Verfahrensgang

LSG Bremen (Urteil vom 27.08.1981)

SG Bremen (Urteil vom 19.02.1981)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 27. August 1981 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 19. Februar 1981 wird zurückgewiesen.

Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Der 1930 geborene Kläger bezog seit 1974 von der Beklagten Alhi. Seit 1956 erhält er von der zuständigen Berufsgenossenschaft eine Unfallrente. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) bewilligte die Beklagte dem Kläger zuletzt durch Bescheid vom 20. April 1977 unter Anrechnung von Einkommen ab 28. Dezember 1976 Alhi in Höhe von 43,07 DM wöchentlich.

Auf Anforderung der Beklagten übersandte der Kläger im August 1977 Verdienstbescheinigungen seiner Ehefrau für die Monate Februar bis April 1977. Darin waren als Nettoeinkünfte der Ehefrau angegeben:

Februar 1977

= 666,86 DM (rechnerisch richtig: 664,86)

März 1977

= 663,78 DM (” ”: 661,78)

April 1977

= 809,90 DM.

Als Abzüge waren ua monatlich 52,– DM als vermögenswirksame Anlage aufgeführt, die sich aus einer (30%igen) Arbeitnehmersparzulage von 15,60 DM und einem aus dem Gehalt entrichteten Arbeitnehmeranteil von 36,40 DM zusammensetzte.

Die Beklagte ließ das Einkommen für April außer Betracht, weil sie es infolge einer darin enthaltenen einmaligen Zahlung nicht als geeignet ansah, zur Feststellung des Durchschnittseinkommens der Ehefrau beizutragen.

Aus den bescheinigten Netto-Einkünften für Februar und März zuzüglich dem zweimaligen Betrag des Arbeitnehmeranteils von 36,40 DM errechnete die Beklagte ein für die Alhi des Klägers maßgebliches Durchschnittseinkommen seiner Ehefrau in Höhe von wöchentlich 166,63 DM, von dem nach Abzug des Freibetrages von 75,– DM ein Betrag von 91,63 DM auf den Alhi-Satz des Klägers anzurechnen sei. Ferner ermittelte sie aus der Unfallrente des Klägers einen anrechenbaren Wochenbetrag von 28,85 DM, zusammen 120,48 DM. Da dem Kläger nur 118,80 DM Alhi wöchentlich zustehen sollten, ergab sich kein Auszahlungsbetrag mehr. Die Beklagte hob deshalb mit Bescheid vom 12. September 1977 die bisherige Alhi-Bewilligung ab 23. August 1977 auf. Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 10. April 1979; Urteil des Sozialgerichts –SG– vom 19. Februar 1981).

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, bei der Berechnung der Alhi des Klägers ab 23. August 1977 im Rahmen des anzurechnenden Einkommens der Ehefrau des Klägers deren vermögenswirksame Leistung von monatlich 36,40 DM außer Betracht zu lassen.

Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Berufung des Klägers sei zulässig, denn wegen des vollständigen Fortfalls seines Alhi-Anspruchs als Folge der Einkommensanrechnung betreffe sie nicht nur die Höhe eines Anspruchs iSd § 147 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Berufung sei auch begründet, denn dem Kläger stehe weiterhin ein Teil seines Anspruchs auf Alhi zu.

Der § 137 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) setze für den Anspruch auf Alhi Bedürftigkeit des Arbeitslosen voraus. Nach § 138 Abs. 1 AFG müsse er sich eigenes Einkommen anrechnen lassen. Nach § 138 Abs. 3 und 4 AFG iVm § 11 Nr. 4 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (BGBl I 1929 –AlhiVO–) sei von der dem Kläger 1977 zustehenden Unfallrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung von monatlich 248,– DM nur ein Betrag von 125,– DM anrechenbar, wöchentlich mithin 28,85 DM. Davon sei die Beklagte zutreffend ausgegangen.

Nach § 138 Abs. 1 Nr. 3 AFG aF (= § 138 Abs. 1 Nr. 2 idF des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979 – BGBl I 1189 –5. AFGÄndG–) sei Einkommen der Ehefrau, gemindert um bestimmte Abzüge und soweit es das Gesetz nicht von der Anrechnung freistelle, insoweit anzurechnen, als es 75,– DM monatlich übersteige. Für die Feststellung dieses Einkommens habe das Gericht von dem vom Arbeitgeber für die Monate Februar und März bescheinigten Einkommen der Ehefrau ausgehen dürfen; denn der Kläger habe selbst erklärt, daß die Abrechnungen aus anderen Monaten keine wesentlichen Änderungen ergäben. Hieraus habe mithin ein Durchschnittseinkommen festgestellt werden können.

Soweit der Kläger geltend mache, die in diesen Monaten gezahlte freie Pauschale für Kassengeld-Manko (im Februar 1977 = 9,52 DM; im März 1977 = 2,72 DM) hätten vom anrechnungsfähigen Einkommen abgesetzt werden müssen, dringe er nicht durch. Dieses Mankogeld sei Teil des Arbeitslohnes seiner Ehefrau, denn es führe zur Erhöhung ihres Gehaltes. Seine eventuelle Steuerfreiheit ändere nichts daran, daß es im Rahmen des § 138 Abs. 2 AFG als Einkommen gelte. Es sei keine zweckgebundene Leistung iSd § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG und deshalb nicht als solche frei von der Anrechnung. Es diene nicht der Abdeckung eines besonderen Aufwandes, sondern eines arbeitsrechtlicher Haftungsrisikos bei Kassenfehlbeträgen und sei deshalb geeignet, die wirtschaftliche Lage des Arbeitnehmers zu verbessern, wenn solche Fehlbeträge nicht oder nicht in der Höhe des Mankogeldes entstünden.

Der Kläger beanstande jedoch zu Recht, das die Beklagte den vermögenswirksamen Arbeitnehmeranteil seiner Ehefrau mit 36,40 DM in die Anrechnung einbezogen habe. Hinsichtlich der Sparzulage mit 15,60 DM habe dies die Beklagte zu Recht unterlassen; denn diese sei nach § 12 Abs. 12 des 3. Vermögensbildungsgesetzes (3. VermBG) nicht als Einkommen zu werten; es handele sich insoweit um eine Leistung des Staates, die lediglich vom Arbeitgeber ausgezahlt werde. Daraus ergäbe sich unter Bereinigung von Rechenfehlern ein anrechenbares Netto-Einkommen der Ehefrau

für Februar 1977:

664,86 DM – 15,60 DM = 649,28 DM

(rechnerisch richtig: 649,26 DM)

für März 1977:

661,78 DM – 15,60 DM = 646,18 DM.

Das LSG begründet nicht näher, warum es von den oa Nettobeträgen (664,86 und 661,78) die Sparzulage mit 15,60 DM nochmals abzieht, obwohl bei der Errechnung dieser Nettobeträge bereits ein Abzug von 52,– DM berücksichtigt war, in dem die Sparzulage schon enthalten war. Es führt lediglich aus, daß den von ihm errechneten anrechenbaren Beträgen (649,28 und 646,18) die vermögenswirksame Leistung mit 52,– DM nicht mehr hinzuzurechnen sei; die Sparzulage mit 15,60 DM wegen ihres Sondercharakters, und der Arbeitnehmeranteil mit 36,40 DM nicht, weil er vom Einkommen abzusetzen sei.

Zwar sei der letztgenannte Betrag Teil des Arbeitsentgelts, der der Steuer- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterliege. Es handele sich hier auch nicht um eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers; vielmehr habe die Ehefrau einen Teil ihres frei verfügbaren Einkommens vermögenswirksam angelegt. Hierbei handele es sich jedoch um begünstigte Aufwendungen iSd § 138 Abs. 2 Satz 1 AFG aF. Nach dieser Vorschrift gälten als Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Abzug von Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt (BA) oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang und der Werbungskosten. Vermögenswirksame Anlagen der vorliegenden Art. fielen unter den Begriff „entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung”. Obwohl weder Rechtsgeschichte noch die gesetzlichen Motive einen Auslegungshinweis für diesen Begriff ergäben, müsse es sich um Aufwendungen handeln, die vom Zweckgedanken her den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur BA entsprächen. Ein derartiger Sicherungsgedanke sei den in Rede stehenden vermögenswirksamen Aufwendungen beizulegen. Das LSG führt dies unter den Gedanken der mit der gesetzlich geförderten Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand beabsichtigten sozialen Sicherung des Näheren aus.

Betrage sonach das anrechnungsfähige Einkommen der Ehefrau des Klägers im Jahre 1977 nur wöchentlich 153,72 DM (649,28 DM + 646,18 DM = 1.295,46 DM: 59 Tage × 7 Tage), so sei nach Abzug des Freibetrages von 75,– DM nur ein Betrag von 78,72 DM anzurechnen. Hinzu komme der Anteil aus der Rente des Klägers mit 28,85 DM, so daß bei einem anrechenbaren Gesamtbetrag von 107,57 DM der im übrigen richtig berechnete Alhi-Wochenbetrag von 118,80 DM nicht erreicht werde. Die Beklagte habe demgemäß die Alhi-Bewilligung nicht vollständig aufheben dürfen.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 iVm Abs. 2 AFG aF; sie bringt hierzu vor: Teile des Arbeitsentgelts, die vermögenswirksam angelegt werden, seien nicht als „entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfange” (§ 138 Abs. 2 AFG) anzusehen und demzufolge gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG als Einkommen zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des LSG könne eine am Sinn und Zweck des § 138 Abs. 2 AFG aF orientierte Auslegung nicht zu dem von ihm gefundenen Ergebnis führen. Der Wortlaut dieser Vorschrift „… oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang …”, der im Kern gegenüber dem seiner Vorgängerinnen unverändert geblieben sei, lasse dafür keinen Raum. Mit dieser Regelung hätten diejenigen Fälle erfaßt werden sollen, in denen unterhaltspflichtige Angehörige des Arbeitslosen, deren Beschäftigung nicht der Sozialversicherung und der Beitragspflicht zur BA unterliegen (zB Selbständige, Beamte, versicherungsfrei beschäftigte Arbeitnehmer) eine entsprechende private Versicherung (insbesondere Krankenversicherung, Lebensversicherung) abgeschlossen hätten. Soweit sich Beitragsleistungen für derartige Versicherungen dem Grunde und der Höhe nach in einem angemessenen Rahmen hielten, könnten die fälligen Prämien vom Einkommen des Angehörigen abgesetzt werden. Wie die Worte „oder entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung” deutlich machten, sollten ausschließlich solche Beitragsleistungen zu privaten Versicherungen absetzbar sein, die der sozialen Sicherung im Krankheitsfalle, bei Alter oder Invalidität und bei Arbeitslosigkeit dienten. Entgegen der Auffassung des LSG sei also eindeutig erkennbar, daß die Vorschrift Aufwendungen, „die im weiteren Sinne die soziale Sicherung ergänzen und verbessern sollen” – was immer damit gemeint sein möge – gerade nicht erfasse. Eine solche Regelung an dieser Stelle wäre auch nicht systemgerecht. Hätte der Gesetzgeber vermögenswirksam angelegte Teile des Arbeitslohnes im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach § 138 AFG priviligieren wollen, so hätte er dies durch Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift in § 138 Abs. 3 AFG bzw § 11 der AlhiVO zum Ausdruck gebracht, zumal dies in anderem Zusammenhang – nämlich bei der Berücksichtigung von Vermögen (§ 7 Abs. 2 der AlhiVO) – geschehen sei.

Auf die Frage der Verfügbarkeit der Sparleistungen komme es nicht an. Das LSG habe sie aus diesem Grunde wohl auch nicht aufgegriffen. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 27. Januar 1977 (SozR 4100 § 440 Nr. 10) ausgeführt, vermögenswirksame Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zusätzlich gewähre, seien erst dann als Einkommen (nach § 44 Abs. 4 AFG) zu berücksichtigen, wenn der Berechtigte darüber verfügen könne, doch habe es diese Rechtsauffassung offenbar zwischenzeitlich aufgegeben. Jedenfalls habe es in späteren Urteilen zum Ausdruck gebracht, es komme nicht darauf an, welchem Zweck die vermögenswirksame Leistung diene und wann der Arbeitnehmer/Auszubildende über sie verfügen könne.

Nach Auffassung der Beklagten sei zwar die Arbeitnehmer-Sparzulage nicht als Einkommen zu werten. Dies geschehe am besten dadurch, daß man sie gar nicht erst beim Brutto-Einkommen anführe. Dann sei jedoch der volle Betrag der vermögenswirksamen Anlage von 52,– DM systemgerecht dem reinen Netto-Einkommen hinzuzuzählen, um zum anrechnungsfähigen Einkommen zu gelangen. Hieraus ergäbe sich, daß unter Bereinigung aller Rechenfehler vom wöchentlichen Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau insgesamt 119,89 DM auf den Alhi-Tabellensatz von 118,80 DM anzurechnen seien, so daß kein auszuzahlender Alhi-Betrag übrig bliebe.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Bremen vom 19. Februar 1981 zurückzuweisen sowie zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten. Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Das LSG ist zutreffend von der Zulässigkeit der Berufung ausgegangen, eine Frage, die auch bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen zu prüfen ist (BSG SozR 1500 § 147 Nr. 2 mwN). Die Berufung war nach § 143 SGG zulässig; insbesondere betraf sie nicht die Höhe der Alhi, so daß sie nicht nach § 147 SGG unzulässig war. Ein Höhenstreit in diesem Sinne liegt begrifflich nur vor, wenn bereits eine (Teil)Leistung bewilligt wurde, der Berufungskläger jedoch mehr, eine „höhere” Leistung erhalten oder weniger, nur eine geringere Leistung zahlen möchte. Wird jedoch, wie hier, eine Leistung völlig verweigert, wird nicht mehr darum gestritten, in welcher Höhe sie zu gewähren ist, sondern ob sie überhaupt zusteht. Die Klage betrifft dann den Grund des Anspruchs. Mit dieser Erwägung hat der Senat bereits entschieden, daß kein Höhenstreit iSd § 147 SGG vorliegt, wenn bei einer von der Bedürftigkeit abhängigen Leistung der Anspruch mit der Begründung abgelehnt wird, daß Bedürftigkeit nicht vorliege; der Streit betrifft dann die Frage nach dem Vorhandensein aller Anspruchsvoraussetzungen, mithin dessen Grund (BSGE 8, 92; in diesem Sinn auch BSG SozR 1500 § 147 Nr. 2). Der Senat hält hieran für den vorliegenden Fall fest, auch wenn das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs hier lediglich von der richtigen Anwendung eines „Rechenwerks” abhängt; denn letztlich wirkt sich auch dieses nur dahin aus, die Bedürftigkeit des Klägers zu bejahen oder zu verneinen, im Ergebnis also stets auf den Bestand oder Nichtbestand des Anspruchs als solchen. Dies ist eine Folge des Umstandes, daß § 138 AFG mit seinen Bestimmungen über den Umfang der Einkommensanrechnung bei der Alhi sich sowohl auf den Grund als auch (nur) auf die Höhe des Anspruchs auswirken kann. Entscheidend ist mithin die im Einzelfalle streitige Rechtsfolge der Einkommensanrechnung. Dies mag vom Ergebnis her als unbefriedigend erscheinen. So kann zB die Berufung nach § 147 SGG ausgeschlossen sein, wenn trotz hoher streitiger Anrechnung immer noch ein geringer Leistungssatz zuerkannt bleibt, während sie nicht ausgeschlossen ist, wenn ein ohnedies nur noch sehr geringer (unstreitiger) Alhi-Satz durch geringe streitige Anrechnung ganz zum Erliegen kommt. Derartige Folgen sind jedoch in der Regelung des § 147 SGG angelegt und haben den Gesetzgeber gleichwohl nicht bewogen, von ihr abzusehen. Sie können deshalb auch nicht ihre Anwendung iS eines Berufungsausschlusses rechtfertigen, wenn es letztlich nur auf dem Wege über die Ergebnisse einer Einkommensanrechnung um den Grund des Anspruchs geht.

In der Sache entsprechen die angefochtenen Bescheide und das sie bestätigende SG-Urteil jedoch entgegen der Auffassung des LSG der Rechtslage. Dem Kläger steht ab 23. August 1977 kein Anspruch auf Alhi mehr zu, weil das auf diese Leistung anzurechnende Einkommen den ihm rechnerisch zukommenden Alhi-Wochensatz übersteigt. Für diese Rechtsfolge ist von den unangegriffenen Feststellungen des LSG auszugehen, daß dieser Wochensatz mit 118,80 DM zutreffend bewilligt worden war und daß die auf diesen Alhi-Anspruch anrechnungsfähigen Teile des Einkommens der Ehefrau des Klägers aus deren Arbeitnehmereinkünften für die Monate Februar und März 1977 errechnet werden durften, weil es sich dabei um auch für die Zukunft wesentlich gleichbleibende Einkünfte gehandelt hat.

Das LSG hat zutreffend dargestellt, daß der Anspruch auf Alhi Bedürftigkeit des Arbeitslosen voraussetzt (§§ 134 Abs. 1 Nr. 3, 137 AFG). Nach § 138 Abs. 1 AFG sind die als Einkommen geltenden Einkünfte der Arbeitslosen vollständig, die entsprechenden Einkünfte seines Ehegatten nach Abzug eines wöchentlichen Freibetrages von 75,– DM auf die Alhi anzurechnen, sofern – wie hier – keine weiteren Angehörigen vorhanden sind, die von der Ehefrau berechtigt unterhalten werden. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sich an dieser im August 1977 geltenden Rechtslage auch in der Folgezeit nichts geändert hat.

Nach § 138 Abs. 2 AFG idF bis zum Inkrafttreten des 5. AFGÄndG am 1. August 1979 gelten als Einkommen im oa Sinne alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung und zur BA oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang und der Werbungskosten. Seit 1. August 1979 lautet § 138 Abs. 2 AFG:

„Einkommen im Sinne der Vorschriften über

Arbeitslosenhilfe sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Abzusetzen sind

  1. die auf das Einkommen entfallenden Steuern,
  2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind,
  3. die notwendigen Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen”.

In § 138 Abs. 3 AFG sind einzelne Einkunftsarten aufgeführt, die nicht als (anzurechnendes) Einkommen gelten.

Soweit die Beklagte von der dem Kläger zustehenden Unfallrente wöchentlich 28,85 DM als eigenes Einkommen auf seine Alhi angerechnet hat, ist dies von LSG zu Recht bestätigt worden. Diese Rechtsfolge ergibt sich aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG aus der Anwendung von § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AFG iVm § 11 Nr. 4 der AlhiVO; sie wird vom Kläger selbst nicht beanstandet.

Die Beklagte hat für den Alhi-Anspruch des Klägers zu Recht aber auch das der Ehefrau gewährte Mankogeld und die von ihr monatlich vermögenswirksam angelegten 36,40 DM als anzurechnendes Einkommen berücksichtigt. Soweit es andere Teile ihres Einkommens anbelangt, läßt deren Berücksichtigung bzw Nichtberücksichtigung aufgrund der Feststellungen des LSG Rechtsfehler nicht erkennen. Insoweit besteht auch kein Streit mehr zwischen den Beteiligten.

Hinsichtlich des Mankogeldes hat das LSG zutreffend erkannt, daß es sich dabei um Teile des Arbeitslohnes handelt, die folglich den Anrechnungsbestimmungen des § 138 Abs. 1 und 2 AFG unterliegen und für die in § 138 Abs. 3 AFG keine Ausnahme von der Berücksichtigung vorgesehen ist. Der Senat tritt insoweit den Rechtsausführungen des LSG in vollem Umfange bei. Dies gilt ferner für die Auffassung des LSG, daß die der Ehefrau des Klägers nach § 12 Abs. 1 des 3. VermBG monatlich gewährte Arbeitnehmer-Sparzulage mit 15,60 DM das anrechnungsfähige Einkommen nicht erhöht hat, weil sie nach § 12 Abs. 2 des 3. VermBG ausdrücklich ua nicht als Einkommen iSd AFG gilt. Die Beklage hat deshalb auch zutreffend von der Berücksichtigung dieser Zulage abgesehen.

Nicht zu folgen vermag der Senat allerdings der Auffassung des LSG, daß gleiches für die von der Ehefrau des Klägers vermögenswirksam angelegten Teile ihres Arbeitsentgelts mit 36,40 DM monatlich zu gelten habe. Nach § 12 Abs. 5 Satz 1 des 3. VermBG sind derartige vermögenswirksame Leistungen, wie das LSG zutreffend ausführt, grundsätzlich (auch) Einkommen iSd AFG, so wie sie nach § 12 Abs. 6 des oa Gesetzes arbeitsrechtlich Bestandteil des Lohnes oder Gehalts sind.

Der Senat hat allerdings bereits entschieden, daß damit noch keine abschließende Aussage getroffen ist, welche Wirkungen mit dieser Einordnung vermögenswirksamer Leistungen verbunden sind, insbesondere, ob und in welchem Umfange dieses Einkommen sich auf die Höhe der im AFG vorgesehenen Leistungen auswirkt; dies sei vielmehr den Vorschriften des AFG zu entnehmen. Hinsichtlich einer zum sonstigen Lohn zusätzlich gewährten vermögenswirksamen Leistung des Arbeitgebers nach Maßgabe von § 2 des 3. VermBG ist der Senat dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß eine Berücksichtigung als Einkommen (beim Unterhaltsgeld nach § 44 AFG) nicht stattfindet, wenn der Arbeitnehmer darüber nicht frei verfügen kann, bzw bei einer anderen als der gewählten begünstigten Anlageart dieser Leistung verlustig geht (BSG SozR 4100 § 44 Nr. 10). Der Senat hat seine Entscheidung ferner auf die Erwägung gestützt, daß eine andere Auffassung dazu führen würde, daß die Vermögensbildung zugunsten des Arbeitnehmers hier nicht nur – wie vom Gesetz beabsichtigt – aus Mitteln des Arbeitgebers, sondern über die Anrechnungsfolge zumindest teilweise vom Arbeitnehmer finanziert würde. Folgerichtig hat der Senat deshalb ausgeführt (aaO), daß eine Anlage von Teilen des eigenen Arbeitseinkommens des Arbeitnehmers nach § 4 des 3. VermBG, um die es sich hier handelt, nicht die Anrechnung als Einkommen iSd § 44 AFG ausschließt, da es insoweit im Belieben des Arbeitnehmers steht, über das ihm zugeflossene Arbeitseinkommen frei zu verfügen.

Dasselbe gilt für die Berücksichtigung solcher Lohnteile des Arbeitnehmers bei der Einkommensanrechnung nach § 138 Abs. 1 und 2 AFG. Die freie Entscheidung des Arbeitnehmers, sie zum Zwecke der Vermögensbildung in der gesetzlich erlaubten Weise anzulegen, ändert nichts an ihrem Charakter als eigenes Einkommen. Daß die Ehefrau über diese Lohnteile infolge ihrer Anlage nicht aktuell zum Lebensunterhalt verfügen kann und hinsichtlich der Kündigung der Anlage zeitlich beschränkt ist (vgl. § 4 Abs. 4 des 3. VermBG), rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Sachlage ist insoweit keine andere, als wenn Teile des Arbeitsentgelts der Ehefrau abgetreten oder gepfändet und überwiesen worden sind. Hierzu hat der Senat aber bereits entschieden, daß derart dem freien Verbrauch entzogene Entgelte gleichwohl gemäß § 138 Abs. 1 AFG als Einkommen zu berücksichtigen sind, weil nur eine solche Auslegung dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes entspricht (BSG SozR 4100 § 138 Nr. 7). Für die Anlage von Teilen eigenen Einkommens nach § 4 des 3. VermBG gilt nichts anderes.

Entgegen der Auffassung des LSG läßt § 138 AFG die Nichtberücksichtigung des in Rede stehenden vermögenswirksam angelegten Arbeitnehmeranteils nicht aus anderen Gründen zu. Insbesondere handelt es sich dabei nach Auffassung des Senats nicht um den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur BA entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung iSd § 138 Abs. 2 Satz 1 AFG idF vor Inkrafttreten des 5. AFGÄndG. Das LSG hat zutreffend dargelegt, daß sich aus der Entwicklungsgeschichte dieser Vorschrift keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, was der Gesetzgeber abschließend mit dieser Formulierung gemeint hat. Dasselbe gilt für die Neufassung durch das 5. AFGÄndG. Es sollte damit der Einkommensbegriff für die Alhi eigenständig gestaltet und von der Beachtung steuerrechtlicher Gesichtspunkte gelöst werden; insbesondere sollte ein Verlustausgleich zwischen einzelnen Einkunftsarten nicht (mehr) gestattet sein (vgl. BT-Drucks 1/79, Begründung zu Nummer 46 a Abs. 2 des Entwurfs eines 5. AFGÄndG –S 30–). Insoweit lag durchaus eine sachliche Änderung gegenüber dem Vorläuferrecht in der Absicht der Verfasser des Regierungsentwurfs, der dann Gesetz geworden ist. Allerdings ist dem für die hier streitige Auslegung in der Tat nichts zu entnehmen. Infolgedessen muß vom Wortlaut und Zweck der Vorschrift ausgegangen werden. Sowohl für den vor wie für den nach dem Inkrafttreten des 5. AFGÄndG geltenden Wortlaut ist deutlich, daß hinsichtlich der Abzugsfähigkeit gleichgestellt sein sollen solche Aufwendungen bzw Beiträge, die den (Pflicht)Beiträgen zur Sozialversicherung und zur BA entsprechen oder ihnen gleichstehen. Es kann sich mithin schon begrifflich nur um solche Aufwendungen oder Beiträge handeln, die demselben Risikoausgleich dienen sollen, wie die ersteren. Sicherlich fallen deshalb hierunter unmittelbare Aufwendungen und Beiträge zur Absicherung gegen Risiken der Erkrankung, der Arbeitslosigkeit, der Invalidität und des Alters, die für Personen nötig sind, welche gerade nicht zur Sozialversicherung und zur BA beitragspflichtig sind. Sofern darüber hinaus diesem Zweck nur mittelbar dienende Aufwendungen und Beiträge einbezogen sein sollten, kann dies nur dann der Fall sein, wenn der oa Sicherungszweck zumindest im Vordergrund steht.

Nach Auffassung des Senats ist dies für Aufwendungen zur Vermögensbildung nach dem 3. VermBG nicht der Fall. Die mit diesem Gesetz bezweckte Sparförderung dient zwar in weiterem Sinne der sozialpolitisch wünschenswerten Stärkung der unteren und mittleren Einkommensgruppen durch Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Das LSG weist insoweit zutreffend auf die Materialien zu diesem Gesetz hin (BT-Drucks VI/601; VI/860). Daraus ergibt sich aber nicht eine Zweckrichtung im Sinne der durch die Sozialversicherung und die BA abgedeckten Risiken. Dies wird schon daraus deutlich, daß die Vermögensbildung in erster Linie auf Arbeitnehmer beschränkt ist, die ohnehin der Beitragspflicht in jenen Institutionen unterliegen oder deren Sicherung aus anderen Gründen nicht bedürfen (Beamte, Richter, Berufssoldaten, vgl. §§ 1, 2 des 3. VermBG). Das LSG weist selbst darauf hin, daß § 138 Abs. 2 AFG wohl nicht den Abzug entsprechender Beiträge zu privaten Versicherungen gestatten dürfte, wenn bereits Beiträge zur Sozialversicherung und zur BA gezahlt werden. Wollte man deshalb vermögenswirksame Aufwendungen nach § 138 Abs. 2 AFG vom Einkommen für absetzbar halten, müßte sicherlich eine Differenzierung danach stattfinden, ob sie von Personen erbracht werden, die bereits zum Kreis der Sozialversicherten und zur BA Beitragspflichtigen gehören oder nicht. Gerade weil aber die Vermögensbildung auch den ersteren offensteht – und ganz besonders ihnen – kann ihr wesentlicher Zweck nicht in einer Sicherung gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit, Invalidität und Alter gesehen werden. Im übrigen stünden auch die Erfolge der Vermögensbildung derartigen Risiken nicht aktuell zur Verfügung, wie die Bedingung der langfristigen Anlage von Aufwendungen hierfür zeigt. Ebensowenig ist ihre Verwendung in dieser Richtung nach Absicht und System des zugrundeliegenden Gesetzes zweckgerichtet.

Bei dieser Sachlage könnten solche Aufwendungen vom anrechenbaren Einkommen nur dann abgesetzt werden, wenn es dafür einen deutlichen Anhalt im Gesetz oder in gesetzesausfüllenden Vorschriften gäbe. Das ist jedoch nicht der Fall. Der § 138 Abs. 3 AFG und die Vorschriften der AlhiVO nennen eine Reihe von Einkunftsarten, die von der Anrechnung auf die Alhi ausgenowen sind. § 7 Abs. 2 AlhiVO enthält sogar eine ausdrückliche Bestimmung dazu, inwieweit Vermögen bei der Bemessung der Alhi unberücksichtigt bleibt, das aus bestimmten vermögenswirksamen Anlagen stammt. Etwas Vergleichbares fehlt für die Abzugsfähigkeit, dh Nichtanrechenbarkeit vermögenswirksam angelegter Lohnteile vom anrechenbaren Einkommen im Rahmen des § 138 Abs. 2 AFG. Daraus schließt der Senat, daß eine solche Rechtsfolge nicht in der Absicht des Gesetzgebers lag. Da weitere Regelungen des Gesetzgebers oder der AlhiVO nicht ersichtlich sind, die auf eine Privilegierung solcher Aufwendungen hinauslaufen können, hat das LSG die Beklagte zu Unrecht verurteilt, die von der Ehefrau des Klägers angelegten Lohnteile bei der Festsetzung der Alhi des Klägers unberücksichtigt zu lassen.

Waren demnach die vermögenswirksam angelegten Lohnteile der Ehefrau des Klägers als ihr Einkommen ebenfalls zu berücksichtigen, ergibt sich für die Alhi des Klägers aufgrund der Feststellungen des LSG folgende Berechnung:

ausbezahltes Entgelt Februar 1977

=

664,86 DM

+ vermögenswirksam angelegter Lohnteil

=

36,40 DM

Sa

=

701,26 DM

ausbezahltes Entgelt für 1977

=

661,76 DM

+ vermögenswirksam angelegter Lohnteil

=

36,40 DM

Sa

=

698,18 DM

Daraus folgt ein wöchentliches Durchschnittseinkommen von 166,04 DM (701,26 DM + 698,18 DM = 1.399,44 DM : 59 × 7 Tage).

Daraus folgt für die Berechnung der Alhi des Klägers:

Maßgebliches Einkommen der Ehefrau

=

166,04 DM

./. Freibetrag

=

75,– DM

anzurechnendes Einkommen der Ehefrau

=

91,04 DM

+ anzurechnender Teil der Unfallrente

des Klägers

=

28,85 DM

anzurechnendes Einkommen insgesamt

=

119,89 DM

dieser übersteigt den Tabellensatz der Alhi mit

118,80 DM,

so daß kein Zahlbetrag verbleibt.

Nach allem ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das im Ergebnis zutreffende Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1984, 711

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