Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.05.1980)

SG Stuttgart (Urteil vom 02.12.1977)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Mai 1980 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. Dezember 1977 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1976 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte hierdurch zur Umlage für das Konkursausfallgeld herangezogen wird.

Die Beklagte hat wegen Mutwillens DM 1.000,– an Gerichtskosten an die Bundeskasse zu entrichten sowie dem Kläger DM 50,– zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Umlage für das Konkursausfallgeld (Kaug) für das Jahr 1975.

Der Kläger, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist Mitglied der Beklagten. Mit dem angefochtenen Bescheid forderte diese von ihm für das Jahr 1975 eine Umlage für das Kaug in Höhe von DM 44.398,94. Dagegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, der Konkurs über sein Vermögen sei nicht zulässig. Außerdem sichere das Land Baden-Württemberg kraft Gesetzes seine Zahlungsfähigkeit. Der so begründete Widerspruch blieb erfolglos. Auch der Klage war vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) kein Erfolg beschieden.

Auf die Revision des Klägers hat der Senat das Verfahren gemäß Art 100 Abs 1 Grundgesetz (GG) ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 186c Abs 2 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) mit Art 3 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG vereinbar ist. Er hat dabei ua die Auffassung vertreten, daß auch bei Rundfunkanstalten trotz ihrer verfassungsrechtlichen Besonderheiten der Konkurs rechtlich zulässig sei. Die durch Art 5 Abs 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Berichterstattung des Rundfunks werde durch einen Konkurs als solchen nicht berührt. Die Heranziehung des Klägers als einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, bei der keine Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit bestehe, verstoße jedoch gegen das Willkürverbot des Grundgesetzes (Beschluß vom 17. September 1981 – 10/8b RAr 11/80).

Mit Beschluß vom 5. Oktober 1993 hat das BVerfG die Vorlage als unzulässig verworfen. Es fehle an der Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung gestellten Norm. Ein Konkursverfahren über das Vermögen des Klägers sei bereits in dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum (vor Inkrafttreten des baden-württembergischen Gesetzes vom 16. Februar 1987 – GBl.BW 43) nicht zulässig gewesen. Dies folge aus der in Art 5 Abs 1 Satz 2 GG gewährleisteten Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk. Das geltende Konkursrecht enthalte keine hinreichenden Vorkehrungen zum Schutz der Rundfunkfreiheit. Wegen der finanziellen Gewährleistungspflicht der Länder für ihre Rundfunkanstalten bestehe auch kein Bedürfnis, ein Konkursverfahren über ihr Vermögen zuzulassen. Damit sei der Kläger bereits nach dem Wortlaut von § 186c Abs 3 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 2 1. Alternative AFG von der Pflicht zur Zahlung der Umlage für das Kaug befreit. Für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens komme es nicht mehr darauf an, ob die Heranziehung anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts zur Umlage für das Kaug mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der Urteile des Sozialgerichts vom 2. Dezember 1977 und des Landessozialgerichts vom 13. Mai 1980 den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1976 dahin abzuändern, daß die Konkursausfallgeldumlage entfällt.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

Sie bedürfe einer entsprechenden Klärung durch das Bundessozialgericht (BSG), auch wenn das BVerfG die Rechtsstellung des Klägers eindeutig geklärt habe.

Der Senat hat die Beteiligten auf die Kostenvorschrift des § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 SGG).

Auf die Revision des Klägers waren der Beitragsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 1976 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1976, soweit er die Umlage für das Kaug betrifft, sowie die angefochtenen Urteile des SG und des LSG aufzuheben. Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Entrichtung dieser Umlage. Nach § 186c Abs 2 Satz 2 AFG idF des Gesetzes über Kaug vom 17. Juli 1974 (BGBl I 1481) sind bei der Aufbringung des Kaug (§ 186b AFG) durch die Berufsgenossenschaften (BG'en) ua die Lohnsummen von Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen der Konkurs nicht zulässig ist, unberücksichtigt zu lassen. Die entsprechenden Mitglieder der BG'en sind deshalb nicht an der Aufbringung der entsprechenden Umlage zu beteiligen (§ 186c Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz AFG).

Zu diesem Kreis gehört jedoch der Kläger. Im streitigen Zeitraum war zwar ein Konkursverfahren über sein Vermögen noch nicht durch ausdrückliche gesetzliche Regelung ausgeschlossen, jedoch aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Rundfunkfreiheit (Art 5 Abs 1 Satz 2 GG) unzulässig. Dies hat das BVerfG in seinem im vorliegenden Verfahren ergangenen Beschluß vom 5. Oktober 1993 – 1 BvL 35/81 (zur Veröffentlichung in SozR 3-4100 § 186c Nr 2 vorgesehen) ausführlich begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 192 und 193 Abs 4 Satz 1 SGG.

Der Senat hat der Beklagten Mutwillenskosten iS des § 192 Satz 1 SGG auferlegt. Derartige Kosten können auch gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts verhängt werden. Die hierfür geltenden Voraussetzungen sind erfüllt. Dies gilt auch dann, wenn man insoweit strenge Maßstäbe anlegt und die Feststellung fordert, daß ein Beteiligter den Prozeß weiterbetreibt, obwohl die Rechtsverfolgung objektiv aussichtslos ist, der Beteiligte das subjektiv weiß und er entgegen besserer Einsicht von weiterer Prozeßführung keinen Abstand nimmt (vgl BSG vom 20. Oktober 1967, SGb 1968, 72 sowie allgemein Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 192 RdNr 3 mwN; weniger streng demgegenüber Goedelt, SGb 1986, 493, 494 f).

Das BVerfG hat die Konkursfähigkeit des Klägers in seinem Beschluß vom 5. Oktober 1993 aus verfassungsrechtlichen Gründen verneint. Damit ist in vollem Umfang geklärt, daß die zwischen den Beteiligten streitige Pflicht des Klägers, die Umlage für das Kaug für das Jahr 1975 zu entrichten, nicht besteht. Hiervon geht auch die Beklagte nach ihrem Schriftsatz vom 18. Januar 1994 aus. Wenn sie dennoch meint, kein Anerkenntnis (§ 101 Abs 2 SGG) abgeben zu können, sondern einer „entsprechenden Klärung durch das BSG” zu bedürfen, so kann dieses Verhalten nur als mutwillig im obigen Sinne gewertet werden.

Damit waren ihr die dem Revisionsgericht dadurch entstandenen Kosten wenigstens zum Teil – in Höhe von DM 1.000,– aufzuerlegen (so auch BSG aa0). Hierzu gehören die Kosten des Arbeitsaufwandes des Gerichtspersonals zur Vorbereitung und Erlaß des vorliegenden Urteils sowie diejenigen der ehrenamtlichen Richter zur Teilnahme an dessen Beratung.

Die Beklagte hat ferner dem Kläger die Hälfte der von diesem zu entrichtenden Pauschgebühr zu erstatten. Nach § 186 SGG ist die von Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts – also auch vom Kläger – für das Revisionsverfahren vor dem BSG unabhängig vom Verfahrensausgang zu entrichtende Pauschgebühr (§ 184 Abs 1 SGG) in Höhe von DM 100,– (§ 2 der Verordnung über die Höhe der von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts gemäß § 184 SGG idF der 2. Änderungsverordnung vom 13. Mai 1968 – BGBl I 412 -iVm § 187 SGG) auf die Hälfte zu ermäßigen, wenn eine Sache nicht durch Urteil erledigt wird. Damit ist der darüber hinausgehende Teil der auf den Kläger entfallenden Gebühr durch den Mutwillen der Beklagten verursacht.

 

Fundstellen

ZIP 1994, 1544

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