Leitsatz (amtlich)

Die KK kann Ersatz der von der Anmeldung des Versorgungsanspruchs an entstandenen Heilbehandlungskosten nach BVG § 19 Abs 1 idF vor dem 1. NOG KOV auch dann fordern, wenn der Versorgungsanspruch erst nach Durchführung der Heilbehandlung anerkannt wurde.

 

Orientierungssatz

Zur Frage, wann sich für das Gericht gemäß GVG § 185 die Verpflichtung ergibt, einen Dolmetscher zuzuziehen.

 

Normenkette

BVG § 19 Abs. 1 Fassung: 1955-11-03; GVG § 185

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai 1962 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Versorgungsberechtigte J M (M.) war bei der Klägerin, der Ruhrknappschaft, gegen Krankheit versichert. Aus Anlaß einer Heilbehandlung des M. vom 26. April bis 9. Mai 1954 entstanden der Klägerin Kosten. M. beantragte am 26. April 1954, dem ersten Tage seiner Arbeitsunfähigkeit, bei der Ruhrknappschaft Steckschuß in der linken Gesäßhälfte als Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) anzuerkennen und ihm Heilbehandlung und Rente zu gewähren. Der Antrag ging am 28. April 1954 beim Versorgungsamt (VersorgA) ein. Im August 1954 ersuchte das VersorgA die Amtsverwaltung P, einen formularmäßigen Antrag von M. aufzunehmen und ihn zu veranlassen, Zeugen über den Hergang der Verletzung zu benennen. Am 18. Oktober 1954 teilte das Amt mit, M. sei der letzten Vorladung gefolgt und erkläre nunmehr, daß er seinen Antrag auf Versorgung nach dem BVG zurückziehe. Er betrachte die Angelegenheit als erledigt. Die Versorgungsbehörde behandelte hierauf den Antrag als zurückgenommen. Auf Veranlassung der Klägerin reichte M. unter dem 8. Dezember 1955 ein Schreiben ein, mit dem er erneut Versorgung beantragte und hervorhob, daß er seinen am 26. April 1954 gestellten Antrag auf Anerkennung seines Leidens aufrechterhalte und sein Schreiben vom 18. Oktober 1954 als gegenstandslos betrachte. Mit Bescheid vom 29. Dezember 1956 lehnte das VersorgA den Antrag auf Rente wegen Fristversäumnis nach §§ 56, 57 BVG und auch deshalb ab, weil der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) eine Rente nicht rechtfertige. Es erkannte Infanteriegeschoß im Bereich der linken Hüfte als Schädigung im Sinne des § 1 BVG und das Recht auf Heilbehandlung unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 BVG an. Die Klägerin bezifferte am 13. Februar 1957 ihren Ersatzanspruch gegen den Beklagten mit 104,61 DM. Der Anspruch wurde am 18. November 1957 abgelehnt, weil die Heilbehandlung vor dem zweiten Antrag vom Dezember 1955 durchgeführt worden sei. Das Sozialgericht (SG) verurteilte den Beklagten, der Klägerin Ersatz für die durch Gewährung von Heilbehandlung, Krankengeld und Hausgeld in der Zeit vom 26. April bis 9. Mai 1954 entstandenen erstattungsfähigen Kosten zu gewähren und ließ die Berufung zu. Das Landessozialgericht (LSG) hörte M. als Zeugen. Es wies mit Urteil vom 15. Mai 1962 die Berufung des Beklagten zurück und ließ die Revision zu. Der Beklagte habe der Klägerin dem Grunde nach die Aufwendungen zu ersetzen, die sie anläßlich der Erkrankung des M. vom 26. April 1954 bis 9. Mai 1954 geleistet habe. Zu Unrecht folgere der Beklagte aus § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVG, daß die Krankenkasse nur für solche Heilbehandlungen Ersatz verlangen könne, die nach der bescheidmäßigen Anerkennung der Schädigung durchgeführt werden. Die Anerkennung sei lediglich ein Erfordernis für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs, es komme nicht darauf an, ob die Anerkennung vor oder nach der Heilbehandlung erfolgt sei. Die Anerkennung müsse nur im Zeitpunkt der Geltendmachung des Ersatzanspruchs vorliegen. Die von dem Beklagten vertretene Auslegung müsse zur Folge haben, daß der oft vom Zufall abhängige Zeitpunkt der Anerkennung zur Voraussetzung für den Ersatzanspruch erhoben würde und dieser Zufall vom Schuldner gesteuert werden könnte. Im übrigen sei bekannt, daß eine Anerkennung, sofern sie noch nicht vorliege, während einer Heilbehandlung selten sei. Aus durchaus sachlichen Gründen erfolge in vielen Fällen die Anerkennung nach dem Abschluß der Heilbehandlung, nämlich dann, wenn erst aufgrund der ärztlichen Unterlagen über die Heilbehandlung die Frage beantwortet werden könne, ob die Erkrankung Schädigungsfolge sei, oder wenn die Heilbehandlung zur Beseitigung der Erkrankung geführt habe. Allerdings könne Ersatz für eine vor der Anmeldung des Versorgungsanspruchs geleistete Heilbehandlung nicht verlangt werden. M. habe den erstmals am 26. April 1954 gestellten Versorgungsantrag niemals zurückgenommen. Das ergebe sich aus seiner Aussage. Bei Beachtung der notwendigen Sorgfalt hätten seine Äußerungen gegenüber dem Amt P nicht im Sinne einer Rücknahme des Versorgungsantrages verstanden werden können. Der Senat habe sich bei der Vernehmung des M., einem Wolhnien-Deutschen, davon überzeugt, daß ihm die deutsche Sprache in Wort und Sinn noch nicht voll verständlich sei. Zur Zeit der Anhörung vor dem Amt P 1954 seien die Verständigungsschwierigkeiten sicher noch größer gewesen. Die wirkliche Erklärung des M., er halte die Sache für erledigt, hätte das Amt P., das zur Entgegennahme der Rücknahmeerklärung nicht beauftragt gewesen sei, dahin verstehen müssen, daß der dem Amt erteilte Auftrag hinfällig geworden sei. Auch das von der Klägerin aufgesetzte Schreiben vom 8. Dezember 1955 spreche nicht für die Annahme, M. habe den Antrag zurücknehmen wollen. Er sei von einem Bediensteten der Klägerin in einer nicht der wirklichen Rechtslage entsprechenden Weise darüber belehrt worden, daß er seinen ersten Antrag zurückgenommen habe. Da sich M. diese Auffassung erst nachträglich zu eigen gemacht habe, könne das Schreiben vom 8. Dezember 1955 nicht zur Auslegung der Erklärung vom 18. Oktober 1954 herangezogen werden. Der Beklagte sei deshalb mit Recht dem Grunde nach zu der beanspruchten Ersatzleistung verurteilt worden.

Der Beklagte rügt als Verfahrensmängel Verletzung der §§ 128, 75 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und des § 185 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) i. V. m. § 202 SGG. Sachlich-rechtlich habe das LSG § 19 BVG i. V. m. § 10 BVG verkannt. Mit seinen Ausführungen darüber, daß bekannt sei, eine Leidensanerkennung während einer Heilbehandlung sei selten, habe sich das LSG auf eine gerichtsbekannte Tatsache berufen, ohne anzugeben, woher es diese Kenntnis habe, wozu es verpflichtet gewesen sei. Bei der verhältnismäßig geringen Zahl von Streitigkeiten über die Gewährung von Heilbehandlung habe dem LSG die erforderliche Beurteilungsmöglichkeit gefehlt. Anerkennungen während der Heilbehandlung seien im übrigen keineswegs selten. Wenn dem M., wie das LSG ausgeführt habe, die deutsche Sprache in Wort und Schrift nicht voll verständlich sei, so hätte das LSG nach § 185 GVG i. V. m. § 202 SGG einen Dolmetscher zuziehen müssen, weil sonst keine Gewähr für eine einwandfreie Verständigung bestanden hätte. Das LSG hätte auch die Beiladung des M. nicht ablehnen dürfen, weil es sich um einen Fall der notwendigen Beiladung gehandelt habe. Die Vorfrage, ob M. Heilbehandlung beanspruchen konnte, sei so wesentlich für den Erstattungsanspruch, daß beide Ansprüche nur einheitlich festgestellt werden konnten. Wenn man die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung verneine, so habe das LSG doch ermessensfehlerhaft die Beiladung abgelehnt und dadurch § 75 SGG verletzt.

§ 19 BVG billige den Krankenkassen einen Ersatzanspruch nur zu, wenn die Krankenkassen nicht nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes verpflichtet seien, Heilbehandlung zu gewähren. Damit sei zum Ausdruck gebracht, daß ein Ersatzanspruch nur bestehe, wenn der Behandlungsbedürftige aus dem Sozialversicherungs- und dem Versorgungsverhältnis Ansprüche herleiten könne. § 19 BVG könne aus seinem Zusammenhang mit § 10 BVG nicht gelöst werden. Das LSG habe dies nicht beachtet und damit verkannt, daß nach § 10 BVG vor der Anerkennung ein Rechtsanspruch auf Heilbehandlung nicht bestehe. Da hier die Heilbehandlung vor der Anerkennung der Schädigungsfolge durchgeführt worden sei, sei nur eine Kannleistung nach § 10 Abs. 3 BVG in Betracht gekommen, die aber nicht bewilligt worden sei. § 19 Abs. 1 BVG sei als Ausnahme- und Übergangsvorschrift einer extensiven Interpretation nicht zugänglich. Der Ersatzanspruch sei dem Grunde nach dahin beschränkt, daß er nicht für Behandlungen zuerkannt werde, die vor der Anerkennung des Behandlungsleidens und nach dem Ablauf der in § 19 Abs. 1 Satz 1 BVG vorgesehenen Frist erfolge. Ausnahmen bestünden nur für die während der Anerkennung laufenden Heilbehandlungsfälle. Der Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai 1962 und des Sozialgerichts Dortmund vom 9. Dezember 1958 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

§ 10 BVG, der den Anspruch des Versorgungsberechtigten betreffe, stehe in keinem Zusammenhang mit dem Ersatzanspruch der Krankenkassen nach § 19 BVG. Im übrigen hält die Klägerin das angefochtene Urteil für zutreffend und die Verfahrensrügen der Revision für unbegründet.

Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig. Sachlich ist sie nicht begründet.

Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Das LSG hat die Richtigkeit der von ihm vertretenen Auslegung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BVG ua auf die Erwägung gestützt, es sei bekannt, daß eine Anerkennung, sofern diese noch nicht vorliege, während einer Heilbehandlung selten sei. Diese Ausführungen lassen eine Verletzung des § 128 SGG oder einen anderen wesentlichen Verfahrensmangel nicht erkennen, auch dann nicht, wenn mit der Revision unterstellt wird, das LSG habe diese Frage aus seiner amtlichen Tätigkeit nicht zuverlässig beurteilen können. In diesem Falle wäre dem Gericht nicht etwa bei der Unterordnung des Sachverhalts unter das Gesetz aufgrund fehlerhafter, insbesondere unvollständiger Beurteilung der anspruchsbegründenden Tatsachen oder durch sonstige Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens ein Fehler unterlaufen, der nach § 128 SGG gerügt werden könnte. Das LSG hat lediglich versucht, das von ihm durch Auslegung des § 19 BVG gefundene Ergebnis mit den aus der richterlichen Erfahrung gewonnenen Einsichten in Einklang zu bringen. Erwägungen dieser Art gehören nicht zur Feststellung des Sachverhalts und können darum eine Verletzung des § 128 SGG nicht begründen. Auch bedürfen Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, nach § 202 SGG i. V. m. § 291 der Zivilprozeßordnung (ZPO) keines Beweises (BSG 9, 209, 215). Zu ihnen gehört zwar nicht das private Wissen des Richters, wohl aber ein Umstand, der ihm kraft seines Amtes bekanntgeworden ist. Einer genaueren Angabe der Erkenntnisquelle bedurfte es dabei nicht, zumal die amtliche Kenntnis dem Zusammenhang entnommen werden konnte, was auch der Beklagte nicht verkennt. Das BSG hat zwar ausgesprochen, daß den Beteiligten Gelegenheit gegeben werden müsse, sich auch zu Tatsachen zu äußern, die als gerichtskundig angesehen werden (BSG in SozR Nr. 70 zu § 128 SGG). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt aber bei Erwägungen, die wie hier nicht die Feststellung des Sachverhalts sondern nur die Auslegung einer Norm betreffen, nicht in Betracht. Im übrigen konnte das LSG aus den zahlreichen bei ihm anhängig gewordenen Verfahren - nicht nur in den Fällen, in denen der Anspruch auf Heilbehandlung streitig war - z. B. aus Beiakten den Eindruck gewonnen haben, daß Anerkennungen während des Heilverfahrens selten seien.

Auch die Rüge, das LSG hätte nach § 61 Abs. 1 SGG i. V. m. § 185 GVG einen Dolmetscher zuziehen müssen, geht fehl. Der Beklagte hat ausdrücklich erklärt, er habe nicht die Behauptung aufgestellt, eine Verständigung mit dem Zeugen M. sei nicht möglich gewesen; er wolle nur geltend machen, es bestehe keine Gewähr dafür, daß eine einwandfreie Verständigung möglich gewesen sei. Der Hinweis des LSG darauf, daß dem Zeugen M. die deutsche Sprache in Wort und Sinn noch heute "nicht voll" verständlich sei, bedeutet nicht, daß das LSG. das in der Lage war, auf die Sprachschwierigkeiten des M. Rücksicht zu nehmen, sich mit ihm nicht verständigen konnte. Es sollte nur zum Ausdruck gebracht werden, daß der Zeuge die deutsche Sprache nicht so beherrscht wie jemand, der sie als Muttersprache spricht. und daß er darum eher der Gefahr ausgesetzt ist, nicht deutlich zu verstehen oder mißverstanden zu werden. Das LSG hat sich aber erkennbar davon überzeugt, daß eine für die Vernehmung ausreichende Verständigung mit M. möglich war. M. hat auch die ihm vorgelesene Aussage genehmigt. Daraus, daß M. die deutsche Sprache nicht voll beherrschte, ergab sich noch nicht die Verpflichtung, einen Dolmetscher zuzuziehen. In solchen Fällen bleibt die Entscheidung über die Zuziehung eines Dolmetschers dem pflichtgemäßen, im Revisionsverfahren nicht nachprüfbaren Ermessen des Gerichts überlassen (vgl. Baumbach/Lauterbach ZPO 26. Aufl., § 185 GVG, Anm. 1 unter Hinweis auf RG in JW 94, 540; vgl. insbesondere auch BGH NJW 1953, 114).

Das LSG konnte auch ohne Verletzung des § 75 SGG von einer Beiladung des M. absehen. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte einen Beiladungsantrag gestellt hat. Das LSG hat somit einen Beiladungsantrag nicht abgelehnt. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG waren nicht gegeben; insbesondere ist M. an dem Rechtsverhältnis nicht im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen konnte. Der Ersatzanspruch nach § 19 BVG ist auf ein anderes Ziel gerichtet als der Anspruch des Versorgungsberechtigten auf Heilbehandlung und lediglich von den in § 19 BVG bestimmten Voraussetzungen abhängig. Im übrigen schied eine notwendige Beiladung schon deshalb aus, weil über den versorgungsrechtlichen Anspruch des M. bereits durch den unanfechtbar gewordenen Bescheid vom 29. Dezember 1956 entschieden worden war. Das LSG konnte auch nach pflichtgemäßem Ermessen von einer Beiladung des M. gemäß § 75 Abs. 1 SGG absehen. Eine Überschreitung dieses Ermessens ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich; es ist nicht einmal erkennbar, daß die vor der Ermessensentscheidung zu prüfende Voraussetzung des § 75 Abs. 1 BVG erfüllt war, daß "berechtigte Interessen" des M. durch die Entscheidung (noch) berührt wurden. Die vom Beklagten gerügten Verfahrensmängel liegen somit nicht vor.

Die Revision ist auch, soweit sie auf Verletzung materiellen Rechts, nämlich des § 19 BVG gestützt ist, nicht begründet. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BVG i. d. F. vom 7. August 1953 (BGBl I, 866) wird den Krankenkassen, die nicht nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes verpflichtet sind, Heilbehandlung usw. zu gewähren, für ihre Aufwendungen für die Dauer von fünf Jahren - nach § 19 BVG i. d. F. vom 6. Juni 1956 (BGBl I, 469) von 8 Jahren - nach Inkrafttreten des BVG Ersatz geleistet. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BVG wird der Ersatz gewährt, wenn der Zusammenhang der Krankheit mit einer Schädigung anerkannt ist; wird dieser Zusammenhang erst während der Heilbehandlung anerkannt, so wird der Ersatz frühestens von der Anmeldung des Versorgungsanspruchs an, jedoch nicht für eine vor Inkrafttreten des BVG liegende Zeit geleistet. Da § 19 BVG bis zum Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I, 453) am 1. Juni 1960 keine Änderung mehr erfahren hat, kann dahingestellt bleiben, ob der Ersatzanspruch nach dem Recht zu beurteilen ist, das zur Zeit der Heilbehandlung (April/Mai 1954), der Anerkennung der Schädigungsfolge (Dezember 1956) oder der Geltendmachung des Ersatzanspruches (1957) galt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die insoweit von der Revision nicht bzw. nicht mit Erfolg angegriffen und darum der Entscheidung zugrunde zu legen sind (§ 163 SGG), hat M. den Versorgungsantrag am 26. April 1954 gestellt und nicht zurückgenommen. Das LSG hat den Ersatzanspruch dem Grunde nach bejaht. Der Auffassung des Beklagten, die Krankenkasse habe für eine vor Anerkennung der Schädigungsfolge durchgeführte Heilbehandlung keinen Ersatzanspruch, sofern eine Kannleistung nach § 10 Abs. 3 BVG nicht bewilligt worden sei, kann nicht zugestimmt werden. Zu Unrecht beruft sich der Beklagte insoweit auf die Formulierung des Gesetzes in § 19 BVG: "... sind die Krankenkassen nicht nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes verpflichtet, Heilbehandlung ... zu gewähren". Hierbei wird übersehen, daß § 19 BVG den Ersatzanspruch der Krankenkassen unabhängig von dem Versorgungsanspruch der bei ihnen versicherten Mitglieder regelt, soweit nicht in § 19 BVG selbst, insbesondere in § 19 Abs. 1 Satz 2 BVG die Anerkennung des Versorgungsanspruches oder andere Modalitäten dieses Rechtsverhältnisses als anspruchsbegründende Voraussetzungen für die Geltendmachung des Ersatzanspruches gefordert sind. § 19 Abs. 1 Satz 1 BVG geht nicht von dem Versorgungsanspruch des Berechtigten, sondern von der allgemeinen versorgungsrechtlichen Verpflichtung der Krankenkassen aus, die Heilbehandlung durchzuführen. Daher ist es für die Anwendung des § 19 BVG unerheblich, daß nach § 10 Abs. 1 BVG vor Anerkennung der Schädigungsfolgen ein Anspruch auf Heilbehandlung nicht besteht. Die in § 19 Abs. 1 Satz 1 BVG enthaltene Regelung greift nicht auf § 10 BVG sondern auf § 14 Abs. 2 BVG zurück, wo ua bestimmt ist, daß der zuständigen Krankenkasse die Durchführung der Heilbehandlung auch dann obliegt, wenn ihre Leistungspflicht nach Gesetz oder Satzung erschöpft ist. § 19 Abs. 1 Satz 1 BVG betrifft im Gegensatz zu § 20 den Ersatzanspruch der Kasse, die neben ihrer auf anderen Gesetzen beruhenden Verpflichtung auch nach dem BVG Heilbehandlung gewährt hat. Erst in den nachfolgenden Bestimmungen des § 19 ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang der Ersatzanspruch geltend gemacht werden kann, wenn die Heilbehandlung erfolgt ist. Deshalb kann aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BVG auch nichts für eine Begrenzung des Ersatzanspruchs und seine Abhängigkeit von dem Versorgungsanspruch des Berechtigten gefolgert werden. Auch die aus § 19 Abs. 1 Satz 2 BVG von dem Beklagten gezogene Schlußfolgerung läßt sich bei sachgemäßer Auslegung des Gesetzes nicht halten. Nach dieser Auffassung soll grundsätzlich nur Ersatz für die Kosten der Heilbehandlung gewährt werden können, die nach der Anerkennung durchgeführt worden ist. Nur als Ausnahme von dieser Regel habe das Gesetz den Ersatz der Kosten dann zugelassen, wenn der Zusammenhang der Krankheit mit der Schädigung noch während der Heilbehandlung anerkannt worden sei; nur in diesem Falle werde der Ersatz frühestens von der Anmeldung des Versorgungsanspruchs an geleistet. Damit habe das Gesetz einen Ersatzanspruch für eine vor der Anerkennung abgeschlossene Heilbehandlung nicht zugebilligt. Diese Auslegung wird dem Sinn der Vorschrift nicht gerecht und führt deshalb zu Ergebnissen, die nicht gewollt sein können. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BVG wird der Ersatz gewährt, wenn der Zusammenhang der Krankheit mit einer Schädigung anerkannt ist. Der mit wenn eingeleitete Nachsatz gibt als Bedingungssatz eine Voraussetzung für die Entstehung des Ersatzanspruches an. Zugleich stellt diese Vorschrift eine zeitliche Beziehung her, aber nicht zur Durchführung der Heilbehandlung sondern zu dem nächstmöglichen Zeitpunkt, von dem an der Ersatzanspruch gewährt werden kann. Die Vorschrift hätte daher auch lauten können: "sobald" der Zusammenhang anerkannt ist. Erst der nachfolgende Halbsatz (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BVG) gibt Aufschluß darüber, wann die Behandlung stattgefunden haben muß, um einen Ersatzanspruch auslösen zu können. Insoweit ist bestimmt, daß, wenn der Zusammenhang erst während der Heilbehandlung anerkannt ist, der Ersatz frühestens von der Anmeldung des Versorgungsanspruchs geleistet wird. Das Gesetz hat damit klarstellen wollen, daß eine Durchführung der Heilbehandlung vor Anerkennung des Zusammenhangs dem Kostenersatz nicht entgegensteht, daß aber in diesem Fall nur Ersatz für die erst nach der Anmeldung des Versorgungsanspruchs entstandenen Kosten gewährt werden kann. Dieser Gedanke ist im Wortlaut des Gesetzes nur durch Anführung eines Beispiels und damit nicht erschöpfend zum Ausdruck gekommen. Dabei handelt es sich aber nur um eine redaktionelle Ungenauigkeit. Es wurde ausdrücklich nur auf den Fall Bezug genommen, in dem die Anerkennung noch während des Heilverfahrens erfolgt ist; damit sollte aber der Fall, daß die Heilbehandlung bei der Anerkennung bereits abgeschlossen war, nicht ausgeschlossen werden. Das ergibt sich bei verständiger Auslegung schon aus dem Nachsatz, der darauf abstellt, daß der Zeitpunkt der Anmeldung des Versorgungsanspruchs bzw. das Inkrafttreten des BVG maßgebend sein soll. Mit dem Zweck des § 19 BVG, den Krankenkassen einen angemessenen Ausgleich für die Behandlung der bei ihnen versicherten und zugleich als Versorgungsberechtigte anerkannten Mitglieder zu gewähren, ist nur diese Auslegung vereinbar. Die von dem Beklagten vertretene Auffassung müßte dem Gesetzgeber unterstellen, daß er eine willkürliche Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der Krankenkassen in Kauf genommen habe. Mit Recht hat das LSG darauf hingewiesen, daß bei dieser Auslegung die Versorgungsbehörde in der Lage wäre, durch Hinausschieben der Anerkennung die Entscheidung des Ersatzanspruches überhaupt zu verhindern. Das Berufungsgericht hat an dem von ihm angegebenen Beispiel aufgezeigt, zu welchen sachwidrigen Ergebnissen die Auffassung des Beklagten führen müßte: Für ein am 1. Januar 1951 angemeldetes, am 1. Januar 1953 anerkanntes Versorgungsleiden könnten nur die von diesem Zeitpunkt an entstandenen Kosten ersetzt werden, während die Kosten für ein erst später anerkanntes Versorgungsleiden ab 1. Januar 1951 zu ersetzen wären, wenn es noch während der Heilbehandlung anerkannt wurde; die Anmeldung des Versorgungsanspruchs deckt nämlich nach der hier in Betracht kommenden Fassung des § 19 Abs. 1 BVG auch die Spätfolgen (vgl. Wilke, BVG, Komm. 1. Aufl., § 19 Anm II; BMA Rdschr. vom 21. Oktober 1958, BVBl 1958 S. 152 Nr. 93; anders aufgrund der späteren Gesetzesänderungen nun Wilke aaO. 2. Aufl., § 19 BVG Anm. IV). Im Ergebnis müssen sich die Krankenkassen vor Einleitung des Heilverfahrens nur vergewissern, ob der Versorgungsanspruch angemeldet ist, bzw. gleichzeitig angemeldet wird. Werden die Schädigungsfolgen danach anerkannt, entsteht auch der Ersatzanspruch. Da das Gesetz nicht einmal andeutungsweise erkennen läßt, daß es den Ersatzanspruch von der Dauer der Heilbehandlung oder des Verwaltungsverfahrens abhängig gemacht wissen will, ist § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BVG dahin zu verstehen, daß der Ersatz frühestens von der Anmeldung des Versorgungsanspruchs an geleistet wird und daß es nicht darauf ankommt, ob der Versorgungsanspruch noch während oder erst nach Abschluß des Heilverfahrens anerkannt wird (vgl. auch Schieckel, BVG, Komm. 2. Aufl. § 19 Anm. 3).

Nach alledem hat das LSG mit Recht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, weil der Ersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach, und zwar für die Behandlung ab 26. April 1954 (vgl. § 6 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz) gerechtfertigt ist. Die Revision war deshalb nach § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380165

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