Leitsatz (amtlich)

1. Die nachträgliche Zulassung der Sprungrevision durch Beschluß des Kammervorsitzenden des SG ist für eine Übergangszeit von 2 Jahren seit Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde (1975-01-01) als wirksam anzusehen.

2. Die Erhebung der Konkursausfallgeldumlage von den Unternehmern (AFG §§ 186b ff) ist nicht verfassungswidrig.

 

Normenkette

AFG § 186b Abs. 1 Fassung: 1974-07-17, § 186c Abs. 3 S. 1 Fassung: 1974-07-17; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 14 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 20 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; SGG § 161 Abs. 1 Fassung: 1974-07-30

 

Verfahrensgang

SG München (Entscheidung vom 18.03.1976; Aktenzeichen S 23 U 747/75)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. März 1976 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, die von der Beklagten gemäß § 186c Abs 3 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erhobene Umlage zur Aufbringung der Mittel für das Konkursausfallgeld (Kaug) zu zahlen.

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Berufsgenossenschaft (BG) der Feinmechanik und Elektrotechnik. Mit Bescheid vom 2. April 1975 forderte die Beklagte von der Klägerin 45.332,01 DM als Gesamtbeitrag für das Jahr 1974. In diesem Betrag war ein "Anteil Kaug" in Höhe von 1.192,48 DM enthalten. Hierzu führte die Beklagte in den Erläuterungen zum Beitragsbescheid aus, daß sie ihren Anteil an den von den gewerblichen BGen für das Kaug aufzubringenden Mitteln nach den Entgeltsummen (§ 186c Abs 3 Satz 1 AFG) auf ihre Mitglieder umlege. Für das Jahr 1974 betrage unter Berücksichtigung einer meldepflichtigen Gesamtentgeltsumme von 43.238.090.418,00 DM ihr Anteil am Kaug 9.512.379,89 DM, was einem Beitrag von 0,22 DM auf 1.000,00 DM Arbeitsentgelt entspreche. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 1975; Urteil des Sozialgerichts - SG - München vom 18. März 1976).

Mit der Klage hatte die Klägerin die Verfassungswidrigkeit der §§ 186b und 186c AFG geltend gemacht. Das SG hat keinen Grund dafür gesehen, das Verfahren nach Art 100 Abs 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und wegen der behaupteten Grundrechtsverletzungen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Es hat ua ausgeführt: Die Klägerin sei mit dem Anteil von 1.192,48 DM an Kaug zu Recht in Anspruch genommen worden. Gemäß § 186c Abs 3 Satz 1 AFG seien die gewerblichen BGen befugt, das von ihnen aufgebrachte Kaug anteilmäßig von ihren Mitgliedern zu erheben. Die entsprechenden Vorschriften der §§ 186b bis d AFG seien nicht verfassungswidrig. Das Ziel dieses Gesetzes, den Arbeitnehmern im Konkursfalle ihre Lohnansprüche für die letzten drei Monate vor Konkurseröffnung zu erhalten, stehe mit Art 20 Abs 1 GG in Einklang. Anlaß für die beanstandete Regelung sei nämlich die Tatsache gewesen, daß zwar Banken und Lieferanten im Konkursfall meist dinglich gesichert gewesen seien, während die Arbeitnehmer mit ihren Lohnforderungen im Konkurs häufig ausgefallen seien. Ein Verstoß gegen Art 3 GG liege ebenfalls nicht vor, da dem Gesetzgeber nicht vorgeworfen werden könne, er habe innerhalb seines Ermessensspielraums die äußersten Grenzen der Gerechtigkeit nicht eingehalten. Auch Art 14 GG sei nicht verletzt, da die Auferlegung von Zwangsbeiträgen nur dann als Eigentumsverletzung in Betracht komme, wenn die Beiträge jedes Maß überstiegen. Bei dem verhältnismäßig niedrigen Anteil von 1.192,48 DM bei einem Gesamtbeitrag von 45.332,01 DM könne nicht von Eigentumsverletzung gesprochen werden.

Mit der - nachträglich durch Beschluß des Vorsitzenden des SG vom 14. Juli 1976 zugelassenen - Revision macht die Klägerin weiterhin geltend, "daß die festgesetzten Beiträge sie in ihrem verfassungsmäßig garantierten Eigentumsrecht gemäß Art 14 GG unter Mißachtung des Gleichheitssatzes gemäß Art 3 GG und des Sozialstaatsprinzips gemäß Art 20 GG verletzen". Die Regelung des § 186c Abs 3 AFG führe dazu, daß die Unternehmen, die gut wirtschafteten, für die Fehler der schlecht wirtschaftenden Mitglieder der BGen aufzukommen hätten. Es könne nur als willkürlich bezeichnet werden, wenn die tüchtigen und umsichtigen Unternehmen zu einer zwangsweisen Abgabe herangezogen würden, durch die die schädlichen Folgen mißwirtschaftender Unternehmen ausgeglichen werden sollten. Weiter sei dadurch gegen Art 3 Abs 1 GG sowie gegen das Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG verstoßen worden, daß allein die Arbeitgeber die Mittel für das Kaug aufzubringen hätten. Die Gründe, die zum Konkurs eines Unternehmens führten, seien nicht nur in dem betreffenden Betrieb zu suchen, sondern hätten darüber hinaus allgemeinwirtschaftliche Ursachen, auf die weder der einzelne Unternehmer noch die Unternehmerschaft Einfluß hätten (zB überhöhte Lohnforderungen). Es entspreche daher weder dem Gleichheitssatz noch dem Sozialstaatsprinzip, daß derartige gesamtgesellschaftliche Lasten ausschließlich auf nur eine Seite der Sozialpartner abgewälzt würden. Das Sozialstaatsprinzip verpflichte den Staat, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Eine gerechte Sozialordnung erfordere, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer an den gesellschaftlichen Lasten, wenn schon nicht in gleicher Höhe, so doch jedenfalls im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit beteiligt würden. Die alleinige Belastung der Unternehmen mit dem Kaug, das ja ausschließlich den Arbeitnehmern zugute komme, sei ebenso willkürlich wie in höchstem Maße sozial ungerecht. Die angegriffene gesetzliche Regelung bürde dem Unternehmen zu den schon bestehenden Verpflichtungen sozialer Art weitere Belastungen auf, so daß das Privateigentum (Art 14 GG) nicht mehr als gewährleistet angesehen werden könne. Zwar gingen die Umlagebeträge für das Kaug für sich genommen nicht über jedes Maß hinaus. Der mittelständischen Wirtschaft, zu der sie, die Klägerin, zähle und die durch die sich in den letzten Jahren häufenden staatlichen Belastungen in immer größere Schwierigkeiten geraten sei, würden aber durch die zusätzliche Auferlegung der Umlage für das Kaug die Möglichkeiten zum wirtschaftlichen Überleben derart eingeengt, daß die Schwelle zumutbarer Belastungen im Sinne der Entscheidungen des BVerfGE 14, 42 und 23, 30 überschritten sei. Viele Unternehmen gerade der mittelständischen Industrie seien in den letzten Jahren durch die Abwälzung staatlicher Soziallasten auf die Unternehmer nicht mehr in der Lage gewesen, ihre Betriebe weiterzuführen. Das SG gehe daher bei seiner verfassungsrechtlichen Beurteilung an den Tatsachen vorbei, wenn es den - an sich gesehen - niedrigen Anteil von 1.192,48 DM am Gesamtbeitrag von 45.332,01 DM messe. Entscheidend sei aber, daß der Beitrag der Unternehmer zum Kaug ein weiterer Schritt in Richtung auf eine Gesamtbelastung der mittelständischen Wirtschaft getan sei, die nunmehr nicht mehr zumutbar sei.

Die Klägerin beantragt,

1.

das Urteil des SG aufzuheben,

2.

das Verfahren gemäß Art 100 Abs 1 Satz 1 GG auszusetzen und die Sache dem BVerfG zur Entscheidung über die Frage vorzulegen, ob die §§ 186b bis d AFG gegen Art 3 und 14 GG verstoßen und daher wegen Verfassungswidrigkeit nichtig sind.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist statthaft.

Der Beschluß über die nachträgliche Zulassung der Sprungrevision ist zwar allein von dem Vorsitzenden der Kammer des SG erlassen worden. Der erkennende Senat hält diesen Beschluß jedoch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Senate des BSG (BSG SozR 1500 § 161 Nrn 4, 6, 7, 12) für wirksam. Er schließt sich dabei der Rechtsprechung der anderen Senate auch insoweit an, daß eine ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgte Zulassung der Sprungrevision nur für eine Übergangszeit als wirksam hingenommen werden kann, die - im Anschluß an die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG (BSG SozR 1500 § 161 Nr 12) - längstens auf zwei Jahre (also bis 31. Dezember 1977) zu befristen ist. Im vorliegenden Fall ist die Zulassung der Sprungrevision innerhalb dieser zeitlichen Grenze erfolgt. Die Revision ist aber nicht begründet. Der Beitragsbescheid der Beklagten ist, soweit die Klägerin zur Umlage für das Kaug herangezogen wird (nur hierüber besteht Streit), weder nach dem AFG noch aus verfassungsrechtlichen Gründen zu beanstanden.

Gemäß § 186b Abs 1 AFG werden die Mittel für das Kaug einschließlich der Beiträge nach § 141n, der Verwaltungskosten und der sonstigen Kosten, die mit der Gewährung des Kaug zusammenhängen, von den BGen jährlich nachträglich aufgebracht. Die Vorschrift übernimmt das Finanzierungssystem der gesetzlichen Unfallversicherung, um den Verwaltungsaufwand für die Aufbringung der Mittel für das Kaug so gering wie möglich zu halten (vgl Reg Begründung zum Entwurf des Gesetzes über Kaug, BR-Drucks 7/74 S. 15). Wie die gesetzliche Unfallversicherung (§ 723 Abs 1 Reichsversicherungsordnung - RVO -) wird auch die gesetzliche Konkursausfallversicherung allein durch die Unternehmer finanziert. Gemäß § 186c Abs 3 Satz 1 AFG legen die BGen den von ihnen aufzubringenden Anteil nach dem Entgelt der Versicherten in den Unternehmen auf ihre Mitglieder um. Mitglieder der BGen sind die Unternehmer. Die Klägerin ist als Hersteller von Nähmaschinen Mitglied der beklagten BG der Feinmechanik und Elektrotechnik als der sachlich zuständigen BG (§ 658 RVO iVm § 646 Abs 1 RVO Anlage 1 Nr 10). Die von der Beklagten erhobene Umlage zur Aufbringung der Mittel für das Kaug ist rechnerisch nicht zu beanstanden.

Die somit von der beklagten BG zutreffend angewandten Vorschriften der §§ 186b und 186c AFG enthalten keinen Verfassungsverstoß.

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Gebiet der Konkursausfallversicherung folgt aus Art 74 Nr 12 GG.

Die gesetzliche Regelung, wonach die Arbeitgeber allein die Mittel für das Kaug aufbringen müssen, enthält keinen Verfassungsverstoß. Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG dieser Regelung nicht entgegen. Art 3 Abs 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber - auf eine kurze Formel gebracht -, weder wesentlich gleiches willkürlich ungleich noch wesentlich ungleiches willkürlich gleich zu behandeln (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl ua BVerfGE 4, 155; 42, 72). Der Gesetzgeber kann grundsätzlich selbst diejenigen Sachverhalte auswählen, an die er eine bestimmte Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinne als "gleich" ansehen will (BVerfGE 21, 27; 26, 8). Voraussetzung für die Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz ist lediglich, daß die gewählte Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen beruht (BVerfGE 26, 8 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 27). Die Entscheidung des Gesetzgebers, daß die Konkursausfallgeldumlage allein von den Unternehmern zu finanzieren ist, die Arbeitskräfte beschäftigen, wird - wie sich aus der Vorgeschichte des Gesetzes ablesen läßt - durch sachlich vertretbare Gründe gestützt. Die Bundesregierung hat ihren Gesetzesentwurf folgendermaßen begründet: "Auf Grund des Arbeitsvertrages ist der Arbeitnehmer in aller Regel zur Vorleistung verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat die vereinbarte Arbeitsleistung sofort zu erbringen, der Arbeitgeber hat jedoch das Arbeitsentgelt im allgemeinen erst nach Ablauf eines vertraglich festgelegten Zeitabschnittes zu zahlen. Die Arbeitsleistung wird in aller Regel ohne eine Sicherheitsleistung durch den Arbeitgeber erbracht. Mit der Konkursausfallversicherung wird die bisher fehlende Sicherung des Anspruchs auf Arbeitsentgelt geschaffen. Es erscheint daher angemessen, die Kosten für diese Sicherung von der Gesamtheit der Arbeitgeber tragen zu lassen (BR-Drucks 7/74 S. 11)". Diese Auffassung ist während des Gesetzgebungsverfahrens von allen Parteien ausdrücklich gebilligt worden (s. Reden des Abgeordneten Müller, Berlin (CDU) und des Abgeordneten Hölscher (FDP) in der 86. Sitzung des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, Protokoll S. 5663; Bericht des Ausschusses für Arbeit, BT-Drucks 7/2260 S. 3). Die alleinige Belastung der Arbeitgeber wird außerdem durch den Gedanken der Fürsorgepflicht gestützt, den das BVerfG zur Rechtfertigung der Finanzierung des Kindergeldes nach dem Kindergeldgesetz vom 13. November 1954 (BGBl I, 333) herangezogen hat (BVerfGE 11, 105, 114).

Sachgerecht und mit Art 3 Abs 1 GG zu vereinbaren ist ebenso die gleichmäßige Verteilung der Last auf alle Unternehmer, die Arbeitskräfte beschäftigen, nach dem Verhältnis der Lohnsummen. Diese Lastenverteilung entspricht dem die gesamte Sozialversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip, gegen das verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben sind.

Ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG kann schon deshalb nicht vorliegen, weil dieses Prinzip gerade den Staat verpflichtet, für einen Ausgleich sozialer Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (Leibholz/Rinck, GG, Kommentar, Art 20 Anm 12). Dies kann regelmäßig nur durch eine Belastung der wirtschaftlich Stärkeren zugunsten der wirtschaftlich Schwächeren erfolgen.

Eine Verletzung des in Art 14 GG gewährleisteten Grundrechts auf Eigentum ist ebenfalls nicht festzustellen. Zum Eigentum iS des Art 14 GG gehören allerdings alle vermögenswerten Rechte des Privatrechts, neben dem Sacheigentum im wesentlichen die sonstigen dinglichen Rechte, ferner Immaterialgüterrechte, Forderungen, Aktien und andere Gesellschafterrechte sowie der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb (Kimminich in Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Stand 1976, Art 14 Anm 56; Maunz in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Kommentar, Stand 1969, Art 14 Anm 32). Dieser weitgefaßte Eigentumsbegriff bedeutet indes nicht, daß Art 14 GG das Vermögen als solches gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt (ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 4, 7, 17; vgl ua BVerfGE 8, 274, 330; 10, 116; 10, 371; 11, 126; 14, 241; 16, 187; 19, 128; 19, 268; 23, 315; 26, 338; 27, 131; 27, 343; 29, 413). Allerdings könnte ein Verstoß gegen Art 14 dann in Betracht kommen, wenn die Geldleistungspflichten den Pflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt würden ("Erdrosselungswirkung", BVerfGE 14, 221, 241; 19, 119, 129; 27, 111, 131).

Es kann hier dahinstehen, ob dabei der Begründung des BVerfG zu folgen ist, das eine Eigentumsverletzung erst dann anerkennt, wenn die Substanz des Eigentums beeinträchtigt wird. Selbst wenn man der ua von Maunz vorgetragenen Kritik (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG Art 14 Anm 51) folgt und, ausgehend von dem Begriff der Sozialbindung des Eigentums, nur übliche, adäquate, zumutbare Belastungen nicht als verfassungswidrig ansieht, ist hier kein Verfassungsverstoß erkennbar. Allerdings kann dies nicht allein aus der geringen Höhe der Belastung durch die Konkursausfallgeldumlage gefolgert werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob durch die zusätzliche Einführung dieser Umlage die Personalnebenkosten einen Umfang erreicht haben, der die aus der Sozialbindung des Eigentums - hier des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb - sich ergebenden Belastbarkeitsgrenzen überschreitet. Dabei braucht nicht auf die in der tarifpolitischen Auseinandersetzung aufgetretenen unterschiedlichen Ansichten über den Begriff der Personalnebenkosten eingegangen zu werden (s. dazu W. Schmidt, Lohnnebenkosten - unverdientes Geld? Der Gewerkschafter 1978, S. 34; Dufrenne, Personalzusatzkosten - den Lohnkosten voraus, Der Arbeitgeber 1978 S. 145). Selbst wenn man den von den Arbeitgebern vertretenen weitergehenden Begriff der "Personalzusatzkosten" zu Grunde legt, zeigt sich, daß die durch Gesetz auferlegten Belastungen einschließlich der gesetzlich vorgesehenen und durch Tarifvertrag nur konkretisierten selten mehr als zwei Drittel der gesamten Zusatzkosten ausmachen. Die übrigen Belastungen gehen unmittelbar auf Tarifvereinbarungen oder freiwillig durch betriebliche Regelungen oder Einzelvereinbarungen übernommene Leistungen zurück (Eckert, Die Personalzusatzkosten in der Wirtschaft, Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik des Instituts der Deutschen Wirtschaft Heft 46, Köln 1977 S. 32; s. auch die Erhebungen des Statistischen Bundesamts in Wirtschaft und Statistik 1977, 803 ff, 806, in denen allerdings die Belastungen durch die Konkursausfallgeldumlage noch nicht enthalten sind). Der Umfang der zusätzlich durch Vereinbarungen der Tarifpartner oder der Vertragspartner übernommenen Belastungen zeigt - ebenso wie der Umfang der bei den Tarifverhandlungen vereinbarten Lohnerhöhungen -, daß durch die gesetzlichen Belastungen und insbesondere die geringfügige Erhöhung durch die Konkursausfallgeldumlage weder die Grenze des Zumutbaren überschritten noch der Spielraum für tarifliche und einzelvertragliche Regelungen unzulässig eingeschränkt wird.

Abgaben, die an der Lohnsumme ansetzen, führen außerdem nicht stets notwendig zu einer Verringerung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit eines Unternehmens, da sie unter Umständen durch die Preisgestaltung, durch Rationalisierung oder auch durch laufende Geldentwertung aufgefangen werden können. Sie unterscheiden sich damit von Steuern, die am Gewinn ansetzen und dadurch unausweichlich den wirtschaftlichen Ertrag reduzieren (vgl BVerwG vom 7. März 1958 - VII C 84. 57 - BVerwGE 6, 247 zur sogenannten Erdrosselungssteuer).

Dabei wird nicht verkannt, daß jede Erhöhung von Belastungen diejenigen Betriebe, die sich ohnehin in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, in ihrer Existenz gefährden kann. Diese Randerscheinungen sind jedoch nicht geeignet, die Regelung insgesamt als verfassungswidrig erscheinen zu lassen, weil es sich um normale Folgeerscheinungen der Erhebung von Steuern und Abgaben handelt. Auf Steuern und Abgaben kann aber in einem modernen Staatswesen, insbesondere einem Staatswesen, das dem Sozialstaatsgedanken verpflichtet ist, nicht verzichtet werden. Erst wenn die Einführung zusätzlicher Belastungen dazu führt, daß Betriebe in auffällig großer Zahl in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, ist Anlaß gegeben, einen Verstoß gegen Art 14 GG zu erwägen. Von einer derartigen Folgeerscheinung der Einführung der Konkursausfallgeldumlage ist aber nichts ersichtlich.

Nach alledem konnte die Revision keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654546

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