Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbillige Härte iS des § 112 Abs 7 AFG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine kürzere als die tarifliche oder übliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist "nicht nur vorübergehend" iS des § 112 Abs 4 Nr 3 AFG vereinbart, wenn diese Arbeitszeit bis zu sechs Monaten gelten soll.

2. Unbillig hart iS des § 112 Abs 7 AFG ist es nicht, von dem nach § 112 Abs 2-4 AFG ermittelten Arbeitsentgelt auszugehen, wenn das sich nach § 112 Abs 2-4 AFG ergebende Bemessungsentgelt höher ist als der Wochenbetrag der Vergütung, die der Arbeitslose in der in den letzten drei Jahren überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit erzielt hat.

 

Orientierungssatz

Eine unbillige Härte iS des § 112 Abs 7 AFG kann auch dadurch entstehen, daß der Arbeitslose im Bemessungszeitraum gegenüber seiner überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit eine geringere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gehabt hat (vgl BSG 31.8.1976 7 RAr 128/74).

 

Normenkette

AFG § 112 Abs. 2, 4 Nr. 3, Abs. 7

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 17.09.1985; Aktenzeichen L 7 Ar 183/84)

SG Osnabrück (Entscheidung vom 23.05.1984; Aktenzeichen S 5 Ar 326/83)

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg).

Die 1963 geborene Klägerin erlernte in der Zeit vom 1. August 1980 bis 8. Juni 1983 bei einem Zahnarzt den Beruf einer Zahnarzthelferin. Ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden, die Ausbildungsvergütung zuletzt monatlich 615,-- DM brutto. Nach erfolgreichem Abschluß der Ausbildung war die Klägerin ab 15. Juni 1983 probeweise bei einem anderen Zahnarzt beschäftigt, wo sie 800,-- DM monatlich erzielte. Als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit waren für die sechsmonatige Probezeit 20 Stunden vorgesehen. Die Beschäftigung endete aufgrund Kündigung des Arbeitgebers schon mit dem 31. August 1983.

Antragsgemäß gewährte die Beklagte der Klägerin ab 1. September 1983 Alg, und zwar in Höhe von 97,20 DM wöchentlich (Bescheid vom 8. September 1983). Das Alg hatte die Beklagte nach der Leistungsgruppe A und einem gerundeten Arbeitsentgelt von 185,-- DM wöchentlich bemessen. Dieses Arbeitsentgelt ist aus den im August 1983 erzielten 800,-- DM brutto und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden errechnet worden. Der Widerspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1983).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Abänderung der ergangenen Bescheide verurteilt, ab 1. September 1983 das Alg nach der für die Klägerin maßgeblichen tariflichen Regelung unter Berücksichtigung der tariflichen Arbeitszeit zu gewähren (Urteil vom 23. Mai 1984). Es hat angenommen, die Zugrundelegung einer wöchentlichen Arbeitszeit von nur 20 Stunden sei gemäß § 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) unbillig, weil die Klägerin während ihrer Ausbildung 40 Stunden in der Woche gearbeitet habe und zudem die letzte Beschäftigung noch während der Probezeit in eine Vollzeitbeschäftigung habe übergehen sollen.

Auf die vom SG zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. September 1985). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es zunächst ausgeführt, daß die Zugrundelegung der vereinbarten Arbeitszeit nicht zu beanstanden sei. Die vereinbarte Arbeitszeit gelte dann, wenn nicht nur vorübergehend weniger als die tariflichen oder üblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden vereinbart worden seien (§ 112 Abs 4 Nr 3 AFG). Zwar habe die Klägerin nach erfolgreichem Verlauf der Probezeit in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ganztags beschäftigt werden sollen; da aber für die Probezeit eine Halbtagsbeschäftigung vereinbart gewesen sei und auch noch nicht festgestanden habe, ob die Klägerin in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden würde, müsse die geringere vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit als nicht nur vorübergehend angesehen werden. Das gelte auch dann, wenn der letzte Arbeitgeber möglicherweise bei erfolgreichem Verlauf der Probebeschäftigung die Klägerin schon während der Probezeit ganztägig beschäftigt hätte. Hierzu sei es nicht gekommen, und auf hypothetische Möglichkeiten des Arbeitsverdienstes und der Arbeitszeit stelle § 112 Abs 2 bis 4 AFG nicht ab. Mit Rücksicht auf die von der Klägerin in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit sei es nicht unbillig hart, von dem Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 2 bis 6 AFG auszugehen. Werde zur Prüfung, ob eine unbillige Härte vorliege, das für den Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt dem Arbeitsentgelt gegenübergestellt, das die Klägerin aus der überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit erzielt habe, fehle es an einer Härte schon deshalb, weil sie im Bemessungszeitraum mehr als während ihrer Ausbildung erhalten habe. Allerdings erfasse die Härteregelung des § 112 Abs 7 AFG auch solche Fälle, bei denen der für die Berechnung des Alg maßgebende Faktor Arbeitszeit im Bemessungszeitraum im Verhältnis zu der von dem Arbeitslosen sonst überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit herabgesetzt gewesen sei, sofern gerade die längere Arbeitszeit für das während der überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit erzielte höhere Arbeitsentgelt ursächlich gewesen sei. Das sei bei der Klägerin jedoch nicht der Fall. Eine unbillige Härte könne dann nicht angenommen werden, wenn der Arbeitslose im Bemessungszeitraum zwar eine geringere Arbeitszeit gehabt, dennoch jedoch ein höheres Arbeitsentgelt erzielt habe als während der überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit; denn das Alg, das für die Dauer der Arbeitslosigkeit Lohnersatzfunktion habe, solle dem Arbeitslosen grundsätzlich nur eine Versicherungsleistung gewährleisten, die seiner bis zur Arbeitslosigkeit bestehenden wirtschaftlichen Lage angemessen sei; andernfalls würde die Bemessung auf Voraussetzungen beruhen, die der Arbeitslose weder während der überwiegend ausgeübten Tätigkeit noch im Bemessungszeitraum erfüllt habe.

Die Klägerin macht mit der Revision eine Verletzung des § 112 Abs 7 AFG geltend und trägt vor, dieser Vorschrift sei nicht zu entnehmen, daß der Faktor Arbeitsentgelt gegenüber dem Faktor Arbeitszeit vorrangig sein solle; vielmehr seien beide Faktoren als gleichwertig anzusehen. Deshalb liege schon dann eine unbillige Härte vor, wenn es mit Rücksicht auf die Arbeitszeit der von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit unbillig hart wäre, von der gemäß § 112 Abs 4 AFG zugrundezulegenden wöchentlichen Arbeitszeit auszugehen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, weil sich bei einem Vergleich der Arbeitsentgelte aus der überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit und der Tätigkeit während des Bemessungszeitraums eine unbillige Härte nicht feststellen lasse; die längere Arbeitszeit während der überwiegend ausgeübten Tätigkeit, in der aber ein niedrigeres Arbeitsentgelt als im Bemessungszeitraum erzielt worden sei, könne nicht als maßgeblicher Faktor bei der Beurteilung der unbilligen Härte herangezogen werden.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Nach § 111 Abs 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1983 geltenden Fassung des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 3656) beträgt das Alg 68 vH und nach § 111 Abs 1 Nr 2 AFG in der seit dem 1. Januar 1984 geltenden Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) für Arbeitslose, die - wie die Klägerin - keine Kinder haben, 63 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Mehr als das Alg, das die Beklagte der Klägerin gewährt hat, stünde der Klägerin daher zu, wenn der Leistungsbemessung ein höheres wöchentliches Arbeitsentgelt als 185,-- DM zugrundezulegen wäre. Das ist jedoch, wie das LSG zutreffend entschieden hat, nicht der Fall.

Arbeitsentgelt iS des § 111 Abs 1 AFG ist das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG in der zuletzt durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz -AFKG- vom 22. Dezember 1981, BGBl I 1497, geänderten Fassung). Bemessungszeitraum, dh die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten, die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs 3 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden, zuletzt durch das AFKG geänderten Fassung), ist nach den Feststellungen des LSG der August 1983 gewesen. Die für diesen Monat gezahlten 800,-- DM gelten nach der Formel des § 112 Abs 2 Satz 2 AFG in 86,66 Arbeitsstunden als erzielt. Das ist die Arbeitsstundenzahl, die sich ergibt, wenn die Zahl der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden (20) mit 13 vervielfacht und durch 3 geteilt wird. Das in der Arbeitsstunde im Bemessungszeitraum durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt beträgt hier somit 9,23 DM (= 800,-- DM : 86,66).

Zutreffend hat die Beklagte dieses durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt mit 20, dh der Zahl der Arbeitsstunden vervielfacht, die die Klägerin als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mit ihrem Arbeitgeber für die Probezeit vereinbart hatte. Im Regelfalle ist als Vervielfältiger zwar die Zahl der Arbeitsstunden anzusetzen, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG). Waren die Arbeitgeber oder war der Arbeitnehmer nicht tarifgebunden, ist die tarifliche Arbeitszeit für gleiche oder ähnliche Beschäftigungen maßgebend; mangels einer tariflichen Regelung ist die Arbeitszeit zugrundezulegen, die für gleiche oder ähnliche Beschäftigungen üblich ist (§ 112 Abs 4 Nr 2 AFG). Das alles gilt indessen nicht, wenn nicht nur vorübergehend weniger als die tariflichen oder üblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden vereinbart waren; denn dann ist die vereinbarte Arbeitszeit zugrundezulegen (§ 112 Abs 4 Nr 3 AFG). Ein solcher Fall ist hier gegeben.

Dem steht nicht entgegen, daß die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden im Bemessungszeitraum, die für die ganze 2 1/2-monatige Beschäftigung der Klägerin beim letzten Arbeitgeber gegolten hat, angesichts der Arbeitszeit während der vorhergehenden Ausbildung und der Arbeitszeit, die für die Klägerin gegolten hätte, wenn sie von ihrem letzten Arbeitgeber auf Dauer übernommen worden wäre, oder der Arbeitszeit, für die die Klägerin sich nach Eintritt der Arbeitslosigkeit für die Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat, als vorübergehend erscheint. Denn nur wenn für das im Bemessungszeitraum bestehende Beschäftigungsverhältnis vorübergehend eine kürzere als die tarifliche oder übliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit vereinbart worden ist, ist die vereinbarte Arbeitszeit nicht zugrundezulegen. Ob eine Arbeitszeitvereinbarung vorübergehender Natur ist, ist allein nach dem Beschäftigungsverhältnis zu beurteilen, für das die Vereinbarung getroffen worden ist. Dies hat zur Folge, daß eine Arbeitszeit schon dann nicht nur vorübergehend vereinbart ist, wenn sie für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses gelten soll (so zutreffend Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, Stand August 1986, § 112 Anm 9). Eine geringere als die tarifliche oder übliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, die für ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart wird, ist mithin unbeschadet der Kürze der Frist in keinem Falle nur vorübergehend vereinbart. Sollte die Klägerin zur Probe in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt gewesen sein, könnte schon deshalb auf eine andere Arbeitszeit als die, die für das Probearbeitsverhältnis gegolten hat, nicht zurückgegriffen werden. Aber auch dann, wenn die Klägerin an sich unbefristet eingestellt worden war und lediglich die Lösung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer bis zum Ablauf der vereinbarten Probezeit erleichtert gewesen ist, ist die vereinbarte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden der Bemessung des Alg zugrundezulegen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Arbeitszeit von 20 Wochenstunden hier schon deshalb nicht nur vorübergehend vereinbart worden ist, weil nach dem Willen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers auf erhebliche Zeit weniger als die tariflichen oder üblichen regelmäßigen Arbeitsstunden abgeleistet werden sollten und in der Regel ein Zeitraum von drei Monaten oder mehr als erheblich zu betrachten ist (vgl die nach der im Runderlaß der Beklagten 176/69.4 vom 6. Juni 1969, DBlBA 1969, 673, gegebenen Weisung Nr 14 zu § 112 AFG sinngemäß anwendbare Weisung Nr 37 zu § 90 AVAVG des Runderlasses 18/65.4, abgedruckt bei Berndt/Draeger, Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Arbeitslosenversicherung, Kindergeld, § 90 AVAVG II Nr 1); denn jedenfalls ist eine Arbeitszeitvereinbarung, die gegebenenfalls bis zu sechs Monaten maßgebend sein soll, nach den Zwecken des § 112 Abs 4 Nr 3 AFG nicht nur vorübergehend vereinbart. Nach dem Regelungszusammenhang des § 112 Abs 2 AFG müssen sich kürzere als die tarifliche oder übliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Bemessungszeitraum an sich immer auf das Bemessungsentgelt auswirken, weil das Bemessungsentgelt andernfalls höher als das Arbeitsentgelt sein könnte, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Letzteres widerspräche aber dem Grundsatz des Gesetzes, die Höhe des Alg an das bisher aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt anzuknüpfen (vgl BSGE 53, 186, 189 = SozR 4100 § 112 Nr 20). Wenn nach § 112 Abs 4 Nr 3 AFG nun eine nur vorübergehend vereinbarte kürzere als die tarifliche oder übliche Arbeitszeit unberücksichtigt bleibt, kann dies nur für eine für wenige Monate getroffene, das Beschäftigungsverhältnis im übrigen nicht prägende Arbeitszeitvereinbarung gelten. Härten, die durch die restriktive Handhabung dessen, was noch vorübergehend ist, entstehen, werden durch § 112 Abs 7 AFG ausgeglichen.

Ist somit das in der Arbeitsstunde im Bemessungszeitraum durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt von 9,23 DM mit der Zahl 20, das heißt der Zahl der Arbeitsstunden, die die Klägerin vereinbarungsgemäß regelmäßig in der Woche erbringen sollte, zu vervielfältigen, ergibt sich ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 184,60 DM, das auf 185,-- DM, den nächsten durch 5 teilbaren Deutsche Mark-Betrag, zu runden ist (§ 112 Abs 9 AFG).

Ein höheres gerundetes Arbeitsentgelt als das von 185,-- DM wöchentlich wäre dem Alg der Klägerin daher nur dann zugrundezulegen, wenn sich ein solches aus einer anderen Vorschrift ergäbe, wofür nach Sachlage lediglich § 112 Abs 7 AFG (in der bis zum 31. Dezember 1983 geltenden, zuletzt durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979, BGBl I 1189, geänderten Fassung) in Frage kommt.

Nach dieser Vorschrift ist von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt, wenn es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit unbillig hart wäre, von dem nach § 112 Abs 2 - 6 AFG ermittelten Arbeitsentgelt auszugehen. In den drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung (1. September 1980 bis 31. August 1983) ist die Klägerin mehr als 33 Monate zu ihrer Ausbildung als Zahnarzthelferin und 2 1/2 Monate in dem erlernten Beruf beschäftigt gewesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es mit Rücksicht auf eine überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit schon deshalb nicht unbillig hart sein kann, von dem nach § 112 Abs 2 - 6 AFG ermittelten Arbeitsentgelt auszugehen, weil die Klägerin in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend zu ihrer Ausbildung und deshalb nicht beruflich tätig war. Selbst wenn zur Feststellung einer unbilligen Härte auch Zeiten der Ausbildung zu einem Beruf zu berücksichtigen wären, ergibt sich eine unbillige Härte im vorliegenden Falle nicht. Eine solche Härte liegt dann vor, wenn die Bemessung nach § 112 Abs 2 - 6 AFG den Arbeitslosen erheblich benachteiligen würde. Das setzt voraus, daß das nach § 112 Abs 2 - 6 AFG ermittelte Bemessungsentgelt in einem Mißverhältnis zu dem Entgelt steht, das der Arbeitslose aus der innerhalb der letzten drei Jahre vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit erzielt hat. Hierzu ist das gemäß § 112 Abs 2 - 6 AFG ermittelte Arbeitsentgelt dem Arbeitsentgelt gegenüberzustellen, das der Arbeitslose aus der überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit erzielt hat (BSGE 45, 49, 54 = SozR 4100 § 112 Nr 6; SozR 4100 § 112 Nr 19; BSGE 53, 186, 191 = SozR 4100 § 112 Nr 20). Stellt man aber den 185,-- DM den Wochenbetrag der Vergütung gegenüber, die die Klägerin als Auszubildende erzielt hat, ergibt sich keine Härte; denn selbst zum Ende der Ausbildung erzielte die Klägerin in der Woche lediglich ca 142,-- DM (= 615,-- DM x 3 : 13), also weniger als das Bemessungsentgelt nach § 112 Abs 2 - 6 AFG.

Der Umstand, daß die Klägerin im Bemessungszeitraum nur 20 Stunden wöchentlich beschäftigt gewesen ist, während ihre regelmäßige Arbeitszeit in den drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend 40 Wochenstunden betragen hat, vermag eine Härte nicht zu begründen. Allerdings ist es gleichgültig, ob auf den Faktor "durchschnittlich in der Arbeitsstunde im Bemessungszeitraum erzieltes Arbeitsentgelt" oder den Faktor "regelmäßige tarifliche Arbeitszeit" zurückzuführen ist, daß das nach § 112 Abs 2 - 4 AFG zu bestimmende Arbeitsentgelt der überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit in den letzten Jahren nicht gerecht wird. Der Senat hat daher schon entschieden, daß eine unbillige Härte iS des § 112 Abs 7 AFG auch dadurch entstehen kann, daß der Arbeitslose im Bemessungszeitraum gegenüber seiner überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit eine geringere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gehabt hat (Urteil vom 31. August 1976 - 7 RAr 128/74 -). Indessen kann es nach dem Grundgedanken des § 112 Abs 7 AFG nicht ausreichen, wenn sich einer der das Bemessungsentgelt bestimmenden Faktoren zum Nachteil des Arbeitslosen verändert hat, das Bemessungsentgelt aber dennoch dem durch die überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit erzielten Arbeitsentgelt entspricht, weil sich der andere Faktor zugunsten des Arbeitslosen verändert hat. Das Alg soll dem Arbeitslosen ermöglichen, mit gewissen Einschränkungen seinen Lebensstandard beizubehalten, soweit dieser an dem bisher erzielten Einkommen aus versicherungspflichtiger Beschäftigung ausgerichtet war; entsprechend knüpft das Gesetz die Höhe des Alg im Grundsatz an das bisher erzielte Arbeitsentgelt an (BSGE 53, 186, 189 = SozR 4100 § 112 Nr 20). Der Grundgedanke des § 112 Abs 7 AFG besteht nun darin, einen Ausgleich für die Fälle zu schaffen, in denen der Arbeitnehmer gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es seiner eigentlichen, während des längeren Zeitraums ausgeübten beruflichen Tätigkeit entsprochen hätte (BSG SozR Nr 5 zu § 90 AVAVG; BSGE 53, 186, 191 = SozR 4100 § 112 Nr 20). Eine unbillige Härte iS des § 112 Abs 7 AFG kann daher nur vorliegen, wenn das nach § 112 Abs 2 - 6 AFG zugrundezulegende Bemessungsentgelt geringer ist als das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose während der in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit erzielt hat.

Aus den vorstehenden Gründen ist es unerheblich, daß die Klägerin nicht nur für eine Teilzeitarbeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und, wäre sie nicht arbeitslos, sondern beschäftigt, ein wesentlich höheres Arbeitsentgelt erzielen könnte, als sie in den vergangenen Jahren erzielt hat. Demnach begründet es ferner keine unbillige Härte iS des § 112 Abs 7 AFG, daß dem Alg der Klägerin das Arbeitsentgelt des § 112 Abs 5 Nr 2 AFG zugrundezulegen wäre, wenn ihr Anspruch vor der letzten Beschäftigung entstanden bzw wenn es zu der letzten Beschäftigung nicht gekommen wäre, was jedenfalls bis zur Änderung des § 112 Abs 5 Nr 2 AFG (idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des AFG vom 12. Dezember 1977, BGBl I 2557) durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 zu einem günstigeren Bemessungsentgelt geführt hätte.

Die Revision erweist sich daher als unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662593

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