Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständiger Unfallversicherungsträger für das Bedienen der Zentralheizung in einem Mehrfamilienhaus

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch das Versorgen und Bedienen einer zum Heizen der Wohnung bestimmten zentralen Heizung ist als eine in innerer Beziehung zur Haushaltung stehende Tätigkeit anzusehen. Sie verliert diese innere Beziehung nicht dadurch, daß der Verletzte anstelle der sechs Mieter des Hauses, die auf Grund der Mietverträge in wechselnder Reihenfolge verpflichtet waren, die Zentralheizung zu versorgen und zu bedienen, diese Arbeiten ausführte. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob es üblich ist, den Mietern die Versorgung und Bedienung einer ihnen dienenden Zentralheizung durch Mietvertrag aufzuerlegen. Entscheidend ist, daß sich an der rechtlichen Qualifikation nichts ändert, wenn Mieter sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung aus dem Mietvertrag eines von ihnen angestellten Beschäftigten bedienen. Auch in diesem Fall erfüllen sie damit eine Mieterpflicht, die ihrer Haushaltung zuzurechnen ist. Es ist nicht erforderlich, daß sich die Tätigkeit des Beschäftigten einem bestimmten Haushalt zuordnen läßt. Eine solche Zuordnung zu verschiedenen Unternehmen gewinnt allenfalls Bedeutung, wenn davon auch die Zuständigkeit verschiedener Unfallversicherungsträger abhängt.

 

Orientierungssatz

1. Der Begriff der privaten Haushaltung iS von § 657 Abs 1 Nr 3 RVO umfaßt sowohl die hauswirtschaftliche als auch jede sonstige häusliche Betätigung, die mit der Haushaltung in einer inneren Beziehung steht.

2. Zu den Tätigkeiten mit einer inneren Beziehung zur Haushaltung gehören ua jene, die die Wohnung als den räumlichen Bereich der Haushaltung betreffen. Sie umfassen auch das Heizen einer Wohnung und die damit zusammenhängenden Arbeiten.

 

Normenkette

RVO § 657 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1963-04-30

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 17.12.1980; Aktenzeichen L 17 U 40/80)

SG Münster (Entscheidung vom 03.12.1979; Aktenzeichen S 11 U 5/78)

 

Tatbestand

Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist streitig, wer zu Leistungen an die Witwe (Beigel zu 1) und die Waise (Beigel zu 2) des am 19. Dezember 1975 an den Folgen eines am 29. November 1975 erlittenen Unfalls verstorbenen B K (K.) verpflichtet ist. Der Kläger gewährt den Beigeladenen als vorläufige Leistungen Witwen- und Waisenrente (Bescheid vom 7. Oktober 1977).

K. hatte seit 1966 für die Hausgemeinschaft bzw die Mieter der Häuser L S2 und 4 in L die Versorgung und Bedienung der Kokszentralheizung sowie die mit der Müllabfuhr zusammenhängenden Arbeiten in den jeweiligen Häusern übernommen. Er erhielt dafür ein monatliches Entgelt von zunächst 90,- DM, später 120,- DM je Haus. Entsprechend den mietvertraglichen Vereinbarungen mit der B AG W oblag die Versorgung und Bedienung der Heizung in wechselnder Reihenfolge den jeweiligen sechs Mietern. Am 29. November 1975 war es im Heizungskeller des Hauses L S2 zu einer Verpuffung gekommen, durch die K. Brandverletzungen erlitt, an deren Folgen er am 19. Dezember 1975 starb.

Nachdem der Kläger die Beklagte vergeblich aufgefordert hatte, ihre Zuständigkeit für die Entschädigung des Unfalls anzuerkennen und ihm die entstandenen Aufwendungen zu ersetzen, hat er beim Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, ihm die durch den Unfall vom 29. November 1975 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 14.796,- DM und die weitere Schadenslast zu ersetzen. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. Dezember 1979). Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen (Urteil vom 17. Dezember 1980). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Für die Entschädigung des Unfalls sei nach § 657 Abs 1 Nr 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) der Kläger zuständig. Nach dieser Vorschrift seien die Gemeindeunfallversicherungsverbände (§ 656 Abs 2 RVO) Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Versicherte in Haushaltungen. Zum Aufgabengebiet einer Haushaltung als Unternehmen iS der gesetzlichen Unfallversicherung gehörten sowohl die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten als auch alle sonstigen häuslichen Tätigkeiten, die zu der Haushaltung in innerer Beziehung stehen. Ein solcher innerer Bezug sei regelmäßig auch für Besorgungen zu bejahen, die die für die Haushaltung bestimmte Wohnung betreffen, da diese den unmittelbaren räumlichen Bereich des Haushalts darstelle. Dazu gehörten auch Tätigkeiten, die aufgrund des durch den Mietvertrag auferlegten Pflichtenkatalogs erfolgten. Dabei komme es nicht darauf an, ob derartige Tätigkeiten heute üblicherweise einem Mieter auferlegt werden, sondern es genüge, daß sie noch einen hinreichenden Bezug zum Mietobjekt hätten, was bei der Besorgung der Heizung zu bejahen sei, da diese die Gebrauchsfähigkeit der Wohnung nicht unerheblich beeinflusse. Unerheblich sei, ob die hier erfolgte Abwälzung der Versorgung und Bedienung einer zentralen Hausheizung durch den Vermieter auf den Mieter etwa ungewöhnlich oder üblich sei. Entscheidend sei, daß jede Mietpartei des Hauses sich verpflichtet habe, in wechselnder Reihenfolge die Heizung zu versorgen. Die in Erfüllung dieser Verpflichtung vorgenommenen Arbeiten erfolgten aufgrund des Mietvertrages und seien daher der Haushaltung zuzurechnen. Daher komme es nicht darauf an, ob K. seine Tätigkeit aufgrund eines Vertrages mit einzelnen Mietern oder einer Hausgemeinschaft verrichtet habe. Ob etwas anderes gelte, wenn der Haushaltungsvorstand als Unternehmer der Haushaltung zugleich Eigentümer oder Miteigentümer der Wohnung ist, könne dahinstehen. Die in diesen Fällen nach Nr 3 des Erlasses des Reichsarbeitsministers vom 16. März 1942 betr.: Durchführung des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung; hier: Zuständigkeit der Berufsgenossenschaften (AN 1942, 201) gegebene Zuständigkeit der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft für Hausbesorger gründe sich vornehmlich auf die Überlegung, daß die aus dem Eigentum fließenden Pflichten vorrangig seien, weil sie den Eigentümer unabhängig von der Eigennutzung träfen; er könne sie allenfalls vertraglich abwälzen (zB auf einen Mieter). Eine Übertragung dieser Überlegungen auf den Fall der Mietwohnung sei nicht statthaft.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Es sei nicht zulässig, jedwede Tätigkeit im Rahmen einer Mieterpflicht als Tätigkeit anzusehen, die einem Einzelhaushalt iS des § 657 Abs 1 Nr 3 RVO zuzuordnen sei. Zwar möge es zutreffen, daß mehr und mehr Hausvermieter dazu übergingen, die an sich ihnen obliegenden Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis, wie die Versorgung und Wartung der gemeinsamen Heizungsanlage in einem Mehrfamilienhaus, auf die einzelnen Mietparteien durch Mietvertrag abzuwälzen. Für die Entscheidung der Frage, welcher Unfallversicherungsträger zuständig sei, komme es jedoch entscheidend darauf an, ob sich die zum Unfall führende Tätigkeit einem bestimmten Einzelhaushalt zuordnen lasse. Sei das der Fall, beständen keine Bedenken, seine Zuständigkeit anzunehmen. Lasse sich die Tätigkeit - wie hier - den Haushaltungen eines Mehrfamilienhauses nur in ihrer Gesamtheit zuordnen, handele es sich um eine Hausbesorgertätigkeit, für die die Beklagte der zuständige Versicherungsträger sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 1980 aufzuheben, das Urteil des SG Münster vom 3. Dezember 1979 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die ihm durch den Unfall des K. vom 29. November 1975 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 14.796,- DM und die weitere Schadenslast zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen sind im Revisionsverfahren nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Nach § 1735 RVO in der ab 1. Januar 1976 geltenden Fassung des Art II § 4 Nr 3 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB I) vom 11. Dezember 1975 (BGBl I 3015) hat ein Träger der Unfallversicherung, wenn er der Ansicht ist, daß zwar ein entschädigungspflichtiger Unfall vorliegt, die Entschädigung aber nicht von ihm, sondern von einem anderen Versicherungsträger zu leisten sei, vorläufige Leistungen nach § 43 SGB I zu erbringen und dies dem anderen Versicherungsträger mitzuteilen. Der Ersatz der vorläufigen Leistungen setzt nach § 1738 RVO voraus, daß der andere Versicherungsträger entweder seine Entschädigungspflicht anerkennt oder für entschädigungspflichtig erklärt wird; er hat dann dem Versicherungsträger, der die vorläufigen Leistungen erbracht hat, alle Aufwendungen zu ersetzen.

Der Kläger hat gegen die Beklagte, die ihre Entschädigungspflicht nicht anerkannt hat, keinen Anspruch auf Ersatz der von ihm aus Anlaß des Unfalls des K. vom 29. November 1975 den Beigeladenen gewährten Leistungen. Denn K. war im Zeitpunkt des Unfalls nicht als Hausbesorger tätig, für deren Entschädigung die Beklagte nach Nr 3 des Erlasses des Reichsarbeitsministers (IIa 2660/42) vom 16. März 1942 betr.: Durchführung des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung; hier: Zuständigkeit der Berufsgenossenschaften (AN 1942, 201), der als Rechtsverordnung anzusehen ist (BSGE 18, 93, 95), der zuständige Unfallversicherungsträger sein würde. Vielmehr gehörte K. aufgrund seiner Tätigkeit zu den in Haushaltungen Versicherten, für die der Kläger nach § 657 Abs 1 Nr 3 RVO der zuständige Unfallversicherungsträger ist.

Der Begriff der Haushaltung ist erstmalig durch Art 1 Nr 56 des Fünften Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 17. Februar 1939 (RGBl I 267) im § 916 Abs 1 Nr 1 RVO für die landwirtschaftliche Unfallversicherung im Zusammenhang mit Versicherten in landwirtschaftlichen Betrieben eingeführt worden. Erst das Sechste Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 (BGBl I 107) hat mit der Erstreckung des Unfallversicherungsschutzes auf alle aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten (§ 537 Nr 1 RVO aF) bewirkt, daß seit dem 1. Januar 1942 mit Ausnahme der nach § 541 Nr 8 RVO aF von der Versicherungspflicht befreiten Personen alle in Haushaltungen Beschäftigten dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterstehen. Private Haushaltungen waren daher als "Unternehmen", die Haushaltungsvorstände (§§ 538, 539 RVO aF) als "Unternehmer" (§ 633 RVO aF) anzusehen (BSGE 18,93, 94). Die Rechtslage hat sich durch das am 1. Juli 1963 in Kraft getretene Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl I 241) nicht geändert (§§ 539 Abs 1 Nr 1, 541 Abs 1 Nr 5, 543, 545 und 658 Abs 2 Nr 1 RVO).

Eine Bestimmung des Begriffs der Haushaltung enthält das Gesetz nicht. Nach der amtlichen Begründung zum Fünften Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung (aaO) umfaßt die Haushaltung sowohl die hauswirtschaftliche als auch jede sonstige häusliche Betätigung, die mit der Haushaltung in einer inneren Beziehung steht (AN 1939, 101 zu Art 1 Nr 56; RVA EuM 48, 8 und 168; 50, 8; BSG SozR 2200 § 539 Nr 2; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl, S 529; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl § 543 Anm 8). Diese Begriffserläuterung kann unbedenklich auch für die Beschäftigung in den rein privaten Haushaltungen gelten.

Der Senat stimmt dem LSG darin zu, daß zu den Tätigkeiten mit einer inneren Beziehung zur Haushaltung ua jene gehören, die die Wohnung als den räumlichen Bereich der Haushaltung betreffen. Sie umfassen auch das Heizen einer Wohnung und die damit zusammenhängenden Arbeiten. Der Senat hat daher bereits das Schneiden von Brennholz der Haushaltung zugerechnet (BSGE 7, 195, 197; Beschluß vom 14. Oktober 1958 - 2 RU 114/58 - Lauterbach Kartei Nr 3089 zu § 537 Nr 10 RVO aF). Ohne Bedenken ist deshalb auch das Versorgen und Bedienen einer zum Heizen der Wohnung bestimmten zentralen Heizung als eine in innerer Beziehung zur Haushaltung stehende Tätigkeit anzusehen. Sie verliert diese innere Beziehung nicht dadurch, daß - wie im vorliegenden Fall - K. anstelle der sechs Mieter des Hauses, die aufgrund der Mietverträge in wechselnder Reihenfolge verpflichtet waren, die Zentralheizung zu versorgen und zu bedienen, diese Arbeiten ausführte. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob es damals üblich war, den Mietern die Versorgung und Bedienung einer ihnen dienenden Zentralheizung durch Mietvertrag aufzuerlegen. Entscheidend ist, daß sich an der rechtlichen Qualifikation nichts ändert, wenn Mieter sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung aus dem Mietvertrag eines von ihnen angestellten Beschäftigten bedienen. Auch in diesen Fall erfüllen sie damit eine Mieterpflicht, die ihrer Haushaltung zuzurechnen ist. Es ist nicht erforderlich, daß sich die Tätigkeit des Beschäftigten einem bestimmten Haushalt zuordnen läßt. Eine solche Zuordnung zu verschiedenen Unternehmen gewinnt allenfalls Bedeutung, wenn davon auch die Zuständigkeit verschiedener Unfallversicherungsträger abhängt, was vorliegend nicht in Betracht kommt. Denn die Arbeit des K. war Haushaltstätigkeit, welcher Mietpartei sie auch zugerechnet wird.

Das LSG hat daher die Leistungspflicht des Klägers zu Recht bejaht, wodurch ein Ersatzanspruch gegen die Beklagte ausgeschlossen ist.

Die Revision mußte deshalb zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662354

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