Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Konkursausfallgeldumlage

 

Orientierungssatz

1. Die Regelung über die Aufbringung der Konkursausfallgeldumlage (AFG §§ 186b ff) verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des GG Art 3 Abs 1 und ist auch mit GG Art 14 vereinbar.

2. Für die Beurteilung der Konkursausfallgeld-Umlagepflicht ist die Rechtsform, Größe, Branche und Ertragslage des Unternehmens ohne Bedeutung.

 

Normenkette

AFG § 186b Abs. 1 Fassung: 1974-07-17, § 186c Abs. 3 S. 1 Fassung: 1974-07-17; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 14 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 29.03.1978; Aktenzeichen L 2 U 309/76)

SG Augsburg (Entscheidung vom 10.08.1976; Aktenzeichen S 3 U 282/75)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. März 1978 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, die von der Beklagten gemäß § 186c Abs 3 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) erhobene Umlage zur Aufbringung der Mittel für das Konkursausfallgeld (Kaug) zu zahlen.

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Berufsgenossenschaft. Mit Bescheid vom 10. April 1975 forderte die Beklagte von der Klägerin für das Jahr 1974 neben dem Beitrag zur Unfallversicherung und dem Anteil an der Ausgleichslast einen Anteil am Kaug in Höhe von 99,67 DM. Der hiergegen erhobene Widerspruch der Klägerin, den die Beklagte gemäß § 85 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage an das Sozialgericht (SG) abgab, blieb ohne Erfolg (Urteil des SG vom 10. August 1976). Die Berufung, mit der die Klägerin die Unvereinbarkeit der §§ 186b und 186c AFG mit Art 3 des Grundgesetzes (GG) geltend machte, ist vom Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen worden (Urteil vom 29. März 1978). Das LSG hat in den Vorschriften über die Erhebung der Kaug-Umlage eine sachgerechte und verfassungsrechtlich unbedenkliche Regelung gesehen.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, daß die §§ 186b ff AFG mit dem Gleichheitssatz des Art 3 GG nicht vereinbar seien. Der vom 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) entschiedene Fall (12 RK 14/77) treffe auf sie nicht zu. Während es sich dort um einen Betrieb der mittelständischen Industrie mit einem breiten Angebotsfächer gehandelt habe, gehöre sie zu den Kleinbetrieben mit ganz anderen Problemen.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. April 1975, soweit er die Kaug-Umlage zum Gegenstand hat, aufzuheben,

hilfsweise beantragt sie,

das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorzulegen, ob die §§ 186b bis 186d AFG mit dem GG vereinbar sind.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.

Die Beklagte und die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß die Klägerin verpflichtet ist, die Kaug-Umlage an die Beklagte zu zahlen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 186b Abs 1 iVm § 186c Abs 3 Satz 1 AFG. Hiernach werden die Mittel für das Kaug einschließlich der Beiträge nach § 141n AFG, der Verwaltungskosten und der sonstigen Kosten, die mit der Gewährung des Kaug Zusammenhängen, von den Berufsgenossenschaften jährlich aufgebracht. Die Berufsgenossenschaften legen den von ihnen aufzubringenden Anteil nach dem Entgelt der Versicherten in den Unternehmen auf ihre Mitglieder um. Die Klägerin ist als Unternehmerin Mitglied der beklagten Berufsgenossenschaft. Auf Rechtsform, Größe, Branche und Ertragslage des Unternehmens kommt es nicht an. Von der Kaug-Umlagepflicht sind kraft Gesetzes nur die in § 186c Abs 2 Satz 2 AFG genannten Mitglieder ausgenommen. Das sind der Bund, die Länder, die Gemeinden sowie Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen der Konkurs nicht zulässig ist, und solche juristische Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin nicht.

Die Vorschriften der §§ 186b und 186c AFG (die von der Klägerin ebenfalls gerügte Vorschrift des § 186d AFG hat außer Betracht zu bleiben, weil sie auf das Streitverhältnis nicht zutrifft) enthalten keinen Verstoß gegen die Verfassung, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 1. März 1978 - 12 RK 14/77 - (SozR 4100 § 186b Nr 1) ausführlich begründet hat. Die gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluß vom 18. September 1978 - 1 BvR 638/78 -). Auch nach Auffassung des BVerfG verstößt die Regelung über die Aufbringung der Kaug-Umlage nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Sie verletzt nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, weil sie die Arbeitgeber untereinander nicht willkürlich ungleich behandelt und auch die umsichtig wirtschaftenden Unternehmen gegenüber den schlecht wirtschaftenden nicht benachteiligt, zumal der Eintritt des Konkursfalles zahllose Ursachen außerhalb einer schlechten Wirtschaftsführung haben kann. Das BVerfG hat auch die Auffassung des erkennenden Senats in dem oa Urteil vom 1. März 1978 bestätigt, daß die Regelung auch mit Art 14 GG vereinbar ist. Es hat hierzu ausgeführt, die Kaug-Umlagen seien in typischen Fällen (an denen die Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift zu messen ist) weder nach ihrer absoluten Höhe noch in der Relation zur Lohnsumme von wirtschaftlich besonderem Gewicht. Gegen die Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Maßnahme seien keine Bedenken ersichtlich.

Die von der Klägerin geltend gemachten, die Art ihres Unternehmens betreffenden Umstände sind nicht geeignet, die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift in Frage zu stellen. Ein Normenkontrollverfahren nach Art 100 Abs 1 GG ist daher nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

ZIP 1980, 200

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