Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeit eines Posthandwerkers. medizinische Sachaufklärung. Übergangsregelung in Art 2 § 6 ArVNG

 

Orientierungssatz

1. Zur Frage, ob das LSG die Grenzen seines ihm nach § 128 Abs 1 S 1 SGG zustehenden Rechts, die Beweise und Tatumstände des Falles frei zu würdigen, verletzt hat.

2. Vom BSG ist nicht zu prüfen, ob Art 2 § 6 Abs 2 Nr 2 ArVNG in der - am 1.1.1984 in Kraft getretenen - Fassung des Art 4 Nr 4 HBegleitG 1984 vom 22.12. 1983 verfassungsgemäß ist (vgl BVerfG 8.4.1987 1 BvR 564/84).

3. Die Begriffe "einfache" und "leichte Tätigkeiten" in dem Gutachten eines Internisten und Kardiologen meinen regelmäßig nicht die geistig-seelischen oder gar fachlichen, sondern lediglich die körperlichen Anforderungen an mögliche Verweisungsberufe.

4. Zur Würdigung eines wegen behaupteter Konzentrationsschwäche erhobenen neurologisch/psychiatrischen Gutachtens im Hinblick auf das Vorliegen von Berufsunfähigkeit.

 

Normenkette

RVO § 1246 Abs 2; SGG § 128 Abs 1 S 1; ArVNG Art 2 § 6 Abs 2 Fassung: 1983-12-22

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 06.10.1986; Aktenzeichen L 4 J 58/85)

SG Köln (Entscheidung vom 06.02.1985; Aktenzeichen S 8 J 308/81)

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU).

Der im Jahre 1930 geborene Kläger nahm 1947 bei der Deutschen Bundespost eine Tätigkeit als Fernmeldearbeiter auf. Im Jahre 1953 legte er die Gesellenprüfung als Fernmeldebauhandwerker ab. Diesen Beruf übte er bis zu seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis am 1. Februar 1964 versicherungspflichtig aus; tariflich war er in die damalige Lohngruppe III (Posthandwerker) eingestuft. Zum 1. September 1981 wurde er als Fernmeldehauptwart (Besoldungsgruppe A 5) wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Er ist als Schwerbehinderter nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 vH anerkannt.

Den im September 1981 gestellten - dritten - Antrag des Klägers auf Versichertenrente lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 2. November 1981 ab mit der Begründung, der Kläger könne noch "im Anlernberuf oder gehobener Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes" vollschichtig arbeiten.

Die hiergegen erhobene Klage auf Gewährung von Rente wegen BU hatte Erfolg. Mit Urteil vom 6. Februar 1985 hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Rente wegen BU ab 1. Oktober 1981 zu gewähren. Es hat sich dabei auf eine umfangreiche Beweisaufnahme durch Anhörung medizinischer Sachverständiger, darunter auf die Gutachten des Internisten und Kardiologen Dr. B. vom 2. November 1983 und des weiteren Internisten Dr. D. vom 7. Oktober 1974 gestützt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) den Sachverhalt auf medizinischem Gebiet weiter aufgehellt und ua Behandlungs- und Befundberichte von dem Neurologen und Psychiater Dr. G. vom 30. Juli 1985 und dem Internisten Dr.P. vom 5. August und 8. November 1985 beigezogen, hierzu eine Stellungnahme des internistischen Sachverständigen Dr. D. vom 4. Dezember 1985 eingeholt und auf den Antrag des Klägers den Orthopäden Dr.Z. ein Gutachten vom 4. August 1986 erstatten lassen. Mit Urteil vom 6. Oktober 1986 hat das LSG die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, ferner, die Erwerbsunfähigkeit (EU) zurückgewiesen. Das LSG ist davon ausgegangen, daß der Kläger als Fernmeldebauhandwerker Berufsschutz eines Facharbeiters genieße. Er sei zwar nicht mehr uneingeschränkt einsatzfähig. Er sei aber noch in der Lage, vollschichtig körperlich leichte Arbeiten unter Witterungsschutz und ohne Zwangshaltungen zu verrichten. Weitere gesundheitliche Leistungseinschränkungen seien nicht vorhanden. Dies gelte auch für die Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens des Klägers. Insoweit seien keine Hinweise gegeben; der Kläger habe auch nicht substantiiert dahingehende Beschwerden vorgetragen. Der Neurologe und Psychiater Dr. G., der den Kläger im Mai/Juni 1985 untersucht habe, habe keine wesentlichen Gesundheitsstörungen auf seinem Fachgebiet festgestellt. Mit seinem Leistungsvermögen könne der Kläger aufgrund der berufskundlichen Sachaufklärung noch mit Tätigkeiten im Innendienst in der Planung und Unterhaltung von Fernsprechnetzen, komplizierteren Verdrahtungsarbeiten an Schalttafeln und Schaltschränken sowie mit Reparatur- und Einstellarbeiten an einfacheren Zählern und Meßgeräten beschäftigt werden, - Facharbeiten, die der Berufsausbildung des Klägers entsprechen. Eine weitere Sachaufklärung sei nicht mehr erforderlich, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt, daß nach § 1246 Abs 2a Satz 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für Versicherungsfälle nach dem 30. Juni 1984 besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein müßten. Dies sei hier nicht der Fall. Der Kläger habe keine freiwilligen Beiträge nach Art 2 § 6 Abs 2 Nr 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) entrichtet. Diese Beiträge könnten auch nicht mehr nach Eintritt des Versicherungsfalles entrichtet werden. Sollte die BU nach dem 30. Juni 1984 eingetreten sein, bestehe somit aus versicherungsrechtlichen Gründen kein Rentenanspruch.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger einmal wesentliche Verfahrensmängel. Er macht geltend, die Feststellungen des LSG über das bei ihm, Kläger, noch vorhandene Leistungsvermögen seien verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Der medizinische Sachverständige Dr. B. habe in seinem Gutachten ausgeführt, daß er nur noch einfache Arbeiten verrichten könne. Die ihm vom LSG angesonnenen Verweisungsarbeiten mögen körperlich leichte Arbeiten sein. Damit stehe aber noch nicht fest, daß es sich hierbei auch um einfache Arbeiten handele. Das Urteil sei insoweit nicht mit Gründen versehen (§ 128 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Sollte aber dem angefochtenen Urteil die Feststellung zu entnehmen sein, er könne auch noch schwierigere Arbeiten verrichten, dann seien die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten, indem die vom Sachverständigen gemachte Einschränkung auf "einfache Arbeiten" nicht beachtet worden sei. Das treffe auch auf seine wiederholten Klagen über Konzentrationsschwäche zu. Seine Beschwerden würden von Dr. G. bestätigt. Ebenfalls habe Dr.Z. eine genaue Beurteilung durch ein neurologisch/psychiatrisches Zusatzgutachten für erforderlich gehalten. Gleichwohl habe das LSG ein derartiges Gutachten nicht eingeholt. Das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, über das Ausmaß der Einschränkung seiner geistigen Leistungsfähigkeit Beweis zu erheben. Auf den dargelegten Verfahrensfehlern könne das angefochtene Urteil auch beruhen. Falls die Verfahrensrügen nicht durchgriffen, komme es auf die Beantwortung der Rechtsfrage an, ob bei ihm, Kläger, für einen Versicherungsfall nach dem 30. Juni 1984 die Anwartschaft auf die Versichertenrente wegen BU oder EU erloschen sei (Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG). Er sei entgegen dem LSG der Auffassung, daß die in Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) zu Art 2 § 42 ArVNG aufgestellten Rechtsgrundsätze auch hier anzuwenden seien. Der gleichen Auffassung seien offensichtlich auch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Sollte aber eine solche Auslegung von Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG nicht zulässig sein, werde die Verfassungswidrigkeit der §§ 1246 Abs 2a, 1247 Abs 2a RVO geltend gemacht. Es werde angeregt, das Verfahren durch Beschluß auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art 100 des Grundgesetzes (GG) zur Entscheidung der Frage vorzulegen, ob die erschwerten Voraussetzungen für den Anspruch auf Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente mit dem GG vereinbar seien.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Köln vom 6. Februar 1985 zurückzuweisen; hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen; hilfsweise, festzustellen, daß ein Anspruch auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit auch 30. Juni 1984 eingetreten ist oder eintreten wird.

Die Beklagte stellt keinen Antrag und macht keine Ausführungen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist in der Sache nicht begründet.

Nach § 1246 Abs 2 Satz 1 RVO ist berufsunfähig ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf ein bestimmtes Maß herabgesunken ist. Der Kläger bekämpft in erster Linie die vom LSG im angefochtenen Urteil nach Beweisaufnahme durch Anhörung behandelnder Ärzte und medizinischer Sachverständiger getroffenen tatsächlichen Feststellungen über das bei ihm "noch vorliegende Leistungsvermögen" als verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Tatsächlich ist das BSG dann nicht an die im Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, wenn der Revisionskläger in bezug auf sie zulässige und begründete Rügen der Verletzung von Normen des Verfahrensrechts erhoben hat (§§ 163 Halbsatz 2, 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Die Verfahrensrügen des Klägers greifen aber nicht durch.

Zu Unrecht nimmt der Kläger an, das LSG-Urteil gebe entgegen § 128 Abs 1 Satz 2 SGG nicht die Gründe dafür an, warum die ihm angesonnenen Verweisungsarbeiten - Planung und Unterhaltung von Fernsprechnetzen sowie komplizierte Verdrahtungsarbeiten an Schalttafeln und Schaltschränken; Tätigkeit eines Qualitätsprüfers in der Elektroindustrie - "einfache Arbeiten" seien. Auf solche Arbeiten nämlich, so der Kläger, habe der gerichtliche Sachverständige Dr. B. seine Einsatzfähigkeit beschränkt.

Richtig ist, daß das LSG den Kläger auf diese Tätigkeiten ua mit der Begründung verwiesen hat, daß sie "körperlich leicht", im Sitzen mit der Möglichkeit des Haltungswechsels auszuüben und nicht unter Zeitdruck zu verrichten seien; richtig ist ferner, daß ausdrückliche Ausführungen zur Frage der "Einfachheit" dieser Verweisungstätigkeiten fehlen (Seite 23 unten/24 oben aaO). Hierin liegt jedoch kein Verfahrensmangel. Zwar hat der Internist und Kardiologe Dr. B. in seinem dem SG unter dem 2. November 1983 erstatteten schriftlichen Gutachten (Blatt 75 ff der Akten des SG) unter Nr 2b) (Seite 93 aaO) abschließend ausgeführt, der Kläger sei noch in der Lage, "einfache Tätigkeiten" im Sitzen bzw im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen in geschlossenen Räumen auszuüben. Der Sachverständige hat es hierbei aber nicht bewenden lassen. Im unmittelbaren Anschluß hat er unter Nr 2c) in ausdrücklicher Weiterführung dieser Äußerung ausgeführt: "Der Kläger kann die zu b) genannten leichten Tätigkeiten noch vollschichtig ... verrichten ...."

Bei dieser Sachlage war das LSG berechtigt, davon auszugehen, daß Dr. B. "einfach" und "leicht" als synonyme Qualifizierungen der zumutbaren Verweisungstätigkeiten gebraucht hat und insoweit - als Internist und Kardiologe - die körperlichen, nicht die geistig-seelischen oder gar fachlichen Anforderungen der Verweisungsberufe angesprochen hat. Zur Frage der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf geistig-seelischem Gebiet hat das LSG im übrigen gesondert Beweis erhoben durch Beiziehung und Auswertung des Befund- und Behandlungsberichts von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Privatdozent Dr. med. habil. G. vom 30. Juli 1985 (Blatt 210 f der Berufungsakten), dessen Befund im angefochtenen Urteil ausführlich gewürdigt ist mit dem Hinweis, "daß Störungen des geistigen Leistungsvermögens nicht gegeben" seien (Seite 17 unten des angefochtenen Urteils). Dementsprechend bejaht das LSG (auf Seite 23 aaO) durchaus schlüssig ua die Fähigkeit des Klägers, "auch noch kompliziertere Verdrahtungsarbeiten an Schalttafeln und Schaltschränken" zu verrichten. Dem Urteil sind nach allem sehr wohl die Gründe dafür zu entnehmen, warum das LSG den Kläger noch für fähig hält, "Facharbeiten, die (seiner) Berufsausbildung ... entsprechen", ohne ausdrückliche Beschränkung auf einfache Arbeiten auszuüben.

Damit wird zugleich klar, daß das LSG die Grenzen seines ihm nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zustehenden Rechts, die Beweise und Tatumstände des Falles frei zu würdigen, nicht verletzt hat.

Nicht richtig ist auch, daß sich das LSG nicht mit den vom Kläger behaupteten Beschwerden iS einer Konzentrationsschwäche auseinandergesetzt und dadurch gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG verstoßen sowie pflichtwidrig eine weitere Beweisaufnahme zum Ausmaß der Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit unterlassen habe. Das LSG hat vielmehr, wie ausgeführt, von dem behandelnden Psychiater und Neurologen Dr. Goertz einen ausführlichen Behandlungs- und Befundbericht eingeholt und ist zu dem Ergebnis gelangt, vorliegen. Die Ausführungen in dem Befundbericht sind geeignet, diese Schlußfolgerung des LSG zu stützen. Es heißt dort ua:

"Bei der neurologischen Untersuchung konnte im Bereich der Hirnnerven kein krankhafter Befund erhoben werden. Der Patellarsehnenreflex ist links etwas schwächer als rechts auszulösen, die Muskeleigenreflexe sonst seitengleich mittellebhaft erhältlich. Keine pathologischen Flexorreflexe. Motilität, Sensibilität und Koordination ungestört.

Im psychischen Befund sind objektivierbare Zeichen einer hirnorganischen Leistungsminderung nicht festzustellen. Herr T. wirkt in seinem Gesamtverhalten etwas unsicher und ängstlich und läßt dabei eine deutliche Neigung zu hypochondrischer Selbstbeobachtung und subjektiver Überbewertung erkennen. Keine Zeichen einer depressiven Symptomatik von Krankheitswert.

Elektroencephalographisch unauffälliger Alpha-Rhythmus ohne Herdhinweis und ohne Krampfpotentiale. Die Dopplersonographie der hirnversorgenden Arterien ergibt die Zeichen einer beginnenden allgemeinen Gefäßsklerose mit besonderer haemodynamischer Relevanz im rechten Internakreislauf. Die zum Ausschluß eines hirnatrophischen Prozesses veranlaßte Durchführung der cranialen Computertomographie ergibt keine Abweichung von der Norm....

Eine Minderung der Erwerbsunfähigkeit liegt von Seiten unseres Fachgebiets nicht vor; so ist Herr T. nach unserer Ansicht durchaus noch in der Lage körperlich leichte Arbeiten zu verrichten."

Zwar hat Oberarzt Dr.Z. von der Orthopädischen Klinik des Kreiskrankenhauses D. in seinem schriftlichen Gutachten vom 4. August 1986 (Blatt 264 ff der Berufungsakten) die Frage 3) des LSG "Bestehen Einschränkungen für das geistige Leistungsvermögen, gegebenenfalls welche ...?" dahin beantwortet, daß "eine genaue Beurteilung ... hier nur durch ein neurologisch/ psychiatrisches Zusatzgutachten sichtbar ... ist".

Zu Recht hat sich das LSG durch diesen Sachverhalt nicht zu einer weiteren Beweisaufnahme gedrängt sehen müssen. Der Sachverständige Dr.Z. konnte als Orthopäde nichts zu Störungen des Klägers auf psychiatrisch/neurologischem Gebiet aussagen.

Nach alledem sind die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Sie binden daher den erkennenden Senat.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist weder Art 2 § 6 Abs 2 Nr 2 ArVNG in der - am 1. Januar 1984 in Kraft getretenen - Fassung des Art 4 Nr 4 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) vom 22. Dezember 1983 (BGBl I Seite 1532) auszulegen noch zu prüfen, ob diese Vorschrift verfassungsgemäß ist (vgl dazu Beschluß des BVerfG vom 8. April 1987 - 1 BvR 564/84). Deswegen bedarf es keiner Vorlage an das Bundesverfassungsgericht.

Durch Art 1 Nr 32 HBegleitG 1984 ist § 1246 Abs 1 RVO geändert und nach Abs 2 ein Abs 2a) eingefügt worden. Danach hängt der Anspruch auf Rente wegen BU versicherungsrechtlich nunmehr neu auch davon ab, daß in den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der BU mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind. Nach Art 4 Nr 4 HBegleitG 1984 gilt die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes bestehende alte - günstigere - Fassung des § 1246 Abs 2 RVO auch für Versicherungsfälle nach diesem Zeitpunkt, wenn der Versicherte ua jeden Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalls mit Beiträgen oder bestimmten gleichgestellten Zeiten belegt hat. Ergänzend ist vorgeschrieben, daß dies auch für Versicherungsfälle in der Zeit bis zum 30. Juni 1984 gilt, ohne daß die Voraussetzungen der Nr 2 im neugefaßten § 6 Abs 2 ArVNG vorliegen. Das den Rentenanspruch des Klägers verneinende angefochtene Urteil trifft aber auch für eine Zeit nach dem 31. Dezember 1983/30. Juni 1984 zu schon deshalb, weil beim Kläger der Versicherungsfall der BU iS des - ungeänderten - § 1246 Abs 2 RVO zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung und Entscheidung vor dem LSG noch nicht eingetreten war. Auf diesen Zeitpunkt ist abzustellen, weil das Revisionsgericht als Rechtskontrollinstanz mit Bindung an den vom LSG festgestellten Sachverhalt (§§ 162, 163 SGG) keine Tatsachenfeststellungen treffen kann und jeder neue Sachvortrag unzulässig ist.

Die den erkennenden Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen, wonach der Kläger insbesondere wegen Verschleißerscheinungen an der Hals- und Lendenwirbelsäule nicht mehr mittelschwere Arbeiten und nicht mehr Arbeiten im Freien, sehr wohl aber noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten unter Witterungsschutz und ohne Zwangshaltung verrichten kann, geben die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung und Entscheidung vor dem Berufungsgericht am 6. Oktober 1986 wieder. Zwar heißt es in den Urteilsgründen, zu einer medizinischen Sachaufklärung für eine Zeit nach dem 30. Juni 1984 bestehe kein Anlaß, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen möglichen Anspruch nach diesem Zeitpunkt nicht erfüllt seien. Ungeachtet dieser Ausführungen liefern die Urteilsgründe keinen faßbaren Anhalt für die Annahme, daß sich die dort über die gesundheitsbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Klägers nach sehr umfangreicher Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen nicht auf die Gegebenheiten noch zur Zeit der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch das LSG am 6. Oktober 1986 erstreckt hätten. Der vom LSG beigezogene Bericht des behandelnden Psychiaters und Neurologen Dr. G. stammt vom 30. Juli 1985, die Berichte des Internisten Dr.P. stammen vom 5. August 1985 (mit Bericht an die behandelnde Ärztin vom 10. Juni 1985) und vom 8. November 1985. Zu letzteren hat der Sachverständige Dr. D. am 14. Dezember 1985 Stellung genommen. Das letzte schriftliche Sachverständigengutachten hat der Orthopäde Dr.Z. dem LSG am 4. August 1986 aufgrund Untersuchung des Klägers am 4. Juli 1986, zwei Monate vor der Entscheidung, erstattet. Auf Seite 20 Abs 1 des angefochtenen Urteils heißt es dementsprechend ua, die Feststellungen des Sachverständigen Dr. D. schlössen zur Überzeugung des beim LSG entscheidenden Senats jedenfalls das Vorliegen eines Versicherungsfalls bis zum 30. Juni 1984, "ja bis zum Juni 1985 (Untersuchung durch Dr.P.) aus. Eine danach eingetretene weitere Verschlechterung hat der Kläger nicht behauptet".

War der Kläger hiernach noch zur Zeit der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch das LSG gesundheitlich nicht gehindert, in seinem Berufsbereich wie dargestellt weiterhin vollschichtig erwerbstätig zu sein, so liegt bei ihm BU noch nicht vor. Allein schon deshalb trifft das angefochtene Urteil zu und war daher die Revision des Klägers hiergegen als unbegründet zurückzuweisen. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag zielt im Ergebnis auf die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage ab und ist daher unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1667021

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