Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Berufsunfähigkeit

 

Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Streitig ist eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der 1924 geborene Kläger war nach einer abgebrochenen Schlosserlehre, Reichsarbeitsdienst und Kriegsdienst bis 1950 als Hilfsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Danach war er bis Ende 1977 selbständig als ambulanter Stahlwarenhändler tätig. Er kaufte Messerklingen und Messergriffe, die er vernietete; die Spezialküchenmesser verkaufte er von Haus zu Haus. Während der selbständigen Tätigkeit entrichtete er für das Jahr 1950 Beiträge zur damaligen Invalidenversicherung und für die anschließenden Jahre Beiträge zur Angestelltenversicherung.

Seinen im Dezember 1977 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit lehnte die Beklagte ab, da er noch in der Lage sei, in seinem bisherigen Beruf vollschichtig tätig zu sein (Bescheid vom 19. Juni 1978). Die hiergegen erhobene Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos (Urteil des Sozialgerichts vom 6. März 1980; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 10. November 1981). Das LSG führte zur Begründung aus, der - mit der Revision nicht mehr geltend gemachte - Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente stehe dem Kläger nicht zu. Der Kläger habe ab Dezember 1977 zumindest noch leichte körperliche Tätigkeiten in geschlossenen Räumen mit wechselnder Körperhaltung und Gelegenheit zu längerem Sitzen vollschichtig verrichten können; er könne daher noch mit einfachen Büroarbeiten - etwa in einer Registratur oder an einer Nebenpforte - voll beschäftigt werden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Insoweit sei bei einem freiwillig Versicherten grundsätzlich von der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit auszugehen. Der Kläger sei jedoch zu einer freiwilligen Weiterversicherung in der Angestelltenversicherung aufgrund der zuvor nur zur Invalidenversicherung entrichteten Pflichtbeiträge nicht berechtigt gewesen; die freiwilligen Beiträge zur Angestelltenversicherung habe er aufgrund des vor der Rentenreform von 1957 bestehenden Rechts zur Selbstversicherung entrichtet. Bei Selbstversicherten müsse aber im Gegensatz zu den freiwillig Weiterversicherten bei der Bestimmung des bisherigen Berufes auch die nicht pflichtversicherte Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden; soweit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dabei die Höhe der Beitragsentrichtung Bedeutung habe, könne das LSG dem nicht zustimmen. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als ambulanter Stahlwarenhändler habe weder umfassende kaufmännische Kenntnisse und Fähigkeiten noch eine breitere Warenkunde noch eine differenzierte Lagerhaltung und Buchführung erfordert und sei qualitativ allenfalls einer angelernten Tätigkeit gleichzuachten. Der Kläger könne daher auf die einfachen Bürotätigkeiten in einer Registratur oder an einer Nebenpforte verwiesen werden. Das müsse auch bei einer Berücksichtigung der Beitragsleistung gelten. Der Kläger habe zwar seit 1951 relativ hohe Beiträge entrichtet; ohne dementsprechende berufliche Qualifikation könne jedoch mit hohen Beiträgen kein Berufsschutz "erkauft" werden.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 23 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) und der §§ 103, 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das LSG habe verkannt oder jedenfalls nicht aufgeklärt, daß zum Arbeitswert einer selbständigen Tätigkeit auch die Kenntnisse und Fähigkeiten gehörten, die zur Ausübung eines Gewerbes erforderlich sind, wie Kalkulation, Kenntnisse gesetzlicher Vorschriften (z.B. Führung eines Umsatzsteuerheftes), Beobachtung des Marktes, Schriftverkehr und ähnliches. Soweit das Berufungsgericht allein aus den übrigen - festgestellten - Merkmalen Schlüsse auf den qualitativen Arbeitswert gezogen habe, sei gegen § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG verstoßen, zumindest keine konkrete Verweisungstätigkeit bezeichnet worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und des Bescheides der Beklagten zu verurteilen, Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Januar 1978 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Beide Beteiligte haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die nur noch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) gerichtete Revision des Klägers war zurückzuweisen.

1. Berufsunfähig ist nach § 23 Abs. 2 Satz 1 AVG ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit aus den dort genannten Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen eines vergleichbaren gesunden Versicherten herabgesunken ist. Dabei ist gem. Satz 2 die Erwerbsfähigkeit in dem bisherigen Beruf und in den sogenannten Verweisungstätigkeiten maßgebend; zu letzteren gehören alle Tätigkeiten, zu deren Verrichtung der Versicherte in der Lage ist und die ihm unter Berücksichtigung der im Gesetz genannten Kriterien, einschließlich des bisherigen Berufes, zumutbar sind. Dieser Gesetzesaufbau legt es nahe, den bisherigen Beruf zum Ausgangspunkt der gesamten Beurteilung zu nehmen (BSGE 24, 7).

Zutreffend hat das LSG in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit des ambulanten Stahlwarenhändlers den "bisherigen Beruf" des Klägers i.S. des § 23 AVG erblickt. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger in dieser Berufstätigkeit nicht pflichtversichert war. Der Kläger hat in der Angestelltenversicherung nur Beiträge als sogenannter Selbstversicherter entrichtet. Wenn er in der Revision geltend macht, er habe ab 1972 die Pflichtversicherung gewählt, so findet sich dafür in den insoweit verfahrensrechtlich nicht angefochtenen Feststellungen des LSG keine Stütze; auch die Akten der Beklagten weisen im übrigen nur freiwillige Beiträge nach. Das 1937 eingeführte und 1957 (mit der Möglichkeit der Fortführung im Einzelfall) wieder beseitigte Institut der Selbstversicherung war - zumindest bis zur "Öffnung" der Rentenversicherung durch das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 - ein Fremdkörper in der Rentenversicherung, weil diese grundsätzlich auf Arbeitnehmer beschränkt war. Die Rechtsprechung hatte daher wiederholt Anlaß, die Anwendung der BU-Bestimmungen auf Selbstversicherte zu klären, insbesondere ihren "bisherigen Beruf" zu bestimmen (SozR Nrn. 60, 64, 66 zu § 1246 RVO). Dabei kam sie zu dem Ergebnis, daß auch bei Selbstversicherten die während der Beitragsentrichtung ausgeübte Tätigkeit maßgebend ist - bei Hausfrauen mit hier nicht interessierenden Besonderheiten -, sofern die entrichteten Beiträge dieser Tätigkeit "entsprechen". Hieran hält der Senat auch für den vorliegenden Fall fest. Gründe, die bei den Selbstversicherten zu einer Abkehr von dieser Rechtsprechung nötigen würden, findet er weder in den Änderungen des AVG durch das RRG noch in dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 1978 (SozR 2200 § 1246 Nr. 28) zur unterschiedlichen Behandlung von Selbstversicherten und freiwillig Weiterversicherten (bei der Bestimmung des bisherigen Berufs) noch schließlich in den einschlägigen Ausführungen des LSG. Die genannte Rechtsprechung soll verhüten, daß Selbstversicherte vor Pflichtversicherten dadurch bevorzugt werden, daß sie selbst bei einer erheblich geringeren Beitragsleistung denselben "Berufsschutz" wie diese erhalten würden. Dieses Argument erscheint nach wie vor einleuchtend. Einer weiteren Stellungnahme zu den Ausführungen des LSG bedarf es hier nicht; das LSG hat nämlich auch bei Anwendung der genannten Rechtsprechung die Beitragsleistung des Klägers für ausreichend gehalten, um den seit 1950 ausgeübten Beruf des ambulanten Stahlwarenhändlers als bisherigen Beruf des Klägers zugrunde zu legen. Mit diesem Beruf hatte sich der Kläger von den zuvor in der Arbeiterrentenversicherung versicherungspflichtig ausgeübten Berufen gelöst.

2. Hiernach hätte es zumindest nahegelegen, daß das LSG in erster Linie festgestellt hätte, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers in dem Beruf des ambulanten Stahlwarenhändlers noch die Hälfte der Erwerbsfähigkeit eines vergleichbaren gesunden Versicherten erreicht oder ob sie auf ein geringeres Maß herabgesunken ist; denn nur im letzteren Falle kam es überhaupt noch auf die Erwerbsfähigkeit in Verweisungstätigkeiten an. Zur Frage, ob und inwieweit der Kläger als ambulanter Stahlwarenhändler weiter tätig sein kann, hat das LSG jedoch keine Feststellungen getroffen; es hat sich, ohne einen Grund dafür zu nennen, vielmehr sogleich der Erwerbsfähigkeit des Klägers in Verweisungsberufen zugewandt, obgleich das BSG wiederholt auf die Bedenken gegen ein solches Vorgehen hingewiesen hat (z.B. SozR 2200 § 1246 Nr. 75 auf Bl. 237). Gleichwohl kann die Revision des Klägers keinen Erfolg haben. Denn selbst wenn der Kläger im Beruf des ambulanten Stahlwarenhändlers nicht mehr i.S. des § 23 Abs. 2 AVG ausreichend erwerbsfähig wäre, steht ihm dennoch der geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen BU nicht zu, weil jedenfalls in Verweisungstätigkeiten noch eine ausreichende Erwerbsfähigkeit vorhanden ist.

3. Als Verweisungstätigkeiten, die der Kläger, sogar vollschichtig, ausüben könne, hat das LSG "einfache Bürotätigkeiten in einer Registratur oder an einer Nebenpforte" genannt. Der Verweisung des Klägers hierauf steht nicht von vornherein entgegen, daß es sich um unselbständige Beschäftigungen handelt, da auch ein Selbständiger im Rahmen des § 23 AVG auf abhängige Beschäftigungen verwiesen werden darf. Die Zulässigkeit der Verweisung scheitert ferner nicht schon daran, daß das LSG - wie der Kläger meint - das von der Rechtsprechung zu Verweisungstätigkeiten entwickelte "Bezeichnungsgebot" verletzt hätte. Dieses Gebot hat keine eigenständige Bedeutung, vielmehr nur eine Hilfsfunktion. Es soll sicherstellen und nachprüfbar machen, daß die Verweisungstätigkeiten alle von Gesetz und Rechtsprechung für Verweisungstätigkeiten geforderten Merkmale (Ausübungsfähigkeit, Zumutbarkeit, eventuell auch Feststellung genügender Arbeitsplätze) erfüllen. Der Kläger hat nicht erläutert, welche dieser Merkmale die Beschreibung der Verweisungstätigkeiten durch das LSG nicht als erfüllt erkennen lassen soll. Insofern könnten allenfalls Zweifel bei den einfachen Bürotätigkeiten "an einer Nebenpforte" bestehen. Das kann jedoch dahinstehen, weil jedenfalls die Verweisung des Klägers auf "einfache Bürotätigkeiten in einer Registratur" allen Erfordernissen des Gesetzes und der Rechtsprechung entspricht und somit rechtmäßig ist. Es handelt sich um Tätigkeiten, bei denen das Vorhandensein genügender Arbeitsplätze nicht eigens geklärt werden muß. Das LSG hat ferner unangefochten festgestellt, daß der Kläger diese einfachen - was zugleich bedeutet: nicht ganz einfachen - Tätigkeiten aufgrund seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten ausüben kann, so daß sie i.S. des § 23 Abs. 2 Satz 2 AVG "seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen". Der Kläger bestreitet lediglich, daß die Verweisung auf solche einfachen Tätigkeiten ihm zumutbar sei; das LSG habe seinen bisherigen Beruf zu gering bewertet und deshalb den Kreis der Verweisungstätigkeiten zu weit gezogen. Dem ist nicht zuzustimmen.

4. Nach § 23 Abs. 2 Satz 2 AVG ist bei dem Versicherten die Zumutbarkeit der Verweisungstätigkeit "unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit" zu ermitteln. Die Rechtsprechung hat diese Aufzählung weder als eine der Reihenfolge nach bindende Gewichtung noch als eine erschöpfende Aufzählung der für die Zumutbarkeit maßgebenden Gesichtspunkte verstanden. Sie hat auf die Bewertung einerseits des bisherigen Berufes und andererseits der Verweisungstätigkeit im Arbeits- und Berufsleben insgesamt abgestellt und je nach dem Wertabstand die Zumutbarkeit der Verweisung bejaht oder verneint. Dabei wurde anfangs der maßgebende Wert zusammenfassend als der "soziale Wert" (vgl. auch SozR Nr. 64 zu § 1246 RVO: sozialversicherungsrechtliche Bewertung) verstanden; in den letzten Jahren wird statt dessen von dem "qualitativen Wert" des Berufes gesprochen. Diese Begriffsbildung hält der erkennende Senat allerdings für ungeeignet, um das Gemeinte zutreffend zu kennzeichnen. Das Eigenschaftswort "qualitativ" kann über die für den Wert maßgebenden Kriterien nichts aussagen. "Qualitativ" bedeutet "dem Werte nach" (Duden, Bedeutungswörterbuch), so daß damit nur wiederholt wird, was das Hauptwort "Wert" inhaltlich schon enthält. Entscheidend ist, daß bei der Prüfung der BU im Rahmen des § 23 AVG der Wert eines Berufes sich nur nach den Kriterien bestimmen soll, die im Arbeits- und Berufsleben (z.B. bei Tarifverträgen) für die Berufsbewertung maßgebend sind.

Soweit es sich - wie hier - um die Bewertung eines selbständig ausgeübten Berufes handelt, finden sich dazu in der Rechtsprechung bereits Ausführungen, auf die der Senat zurückgreifen kann. Ausgangspunkt ist, daß eine selbständige Tätigkeit nicht schon deshalb, weil sie selbständig ausgeübt wird, höherwertiger als eine abhängige Beschäftigung ist (u.a. SozR Nr. 64 zu § 1246 RVO). Vielmehr kommt es auch hier auf die für die selbständige Tätigkeit erforderlich gewesene "Ausbildung", auf die "besonderen Anforderungen" der Berufstätigkeit und die sonstigen sie im Arbeits- und Berufsleben qualifizierenden Merkmale an. Dabei ist insbesondere der Rahmen mit zu berücksichtigen, in dem sich die unternehmerische Betätigung entfaltet hat. Auf diesen Grundlagen hat die Rechtsprechung z.B. einerseits die Verweisung eines Kleinlandwirts auf ungelernte Tätigkeiten zugelassen (SozR a.a.O.), andererseits bei einem selbständigen Maurermeister einen gleichen Berufsschutz wie bei einem Vorarbeiter erwogen (SozR 2200 § 1246 Nr. 35).

5. Die Ausführungen des LSG lassen noch hinreichend deutlich die Bewertungsmerkmale erkennen, nach denen sich der "Wert" der bisherigen Berufstätigkeit des Klägers bestimmen läßt. Das gilt zunächst für die dabei benötigten handwerklichen Kenntnisse und Fertigkeiten, für die die abgebrochene Schlosserlehre des Klägers ausgereicht hat. Im weiteren ergibt sich aus dem vom LSG festgestellten Sachverhalt, daß der Kläger auch keiner umfassenden kaufmännischen Kenntnisse und ebensowenig besonderer unternehmerischer Fähigkeiten für seine Berufstätigkeit bedurfte; das LSG hat festgestellt, daß weder eine breitere Warenkunde noch eine differenzierte Lagerhaltung oder Buchführung dafür erforderlich waren. Soweit der Kläger rügt, das LSG habe die für die Kalkulation, Beobachtung des Marktes, Schriftverkehr, Einkauf und Planung von Verkaufsreisen erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht festgestellt, zumindest nicht berücksichtigt, kann diese Rüge nicht durchgreifen. Der Kläger trägt selbst vor, daß diese Umstände mit der beschriebenen selbständigen Tätigkeit "selbstverständlich" verbunden waren. Er verkennt, daß die Entscheidungsgründe nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten sollen, auf denen die Entscheidung beruht (vgl. § 313 Abs. 3 ZPO i.V.m. §§ 136, 202 SGG). Das LSG war deshalb nicht gehalten, diese selbstverständlich erscheinenden Umstände in den Entscheidungsgründen gesondert hervorzuheben. Auch wenn eine eingehendere Beschreibung der unternehmerischen Betätigung des Klägers wünschenswert gewesen wäre, deuten jedenfalls keine Umstände darauf hin, daß das LSG die vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte übersehen hätte.

6. Aufgrund dieser Bewertung der bisherigen Berufstätigkeit des Klägers durfte das LSG ihn auf einfache Bürotätigkeiten in einer Registratur verweisen. Das LSG hat dies über den Zwischenschritt getan, daß es den Kläger mit einem "angelernten Arbeiter" gleichgestellt hat. Ein solches Vorgehen ist nicht notwendig; es kann jedoch hilfreich sein, weil es bei den Arbeiterberufen feste Verweisungsregeln gibt, wie sie in der Angestelltenversicherung nicht entwickelt werden konnten (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 20. März 1980, 11 RA 38/79) und gerade für die hier betroffenen Selbständigen wegen der Vielgestaltigkeit ihrer Tätigkeit auch künftig nicht gebildet werden können. Der Senat läßt dahingestellt, ob dem LSG unter den Umständen des vorliegenden Falles bei der Gleichstellung des Klägers mit einem angelernten Arbeiter ein gewisser Beurteilungsspielraum zukommen mußte; auch bei voller Nachprüfung findet der Senat keine Anhaltspunkte dafür, daß die vom LSG vorgenommene Gleichstellung hier nicht gerechtfertigt wäre. Damit ist der Abstand im Wert des bisherigen Berufes zu dem Wert der Verweisungstätigkeit nicht als groß genug anzusehen, um die Verweisung des Klägers auf letztere für unzumutbar zu erachten.

7. Die Zulässigkeit der Verweisung wird schließlich nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht nur dem ausgeübten Beruf des ambulanten Stahlwarenhändlers "entsprechende" Beiträge, sondern seit dem Jahre 1951 ausweislich der Versicherungskarten Nr. 1 und 2 sogar relativ hohe Beiträge entrichtet hat. Das LSG hat diese Feststellungen nicht näher präzisiert; es hat der Frage, inwieweit die entrichteten Beiträge über das berufliche Niveau hinausgingen, keine entscheidende Bedeutung beigemessen, da ein höherer Berufsschutz nicht "erkauft" werden könne. Der Senat pflichtet dem LSG hierin bei. Wie schon hervorgehoben, soll die Bewertung der Beitragsleistung bei den Selbstversicherten verhindern, daß sie im Berufsschutz vor den Pflichtversicherten ungerechtfertigt bevorzugt werden. Bei Pflichtversicherten ist sichergestellt, daß sie in der Regel ihrem Beruf entsprechende Beiträge entrichten. Die Pflichtversicherten können jedoch andererseits in keinem Falle ihren Berufsschutz durch höhere Beiträge verbessern. Folgerichtig ist es nur angemessen, daß auch die Selbstversicherten sich durch höhere Beiträge keinen höheren Schutz verschaffen können, als es dem von ihnen während der Beitragsentrichtung ausgeübten Beruf entspricht. Wie es sich mit Selbstversicherten verhält, die keinen Beruf ausgeübt haben oder "beruflich" als Hausfrau tätig waren (vgl. dazu SozR Nr. 66 zu § 1246 RVO), ist hier nicht zu entscheiden.

Die Revision des Klägers war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518865

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