Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, die Klägerin fortlaufend mit den für ihr Hörgerät erforderlichen Batterien zu versorgen.

Die 1902 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten versichert. Außerdem stehen ihr Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu. Bereits seit längerer Zeit trägt sie ein Hörgerät. Batterien für dieses Gerät erhielt sie bis zum 30. September 1974 von der Orthopädischen Versorgungsstelle B… Ab Inkrafttreten des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl. I 1881) am 1. Oktober 1974 zahlte die Beklagte für die von der Klägerin selbst gekauften Batterien eine monatliche Vergütung von durchschnittlich etwa 15,-- DM. Diese Leistung gewährte sie ab Februar 1976 nicht mehr. Einen Antrag der Klägerin, die Kosten für die Batterien weiterhin zu übernehmen, lehnte sie mit Bescheid vom 22. Oktober 1976 ab. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) teilt die Auffassung der Beklagten, daß Betriebskosten eines Hilfsmittels - wie Benzin, elektrischer Strom, aber auch Batterien und Akkuzellen - nicht zu den in § 182b der Reichsversicherungsordnung (RVO) aufgeführten Leistungen der Krankenkasse zu rechnen seien und deshalb dem Versicherten selbst zur Last fielen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision. Sie rügt eine Verletzung des materiellen Rechts, insbesondere eine unrichtige Anwendung des § 182b RVO. Der in dieser Vorschrift als Zweck des Hilfsmittels angegebene Ausgleich der Behinderung sei nur durch ein komplettes Hilfsmittel zu erreichen. Der Versicherte habe daher auch einen Anspruch auf die hier in Frage stehenden Batterien, ohne die das Hörgerät für seinen funktionellen Einsatz untauglich wäre.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,das Urteil des SG Detmold vom 22. September 1977 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.November 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten zu erstatten, die ab 1. Februar 1976 durch die Ersatzbeschaffung der Batterien für ihr Hörgerät entstanden sind.

Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, die Krankenkassen hätten keine Möglichkeiten, zu überprüfen, ob die Ersatzbeschaffung von Batterien im Einzelfall überhaupt notwendig ist.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

Rechtsgrundlage des von der Klägerin erhobenen Anspruchs ist § 182 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c i.V.m. § 182b RVO i.d.F. des RehaAnglG. Danach hat ein Versicherter Anspruch auf Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder eine körperliche Behinderung auszugleichen. Der Anspruch umfaßt auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel.

Hörgeräte sind Hilfsmittel im Sinne dieser Bestimmungen (BSGE 33, 263 f.). Unbestritten ist auch, daß die Hörhilfe für die Klägerin notwendig ist. Fraglich ist lediglich noch, ob und inwieweit sich der Anspruch auch auf die zum Gebrauch des Hörgeräts erforderlichen Batterien erstreckt.

Wie der Senat bereits entschieden hat, gehört zur Gewährung des Hilfsmittels Hörgerät auch die Erst-Ausstattung mit Akkuzellen einschl. Ladegerät oder mit Batterien (Urteil vom 18. Mai 1978 - 3 RK 46/77 - USK 7838 und Urteil vom selben Tage - 3 RK 47/77 - SozR 2200 § 182b RVO Nr. 7; vgl. auch Urteil vom 18. Mai 1978 - 3 RK 10/76 - USK 7837). Nach dem die gesetzliche Krankenversicherung im wesentlichen beherrschenden Sachleistungsprinzip obliegt es der Krankenkasse, dem Versicherten das Hilfsmittel so zur Verfügung zu stellen, daß es seinem Zweck entsprechend unmittelbar verwendet werden kann. Aus der Verpflichtung der Krankenkasse zur "Ausstattung" des Berechtigten mit dem Hilfsmittel (§ 182b Satz 1 RVO) folgt, daß sie es nicht dem Versicherten auferlegen kann, noch irgendwelche zusätzlichen Leistungen aufzubringen, ehe er das Hilfsmittel zu benutzen vermag. Sie hat es in einem gebrauchsfertigen Zustand zur Verfügung zu stellen. Das Hörgerät ist jedoch nur dann gebrauchsfertig, wenn es entweder mit Batterien oder mit Akkuzellen einschließlich Ladegerät versehen ist.

Die Frage, ob auch die Ersatz-Beschaffung dieser Gegenstände der Kasse obliegt, hat der Senat bei seinen bisherigen Entscheidungen nicht erörtert, denn sie war nicht Gegenstand des jeweiligen Rechtsstreits. Eine dem Gesetzeszweck entsprechende Auslegung des § 182b RVO ergibt jedoch, daß die Krankenkasse auch dazu verpflichtet ist.

Die im Rahmen der Hilfsmittelgewährung der Krankenkasse übertragene Aufgabe, einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder für den Ausgleich einer körperlichen Behinderung zu sorgen, beschränkt sich nicht auf die Ausstattung mit einem gebrauchsfertigen Hilfsmittel, sondern sie erstreckt sich auch darauf, dem Versicherten das Hilfsmittel solange in einem gebrauchsfertigen Zustand zur Verfügung zu stellen, wie dieser auf das Hilfsmittel angewiesen ist. Der Aufgabenstellung der Krankenversicherung ist somit zu entnehmen, daß dem Versicherten das Hilfsmittel in einem gebrauchsfertigen Zustand zu erhalten ist. Daraus folgt, daß die Krankenkasse die erforderlichen Batterien oder Akkuzellen mit Ladegerät nicht nur bei der Neuausstattung mit einem Hörgerät, sondern fortlaufend bei Bedarf bereitzustellen hat. Sicherlich ist auch der Versicherte selbst gehalten, zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Hilfsmittels beizutragen. Die in seinen Verantwortungsbereich fallenden Obliegenheiten (z.B. ordnungsgemäße Behandlung und Pflege des Hilfsmittels) schränken jedoch die Leistungspflicht der Krankenkasse nicht ein.

Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung wird durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt. Nach Satz 2 des § 182b RVO umfaßt der Anspruch des Versicherten auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. Diese Regelung macht deutlich, daß dem Versicherten das Hilfsmittel in einem unmittelbar verwendungsfähigem Zustand zur Verfügung stehen soll, und zwar nicht nur bei der Erstausstattung, sondern auch in der folgenden Zeit, also solange das Hilfsmittel benötigt wird. Macht die weitere Bereitstellung nur eine Ersatzbeschaffung von Teilen des Hilfsmittels erforderlich, so beschränkt sich die Verpflichtung der Krankenkasse darauf (vgl. auch § 13 Abs. 1 BVG i.V.m. § 1 Satz 2 der dazu ergangenen Durchführungsverordnung - BGBl. 1976 I 2422 - für das Recht der Kriegsopferversorgung und § 557 Abs. 1 Nr. 4 RVO i.V.m. § 2 der Verordnung über die orthopädische Versorgung Unfallverletzter vom 18. Juli 1973 - BGBl. I 871 - für das Recht der Unfallversicherung).

Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten und des SG können auch nicht auf die grundsätzliche Entscheidung des Reichsversicherungsamts (RVA) vom 10. Januar 1935 (Nr. 4862 -Amtliche Nachrichten 1935, 162) gestützt werden. In dieser wurde verneint, daß eine Krankenkasse, die zur Wärmebehandlung ein elektrisches Heizkissen abgegeben hatte, auch zur Erstattung der Kosten für den elektrischen Strom verpflichtet war. Als Begründung führte das RVA vor allem an, die Kosten für die Erwärmung des Heizkissens fielen im Rahmen eines normalen Haushalts nicht nennenswert ins Gewicht und ihrer Berechnung stünden kaum zu überwindende Hindernisse entgegen. Daraus läßt sich nicht folgern, daß das RVA generell eine Verpflichtung der Sozialleistungsträger zur Bereitstellung der Mittel ausschließen wollte, die notwendig sind, um das Hilfsmittel im gebrauchsfertigen Zustand zu erhalten (vgl. auch Urteil des Senats vom 18. Mai 1978 - 3 RK 46/77 - a.a.O.).

Es ist mithin davon auszugehen, daß die Beklagte zur Beschaffung der zum Gebrauch eines Hörgeräts benötigten Batterien verpflichtet ist (s. auch Krauskopf/Schroeder/Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand August 1978, Anm. 5 zu § 182b; Hoernik/Romann/Schroeter, Krankenversicherung, Stand April 1978, , Anm. 5 zu § 182b RVO; Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 27. Juni 1978 Nr. 5.2, DOK 1978, 686 und Anlage 2: Hilfsmittelkatalog unter "Betriebskosten").

Der Anspruch der Klägerin auf Sachleistung, der schon vor Februar 1976 durch eine Erstattungsleistung der Beklagten befriedigt worden ist, ist auch über diesen Zeitpunkt hinaus gerechtfertigt, weil sich insoweit infolge der rechtswidrigen Leistungsverweigerung der Beklagten der Sachleistungsanspruch in einen Erstattungsanspruch umgewandelt hat. Die Höhe dieses Anspruchs hängt davon ab, in welchem Umfang Ersatzbeschaffungen von Batterien notwendig waren. Dabei handelt es sich um eine Tatfrage, deren Klärung der Beklagten obliegt und ihr auch möglich ist (evtl. unter Berücksichtigung von allgemeinen Erfahrungswerten).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518654

Breith. 1980, 1

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