben und das klagabweisende Urteil erster Instanz wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669430

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