Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des zuständigen Versicherungsträgers. Versicherungsschutz der in der Wohlfahrtspflege Tätigen. Altenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff der Wohlfahrtspflege iS von § 539 Abs 1 Nr 7 RVO.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Entschädigung der Unfallfolgen einer ehrenamtlichen Helferin der "Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Altenhilfe im Stadtbezirk Laurensberg" der Stadt Aachen obliegt nicht dem Rheinischen Gemeinde-Unfallversicherungsverband, sondern der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.

 

Orientierungssatz

1. Für den Versicherungsschutz der in der Wohlfahrtspflege Tätigen ist nicht die organisatorische Gestaltung, sondern die Zweckbestimmung einer Einrichtung oder der Tätigkeit maßgebend (vergleiche BSG vom 12.3.1974 - 2 RU 7/72 = USK 7426).

2. Die Maßnahmen der Altenhilfe nach § 75 BSHG sind allgemeine "Wohlfahrtspflege" iS des § 539 Abs 1 Nr 7 RVO.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 7 Fassung: 1963-04-30; BSHG §§ 10, 75

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 15.05.1984; Aktenzeichen L 15 U 25/80)

SG Aachen (Entscheidung vom 09.09.1980; Aktenzeichen S 4 U 89/78)

 

Tatbestand

Die Klägerin vertritt auch im Revisionsverfahren entgegen den anderen Verfahrensbeteiligten die Auffassung, daß sie bei ihrem Arbeitsunfall am 2. April 1974 nicht bei dem Beklagten, sondern bei der Beigeladenen zu 2) versichert war. Darüber hinaus verlangt sie eine höhere Verletztenrente.

Die Klägerin nahm am Unfalltage als ehrenamtliche Helferin der "Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Altenhilfe im Stadtbezirk L" (AG) der Stadt A Anträge zur Teilnahme an einer Theaterveranstaltung entgegen. Mitglied der AG sind nach deren Geschäftsordnung (§ 2) die von den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie Träger eigener sozialer Aufgaben entsandten Vertreter. Als Aufgaben der AG kommen in Betracht, die Hilfe beim Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder den kulturellen Bedürfnissen alter Menschen dienen (s § 1 S 2). Dabei bemüht sich die AG, die Hilfeleistungen in eigener Regie aufzuziehen und im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu fördern (§ 1 S 3).

Bei ihrer Tätigkeit rutschte die Klägerin in einer Bezirksverwaltungsstelle des Beigeladenen zu 1) aus. Wegen der Folgen des Unfalles gewährte der Beklagte durch Bescheid vom 25. Januar 1978 die Vollrente. Mit ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Klage hat die Klägerin insbesondere geltend gemacht, daß sie nicht "in einem Unternehmen der Stadt A" verunglückt sei, sondern vielmehr als eine in der Wohlfahrtspflege tätige Person, so daß die Beigeladene zu 2) der für sie zuständige Versicherungsträger sei. Darüber hinaus hat sie die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) beanstandet.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 9. September 1980 abgewiesen. Für die im Unfallzeitpunkt durchgeführte Maßnahme der Altenhilfe sei die Beigeladene zu 1) zuständig gewesen. Die AG sei nicht befugt gewesen, die gesetzliche Pflichtaufgabe der Beigeladenen zu 1) eigenständig durchzuführen; eine Übertragung der Durchführung der Altenhilfemaßnahme auf die AG habe nicht stattgefunden. Den JAV habe der Beklagte zutreffend unter Zugrundelegung des Ortslohnes errechnet, weil die Klägerin vor dem Unfall nicht erwerbstätig gewesen sei; später in Kraft getretene Verordnungen und Gesetze könnten auf den vorliegenden Versicherungsfall nicht angewendet werden.

Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte den Bescheid vom 21. Mai 1981 erteilt, durch den die Rente ab 1. Juli 1981 auf 70 vH der Vollrente gemindert worden ist, weil sich die Folgen des Unfalles gebessert hätten.

Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten zur Zahlung einer Rente in Höhe von 80 vH der Vollrente verurteilt und die Klage gegen den Bescheid im übrigen sowie die Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 15. Mai 1984). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, daß die Zuständigkeit des Beklagten gegeben sei. Die Klägerin sei nicht in der Wohlfahrtspflege tätig geworden, weil die Altenhilfemaßnahme nicht gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdeten Menschen gegolten habe. Darüber hinaus sei die Beigeladene zu 1) der zuständige Träger der Altenhilfe, für den die AG ohne Eigenständigkeit Teilmaßnahmen der Altenhilfe durchgeführt habe. Der JAV sei zutreffend nach der Verordnung über die Festsetzung der Ortslöhne für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Dezember 1972 berechnet. Die erst später in Kraft getretene Regelung, durch welche für weibliche und männliche Personen eine einheitliche Festsetzung des Ortslohnes erfolgt sei, sowie § 575 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei auf zurückliegende Versicherungsfälle nicht anwendbar. Eine Festsetzung des JAV nach billigem Ermessen (§ 577 RVO) komme nicht in Betracht. Die Regelung widerspreche nicht dem Gleichheitsgebot. Dagegen stehe der Klägerin ab Juli 1981 eine Verletztenrente in Höhe von 80 vH der Vollrente zu.

Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision macht die Klägerin im wesentlichen geltend, das LSG habe bezüglich der Zuständigkeit für ihren Arbeitsunfall in der Rechtsprechung des BSG entwickelte Grundsätze außer Betracht gelassen. Danach sei derjenige Versicherungsträger zuständig, welchem das Unternehmen angehöre, das die Maßnahme, bei welcher sich der Unfall ereignet, durchführe. Dagegen sei unerheblich, ob ein anderes Unternehmen für die Durchführung der Maßnahme ursprünglich zuständig gewesen sei, wenn die Übertragung der Aufgabe einverständlich erfolgt sei (BSGE 55, 163, 165). Nach der Überzeugung der Klägerin widerspricht eine niedrigere Bestimmung des Ortslohnes für Frauen dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 2 des Grundgesetzes (GG). Zudem sei der JAV in jedem Falle in erheblichem Maße unbillig, weil die frühere Berufstätigkeit der Klägerin unberücksichtigt bleibe; er müsse daher gemäß § 577 RVO nach billigem Ermessen festgestellt werden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai 1984 zum Aktenzeichen L 15 U 25/80 sowie das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 9. September 1980 zum Aktenzeichen S 4 U 89/78 abzuändern und die Beigeladene zu 2) unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. März 1981 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1981 sowie der Bescheide des Beklagten vom 25. Januar 1978 und 21. Mai 1981 zu verurteilen, der Klägerin unter Anrechnung der von dem Beklagten aus Anlaß des Arbeitsunfalls vom 2. April 1974 bereits erbrachten Leistungen, 1. vom 3. April 1974 bis 30. Juni 1981 die Unfallvollrente und 2. ab 1. Juli 1981 eine Unfallteilrente im Betrage von 80% der Vollrente, auf der Grundlage des Jahresarbeitsverdienstes einer angestellten Schreibkraft nach § 571 Abs 1 Satz 3 RVO, hilfsweise auf dieser Grundlage nach § 577 RVO, zu gewähren.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie halten den Beklagten für den zuständigen Versicherungsträger, weil die Förderung der Altenpflege keine Angelegenheit der Wohlfahrtspflege und die Klägerin indirekt und rechtlich für die Beigeladene zu 1) tätig geworden sei. Bei der Feststellung des JAV kann nach ihrer Meinung die lange zurückliegende Berufstätigkeit der Klägerin ebensowenig eine Rolle spielen wie § 577 RVO.

Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag. Sie hält die Entscheidung des LSG für richtig, weil die Klägerin in Ausübung kommunaler Aufgaben verunglückt sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist im wesentlichen begründet. Die Beigeladene zu 2) ist der zur Entschädigung für die Folgen des Arbeitsunfalls der Klägerin am 2. April 1974 zuständige Unfallversicherungsträger. Die Klägerin war nach der von den Urteilen des SG und LSG abweichenden Auffassung des Senats nach § 539 Abs 1 Nr 7 RVO versichert, da sie bei der Altenbetreuung in der Wohlfahrtspflege iS dieser Vorschrift tätig war.

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über den Inhalt des Begriffes "Wohlfahrtspflege". Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 25. Oktober 1957 (BSGE 6, 74) näher ausgeführt, daß die Gesetzessprache diesen Begriff nicht in einheitlicher Bedeutung verwendet (BSGE aaO S 76; siehe auch Fuchs, Sozialhilfe und Kriegsopferfürsorge, 2. Aufl 1970, S 14, 23 ff; Ehrlich, Die rechtliche Stellung der freien Wohlfahrtsverbände unter besonderer Berücksichtigung sammlungsrechtlicher Vorschriften, Dissertation Würzburg, 1971; Flierl, Freie und öffentliche Wohlfahrtspflege, 1982, S 1). Die Schiedsstelle beim Verband der Deutschen Berufsgenossenschaften hat im Jahre 1931 als Wohlfahrtspflege iS des § 537 Abs 1 Nr 4 Buchst b RVO in der damals geltenden Fassung angesehen eine planmäßige, zum Wohl der Allgemeinheit und nicht des Erwerbes ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete oder notleidende Mitmenschen, die auch über die Ziele einer bloßen Selbsthilfe-Organisation hinausgeht (EuM 32, 9). Das Reichsversicherungsamt (RVA) hat diese Begriffsbestimmung bei seiner Entscheidung über eine Berufskrankheit nach Nr 72 der Anlage zur 2. Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vom 11. Februar 1929 übernommen (EuM 36, 145). Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung, und zwar ebenfalls bei Entscheidungen über Berufskrankheiten angeschlossen (BSGE aaO S 77; BSGE 15, 116, 117; 15, 190, 191; 18, 133, 134; siehe auch BFHE 63, 161, 162 und 169, 174/175). Im nunmehr zu entscheidenden Fall geht es dagegen um den allgemeinen Begriff "Wohlfahrtspflege" in § 539 Abs 1 Nr 7 RVO. Dieser ist, anders als im Berufskrankheitenrecht, nicht durch die Gleichstellung mit anderen Voraussetzungen - etwa "Gesundheitsdienst" oder "Laboratorium" in Nr 3101 der Anlage 1 zur BKVO - eingeengt oder vorgeprägt. Die für die Entschädigungspflicht bei Infektionskrankheiten als Berufskrankheiten zusätzlich zu beachtenden Voraussetzungen beziehen sich nicht auf den Begriff der Wohlfahrtspflege, sondern darauf, wann bei einem in der Wohlfahrtspflege Tätigen eine Infektionskrankheit als Berufskrankheit zu entschädigen ist.

Zu dem Begriff "Wohlfahrtspflege" hat der Senat in seinem Urteil vom 25. Oktober 1957 (aaO S 77) bereits ausgeführt, daß für den Versicherungsschutz nicht die organisatorische Gestaltung, sondern die Zweckbestimmung einer Einrichtung oder der Tätigkeit maßgebend ist (siehe auch BSG-Urteil vom 12. März 1974 -2 RU 7/72- und das hier angefochtene Urteil des LSG S 12). Es ist folglich für den Versicherungsschutz der Klägerin nach § 539 Abs 1 Nr 7 RVO gleichgültig (siehe dagegen den Widerspruchsbescheid der Beigeladenen zu 2) vom 29. Juli 1981 -Blatt 181 LSG-Akte-), ob sie am 2. April 1974 für einen Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege tätig war oder für einen sonstigen Träger freier Wohlfahrtspflege.

Die Klägerin hat bei der Vorbereitung und der Durchführung der Veranstaltungen der Altenhilfe - wie es die Begriffsbestimmung voraussetzt und die der Senat deshalb insoweit ohne abschließende Beurteilung hier zugrunde legen kann - Hilfe nicht zum Erwerb und die Hilfe auch unmittelbar geleistet (s BSGE 15, 116, 117; 18, 133, 134).

Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht zu entnehmen, daß die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft im wesentlichen auf vorbeugende oder abhelfende Hilfe gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich Gefährdeter ausgerichtet war. Dies steht dem Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 7 RVO jedoch nicht entgegen. Die Aufgaben der allgemeinen Wohlfahrtspflege sind in den letzten Jahrzehnten vor allem durch das Bundessozialhilfegesetz -BSHG- vom 30. Juni 1961 (BGBl I 815, zur Zeit idF der Bekanntmachung vom 24. Mai 1983 -BGBl I 613- und des Gesetzes vom 22. Dezember 1983 -BGBl I 1532-) umschrieben worden. Dem ist bei der Auslegung des § 539 Abs 1 Nr 7 RVO Rechnung zu tragen. Nach § 75 Abs 1 Satz 1 BSHG soll alten Menschen außer der Hilfe nach den übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes Altenhilfe gewährt werden. Sie soll dazu beitragen, Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern und alten Menschen die Möglichkeit zu erhalten, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen (§ 75 Abs 1 Satz 2 BSHG). Als Maßnahmen der Altenhilfe kommt ua die Hilfe zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung, der Bildung oder den kulturellen Bedürfnissen alter Menschen dienen (§ 75 Abs 2 Nr 4 BSHG; siehe auch § 12 Abs 1 BSHG zur Hilfe zum Lebensunterhalt). Altenhilfe soll ohne Rücksicht auf vorhandenes Einkommen oder Vermögen gewährt werden, soweit im Einzelfall persönliche Hilfe erforderlich ist (§ 75 Abs 4 BSHG). Eine Einschränkung, daß eine besondere Gefährdung der alten Menschen vorhanden sein muß, verlangt das BSHG nicht. Die Maßnahmen der Altenhilfe nach § 75 BSHG sind allgemeine "Wohlfahrtspflege" iS des § 539 Abs 1 Nr 7 RVO.

Die Klägerin ist nach der Auffassung des Senats im Rahmen freier Wohlfahrtspflege und nicht für die Beklagte ehrenamtlich oder wie eine Beschäftigte tätig geworden. Der Senat vermag dem SG und dem LSG nicht zuzustimmen, daß die Arbeitsgemeinschaft ihre Aufgabe als eine der Beigeladenen zu 1) von Gesetzes wegen obliegende Verpflichtung übernommen und für diese erfüllt habe, so daß die Klägerin insoweit bei ihrem Unfall am 2. April 1974 für die Beigeladene zu 1) tätig sei. Gemäß § 10 BSHG wird die Tätigkeit in der freien Wohlfahrtspflege selbständig und unabhängig von den Trägern öffentlicher Wohlfahrtspflege ausgeübt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) handeln die freien Wohlfahrtsverbände im Rahmen des BSHG nicht als beliehene Träger öffentlicher Verwaltung, sondern als private Organisationen, die nicht etwa privatisierte staatliche Aufgaben erfüllen (BVerfGE 22, 180, 203/204; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 11. Aufl, 1984, § 10 RdNr 22). Grundsätzlich verrichtet die freie Wohlfahrtspflege Aufgaben ohne Abhängigkeit von staatlicher Gewalt (siehe auch BFHE 63, 161, 162). Demgemäß ist die Arbeitsgemeinschaft (AG) nicht in Erfüllung hoheitlicher Aufgaben der Beigeladenen zu 1) tätig geworden, sondern als Träger freier Wohlfahrtspflege, der übrigens auch nach seiner Geschäftsordnung aufgrund eigener Beschlußfassung tätig wird. Hieran ändert nichts, daß die AG öffentliche Mittel verwendete und staatliche Einrichtungen benutzte. Die so gewährte staatliche Hilfe und Zusammenarbeit ist im BSHG ausdrücklich vorgesehen (siehe § 10 Abs 3 Satz 2, § 93 BSHG) und beseitigt die Eigenständigkeit in der Hilfe der Träger freier Wohlfahrtspflege nicht. Der vom LSG hervorgehobene (siehe S 14 des Urteils) fehlende Einsatz eigener Mittel der AG rechtfertigt zudem schon deshalb keine andere Entscheidung, weil die persönliche Hilfe bei der Vorbereitung und beim Besuch von Veranstaltungen und Einrichtungen eine von der AG erbrachte Eigenleistung ist.

Für den Versicherungsschutz der in der freien Wohlfahrtspflege Tätigen ist die Beigeladene zu 2) zuständig (siehe § 2 Abs 1 Nr 1 der Satzung der Beigeladenen zu 2).

Der Verurteilung der Beigeladenen zu 2) nach § 75 Abs 5 SGG steht nicht entgegen, daß die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid der Beigeladenen zu 2) vom 29. Juli 1981 Klage erhoben hat und diese Klage in einem anderen Verfahren vor dem SG noch anhängig ist (BSG SozR 2200 § 1239 Nr 2). Das BSG hat die Verurteilung eines Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG insoweit nur dann für nicht zulässig erachtet, als der Beigeladene bereits einen bindend gewordenen ablehnenden Bescheid erteilt hat (BSGE 50, 111, 115; BSG SozR 1500 § 75 Nr 38). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Der 7. Senat hat es als entscheidend angesehen, daß die Klägerin keinen Widerspruch eingelegt hatte (BSGE aaO), und der 11. Senat des BSG hat für eine Verurteilung nach § 75 Abs 5 SGG vorausgesetzt, die "noch offene Möglichkeit einer Klage gegen den Beigeladenen" (SozR aaO). Die Klägerin hat jedoch Widerspruch eingelegt und sich damit nicht nur die Möglichkeit einer Klage offengehalten. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob bei Vorliegen eines bindenden Bescheides eine Verurteilung nach § 75 Abs 5 SGG dennoch zulässig ist, wenn die Voraussetzungen einer erneuten Entscheidung nach - nunmehr - § 44 SGB X gegeben sind (so BSGE aaO; BSG SozR 2200 § 627 Nr 6; aA BSG SozR 1500 § 75 Nr 38).

Nach der Rechtsprechung des 11. und 7. Senats des BSG (SozR 2200 § 1239 Nr 2; Urteil vom 24. Mai 1984 - 7 RAr 15/82) waren auch der Bescheid der Beigeladenen zu 2) vom 19. März 1981 und der Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1981 aufzuheben.

Die Klägerin verlangt von der Beigeladenen zu 2) die Feststellung des JAV einer Sekretärin. Dieser JAV wäre auch höher als der für Männer geltende Ortslohn. Da die Klägerin nach den Feststellungen des LSG vor dem Arbeitsunfall kein Arbeitsentgelt hatte (s Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 10. Aufl, S 574i mwN), könnte der von ihr begehrte JAV nur (s BSGE 44, 12, 15; Brackmann aaO S 575b) nach billigem Ermessen (§ 577 RVO) festgestellt werden. Gegenüber derartigen Ermessensentscheidungen üben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nur eine Rechtskontrolle insoweit aus, als sie zu prüfen haben, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs 2 SGG). Da die leistungspflichtige Beigeladene zu 2) bisher noch keine Entscheidung über die Rentenhöhe und insbesondere keine Entscheidung zur Anwendbarkeit des § 577 RVO getroffen hat, kommt die beantragte Feststellung des JAV durch ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit nicht in Betracht. Erst wenn der Bescheid der Beigeladenen zu 2) vorliegt, kann überprüft werden, ob sie den JAV fehlerfrei festgestellt hat. Unter diesen Umständen ist es notwendig, daß der zuständige Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Gelegenheit hat, die tatbestandlichen Voraussetzungen für seine Ermessensentscheidung selbst zu ermitteln, so daß eine Zurückverweisung der Rechtssache an das LSG nicht in Betracht zu ziehen war. Die Beigeladene zu 2) wird - soweit sie die Feststellung eines höheren JAV nach § 577 RVO verneint - auch die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin bezüglich der VO vom 21. Dezember 1972 (GV NW 1973, 15) zu erwägen haben, so daß der Senat insoweit auch zur Frage der Revisibilität dieser Landes-VO keine Stellung zu nehmen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 210

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