Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragszuschuß zur knappschaftlichen KVdR

 

Orientierungssatz

1. In der knappschaftlichen Rentenversicherung gibt es keine Bestimmung, die für Rentner einen Beitragszuschuß zur Krankenversicherung vorsieht (vgl BSG vom 1976-06-29 5 RKn 6/76 = USK 76123).

2. Es verstößt nicht gegen das Willkürverbot des GG Art 3 Abs 1, daß in der knappschaftlichen KVdR ein Anspruch auf einen Zuschuß zur Krankenversicherung nicht vorgesehen ist.

 

Normenkette

RKG § 20 Fassung: 1967-12-21; RVO § 381 Abs 4 S 2 Fassung: 1956-06-12, § 1304e Fassung: 1977-06-27; AVG § 83e Fassung: 1977-06-27; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Entscheidung vom 22.09.1978; Aktenzeichen S 22 Kn 143/78)

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Ehemann der Klägerin, der bis zu seinem Tod in I lebte, von der Beklagten ein Beitragszuschuß für seine freiwillige Mitgliedschaft in einer israelischen Krankenversicherung zu zahlen war.

Der Ehemann der Klägerin erhielt von der Beklagten seit dem 1. Dezember 1971 Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Er beantragte unter Vorlage einer Bescheinigung seiner Krankenkasse über seine Mitgliedschaft am 8. Dezember 1977 einen Beitragszuschuß. Die Beklagte lehnte die Gewährung ab (Bescheid vom 19. Dezember 1977; Widerspruchsbescheid vom 31. März 1978).

Die Beklagte berief sich darauf, daß die gesetzlichen Vorschriften der knappschaftlichen Krankenversicherung keine Bestimmungen hinsichtlich der Zahlung eines Beitragszuschusses zur Krankenversicherung aufgrund des Rentenbezuges durch sie, die Beklagte, enthielten. Lediglich Personen, welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente von einem Träger der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten erfüllten, könnten gem § 381 Abs 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen von dem leistungspflichtigen Rentenversicherungsträger einen Beitragszuschuß zur Krankenversicherung erhalten.

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 22. September 1978 die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin sei nicht Mitglied der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner, weil sie in I wohne und versichert sei. § 381 Abs 4 RVO, nach welchem Personen einen Beitragszuschuß zur Krankenversicherung erhalten könnten, wenn sie Bezieher einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten erhielten, finde somit über § 20 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) keine Anwendung.

Mit der zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 20 RKG, 381 Abs 4 RVO aF sowie des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Es liege eine willkürliche Ungleichbehandlung bei gleichem Sachverhalt vor. Das dem Ehemann der Klägerin gewährte Knappschaftsruhegeld sei nach denselben Merkmalen berechnet, als hätte die Klägerin Beiträge zur Angestelltenversicherung oder zur Invalidenversicherung entrichtet. Wären von der Klägerin früher nicht Beiträge zur knappschaftlichen Versicherung abgeführt worden, sondern zur Angestelltenversicherung oder zur Invalidenversicherung, so hätte sie ein genauso hohes Altersruhegeld erhalten, wie es das Knappschaftsruhegeld darstelle. Da eine dem § 381 Abs 4 RVO entsprechende Bestimmung im Knappschaftsrecht nicht vorhanden sei, handele es sich um eine Regelungslücke, welche durch die Gerichte zu schließen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie die Bescheide der Beklagten vom 19. Dezember 1977 und 31. März 1978 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Krankenversicherungs-Beitragszuschüsse ihres Mannes für die Zeit vom 8. Dezember 1977 (Antragsdatum) bis zum 2. April 1979 (Todestag) auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Der Rechtsvorgänger der Klägerin hatte gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Krankenversicherungs-Beitragszuschusses.

Bis zum 1. Juli 1977 galt § 381 Abs 4 der RVO, der bestimmte, daß Personen einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag vom Rentenversicherungsträger bekamen, wenn sie die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente erfüllten. Durch das Krankenversicherungskostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I, 1069) wurde diese Vorschrift gestrichen. Gleichzeitig wurde durch das 20. Rentenanpassungsgesetz (27. Juni 1977, BGBl I, 1040) § 1304 e RVO eingeführt, dem für die Angestelltenversicherung § 83 e Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) entspricht. Beide Vorschriften sehen anstelle des außer Kraft gesetzten § 381 Abs 4 RVO einen Krankenversicherungs-Beitragszuschuß für Rentenbezieher vor. Das Außerkraftsetzen des § 381 Abs 4 RVO und die gleichzeitige Einfügung der §§ 1304 e RVO und 83 e AVG ist aus systematischen Gründen geschehen. Der Beitragszuschuß, den die RVO und das AVG vorsehen, bzw vorsahen, ist keine Leistung der Krankenversicherung, sondern der Rentenversicherung und gehört aus diesem Grunde in das 4. Buch der RVO (Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 6. Aufl, 1978, § 1304 e Anm 1).

Wie der Senat bereits mit den Urteilen vom 30. August 1973 - 5 RKn 44/71 - und 29. Juni 1976 - 5 RKn 6/76 - (SozR Nr 1 zu § 20 VO über KVdR vom 4. November 1941; USK 76, 123) entschieden hat, gibt es in der knappschaftlichen Rentenversicherung keine Bestimmung, die für Rentner einen Beitragszuschuß zur Krankenversicherung vorsieht. Was schon für § 381 Abs 4 RVO galt, muß auch für die §§ 1304 e RVO und 83 e AVG gelten. Diese Vorschriften beschränken sich ausdrücklich auf Personen, die in der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten versichert sind. Dagegen enthält der die knappschaftliche Krankenversicherung betreffende 4. Abschnitt des RKG für die Bezieher von Knappschaftsrenten keine entsprechende Vorschrift. Insoweit enthält auch das Recht der Knappschaftsversicherung keine Gesetzeslücke, wie der Senat bereits mit Urteil vom 29. Juni 1976 ausgeführt hat. Die knappschaftliche Krankenversicherung der Rentner ist nämlich in einer Fülle von Sondervorschriften, die nicht für die Empfänger von Renten aus der Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung gelten, abweichend von der RVO geregelt. Diese unterschiedliche Regelung der knappschaftlichen und der nichtknappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner hat den Gesetzgeber veranlaßt, dem einen Kreis der Rentner den Beitragszuschuß zuzubilligen, dem anderen aber vorzuenthalten. Dafür spricht auch, daß der Gesetzgeber eine dem § 381 Abs 4 RVO entsprechende Vorschrift unter die Bestimmungen über die Rentenversicherung der Arbeiter aufgenommen hat, ebenso unter die über die Rentenversicherung der Angestellten, nicht aber ins Knappschaftsrecht. Nach Art 3 Abs 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit vom 17. Dezember 1973 (ratifiziert durch Gesetz vom 3. März 1975; BGBl II Nr 14/1975, 245) gelten die Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Inlandsaufenthalt abhängig ist, nicht für die in Art 3 Abs 1 genannten Personen, die sich im Gebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten. Die in Art 3 Abs 1 genannten Personen sind insbesondere die Staatsangehörigen der beiden vertragsschließenden Staaten. Auch aus dieser Bestimmung kann nicht hergeleitet werden, daß der Rechtsvorgänger der Klägerin einen Antrag auf Beitragszuschuß zu seiner Krankenversicherung hatte. Denn auch Deutsche, gleichgültig ob sie sich im Ausland oder im Inland befinden, erhalten keinen Zuschuß zur Krankenversicherung von der knappschaftlichen Rentenversicherung.

Wie der Senat bereits in der Entscheidung vom 29. Juni 1976 ausgeführt hat, verstößt es nicht gegen das Willkürgebot des Art 3 Abs 1 des GG, daß in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner ein Anspruch auf einen Zuschuß zur Krankenversicherung nicht vorgesehen ist. Die knappschaftliche Krankenversicherung der Rentner unterscheidet sich von der sonstigen Krankenversicherung der Rentner in wesentlichen Punkten, was eine unterschiedliche Regelung auch hinsichtlich des Beitragszuschusses als nicht willkürlich oder sachfremd erscheinen läßt. Der Beitragszuschuß nach § 381 Abs 4 RVO bzw § 1304 RVO tritt für die nicht der Krankenversicherung der Rentner angehörenden Rentner als Ausgleich für den fehlenden Versicherungsschutz an die Stelle des Beitrags, den der Rentenversicherungsträger nach § 381 Abs 2 RVO bzw § 1304 d RVO für die Mitglieder der Krankenversicherung der Rentner an die Krankenkasse zu zahlen hat. Die knappschaftliche Krankenversicherung der Rentner kennt demgegenüber keinen Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner, weil der knappschaftliche Rentenversicherungsträger nach § 120 RKG die Kosten der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner in vollem Umfange trägt. Fehlt aber ein Beitrag als Ausgangspunkt und Anknüpfungspunkt, so erscheint auch das Fehlen eines Beitragszuschusses als Surrogat verständlich. Das Leistungsrecht der knappschaftlichen Rentenversicherung im Vergleich mit Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung ist erheblich günstiger ausgestaltet. So kennt die Knappschaftsversicherung im Gegensatz zu den beiden anderen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung die Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres und wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit (§ 45 RKG), das Knappschaftsruhegeld bei Vollendung des 60. Lebensjahres und Erfüllung einer besonderen Wartezeit (§ 48 Abs 1 Nr 2 RKG) und die Knappschaftsausgleichsleistung (§ 98a RKG). Darüber hinaus sind die Steigerungssätze in der knappschaftlichen Rentenversicherung erheblich höher als in der Arbeiterrentenversicherung und in der Angestelltenversicherung und führen im Vergleich zu diesen demgemäß zu höheren Renten (§ 53 RKG; § 1253, 1254 RVO; §§ 30, 31 des AVG). Da der Ehemann der Klägerin seine Rente entsprechend diesem höheren Steigerungssatz erhalten hat, war sie auch höher, als sie es gewesen wäre, wenn er in der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten versichert gewesen wäre. Per Saldo stehen sich mithin die Bezieher von Knappschaftsrenten nicht schlechter als die Empfänger von Renten aus der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung. Das Fehlen einer dem § 381 Abs 4 RVO bzw dem § 1304 e RVO entsprechenden Regelung in der knappschaftlichen Rentenversicherung, ist nach alledem nicht willkürlich und verstößt daher nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654614

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