Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstufung einer freiwillig weiterversicherten Ehefrau. Begriffe "Einkommensverhältnisse" und "Gesamteinkommen" iS des RVO § 313a Abs 1

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens einer weiterversicherten Ehefrau (RVO § 313a) ist, soweit es sich um die Höhe des ihr vom Ehemann gewährten Unterhalts handelt, von dessen Nettoeinkommen auszugehen. Der Wert ihrer eigenen Haushaltsführung ist insoweit nicht zu berücksichtigen.

2. Nicht zum Gesamteinkommen einer weiterversicherten Ehefrau gehören die auf ihre Kinder entfallenden Unterhaltsbeträge, auch wenn die Kinder bei ihr mitversichert sind.

 

Orientierungssatz

Nach RVO § 313a Abs 1 kann ein Weiterversicherter entsprechend seinen Einkommensverhältnissen oder wegen der Höhe seines Gesamteinkommens in eine niedrigere oder höhere Beitragsklasse (Stufe) versetzt werden. "Einkommensverhältnisse" und "Gesamteinkommen" sind dabei im gleichen Sinne zu verstehen, so daß bei der beitragsrechtlichen richtigen Einstufung des Weiterversicherten von demselben Einkommensbeitrag - seinem Gesamteinkommen - auszugehen ist.

 

Normenkette

RVO § 313a Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 28.04.1972; Aktenzeichen L 4 Kr 807/71)

SG Karlsruhe (Entscheidung vom 02.03.1971)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 1972 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die beklagte Betriebskrankenkasse erhöhte vom 1. März 1970 an den Krankenversicherungsbeitrag der bei ihr bis zum 31. Dezember 1970 freiwillig weiterversichert gewesenen Klägerin. Sie versetzte die Klägerin - eine nichtberufstätige, verheiratete Hausfrau mit zwei in den Jahren 1963 und 1966 geborenen Kindern - von der Lohnstufe 23 in die Lohnstufe 40 (Bescheid vom 15. Dezember 1969). Mit dem Bescheid vom 21. Juli 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1970 bestätigte sie die Höherstufung der Klägerin und gab ihrem Antrag vom 29. April 1970 auf Versetzung in eine niedrigere Lohnstufe nicht statt.

Der Beitragsfestsetzung legte die Beklagte ein Monatseinkommen von 1200 DM zugrunde. Dieses berechnete sie aus den Unterhaltsansprüchen der Klägerin und der mitversicherten Kinder gegenüber dem Ehemann (Vater), der im Jahre 1970 monatlich brutto 2.100 DM verdiente; davon entfielen nach Ansicht der Beklagten 3 Teile auf den Ehemann, 2 Teile (= 600 DM) auf die Klägerin und je 1 Teil (= 300 DM) auf jedes Kind.

Nach erfolgloser Klage (Urteil des Sozialgerichts - SG - Karlsruhe vom 2. März 1971 hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 28. April 1972 das Urteil des SG aufgehoben, die Klägerin unter Abänderung der angefochtenen Bescheide mit Wirkung vom 1. Mai 1970 in die Lohnstufe 20 versetzt und die Beklagte verurteilt, die bis zum 31. Dezember 1970 zuviel entrichteten Beiträge zurückzuerstatten: Die Beklagte sei zur Höherstufung der Klägerin nicht berechtigt gewesen. Ausgehend vom Bruttoeinkommen des Ehemannes und unter Zugrundelegung der angewandten schematischen Unterhaltsberechnung ergebe sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin in Höhe von 600 DM monatlich. Diesem Einkommen entspreche satzungsmäßig die Lohnstufe 20, in die die Klägerin antragsgemäß zum 1. Mai 1970 zu versetzen sei. Die beitragsrechtliche Berücksichtigung der mitversicherten Kinder sei unzulässig, weil der Anspruch auf Familienhilfe - mangels gegenteiliger Regelung in der Satzung - grundsätzlich nicht zur Erhöhung des Beitrages berechtige. Es sei auch nicht wegen der Haushaltsführung durch die Klägerin von einem höheren Einkommen als 600 DM monatlich auszugehen. Der Wert der Haushaltsführung sei kein "Einkommen". Im übrigen habe die Beklagte die Klägerin nicht in die - damals satzungsmäßig noch nicht vorgesehene - Stufe 40 versetzen dürfen.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 313 a, 180 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Auch die Unterhaltsansprüche mitversicherter Kinder seien bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen. Der Wert der Haushaltsführung sei ebenfalls als Einkommen anzusetzen. Daß die damals gültige Satzung die Lohnstufe 40 noch nicht enthalten habe, sei unschädlich, da das Beitragssystem die Berechnung nicht vorhandener, aber aufgrund gesetzlicher Anhebung der Jahresarbeitsverdienstgrenze notwendig werdender Lohnstufen ermögliche. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

Die nichtvertretene Klägerin hat sich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des LSG, das die Klägerin vom 1. Mai 1970 an in die - einem Monatseinkommen von 600 DM entsprechende - Lohnstufe 20 versetzt und die Beklagte verurteilt hat, die zuviel entrichteten Beiträge zurückzuerstatten, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Nach § 313 a Abs. 1 RVO kann ein Weiterversicherter entsprechend seinen Einkommensverhältnissen in eine niedere (Satz 1) oder wegen der Höhe seines Gesamteinkommens in eine höhere Klasse oder Stufe versetzt werden (Satz 2). "Einkommensverhältnisse" und "Gesamteinkommen" sind dabei im gleichen Sinne zu verstehen (BSG 7, 164, 167 f), so daß bei der beitragsrechtlich richtigen Einstufung des Weiterversicherten von demselben Einkommensbetrag - seinem Gesamteinkommen - auszugehen ist.

Daß bei der Ermittlung des Gesamteinkommens einer weiterversicherten Ehefrau auch der ihr vom Ehemann gewährte Unterhalt zu berücksichtigen ist, hat das LSG im Anschluß an das erwähnte Urteil des Senats (BSG 7, 164) zutreffend angenommen. Entgegen seiner Ansicht darf allerdings bei der Berechnung des auf die Frau entfallenden Unterhaltsanteils - hier waren außer der Klägerin aus dem monatlichen Bruttogehalt des Mannes von damals 2.100 DM noch zwei minderjährige Kinder zu unterhalten - nicht das Brutto-, sondern nur das Nettoeinkommen des Ehemannes zugrundegelegt werden. Nur dieses stand für den Unterhalt der Familie zur Verfügung; nur aus ihm konnte insbesondere der Unterhaltsanspruch der Klägerin befriedigt werden (vgl. auch SozR Nr. 12 zu § 1266 RVO; BSG 32, 197, 199 f; Brühl, Unterhaltsrecht, 2. Auflage, S. 99, 171). Das Monatsgehalt des Ehemannes war deshalb um die gesetzlichen Abzüge (Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge) zu vermindern, die hier nach den einschlägigen Vorschriften mindestens 300 DM betragen haben, so daß von einem monatlichen Nettoeinkommen der Familie von höchstens 1.800 DM auszugehen ist.

Daß für den Unterhaltsanspruch einer weiterversicherten Ehefrau nur das Einkommen des unterhaltspflichtigen Mannes, nicht auch der Wert ihrer eigenen Haushaltsführung zu berücksichtigen ist, hat das LSG richtig entschieden. Nach Wortlaut und Sinn des § 313 a RVO können für die Höhe des Gesamteinkommens der Frau nur die ihr zukommenden Einkommensteile, nicht auch die von ihr erbrachten Leistungen, maßgebend sein. Andernfalls würden sich für weiterversicherte Ehefrauen nicht selten unzumutbar hohe Beiträge ergeben, die aus dem Bareinkommen der Familie, das dafür allein zur Verfügung stände, kaum zu entrichten wären.

Bei der Einstufung der Klägerin muß - entgegen der Ansicht der Beklagten - ferner der Umstand außer Betracht bleiben, daß ihre beiden Kinder bei ihr mitversichert waren. Nach § 313 a Abs. 1 Satz 2 RVO hängt zwar die Beitragsfestsetzung für einen Weiterversicherten auch davon ab, ob die Beiträge "in erheblichem Mißverhältnis zu den ihm im Krankheitsfall zu gewährenden Leistungen stehen". Hierzu hat der Senat jedoch schon früher (BSG 14, 104) entschieden, daß besondere Verhältnisse des Versicherten nur insoweit zu berücksichtigen sind, als nach Gesetz oder Satzung solche Besonderheiten Unterschiede in der Beitragshöhe zur Folge haben; danach dürfe weder der Gesundheitszustand des Versicherten noch sein Familienstand berücksichtigt werden. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Daß die Versicherten je nach ihrem Familienstand, insbesondere je nach der Zahl der bei ihnen mitversicherten Angehörigen, mehr oder weniger hohe Kassenleistungen beziehen, darf sich in der - vom Solidaritätsprinzip beherrschten - gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht in der Beitragsbemessung niederschlagen. Das gilt nicht nur für eine unmittelbare Koppelung der Beiträge an den Familienstand, sondern auch für den hier von der Beklagten beschrittenen Weg, die auf die mitversicherten Familienangehörigen entfallenden Unterhaltsanteile dem Gesamteinkommen des Versicherten hinzuzurechnen. Sollten die Krankenkassen dadurch zu stark belastet werden - die Beklagte befürchtet, ein gut verdienender, selbst nicht gesetzlich krankenversicherter Ehemann könnte die Kosten der an sich ihm obliegenden Krankheitssicherung seiner Kinder auf die freiwillige Versicherung seiner Ehefrau und damit auf die Versichertengemeinschaft abwälzen -, dann wäre Abhilfe wohl nur durch eine gesetzliche Einschränkung der Mitversicherung von Familienangehörigen möglich. Einen Ausgleich über die Beitragsgestaltung für den weiterversicherten Ehegatten vorzunehmen, ist jedenfalls solange verwehrt, als das Gesetz nur dem Gesamteinkommen des Weiterversicherten ("seinem Gesamteinkommen") Bedeutung beimißt.

War somit bei der Einstufung der Klägerin nach § 313 a RVO nur der auf sie selbst entfallende, aus dem Nettoeinkommen ihres Ehemannes zu berechnende Unterhaltsanteil zu berücksichtigen, so lag dieser bei einer vierköpfigen Familie keinesfalls über dem vom LSG angenommenen Betrag von 600 DM, eher darunter. Dabei kann dahinstehen, ob der vom LSG vorgenommenen Aufteilung des Familieneinkommens (drei Teile für den Ehemann, zwei Teile für die Ehefrau und je ein Teil für die Kinder) zu folgen ist. Auch wenn der Unterhaltsanteil der Klägerin ebenso hoch wie der des Mannes zu bemessen, für beide Ehegatten also mit je 600 DM anzusetzen wäre, während auf die Kinder je 300 DM entfielen, würde dies im Ergebnis an der Entscheidung nichts ändern.

Da die Klägerin ihrerseits kein Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil eingelegt hat, hat der Senat die Entscheidung des LSG bestätigt. Über die Kosten ist nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes entschieden worden.

 

Fundstellen

BSGE, 127

NJW 1974, 1581

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge