Entscheidungsstichwort (Thema)

Subsidiarität der Krankenhilfe nach dem BSHG. Kassenzuständigkeit für den Krankengeldanspruch bei Kassenwechsel. Krankengeldanspruch. neue Blockfrist. knappschaftliche KVdR. Rentenbewerber. mitgliedschaftsähnliche Beziehung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gegenüber der in dem Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 22.8.1942 enthaltenen Ermächtigung, Leistungen der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner zu erbringen, wenn sonst kein Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen besteht, sind die Ansprüche auf Krankenhilfe nach § 37 BSHG nachrangig.

2. Bei einem Kassenwechsel hat die neue Krankenkasse nach § 212 RVO das Krankengeld aus einem bereits bei der alten Krankenkasse eingetretenen Versicherungsfall zu erbringen, auch wenn die fortgesetzte Versicherung bei der neuen Krankenkasse nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld ausgestattet ist; das gilt auch dann, wenn der Versicherte als Rentenantragsteller zur Bundesknappschaft übergetreten ist und dort aufgrund des Erlasses des Reichsarbeitsministers vom 22.8.1942 im Rahmen der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner betreut wird.

 

Orientierungssatz

1. Der für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs erforderlichen Mitgliedschaft des Arbeitsunfähigen zur Krankenversicherung bei Beginn der neuen Blockfrist ist seine im unmittelbaren Anschluß an die Mitgliedschaft bei der AOK entstandene rechtliche Beziehung zur Bundesknappschaft aufgrund des RAMErl 1942-08-22 gleichzusetzen.

2. Die tatsächliche jahrelange und schriftlich zugesagte Gewährung von Krankenpflege nach dem RAMErl 1942-08-22 begründet eine der Mitgliedschaft als Voraussetzung für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs gleichstehende Beziehung 25/82 = BSGE 54, 130).

3. Der Annahme einer der Mitgliedschaft gleichzusetzenden Rechtsbeziehung zur knappschaftlichen KVdR steht nicht entgegen, daß der Arbeitsunfähige in der streitigen Zeit tatsächlich keine Leistungen der Krankenhilfe aus der Sozialversicherung bezogen, sondern Krankenpflege aus der Sozialhilfe erhalten hat.

 

Normenkette

RVO § 183 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1961-07-12, § 315a Abs. 1 S. 1 Fassung: 1977-06-27, § 212 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1972-08-10; RKG § 19; RAMErl 1942-08-22; BSHG §§ 37, 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 19.08.1982; Aktenzeichen L 16 Kr 136/79)

SG Duisburg (Entscheidung vom 01.08.1979; Aktenzeichen S 21 Kr 49/79)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger im Rahmen der zweiten Blockfrist ab 30. August 1978 von der Beklagten oder von der Beigeladenen Krankengeld beanspruchen kann.

Der 1920 geborene Kläger legte in den Jahren von 1953 bis 1961 insgesamt 97 Beitragsmonate in der knappschaftlichen Rentenversicherung zurück. Vom 23. Mai 1961 bis zum 6. Mai 1974 war er bei den Betrieben der Stadt M beschäftigt und bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Er bezog vom 6. Mai 1974 bis zum 4. Juni 1975 Arbeitslosengeld (Alg). Am 5. Juni 1975 wurde er wegen Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule arbeitsunfähig und erhielt von der Beklagten bis zum 30. April 1976 Krankengeld. Nach erneutem Bezug von Alg setzte die Beklagte ab 8. Juni 1976 bis zur Erschöpfung der Höchstbezugsdauer am 8. Januar 1977 die Krankengeldzahlung fort. Der Kläger erhielt in der folgenden Zeit Hilfe zum Lebensunterhalt und Krankenhilfe vom Sozialamt. Vorher hatte er am 29. Dezember 1975 die Gewährung der Gesamtleistung aus der knappschaftlichen Rentenversicherung und der Rentenversicherung der Arbeiter wegen Erwerbsunfähigkeit beantragt. Die Beigeladene hatte den Antrag abgelehnt. Mit seiner Klage dagegen hatte der Kläger keinen Erfolg; am 25. Februar 1980 nahm er die Berufung zurück.

Den Antrag des Klägers, ihm ab 30. August 1978 erneut Krankengeld zu gewähren, lehnte die Beklagte ab. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 30. August 1978 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Berufung der Beklagen hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen und ausgeführt: Der Kläger sei im wesentlichen wegen derselben Krankheit, die bereits während der ersten Blockfrist und bis zum 8. Januar 1977 zur Zahlung des Krankengeldes geführt habe, über den 8. Januar 1977 und den Beginn der neuen Blockfrist am 5. Juni 1978 hinaus sowie während des gesamten hier streitigen Zeitraums ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen. Dem Anspruch stehe nicht entgegen, daß bei Beginn der zweiten Blockfrist und auch in Zusammenhang mit dem am 30. August 1978 gestellten Antrag keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden sei. Der Kläger habe auch 1978 durchgehend in ärztlicher Behandlung gestanden, nämlich am 17. Juli, 23. August und 1. September dieses Jahres. Die Ausstellung einer Bescheinigung über die vom Arzt des Klägers erkannte Arbeitsunfähigkeit sei nur deshalb unterblieben, weil der Kläger sie nicht zu benötigen glaubte. Hinsichtlich des Erfordernisses eines Mitgliedschaftsverhältnisses zur gesetzlichen Krankenversicherung bei Beginn der neuen Blockfrist sei der Kläger den Rentenbewerbern gleichzustellen, für deren Antrag die Träger der Arbeiter- und der Angestelltenrentenversicherung zuständig sind. Zur Gewährung des Krankengeldes verpflichtet sei die Beklagte. Für einen Anspruch gegen die Beigeladene fehle es an einer förmlichen Mitgliedschaft in der knappschaftlichen Krankenversicherung und außerdem an einer mitgliedschaftsähnlichen Beziehung zu dieser Versicherung bei Beginn der neuen Blockfrist.

Die Beklagte hat Revision eingelegt und macht geltend, der Kläger sei zwar durchgehend arbeitsunfähig, aber bei Beginn der zweiten Blockfrist nicht mehr ihr Mitglied gewesen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. August 1982 und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 1. August 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen hilfsweise, das angefochtene Urteil zu ändern und die Beigeladene zu verurteilen, dem Kläger im Rahmen der zweiten Blockfrist Krankengeld ab 30. August 1978 zuzubilligen.

Er macht geltend, er habe Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter beantragt; die Beigeladene sei lediglich für die Feststellung und Zahlung der Rente zuständig.

Die Beigeladene beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, es fehle für eine in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angenommene Leistungspflicht des Trägers der knappschaftlichen Krankenversicherung hier an der tatsächlichen Gewährung von Leistungen der Krankenpflege durch sie, so daß nicht von einem Übertritt des Klägers in die knappschaftliche Krankenversicherung gesprochen werden könne. Der Kläger habe vielmehr Krankenhilfe vom Sozialamt bekommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist in dem Sinn begründet, daß an ihrer Stelle die Beigeladene zur Gewährung des Krankengeldes zu verurteilen ist.

Die Verurteilung der Beigeladenen ist gemäß § 75 Abs 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, da der Krankengeldanspruch gegen sie inhaltlich derselbe ist wie der Anspruch, den der Kläger gegen die Beklagte geltend gemacht hat. Eines Bescheides der Beigeladenen und eines Vorverfahrens dazu bedarf es nicht (vgl BSG SozR 2200 § 627 der Reichsversicherungsordnung -RVO- Nr 6).

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Krankengeld gegen die Beigeladene zu. Der Anspruch ist während der Mitgliedschaft bei der Beklagten begründet worden. Nach den Feststellungen des LSG ist der Kläger, der zuletzt vom 8. Juni 1976 bis zum 8. Januar 1977 von der Beklagten Krankengeld bezogen hatte, über diesen Zeitpunkt hinaus bis zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit am 30. August 1978 und weiterhin durchgehend wegen desselben Leidens arbeitsunfähig gewesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Krankengeld auch im Fall des Wiederauflebens erst von dem Tag an zu gewähren ist, an dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird (§ 182 Abs 3 RVO). Jedenfalls genügt es insoweit, wenn der Arzt feststellt, daß der Versicherte krank ist und deshalb weder seine letzte noch eine ähnliche Arbeit verrichten kann (BSGE 41, 201, 203 = SozR 2200 § 182 RVO Nr 12). Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, daß bei der ärztlichen Behandlung am 1. September 1978 eine derartige Feststellung getroffen worden ist.

Die weitere, für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs regelmäßig erforderliche Voraussetzung der Mitgliedschaft des Arbeitsunfähigen zur Versicherung bei Beginn der neuen Blockfrist (BSGE 45, 11, 14 = SozR 2200 § 183 RVO Nr 11), ist ebenfalls gegeben. Entgegen der Meinung des Klägers hat allerdings keine Mitgliedschaft nach § 315a RVO idF durch Art 1 § 1 Nr 13 des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1259) oder in der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung durch Art 1 § 1 Nr 25 des Krankenversicherungskostendämpfungsgesetzes vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) bestanden. Nach beiden Fassungen des Gesetzes regelt diese Bestimmung die Mitgliedschaft von Personen, die eine Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten beantragt haben. Der Kläger hat allerdings bereits in der Klageschrift vorgebracht, er habe Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter beantragt. Im Tatbestand des LSG-Urteils ist demgegenüber ausgeführt, der Kläger habe die Gewährung von Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit beantragt. Der Kläger rügt aber zu Unrecht, das LSG habe insoweit seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Beim vorliegenden Sachverhalt ergibt sich der Inhalt des Rentenantrags aus dem Gesetz. Nach § 101 Abs 1 Satz 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) = § 1310 Abs 1 Satz 2 RVO gilt der Leistungsantrag für alle beteiligten Versicherungszweige, es sei denn, daß er ausdrücklich auf einzelne Versicherungszweige beschränkt wird. Eine derartige Beschränkung hat das LSG nicht festgestellt.

Die Bestimmung des § 315a RVO ist im Fall des Klägers nicht anzuwenden, weil ihr die spezielleren Regelungen der knappschaftlichen Krankenversicherung vorgehen. Wenn die Leistungsvoraussetzungen mehrerer Zweige der Rentenversicherung erfüllt sind, wird die Leistung als Gesamtleistung gewährt (§ 101 Abs 2 RKG = § 1311 Abs 2 RVO). Zuständig für die Feststellung und Zahlung der Leistung ist im Fall des Klägers gemäß § 102 Abs 2 RKG die Bundesknappschaft gewesen. Der Kläger hat nämlich die Wartezeit für die Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 1 RKG (insoweit durch Art 1 § 3 Nr 3 idF des Rentenreformgesetzes vom 16. Oktober 1972 - BGBl I 1965 -) erfüllt, denn er hat mehr als 60 Monate knappschaftliche Versicherungszeiten zurückgelegt (§ 49 Abs 1 Satz 1 RKG idF durch Art 2 § 3 Nr 3 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 - BGBl I 1061). Die Zuständigkeit der Bundesknappschaft für die Feststellung der Rente bewirkt die Versicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) für Personen, die die Voraussetzungen für den Bezug von Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit oder für den Bezug eines Knappschaftsruhegeldes erfüllen und diese Rente beantragt haben (§ 19 Abs 1 RKG). Nach § 20 Satz 2 RKG idF durch Art 1 § 3 Nr 4 des Finanzänderungsgesetzes iVm § 2 der Verordnung über die knappschaftliche KVdR vom 8. Juni 1942 (RGBl I 409) und § 2 der Verordnung über die KVdR vom 4. November 1941 (RGBl I 689) beginnt die Mitgliedschaft in der knappschaftlichen KVdR erst mit der Zustellung des Rentenbewilligungsbescheides. Zu Leistungen der knappschaftlichen KVdR vor diesem Zeitpunkt ist die Bundesknappschaft nach dem Erlaß des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 22. August 1942 (AN II 476) ermächtigt.

Der Vorrang des Systems der knappschaftlichen Krankenversicherung hat seinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden in § 19 Abs 2 Satz 2 RKG, wonach die Versicherung nach § 19 Abs 1 RKG der Versicherung nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO vorgeht. Daraus rechtfertigt sich die Folgerung, daß auch die Krankenversicherung der Rentenantragsteller sich nach dem Recht der knappschaftlichen Krankenversicherung richtet. Die Krankenversicherung der Rentenantragsteller ist gegenüber der Versicherung nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO nachrangig und richtet sich hinsichtlich der Zuständigkeit nach der KVdR (§ 315a RVO iVm § 257a RVO).

Der für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs erforderlichen Mitgliedschaft des Klägers zur Krankenversicherung bei Beginn der neuen Blockfrist ist seine im unmittelbaren Anschluß an die Mitgliedschaft bei der Beklagten entstandene rechtliche Beziehung zur Beigeladenen aufgrund des Erlasses des RAM gleichzusetzen. Der Erlaß des RAM räumt allerdings dem Rentenantragsteller gegenüber dem Träger der knappschaftlichen Krankenversicherung kein Recht ein, das eine mitgliedschaftsähnliche statusrechtliche Beziehung begründet (BSG SozR 2200 § 205 RVO Nr 4). Die Gleichsetzung der Rechtsbeziehung des Klägers zur Beigeladenen mit einer Mitgliedschaft ist aber nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 des Grundgesetzes (GG) geboten - wie das LSG zutreffend dargelegt hat -. Hinsichtlich der Leistungsgewährung haben sich nämlich die Beziehungen des Klägers zur Beigeladenen nicht wesentlich von denjenigen unterschieden, die durch § 315a RVO für Rentenantragsteller begründet werden. Personen, die eine Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten beantragt haben, und die in § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a und b genannten Voraussetzungen, jedoch nicht die Voraussetzungen für den Bezug der Rente erfüllen, gelten nach § 315a RVO als Mitglieder in der Krankenversicherung. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, daß der Kläger die Voraussetzungen des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO erfüllt hat, jedoch nicht die Voraussetzungen für den Bezug der Rente. Er ist lediglich wegen des Vorrangs der knappschaftlichen Krankenversicherung auf den Schutz nach dem Erlaß des RAM verwiesen.

Nach dem RAM-Erlaß war die Reichsknappschaft ermächtigt, Leistungen der knappschaftlichen KVdR ohne Anerkennung eines Rechtsanspruchs bereits vor der Zustellung des Rentenbewilligungsbescheides zu gewähren, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Rentenanspruch begründet erscheint. Der Erlaß ist weiterhin geltendes Recht (Art 2 § 2a Abs 1 des Knappschaftsrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes idF durch Art 2 § 3 Nr 3 des Finanzänderungsgesetzes 1967). Nach § 41 Abs 5 der Satzung der Bundesknappschaft ist in den vom Erlaß erfaßten Fällen die Leistungsgewährung zugelassen. Die Gewährung von Leistungen der Krankenversicherung an Rentenantragsteller ist nach dem Erlaß nicht in jedem Fall gerechtfertigt, und zwar auch dann nicht ohne weiteres, wenn der Rentenantrag begründet erscheint (BSG KVRS A-2070/1; KVRS A-2800/7). Indessen hat der Senat bei tatsächlicher jahrelanger und schriftlich zugesagter Gewährung von Krankenpflege nach dem Erlaß eine der Mitgliedschaft als Voraussetzung für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs gleichstehende Beziehung angenommen (BSG SozR 2600 § 19 RKG Nr 4 = BSGE 54, 130, 131).

Der Krankengeldanspruch des Klägers ergibt sich aus dem RAM-Erlaß, der in Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes anzuwenden ist. Die Annahme eines der Mitgliedschaft als Voraussetzung für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs gleichzusetzenden Rechtsverhältnisses ist insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil die Beigeladene dem Kläger nach ihrem eigenen Vorbringen in der streitigen Zeit Leistungen der Krankenpflege gewährt hätte, wenn ein entsprechendes Begehren an sie herangetragen worden wäre. Nach den Feststellungen des LSG gewährt die Beigeladene während des Rentenverfahrens in der Regel auch Sachleistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung, sofern es beantragt wird und sich als erforderlich erweist. Der Umstand, daß der Kläger die Krankenpflege nicht "beantragt" hat, steht seinem Anspruch nicht entgegen. In der Krankenversicherung ist der Antrag nach den materiell-rechtlichen Bestimmungen der RVO nicht Voraussetzung der Leistungsansprüche. Er hat nur eine anspruchsauslösende Funktion (Schroeder-Printzen/v. Wulffen SGB - Verwaltungsverfahren - § 18 Anm 3). Auch in der knappschaftlichen KVdR ist weder nach dem RAM-Erlaß noch nach der Satzung der Bundesknappschaft in diesem Sinn ein Antrag erforderlich. Der Annahme einer der Mitgliedschaft gleichzusetzenden Rechtsbeziehung zur knappschaftlichen KVdR steht ferner nicht entgegen, daß der Kläger einen Anspruch auf Leistungen der Krankenhilfe nach § 37 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) hatte. Die Beigeladene ist zwar nach dem RAM-Erlaß nur dann ermächtigt, Leistungen der knappschaftlichen KVdR zu erbringen, wenn sonst kein Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen besteht (BSG KVRS-A 2070/1; KVRS-A 2800/7). Indessen kann die Beigeladene dem Kläger nicht entgegenhalten, daß er Anspruch auf Krankenhilfe nach § 37 BSHG gehabt habe. Nach § 2 Abs 1 BSHG sind diese Leistungen auch gegenüber der Krankenhilfe nach dem RAM-Erlaß nachrangig. Schließlich rechtfertigt es auch keine unterschiedliche Behandlung des Klägers gegenüber Mitgliedern der Krankenversicherung nach § 315a RVO, daß er in der streitigen Zeit tatsächlich keine Leistungen der Krankenhilfe aus der Sozialversicherung bezogen hat. Nach den Feststellungen des LSG hat er Krankenpflege aus der Sozialhilfe erhalten. Der Träger der Sozialhilfe kann aber nach § 109 Abs 1 RKG (idF durch Art 1 Nr 11 des Bundesknappschaft-Errichtungsgesetzes vom 28. Juli 1969 - BGBl I 974 -) iVm §§ 1531, 1532 RVO (vgl jetzt § 104 SGB X) für die von ihm erbrachten Leistungen der Krankenhilfe vom Träger der Krankenversicherung Ersatz beanspruchen. Von diesem Ersatzanspruch werden auch im Ermessen des Trägers der Krankenversicherung stehende Leistungen erfaßt, wenn dieser Träger sein Ermessen bei Beachtung des Ermächtigungszwecks hätte positiv ausüben müssen (BSG SozR 2200 § 182c RVO Nr 4 mwN).

Dem Anspruch des Klägers steht nicht entgegen, daß die Beitragspflicht in der allgemeinen und in der knappschaftlichen KVdR unterschiedlich geregelt ist. Dies hat das LSG zutreffend dargelegt. Rentenantragsteller, die Mitglieder der allgemeinen KVdR sind, haben nach § 381 Abs 3 Satz 2 RVO Beiträge zu zahlen. Damit steht im Zusammenhang, daß sie den Beginn der Mitgliedschaft in der KVdR bis zur Bewilligung der Rente hinausschieben können (§ 315b RVO). Für die knappschaftliche KVdR fehlen derartige Regelungen. Dies steht aber der leistungsrechtlichen Gleichstellung des Klägers mit einem Antragsteller in der allgemeinen KVdR nicht entgegen. Allerdings hat der 8. Senat des BSG die Nachrangigkeit eines Anspruchs nach dem RAM-Erlaß gegenüber dem nachgehenden Anspruch gemäß § 183 Abs 1 Satz 2 RVO auch damit begründet, daß eine Gleichstellung der Antragsteller in der knappschaftlichen Rentenversicherung mit den Antragstellern in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten ebenso die Beitragspflicht der Antragsteller in der knappschaftlichen KVdR zur Folge haben müßte (BSG KVRS-A 2070/1). Diese Überlegung steht aber dem Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs nicht entgegen. Schon das LSG hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Beiträge an die KVdR nach § 381 Abs 3 Satz 2 RVO nicht zur Finanzierung des Krankengeldes bestimmt sind, weil die Versicherung nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO keinen Anspruch auf diese Leistung einschließt. Hinzuzufügen ist, daß die Leistungen der Krankenpflege nach dem RAM-Erlaß ohne Beitragspflicht zu erbringen sind. Gerade diese Krankenpflegeleistungen, die die Beigeladene dem Kläger im Fall der Geltendmachung gewährt hätte, rechtfertigen aber die Gleichstellung des Klägers mit Versicherten nach § 315a RVO. Ist demnach die Zugehörigkeit des Klägers zur Solidargemeinschaft der Krankenversicherung anzunehmen, so steht ihm dem Grunde nach der Krankengeldanspruch zu.

Der Krankengeldanspruch richtet sich gegen die Beigeladene, obwohl sie nach dem RAM-Erlaß kein Krankengeld gewährt. Die Leistungspflicht der Beigeladenen ergibt sich aus § 212 RVO. Tritt ein Versicherter, der Leistungen bezieht, zu einem anderen Träger der Krankenversicherung über, so übernimmt gemäß § 212 RVO dieser die weiteren Leistungen nach seiner Satzung. Die Mitgliedschaft bei der alten Kasse erlischt (§ 312 Abs 1 RVO). Mit der Mitgliedschaft bei der neuen Kasse entsteht der Anspruch auf die Regelleistungen gegen diese nach § 206 RVO. Die Leistungspflicht der neuen Kasse aus der bestehenden Mitgliedschaft geht grundsätzlich einer eventuellen Leistungspflicht der alten Kasse aus der beendeten Mitgliedschaft vor (BSGE 51, 281, 285 = SozR 2200 § 183 RVO Nr 35). Bei einem bereits vor dem Kassenwechsel begründeten Krankengeldanspruch ist die Übernahme der weiteren Krankengeldleistungen durch die neue Kasse nach der neueren Rechtsprechung des Senats nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Versicherte bei dieser Kasse nur noch ohne Krankengeldberechtigung versichert ist (BSG aaO).

Die Grundsätze sind auch im Fall des Klägers anzuwenden. Da die Leistungspflicht der Beigeladenen gegenüber dem Kläger nach dem RAM-Erlaß hinsichtlich des Wiederauflebens des Krankengeldanspruchs der Mitgliedschaft gleichzusetzen ist, muß diese Gleichstellung auch die Zuständigkeit bestimmen und den Übertritt iS des § 212 RVO bewirken. Der Kläger kann nicht hinsichtlich des Anspruchs dem Grunde nach einem Mitglied gleichgestellt, hinsichtlich der Zuständigkeit aber anders behandelt werden. Für die Leistungspflicht der Beigeladenen sprechen vielmehr insbesondere die Gründe, die zu der neueren Rechtsprechung des Senats zu § 212 RVO geführt haben: Der Senat hat in dieser Rechtsprechung § 212 RVO dahin ausgelegt, daß eine vollständige Übernahme der Leistungen, also nicht nur der Krankenpflege, sondern auch des Krankengeldes, stattzufinden habe und hat die Gründe dargelegt, die gegen eine Aufteilung der Leistungen aus der Krankenversicherung auf verschiedene Kassen sprechen. Im Verhältnis zum Krankengeld kommt der Krankenpflege die primäre Bedeutung zu, weil sie dazu bestimmt ist, die Krankheit - das eigentliche Risiko dieses Versicherungszweigs - zu bekämpfen, während das Krankengeld nur ergänzend der wirtschaftlichen Absicherung des Erkrankten dient. Das Krankengeld ist als eine ergänzende Leistung weitgehend von den speziellen Leistungen der Krankheitsbekämpfung abhängig. Diese Abhängigkeit zeigt sich vor allem in dem Zweck der laufenden Krankengeldgewährung, der darin besteht, den Versicherten während der Krankheit bei Arbeitsunfähigkeit wirtschaftlich abzusichern. Mit der Behandlung der Krankheit wird auch das Ziel verfolgt, den für den Krankengeldbezug maßgebenden Krankheitszustand, die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, zu beseitigen. Die zur Krankengeldgewährung verpflichtete Kasse kann daher den Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen zwingen, sich den gebotenen Behandlungsmaßnahmen zu unterziehen und im Fall der Weigerung die Krankengeldzahlung einzustellen (§§ 62, 63, 66 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil -SGB I-; § 183 Abs 7 RVO). Aus diesen Gründen zieht nicht nur die nach der Übung der Beigeladenen dem Kläger zu gewährende Krankenpflege das Wiederaufleben seines Krankengeldanspruchs nach sich, sondern ist dafür auch die Zuständigkeit der Beigeladenen gegeben.

Die Leistungspflicht der Beigeladenen ist nicht im Hinblick auf die Unterschiede der knappschaftlichen und der allgemeinen KVdR ausgeschlossen. Auch insoweit hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest (BSGE 54, 130, 132 ff = SozR 2600 § 19 RKG Nr 4).

Die Revision der Beklagten führt aus allen diesen Gründen zur Verurteilung der Beigeladenen mit der Kostenfolge aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663725

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