Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederaufleben der Witwenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auf die wiederaufgelebte Witwenrente ist auch ein auf dem Recht der Vereinigten Staaten von Amerika beruhender Anspruch der Witwe aus ihrer zweiten Ehe anzurechnen.

2. Auf die wiederaufgelebte Witwenrente ist ein aus der zweiten Ehe der Witwe erworbener Rentenanspruch auch dann in voller Höhe anzurechnen, wenn durch ihn ein Anspruch der Witwe auf Rente aus eigener Versicherung "verdrängt" worden ist.

 

Orientierungssatz

Zum Wiederaufleben der Witwenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung:

Es dürfen nur solche Ansprüche angerechnet werden, die ihre Wurzel in persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen des zweiten Ehemanns, zB seiner früheren Beitragsleistung, haben, nicht dagegen solche, die auf eigenen Geldleistungen der Witwe beruhen.

 

Normenkette

RVO § 1291 Abs 2 S 1 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 20.06.1978; Aktenzeichen L 18 J 124/77)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.05.1977; Aktenzeichen S 14 J 100/74)

 

Tatbestand

I

Streitig ist ein Anspruch auf sogen. "wiederaufgelebte Witwenrente".

Die im Mai 1911 geborene, in den Vereinigten Staaten von Amerika lebende Klägerin war in erster Ehe mit dem am 30. Juli 1959 verstorbenen H B (im folgenden: B.) und in zweiter Ehe mit dem am 12. Februar 1968 verstorbenen H H (im folgenden: H.) verheiratet. Im Jahre 1970 beantragte sie die Gewährung einer sogen. "wiederaufgelebten Witwenrente" nach B. Auf Anfrage der Beklagten teilte sie mit, sie beziehe nach H. noch keine Witwenrente; wahrscheinlich werde sie hierauf jedoch im Juni 1971 ein Anrecht mit einer Kürzung auf 71,5 % haben.

Mit Bescheid vom 7. Mai 1971 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 1970 wiederaufgelebte Witwenrente. Deren Höhe betrug ab 1. Juni 1971 DM 237,70, ab 1. Januar 1972 DM 252,70, ab 1. Juli 1972 DM 276,60 und ab 1. Juli 1973 DM 308,- monatlich.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 1973 teilte die Klägerin der Beklagten auf deren Anfrage mit, daß sie ab Juni 1971 aus der bundesstaatlichen Rentenversicherung der USA eine Witwenrente nach H. in Höhe von zunächst $ 140,30 und ab September 1972 von $ 171,20 erhalte. Daraufhin stellte die Beklagte durch Bescheid vom 20. Februar 1974 unter Änderung ihres Bescheides vom 7. Mai 1971 fest, daß wegen der Höhe des neuen Rentenanspruchs der Klägerin ab 1. Juni 1971 die wiederaufgelebte Witwenrente nicht mehr zugestanden habe. Den seither überzahlten Betrag forderte sie zurück (vgl hierzu auch Widerspruchsbescheid vom 17. September 1974).

Mit der Klage hat die Klägerin im wesentlichen geltend gemacht, sie hätte anstelle der höheren Witwenrente nach H. vom 62.Lebensjahr an eine niedrigere Rente aus eigener Versicherung von $ 106,- erhalten können. Nach dem System der bundesstaatlichen Rentenversicherung der USA könne neben einer Rente aus eigenem Recht nicht zugleich eine Witwenrente bezogen werden. Vielmehr bestehe ein Anspruch nur auf die eine oder auf die andere Leistung; sie schlössen sich gegenseitig aus. Damit dürfe die Witwenrente nach H. nur in Höhe des Betrages, um den sie die der Klägerin aus eigenem Recht zustehende Rente übersteige, auf die wiederaufgelebte Witwenrente angerechnet werden.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf (Urteil vom 6. Mai 1977) hat unter Abweisung der weitergehenden Klage den Bescheid vom 20. Februar 1974 (teils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. September 1974) aufgehoben, soweit mit ihm Rentenzahlungen zurückgefordert werden und soweit mit ihm die Rentenzahlungen ab 1. Februar 1974 in voller Höhe eingestellt worden sind und nicht nur in Höhe der Differenz zwischen der Witwenrente, die die Klägerin nach dem Recht ihres Wohnsitzlandes bezieht, und der Rente aus eigener Versicherung, die sie anstelle dieser Witwenrente hätte wählen können bzw. wählen kann. Auf die Berufung der Beklagten, die während des Berufungsverfahrens den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Rückforderung unter dem Vorbehalt einer nochmaligen Überprüfung aufgehoben hat, hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 20. Juni 1978) unter Abänderung des Urteils des SG die Klage, soweit sie nicht die Rückforderung betrifft, in vollem Umfange abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt:

Die Beklagte habe die Witwenrente der Klägerin aus der amerikanischen Rentenversicherung zu Recht gemäß § 1291 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in vollem Umfange auf die wiederaufgelebte Witwenrente angerechnet. Hierfür sei nicht erforderlich, daß der neue Rentenanspruch seine Rechtsgrundlage im deutschen Recht habe. Maßgebend sei, ob durch ihn die Versorgung der Witwe wirtschaftlich in gleicher Weise sichergestellt sei wie durch den Witwenrentenanspruch aus der Versicherung des ersten Ehemannes. Unerheblich sei ferner, daß die Klägerin neben der Witwenrente aus der amerikanischen Rentenversicherung eine auf eigenem Recht beruhende Rente nicht erhalten könne. Ob und in welchem Umfange ein nach dem zweiten Ehemann erworbener neuer Versorgungsanspruch Unterhaltsanspruch oder Rentenanspruch auf die Witwenrente nach dem ersten Ehemann anzurechnen sei, hänge nicht davon ab, ob durch den neuen Anspruch andere Ansprüche verdrängt würden, die ohne den neuen Anspruch bestehen würden. Entscheidend sei allein, ob das Ausmaß der Versorgung in dem Umfange, wie er sich aus dem Witwenrentenanspruch nach dem ersten Ehemann ergebe, durch den Anspruch nach dem zweiten Ehemann sichergestellt werde. Nur wenn und soweit dies nicht der Fall sei, bestehe eine Versorgungslücke, die durch das Wiederaufleben der Witwenrente aus der Versicherung des ersten Ehemannes zu schließen sei. Hingegen sei es nicht Zweck des Wiederauflebens dieser Witwenrente, andere Ansprüche zu ersetzen, die durch den neuen Anspruch verdrängt würden. schließlich sei nicht zu beanstanden, daß die Beklagte bereits rückwirkend ab 1. Juni 1971 die Witwenrente der Klägerin nach ihrem zweiten Ehemann auf diejenige nach dem ersten Ehemann angerechnet habe.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1291 Abs 2 RVO. Nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift solle die Witwe nach Auflösung ihrer zweiten Ehe hinsichtlich der Witwenrente nach dem ersten Ehemann nicht dadurch besser gestellt sein, daß sie eine neue Ehe eingegangen sei. Die Vorteile in Gestalt der Versorgungsansprüche nach dem zweiten Ehemann sollten deswegen auf die Witwenrente nach dem ersten Ehemann angerechnet werden. Ihr - der Klägerin - Vorteil bestehe jedoch lediglich in der Differenz zwischen der ihr aus eigenem Recht und der ihr als Witwe nach ihrem zweiten Ehemann zustehenden Rente. Das werde besonders deutlich für den Fall, daß die auf eigenem Recht beruhende Rente höher wäre als die Witwenrente. Würde die Witwe in diesem Fall ihre eigene Rente wählen, so könne von einem infolge Auflösung der zweiten Ehe neu erworbenen Unterhaltsanspruch nicht die Rede sein. Werde im vorliegenden Fall die gesamte Witwenrente aus der amerikanischen Rentenversicherung zur Anrechnung gebracht, so werde ihr - der Klägerin - die aufgrund eigener Beitragsleistung zustehende Rente entzogen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 1978 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6. Mai 1977 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erteilt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die durch nachträgliche Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung wiederaufgelebter Witwenrente. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 1291 Abs 2 Satz 1 RVO in der zur Zeit der Auflösung der zweiten Ehe der Klägerin maßgebenden Fassung (vgl BSG SozR 2200 § 1291 Nr 15 S. 38; BSGE 46, 193, 194 = SozR 2200 § 1291 Nr 16 S. 46) des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) vom 23. Februar 1957 (BGBl I S. 45). Hiernach lebt, wenn eine Witwe sich wieder verheiratet und diese Ehe ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe (vgl insoweit die zum 1. Januar 1973 in Kraft getretene Änderung durch das Rentenreformgesetz -RRG- vom 16. Oktober 1972; BGBl I S. 1965) aufgelöst oder für nichtig erklärt wird, der Anspruch auf Witwenrente vom Ablauf des Monats, in dem die Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist, wieder auf, wenn der Antrag spätestens zwölf Monate nach der Auflösung oder der Nichtigkeitserklärung der Ehe gestellt ist, ein von der Witwe infolge Auflösung der Ehe erworbener neuer Versorgungsanspruch, Unterhaltsanspruch oder Rentenanspruch ist auf die Witwenrente anzurechnen.

Daß die Voraussetzungen des § 1291 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 RVO für das Wiederaufleben eines der Klägerin aus der Versicherung des B. zustehenden Rentenanspruchs erfüllt sind, ist unter den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist allein, ob die Witwenrente aus der Versicherung des H. gemäß § 1291 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 RVO in voller Höhe auf die wiederaufgelebte Witwenrente angerechnet werden darf und sich für diese damit kein Zahlbetrag ergibt. Die Zulässigkeit einer derartigen Anrechnung hat das LSG zu Recht bejaht.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts braucht der neue Versorgungsanspruch, Unterhaltsanspruch oder Rentenanspruch seine Rechtsgrundlage nicht im Recht der Bundesrepublik Deutschland zu haben. Dem ist beizupflichten. Auch ein auf ausländischem Recht beruhender Anspruch ist anzurechnen. Die Begriffe "Versorgungsanspruch, Unterhaltsanspruch oder Rentenanspruch" sind nicht in dem Sinne eindeutig, daß sie jeweils nur auf eng begrenzte und voneinander deutlich zu unterscheidende Ansprüche des Familienrechts, Rentenversicherungsrechts oder Versorgungsrechts bezogen werden könnten. Demzufolge hat dem Gesetzgeber bei der Verwendung dieser Begriffe jede Bindung an eine systematische Gliederung und Reihenfolge ferngelegen. Er hat allein auf die wirtschaftliche Funktion der Ansprüche abstellen wollen (BSGE 38, 183, 184 = SozR 2200 § 1291 Nr 2 S. 6). Für die wirtschaftliche Funktion des Anspruchs einer Witwe aus ihrer neuen Ehe ist es ohne Belang, ob er seine Grundlage im Recht der Bundesrepublik Deutschland oder in ausländischem Recht hat. Das ergibt sich auch aus Sinn und Zweck des § 1291 Abs 2 Satz 1 RVO. Hiernach ist der Anspruch auf wiederaufgelebte Witwenrente gegenüber den in der zweiten Ehe erworbenen Versorgungsansprüchen, Unterhaltsansprüchen oder Rentenansprüchen subsidiär (nachrangig). Er soll lediglich eine nach Auflösung der zweiten Ehe möglicherweise entstandene Versorgungslücke schließen und eine Versorgung der Witwe aus ihrer ersten Ehe nur insoweit wiedereinsetzen lassen, als ihre Versorgung aus der zweiten Ehe geringer ist. Die Witwe soll nach Auflösung der zweiten Ehe finanziell zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser als vor ihrer Wiederverheiratung gestellt sein (vgl BSGE 42, 110, 111 = SozR 2200 § 1291 Nr 10 S. 30; BSG SozR 2200 § 1291 Nr 17 S. 55; jeweils mit eingehenden weiteren Nachweisen). Angesichts dieses Grundsatzes der Subsidiarität der wiederaufgelebten Witwenrente ist eine Anrechnung auch solcher Ansprüche aus der zweiten Ehe gerechtfertigt und geboten, die auf ausländischem Recht beruhen.

Der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nach H. aus der amerikanischen Rentenversicherung ist in voller Höhe auf die wiederaufgelebte Witwenrente nach B. anzurechnen.

Die Klägerin hält dies für unzulässig, weil durch ihren Anspruch auf Witwenrente nach H. ein eigener Anspruch auf Versichertenrente aus der amerikanischen Rentenversicherung "verdrängt" worden sei. Insofern enthält das angefochtene Urteil keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage, von welchem Zeitpunkt an die Klägerin eine Rente aus eigener Versicherung hätte beanspruchen können. Das LSG hat insbesondere nicht aufgeklärt, ob der Klägerin eine solche Rente bereits vom 1. Juni 1971 an (Beginn der Witwenrente nach H.) oder entsprechend ihren Angaben im Widerspruchsverfahren und der Mitteilung des Departments of Health vom 23. Mai 1974 erst ab 1. Juni 1973 (Vollendung des 62. Lebensjahres) zugestanden hätte. Dies kann jedoch auf sich beruhen. Denn auf die wiederaufgelebte Witwenrente ist die Witwenrente der Klägerin aus der amerikanischen Rentenversicherung ohne Rücksicht darauf anzurechnen, ob durch sie eine Rente aus eigener Versicherung der Klägerin verdrängt worden ist. Damit ist es unerheblich, ob die Rente aus eigener Versicherung am 1. Juni 1971 oder erst am 1. Juni 1973 begonnen hätte.

Auf die wiederaufgelebte Witwenrente dürfen Ansprüche aus der neuen Ehe nur angerechnet werden, wenn sie ihre Wurzel in persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen des zweiten Ehemannes wie etwa - wenn Ansprüche nach seinem Tode angerechnet werden - in seinen früheren Beitragsleistungen oder seiner früheren beruflichen Tätigkeit haben. Hingegen dürfen Ansprüche, die auf eigenen Geldleistungen der Witwe beruhen, selbst dann nicht angerechnet werden, wenn sie aus Anlaß des Todes des zweiten Ehemannes entstehen oder fällig werden (vgl BSGE 39, 101, 103 = SozR 2200 § 1291 Nr 3 S.11). Die der Klägerin aus der amerikanischen Rentenversicherung bewilligte Witwenrente gehört nicht zu den letzteren Leistungen. Nach den unangefochtenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG wird sie der Klägerin "aus der bundesstaatlichen Rentenversicherung ihres zweiten Ehemannes" und somit aufgrund persönlicher Eigenschaften oder Verhältnisse des H. gewährt.

In Anwendung amerikanischen und damit irreversiblen Rechts (§ 162 SGG) hat das LSG insbesondere aufgrund der Auskünfte des Rechtsanwalts A vom 10. Juni 1976 allerdings weiter festgestellt, daß die Klägerin neben und wegen ihrer Witwenrente, die sie aus der amerikanischen Rentenversicherung nach ihrem zweiten Ehemann bezieht, ihre auf eigenem Recht beruhende Rente aus der amerikanischen Rentenversicherung nicht erhalten kann. Zu Recht hat es jedoch diesem Umstand keine Bedeutung beigemessen. Das muß zumindest für den hier gegebenen Fall gelten, daß die Verdrängung der Rente aus eigener Versicherung durch die Witwenrente aus der Versicherung des Ehemannes die Ausübung eines der Witwe gesetzlich eingeräumten Wahlrechts und Gestaltungsrechts voraussetzt. Nicht zu entscheiden hat der Senat über den Fall, daß ohne die Möglichkeit eines solchen Wahlrechts die Rente der Witwe aus ihrer eigenen Versicherung kraft zwingenden Rechts durch die Witwenrente verdrängt wird.

Die Klägerin kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als beziehe sie eine Rente aus eigener Versicherung und daneben Witwenrente nach H. lediglich in Höhe des Differenzbetrages zwischen der (fiktiven) Rente aus eigener Versicherung und der (effektiven) Witwenrente. Zwar ist im Rahmen des § 1291 Abs 2 Satz 1 RVO eine Berücksichtigung fiktiver Sachverhalte nicht völlig ausgeschlossen. So hat das Bundessozialgericht (BSG) auch für die Zeit ab Inkrafttreten des RRG und der hierdurch bewirkten Beseitigung der bereits vorher für verfassungswidrig erklärten Verschuldensklausel in § 1291 Abs 2 Satz 1 RVO an seiner früheren Rechtsprechung festgehalten, daß ein Verzicht der "Witwe" auf Unterhaltsansprüche gegen ihren früheren Ehemann nach Scheidung der zweiten Ehe unbeachtlich sein und zur Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs auf die wiederaufgelebte Witwenrente führen kann, wobei allerdings nunmehr schon ein subjektiv verständiger Grund für den Unterhaltsverzicht eine solche Anrechnung ausschließt (vgl BSGE 46, 193, 195 ff. = SozR 2200 § 1291 Nr 16; Urteil vom 15. November 1979 - 11 RA 99/78 - ). Hierbei handelt es sich jedoch um eine vom Grundsatz der Subsidiarität der wiederaufgelebten Witwenrente her zur Vermeidung von Unterhaltsmanipulationen der geschiedenen Eheleute auf Kosten der Solidargemeinschaft aller Versicherten gebotene Ausnahme (vgl BSGE 46, 193, 197 = SozR 2200 § 1291 Nr 16 S. 48). Grundsätzlich ist es nicht zulässig, im Rahmen des § 1291 Abs 2 RVO anstelle des tatsächlichen Sachverhaltes einen fiktiven Sachverhalt als Voraussetzung der Rechtsfolge zu unterstellen (BSG SozR Nr 35 zu § 1291 RVO). Vielmehr ist auch in diesem Zusammenhang wiederum maßgeblich auf die wirtschaftliche Funktion der Ansprüche aus der zweiten Ehe abzuheben (vgl BSGE 38, 183, 185 = SozR 2200 § 1291 Nr 2 S. 6). Ihr gegenüber können - wie der erkennende Senat in anderem Zusammenhang bereits in seinem Urteil vom 16. Juli 1974 (BSG SozR 2200 § 1291 Nr 1 S. 4) ausgesprochen hat - Zufälligkeiten der rechtlichen Konstruktion für die Anrechnungspflicht nicht entscheidend sein.

Die der Klägerin aus der amerikanischen Rentenversicherung bewilligte Witwenrente ist ihrer wirtschaftlichen Funktion nach zum Ausgleich der durch den Tod des H. entstandenen Versorgungslücke bestimmt. Daran ändert nichts, daß die Witwenrente die Rente der Klägerin aus ihrer eigenen Versicherung verdrängt. Dies ist nicht wirtschaftlicher Bestimmungszweck der Witwenrente, sondern die sich aus ihrer tatsächlichen Bewilligung aufgrund amerikanischen Rechts ergebende Rechtsfolge. Ein Ausgleich dieser der Klägerin nachteiligen Rechtsfolge durch Gewährung der wiederaufgelebten Witwenrente wäre mit deren Sinn und Zweck unvereinbar. Damit ist die Witwenrente nach H. in voller Höhe auf die wiederaufgelebte Witwenrente nach B. anzurechnen mit der Konsequenz, daß ab 1. Juni 1971 ein Anspruch der Klägerin auf diese Rente nicht mehr besteht. Ein der Klägerin günstigeres Ergebnis läßt sich auch dem am 1. Dezember 1979 in Kraft getretenen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 7. Januar 1976 nicht entnehmen.

Die Revision der Klägerin war demgemäß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656955

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