Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitgliedschaft als Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine nach der Rechtsprechung des Senats bestehende Pflicht der für die Krankenversicherung der Rentner zuständigen Krankenkasse zur Übernahme der Krankengeldgewährung gemäß § 212 RVO (BSG 1981-04-28 3 RK 8/80 = BSGE 51, 281) trifft auch die Bundesknappschaft.

2. Die tatsächliche jahrelange und schriftlich zugesagte Gewährung von Krankenpflege nach dem Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 22.8.1942 (AN 1942, 476) begründet eine der Mitgliedschaft als Voraussetzung für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs gleichzusetzende Beziehung.

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat die Arbeitsunfähigkeit seit dem vorausgegangenen Drei-Jahres-Zeitraum iS des § 183 Abs 2 RVO (Blockfrist) ununterbrochen fortbestanden, so setzt die Wiedergewährung des Krankengeldes mit Beginn einer neuen Blockfrist allein das Fortbestehen der Mitgliedschaft voraus.

 

Normenkette

RVO § 183 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1961-07-12, § 212 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1972-08-10; RKG § 19; RAMErl 1942-08-22

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 26.03.1982; Aktenzeichen L 16 Kr 126/81)

SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 24.10.1979; Aktenzeichen S 17 Kr 47/79)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger im Rahmen der vierten Blockfrist ab 17. Juli 1979 Krankengeld zusteht, und ob diese Leistung von der Beklagten oder von der Beigeladenen zu gewähren ist.

Der Kläger war von 1945 bis 1966 im Bergbau beschäftigt und in der knappschaftlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Danach war er aufgrund der Beschäftigung in einem Textilbetrieb Mitglied der Beklagten. Am 6. Mai 1969 wurde er wegen eines Bandscheibenleidens arbeitsunfähig. Die Beklagte gewährte ihm damals und auch während der zweiten und dritten Blockfrist wegen "ununterbrochen fortbestehender" Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit Krankengeld - zuletzt bis zum 1. November 1976. Bereits am 16. Dezember 1974 hatte der Kläger die Gewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bei der Bundesknappschaft beantragt, die den Antrag ablehnte. Die Klage dagegen wurde abgewiesen; die Berufung nahm der Kläger am 29. November 1979 zurück. Die Beigeladene gewährte ihm ab 29. August 1975 Krankenpflege nach dem Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 22. August 1942 (AN II 476). Ab 1. Dezember 1979 war der Kläger, der schon seit längerer Zeit eine Bergmannsrente bezog, bei der Beigeladenen freiwillig gegen Krankheit versichert, bis er infolge der Umwandlung dieser Rente in ein Knappschaftsruhegeld mit Wirkung vom 1. Juni 1980 Pflichtmitglied in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner (KVdR) wurde.

Den Antrag auf Gewährung von Krankengeld vom 4. April 1979 lehnte die Beklagte ab. Das Sozialgericht (SG) hat sie zur Gewährung von Krankengeld ab 17. Juli 1979 verurteilt. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 22. Januar 1981 zurückgewiesen. Nach Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache hat das LSG am 26. März 1982 das Urteil des SG abgeändert und die Beigeladene verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 17. Juli 1979 bis zum 2. November 1979 Krankengeld zu zahlen. Das LSG hat ausgeführt, allerdings setze das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs nach § 183 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) voraus, daß zu Beginn der neuen Blockfrist ein Mitgliedschaftsverhältnis zur gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Die Betreuung nach dem Erlaß vom 22. August 1942 begründe noch keine Mitgliedschaft in der knappschaftlichen KVdR. Indessen komme der jahrelange Leistungsbezug nach diesem Erlaß, wie er hier vorgelegen habe, der vorzeitigen Begründung eines Mitgliedschaftsverhältnisses zumindest nahe. Zum anderen würde es gegen Art 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen, wenn Antragsteller auf Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung grundlegend anders behandelt würden als Versicherte, über deren Rentenanträge die Leistungsträger anderer Versicherungszweige zu entscheiden haben. Nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO iVm § 315a RVO würden die Anträge auf Rente aus der Arbeiter- oder Angestelltenversicherung in jedem Fall eine Mitgliedschaft in der KVdR begründen. Krankengeldleistungen, die vor einem Kassenwechsel begründet worden seien, müsse die neue Kasse nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann übernehmen, wenn nur noch eine Versicherung ohne Krankengeldanspruch bestehe. Für die Pflicht zur Übernahme der Krankengeldgewährung an einen Antragsteller auf Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung genüge eine mitgliedschaftsähnliche Rechtsbeziehung zur Bundesknappschaft. Eine solche Beziehung sei hier gegeben, da der Kläger bei Beginn der vierten Blockfrist am 6. Mai 1978 schon seit fast drei Jahren Krankenpflege von der Beigeladenen erhalten habe, die ihm auch schriftlich zugesagt worden sei.

Die Beigeladene hat Revision eingelegt und macht geltend, der in der Rechtsprechung des BSG zu § 212 RVO angenommene Ausgleich der Vor- und Nachteile, die sich für die Kassen aus der neuen Auslegung dieser Vorschrift ergäben, gelte nicht für die knappschaftliche KVdR. Wenn die neue Rechtsprechung auf die Bundesknappschaft angewendet würde, ergäbe sich daraus für sie eine einseitige Belastung. Die Bundesknappschaft sei nämlich für die Durchführung der KVdR nicht nur wie andere Rentenversicherungsträger dann zuständig, wenn sie den letzten Beitrag des Versicherten erhalten habe, sondern auch dann, wenn die Wartezeit für die Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 1 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) erfüllt sei. Das BSG habe sich mit der neuen Rechtsprechung zu § 212 RVO nicht an das Prinzip gehalten, daß es von seiner bisherigen Rechtsprechung nicht abweichen soll, wenn sowohl für die eine wie für die andere Ansicht gute Gründe sprächen. Im vorliegenden Fall müsse jedenfalls noch die alte Rechtsprechung angewendet werden, denn bei zurückliegenden Sachverhalten habe das BSG nach dem damaligen Rechtsverständnis entschieden und eine spätere Änderung der Rechtsprechung unberücksichtigt gelassen.

Die Beigeladene beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. März 1982 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24. Oktober 1979 zurückzuweisen.

Der Kläger und die Beklagte beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beigeladenen ist nicht begründet.

Dem Kläger steht gemäß § 183 Abs 2 RVO iVm § 212 RVO der Anspruch auf Gewährung von Krankengeld vom 17. Juli 1979 bis zum 2. November 1979 gegen die Beigeladene zu. Der Krankengeldanspruch ist während der Mitgliedschaft bei der Beklagten begründet worden. Der Kläger war auch unstreitig im Anschluß an die Krankengeldgewährung während der dritten Blockfrist und bis zur Antragstellung am 4. April 1979 durchgehend arbeitsunfähig.

Die weitere, für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs regelmäßig erforderliche Voraussetzung der Mitgliedschaft des Arbeitsunfähigen zur Versicherung bei Beginn der neuen Blockfrist (BSGE 45, 11, 14 = SozR 2200 § 183 RVO Nr 11), ist ebenfalls gegeben. Die dem Kläger aufgrund des Erlasses vom 22. August 1942 schriftlich zugesagte und ihm jahrelang gewährte Krankenpflege ist insoweit der Mitgliedschaft gleichzusetzen, wie auch die Beigeladene selbst einräumt, und bewirkt den Übertritt des Leistungsempfängers zur Bundesknappschaft gemäß § 20 RKG iVm § 212 RVO.

Die tatsächliche jahrelange und schriftlich zugesagte Gewährung der Krankenpflege an den Kläger hat ein der Mitgliedschaft gleichzusetzendes Verhältnis zur Beigeladenen in der Weise begründet, daß das Wiederaufleben des Krankengeldes und der Übertritt iS des § 212 RVO bewirkt worden ist. Allerdings räumt der Erlaß vom 22. August 1942 dem Rentenantragsteller gegenüber der Knappschaft kein Recht ein, das eine einem Mitgliedschaftsverhältnis ähnliche statusrechtliche Beziehung begründet (BSG SozR 2600 § 19 Nr 2). Die Gewährung der Leistungen der Krankenhilfe nach dem Erlaß hat aber eine der Mitgliedschaft als Voraussetzung für den Krankengeldanspruch gleichzusetzende Beziehung begründet. Hinsichtlich der Leistungsgewährung haben sich nämlich - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - die Beziehungen des Klägers zur Beigeladenen während der hier maßgeblichen Zeit ab 6. Mai 1978 nicht wesentlich von denjenigen unterschieden, die zwischen KVdR-Mitgliedern nach § 315a RVO und ihrer Krankenkasse bestehen. Auch in der weiteren Begründung folgt der Senat dem LSG: Der Umstand, daß die Gewährung der Sachleistungen im Ermessen der Beigeladenen lag, war nur formal von Bedeutung; denn die Beigeladene verfährt gegenüber Rentenantragstellern nach einer gefestigten Verwaltungsübung und hat sich dadurch für typisch gelagerte Fälle selbst gebunden. Der Vorbehalt "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht", den sie in die Ankündigung der Leistungsgewährung aufnimmt, kann die Wirkungen dieser Selbstbindung nicht mehr aufheben. Zumindest aber hat er in aller Regel keinerlei praktische Auswirkungen. Soweit nicht einer der in § 381 Abs 3 Satz 2 RVO aufgezählten Ausnahmefälle vorliegt, sind die KVdR- Mitglieder nach § 315a RVO im Gegensatz zu den Rentenantragstellern der knappschaftlichen Rentenversicherung allerdings für die Dauer des Rentenverfahrens zur Beitragsentrichtung verpflichtet. Diese Verpflichtung läßt sich indessen nicht dem Kernbereich der Rechtsbeziehung zurechnen, weil sie für Antragsteller, die auch die Voraussetzungen zum Bezug der beantragten Rente erfüllen, nur den Charakter einer Vorschußzahlung hat. Nach der Rentenbewilligung werden ihnen die entrichteten Beiträge zurückgezahlt (§ 381 Abs 3 Satz 3 RVO).

Für das Bestehen eines Krankengeldanspruchs des Klägers als Folge der jahrelangen Gewährung von Leistungen der Krankenhilfe aufgrund des Erlasses vom 22. August 1942 sprechen auch die folgenden Überlegungen, die die Leistungspflicht der Beigeladenen begründen.

Die Leistungspflicht der Beigeladenen ergibt sich aus § 212 RVO. Tritt ein Versicherter, der Leistungen bezieht, zu einem anderen Träger der Krankenversicherung über, so übernimmt gem § 212 RVO dieser die weiteren Leistungen nach seiner Satzung. Die Mitgliedschaft bei der alten Kasse erlischt (§ 312 Abs 1 RVO). Mit der Mitgliedschaft bei der neuen Kasse entsteht der Anspruch auf die Regelleistungen gegen diese nach § 206 RVO. Die Leistungspflicht der neuen Kasse aus der bestehenden Mitgliedschaft geht grundsätzlich einer eventuellen Leistungspflicht der alten Kasse aus der beendeten Mitgliedschaft vor (BSGE 51, 281, 285 = SozR 2200 § 183 RVO Nr 35). Bei einem bereits vor dem Kassenwechsel begründeten Krankengeldanspruch ist die Übernahme der weiteren Krankengeldleistungen durch die neue Kasse nach der neueren Rechtsprechung des Senats nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Versicherte bei dieser Kasse nur noch ohne Krankengeldberechtigung versichert ist (BSG aaO). Der Senat hat in dieser Rechtsprechung § 212 RVO dahin ausgelegt, daß eine vollständige Übernahme der Leistungen, also nicht nur der Krankenpflege, sondern auch des Krankengeldes, stattzufinden habe und hat die Gründe dargelegt, die gegen eine Aufteilung der Leistungen aus der Krankenversicherung auf verschiedene Kassen sprechen. Im Verhältnis zum Krankengeld kommt der Krankenpflege die primäre Bedeutung zu, weil sie dazu bestimmt ist, die Krankheit - das eigentliche Risiko dieses Versicherungszweigs - zu bekämpfen, während das Krankengeld nur ergänzend der wirtschaftlichen Absicherung des Erkrankten dient. Das Krankengeld ist als eine ergänzende Leistung weitgehend von den speziellen Leistungen der Krankheitsbekämpfung abhängig. Diese Abhängigkeit zeigt sich vor allem in dem Zweck der laufenden Krankengeldgewährung, der darin besteht, den Versicherten während der Krankheit bei Arbeitsunfähigkeit wirtschaftlich abzusichern. Mit der Behandlung der Krankheit wird auch das Ziel verfolgt, den für den Krankengeldbezug maßgebenden Krankheitszustand, die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, zu beseitigen. Die zur Krankengeldgewährung verpflichtete Kasse kann daher den Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen zwingen, sich den gebotenen Behandlungsmaßnahmen zu unterziehen und im Fall der Weigerung die Krankengeldzahlung einzustellen (§§ 62, 63, 66 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil -SGB I-; § 183 Abs 7 RVO). Aus diesen Gründen zieht nicht nur die Gewährung von Krankenpflege das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs des Klägers nach sich, sondern ist dafür auch die Zuständigkeit der Beigeladenen gegeben.

Die Leistungspflicht der Beigeladenen ist nicht im Hinblick auf die Unterschiede zwischen der knappschaftlichen und der allgemeinen Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ausgeschlossen. Wenn sich durch die Rechtsprechung des Senats zu § 212 RVO im Bereich der knappschaftlichen KVdR größere Belastungen ergeben als im Bereich der allgemeinen KVdR, so kann dies nicht zu einer Änderung der Rechtsprechung oder dazu führen, daß sie bei Übertritt zur knappschaftlichen KVdR nicht angewendet wird.

Die Beigeladene hebt zunächst Unterschiede in der Finanzierung der knappschaftlichen und der allgemeinen KVdR hervor und führt aus, nach § 381 Abs 2 iVm § 385 Abs 2 RVO hätten zu den Aufwendungen der nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO Versicherten die Träger der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten Beiträge zu leisten. Der Träger der knappschaftlichen Rentenversicherung dagegen erstatte die Kosten der KVdR (§ 120 RKG). Die Beklagte meint, in diese Erstattung fielen naturgemäß nur solche Leistungen, die Gegenstand der KVdR sind. Dazu gehöre aber nicht das Krankengeld. Die Beigeladene beruft sich dazu auch auf ein Schreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 27. November 1981. Darin hat dieser ausgeführt, er trete der Meinung entgegen, aufgrund der neuen Rechtsprechung des Senats zu § 212 RVO sei die Einrichtung eines Kontos für Krankengeld an Rentner erforderlich. Das BSG habe keine Entscheidung über den Leistungsumfang der KVdR getroffen, sondern lediglich die Kassenzuständigkeit für die Gewährung von Krankengeld aus einem früheren Versicherungsverhältnis abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung abgegrenzt.

Für die Kostenerstattung nach § 120 RKG kann es indessen nicht entscheidend darauf ankommen, daß der Krankengeldanspruch sich aus einem vor Beginn der Mitgliedschaft in der KVdR eingetretenen Versicherungsfall herleitet. Maßgebend für die Erstattung muß vielmehr sein, daß die Beigeladene dem Kläger das Krankengeld wegen der einer Mitgliedschaft insoweit gleichzustellenden Beziehung zu zahlen hat. Wenn es sinnvoll ist, die Gewährung des Krankengeldes als ergänzender Leistung zur Krankenpflege dem Träger der KVdR aufzuerlegen, dann muß die Erstattung nach § 120 RKG auch das Krankengeld erfassen. Es wäre nicht gerechtfertigt, die Kosten für das Krankengeld in Fällen wie dem vorliegenden den Beitragszahlern der knappschaftlichen Krankenversicherung anzulasten.

Der Einwand der Beigeladenen, sie werde durch die Anwendung der neuen Rechtsprechung des Senats auf sie einseitig belastet, rechtfertigt es nicht, statt der Beigeladenen die Beklagte zur Leistung zu verurteilen. Allerdings hat der Senat ausgeführt, es falle nicht entscheidend ins Gewicht, daß die neue Krankenkasse aus dem Versicherungsverhältnis keine entsprechenden Beiträge erhalte. Da § 212 RVO für alle Krankenversicherungsträger gelte, könne davon ausgegangen werden, daß sich die Vor- und Nachteile im großen und ganzen ausglichen (BSGE 51, 281, 286). Diese Ausführungen hat der Senat in einem Fall des Übertritts von einer Ersatzkasse zu einer anderen gemacht. Sie gelten nicht beim Übertritt von einer nichtknappschaftlichen Krankenkasse zur Bundesknappschaft. Wie die Beklagte mit Recht hervorhebt, gleichen sich Vor- und Nachteile, die sich aus der neuen Rechtsprechung bei Übertritten in die KVdR ergeben, im Verhältnis zwischen der Bundesknappschaft und den nichtknappschaftlichen Krankenkassen nicht aus. Die Bundesknappschaft übernimmt nach den Vorschriften über die knappschaftliche KVdR Personen, die bis zur Rentenantragstellung bei nichtknappschaftlichen Krankenkassen versichert waren; sie gibt aber umgekehrt keine vorher bei ihr versicherten Personen mit der Rentenantragstellung an nichtknappschaftliche Krankenkassen ab. In der knappschaftlichen Krankenversicherung sind die in § 19 Abs 1 Nr 1 und 2 genannten Personen versichert, wenn die Bundesknappschaft für die Feststellung der Rente zuständig ist. Diese Versicherung geht der Versicherung nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO vor (§ 19 Abs 2 Satz 2 RKG). Zuständig für die Feststellung der Rente ist nach § 102 Abs 1 RKG der Träger des Versicherungszweiges, an den der letzte Beitrag entrichtet ist. Die Bundesknappschaft ist aber nach § 102 Abs 2 RKG für die Feststellung darüber hinaus auch dann zuständig, wenn die Wartezeit für die Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 1 erfüllt ist oder als erfüllt gilt. Nach § 49 Abs 1 RKG genügt für diese Wartezeit das Zurücklegen einer Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten. Während nach § 257a Abs 1 Satz 1 RVO die nach § 165 Abs 1 Nr 3 bezeichneten Versicherten der Kasse angehören, bei der sie zuletzt Mitglied waren, gehören mithin der knappschaftlichen KVdR nicht nur die Personen an, die zuletzt Mitglied der knappschaftlichen Krankenversicherung waren, sondern auch solche Personen, die nur in früherer Zeit einmal die Wartezeit nach § 49 Abs 1 RKG erfüllt hatten.

Die Zuweisung einer im Verhältnis zu den übrigen krankenversicherten Personen größeren Zahl von Rentnern und Rentenantragstellern an die knappschaftliche KVdR stellt eine Belastung dieses Versicherungszweiges dar. In der allgemeinen KVdR geht der Gesetzgeber davon aus, daß die Aufwendungen für diese Versicherung nicht voll durch Beiträge gedeckt sind. Der nichtgedeckte Teil belastet die Krankenversicherung und wird als Finanzierungsanteil gem § 393b Abs 1 RVO von den Krankenkassen und Ersatzkassen gemeinsam getragen. In der knappschaftlichen KVdR liegt es anders. Die Arbeitgeber und die Versicherten, die neben dem Träger der knappschaftlichen Rentenversicherung und dem Bund die Mittel der knappschaftlichen Krankenversicherung aufbringen müssen (§ 117 RKG iVm § 380 RVO), werden durch die Übernahme der Krankengeldzahlung an Versicherte der knappschaftlichen KVdR und Rentenantragsteller nicht belastet, da die Kosten dafür der Träger der knappschaftlichen Rentenversicherung trägt (§ 120 RKG).

Die zusätzliche Belastung des Trägers der knappschaftlichen Rentenversicherung durch die Anwendung der neuen Rechtsprechung des Senats bei Übertritt in die knappschaftliche KVdR verstößt nicht gegen Sinn und Zweck des Gesetzes. Zu einer besonderen Belastung dieses Trägers führen die Vorschriften über die knappschaftliche KVdR auch ohne die neue Rechtsprechung. Das RKG trägt der besonderen Belastung in der Bestimmung des § 104 Abs 4 durch die Regelung einer Erstattungspflicht der Träger der Rentenversicherung der Arbeiter und der Träger der Rentenversicherung der Angestellten gegenüber der Bundesknappschaft Rechnung. Zu erstatten sind danach 25 % der Aufwendungen für die knappschaftliche KVdR. Dieser Prozentsatz ist für das Jahr 1979 auf 18, für das Jahr 1980 auf 10 und für das Jahr 1981 auf 9 herabgesetzt worden (Art 6 Nr 2 des Fünften Rentenversicherungsänderungsgesetzes - 5. RVÄndG - vom 6. November 1978 - BGBl I 1710). Durch die Erstattungspflicht nach § 104 Abs 4 RKG sollen - zumindest zum Teil - die Mehraufwendungen ausgeglichen werden, die der knappschaftlichen Rentenversicherung durch die besondere Zuständigkeitsregelung in § 102 Abs 2 RKG entstehen (Ilgenfritz, Komm zum RKG, Stand März 1982 § 104 RdNr 7).

Dem Gesetzgeber des RKG ist allerdings bei Schaffung des § 104 Abs 4 (für 1967 durch § 30 Buchst c des Haushaltsgesetzes 1967 - BGBl II 1961 -, für die folgende Zeit durch Art I § 3 Nr 20 des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967 - BGBl I 1259 -) die besondere Belastung durch die neue Auslegung des § 212 RVO nicht bekannt gewesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 104 Abs 4 RKG eine den Mehraufwand in der knappschaftlichen KVdR vollständig deckende Erstattung überhaupt bezweckt hat und ob dieser Zweck durch die neue Rechtsprechung des Senats vereitelt wird. Auch wenn dies der Fall sein sollte, wäre der Senat nicht an einer Änderung seiner Rechtsprechung zu § 212 RVO auch zu Lasten der Bundesknappschaft gehindert. Dem Finanzausgleich muß die Regelung der Zuständigkeit für eine Leistung vorgehen. Es ist grundsätzlich zuerst zu prüfen, welcher Träger nach dem Zweck des Gesetzes eine Leistung zu erbringen hat. Demgegenüber ist die Regelung des Finanzausgleichs und die Auslegung der dazu erlassenen Vorschriften nachrangig, wenn sie nicht ausnahmsweise umgekehrt die Auslegung einer mehrdeutigen Zuständigkeitsvorschrift bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat ausgeführt, die Sachgerechtigkeit der Regelung über das Beitrittsrecht des Ehegatten zur Knappschaft hänge nicht vom Vorhandensein oder Fehlen eines Finanzausgleichs ab. Vielmehr habe sich der Finanzausgleich seinerseits an der Sachgerechtigkeit einer Regelung zu orientieren. Es begründe daher keine Ungleichbehandlung, wenn für den Mehraufwand, den ein Beitrittsrecht der Ehegatten zur Knappschaft angeblich verursache, kein Finanzausgleich vorgesehen sei (BVerfG SozR 2200 § 205 Nr 4). Der Grundgedanke dieser Entscheidung gilt nicht nur bei der Klärung der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift, sondern auch bei ihrer Auslegung.

Aus der historischen Entwicklung des § 104 RKG ergibt sich darüber hinaus, daß damit jedenfalls in den Jahren von 1979 bis 1981 kein vollständiger Ausgleich der Mehraufwendungen bezweckt war und daß die Bestimmung nur nachrangigen Charakter haben kann. Durch Art 2 § 3 Nr 6 des 21. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) vom 25. Juli 1978 (BGBl I 1089) wurde die vorher auf 27 % der Aufwendungen für die knappschaftliche KVdR festgesetzte Erstattung mit Wirkung vom 1. Januar 1979 auf 25 % herabgesetzt mit der Begründung, daß durch die Herabsetzung der Kumulierungsgrenzen beim Zusammentreffen von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung im 21. RAG geringere Aufwendungen entstünden (BT-Drucks VIII/1842 S 57). Dies hat mit der KVdR nichts zu tun. Darüber hinaus wurde die Erstattung später für die Zeit vom 1. Januar 1979 bis zum 31. Dezember 1981 nochmals geändert - wie dargestellt -. Diese nur vorübergehend vorgesehene Herabsetzung der Erstattung auf weniger als die Hälfte ohne entsprechende Minderung des Mehraufwands aus der Zuständigkeitsregelung des § 19 Abs 1 RKG erlaubt den Schluß, daß die Erstattungen nur einen Teil des Mehraufwands decken sollen und daß der Gesetzgeber den Finanzausgleich an allgemeine Belange anpaßt.

Aus allen diesen Gründen ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BSGE, 130

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