Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während der Unterbringung in einer Krankenanstalt. Grundurteil. Belastungserprobung. Arbeitstherapie. Abgrenzung zum Beschäftigungsverhältnis

 

Orientierungssatz

1. Durch ein Grundurteil können nur bestimmte Leistungen und zwar ausschließlich Geldleistungen zugesprochen werden. Es müssen sämtliche Voraussetzungen der jeweils beanspruchten Leistung(en) dem Grunde nach vorliegen; das Gericht darf sich nicht auf die Prüfung einzelner Leistungsvoraussetzungen beschränken und im übrigen den Versicherungsträger zur Erteilung eines neuen Bescheides verpflichten. Ferner muß die begründete Wahrscheinlichkeit bestehen, daß die dem Grunde nach zustehende Leistung in einer Mindesthöhe zu gewähren ist. Werden in einem Grundurteil insoweit keine ausreichenden Feststellungen getroffen, so leidet das Verfahren an einem wesentlichen Mangel (vergleiche zuletzt BSG vom 1968-10-31 2 RU 72/66 = USK 68100).

2. Bei der Belastungserprobung und Arbeitstherapie ist im Gegensatz zum Beschäftigungsverhältnis, für das die Dispositionsbefugnis des Arbeitgebers wesentlich ist, die Unterordnung unter einen Behandlungsplan vorrangig. Wenn auch manche Maßnahmen der Belastungserprobung und der Arbeitstherapie mit einer Eingliederung in einem Betrieb verbunden sein können, so gibt doch auch in diesen Fällen der Behandlungsplan den Rechtsbeziehungen zwischen den an der Behandlungsmaßnahme Beteiligten das Gepräge, eventuelle Weisungsbefugnisse eines Arbeitgebers sind demgegenüber nachrangig.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während der Unterbringung in einer Krankenanstalt ist ausgeschlossen, wenn es sich bei der durchgeführten stationären Behandlung der Art nach um eine solche iS des § 186 RVO handelt; dabei ist unerheblich, ob eine Krankenkasse zur Leistung verpflichtet ist.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17, § 182 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e Fassung: 1974-08-07, § 182d Fassung: 1974-08-07; SGG § 130 S. 1 Fassung: 1953-09-03; RehaAnglG § 10 Nr. 5 Fassung: 1974-08-07

 

Verfahrensgang

SG Marburg (Entscheidung vom 24.09.1980; Aktenzeichen S 6 Kr 22/78)

Hessisches LSG (Entscheidung vom 26.08.1981; Aktenzeichen L 8 Kr 1300/80)

 

Tatbestand

Umstritten ist ein Anspruch auf Krankenhilfeleistungen.

Der 1938 geborene Kläger befand sich wegen chronischen Alkoholabusus seit 1963 wiederholt in stationärer Heilbehandlung und war zeitweise entmündigt. Während eines Aufenthalts im Psychiatrischen Krankenhaus M. (PKH M.) ging er ab 11. Oktober 1977 einer Beschäftigung als Lagerarbeiter bei der Beigeladenen zu 2) nach. Am Tage der Entlassung aus dem Krankenhaus am 28. November 1977 erlitt er einen Alkoholrückfall. Er wurde daraufhin am 3. Dezember 1977 erneut im Krankenhaus aufgenommen. Die Beschäftigung setzte er nicht fort.

Seinen Antrag auf Gewährung von Krankenhilfeleistungen lehnte die beklagte Krankenkasse mit der Begründung ab, daß die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) keine Versicherungspflicht begründet habe. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Sozialgericht (SG) ist der Auffassung gewesen, daß es sich beim Kläger um einen Pflegefall und bei der von ihm ausgeübten Beschäftigung um eine nichtversicherungspflichtige Arbeitstherapie gehandelt habe.

Die Berufung des Klägers war erfolgreich. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Krankenhilfe gem § 179 Abs 1 Nr 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in gesetzlichem Umfang seit 3. Dezember 1977 zu gewähren. Es hat hierzu ausgeführt: Bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit habe der Kläger zu dem versicherten Personenkreis gehört (§ 165 Abs 1 Nr 1 RVO). Er habe am 11. Oktober 1977 von sich aus eine Tätigkeit als Lagerarbeiter bei der Beigeladenen zu 2) aufgenommen und sie vollwertig und in arbeitsfähigem Zustand mit Überstunden verrichtet. Es habe sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um eine geringfügige Beschäftigung iS des § 8 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) gehandelt, denn die anfängliche Möglichkeit der täglichen Kündigung sei umgewandelt worden in ein Arbeitsverhältnis mit einer vierteljährigen Probezeit. Die Äußerungen des Stationsarztes vom 11. Januar 1978, wonach die Betätigung des Klägers als eine arbeitstherapeutische Maßnahme gewertet werden müsse, stehe der Annahme der Arbeitsfähigkeit nicht entgegen. Die Arbeitsverrichtungen des Klägers seien keine Maßnahme der Arbeitstherapie iS des § 182d RVO gewesen. Es habe sich auch nicht um einen mißglückten Arbeitsversuch gehandelt. Der Aufenthalt im PKH M. allein besage nicht, daß Arbeitsunfähigkeit vorgelegen haben müsse; es könne allenfalls daraus geschlossen werden, daß Behandlungsbedürftigkeit gegeben gewesen sei. Dem Kläger stünden daher für die Dauer der am 3. Dezember 1977 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit Leistungen der Krankenhilfe zu. Da er mindestens bis zum 22. Mai 1978 im PKH M. behandelt worden sei, habe er Anspruch auf Mindestleistungen, so daß sich der Senat auf ein Grundurteil (§ 130 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) habe beschränken können.

Mit der Revision rügt die Beklagte, das LSG habe die §§ 103, 130 SGG verletzt und das materielle Recht unrichtig angewandt. Sie macht insbesondere geltend: Ein wegen chronischem Alkoholismus Entmündigter, der sich seit Jahren zur stationären Behandlung in einem Psychiatrischen Krankenhaus befindet, sei während der Unterbringung auf einer Akutstation generell arbeitsunfähig. Allein der Umstand, daß es sich bei der vom Kläger aufgenommenen Beschäftigung um eine Arbeit aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages gehandelt habe, rechtfertige nicht den vom LSG gezogenen Schluß, es habe keine arbeitstherapeutische Maßnahme vorgelegen. Das LSG habe auch zu Unrecht eine geringfügige Beschäftigung verneint.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. August 1981 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. September 1980 zurückzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger und der Beigeladene zu 1) beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz. Das LSG hat mit seiner Entscheidung, wie die Beklagte zutreffend rügt, die §§ 130, 123 SGG verletzt. Außerdem reichen seine Tatsachenfeststellungen nicht aus, um über das Klagebegehren abschließend entscheiden zu können.

Mit der Verurteilung der Beklagten, dem Kläger ab dem 3. Dezember 1977 Krankenhilfe in gesetzlichem Umfange zu gewähren, hat sich das LSG, wie es auch in der Begründung seiner Entscheidung zum Ausdruck bringt, auf den Ausspruch eines Grundurteils beschränkt. Nicht in jedem Falle kann durch eine solche Entscheidung der Rechtsstreit abgeschlossen werden (vgl § 202 SGG iVm § 304 Zivilprozeßordnung -ZPO-, § 111 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Auch im sozialgerichtlichen Verfahren haben die Gerichte grundsätzlich über die vom Kläger erhobenen Ansprüche erschöpfend und abschließend zu entscheiden (§§ 123, 140 SGG). Eine Ausnahme hiervon macht § 130 SGG: Wird gem § 54 Abs 4 oder 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann - mit einer den Rechtsstreit beendenden Wirkung - auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Durch ein solches Grundurteil können also nur bestimmte Leistungen und zwar ausschließlich Geldleistungen zugesprochen werden. Es müssen sämtliche Voraussetzungen der jeweils beanspruchten Leistung(en) dem Grunde nach vorliegen; das Gericht darf sich nicht auf die Prüfung einzelner Leistungsvoraussetzungen beschränken und im übrigen den Versicherungsträger zur Erteilung eines neuen Bescheides verpflichten. Ferner muß die begründete Wahrscheinlichkeit bestehen, daß die dem Grunde nach zustehende Leistung in einer Mindesthöhe zu gewähren ist. Werden in einem Grundurteil insoweit keine ausreichenden Feststellungen getroffen, so leidet das Verfahren an einem wesentlichen Mangel (BSG SozR Nr 9 zu § 123 SGG; Nr 3 und 4 zu § 130 SGG; SozR 1500 § 130 SGG Nr 2; Urteil vom 31. Oktober 1968 - 2 RU 72/66 - USK 68100). Dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, welche Leistungen dem Kläger zugesprochen worden sind. Die Krankenhilfe umfaßt verschiedenartige Sach- und Geldleistungen, die jeweils von speziellen Leistungsvoraussetzungen abhängig sind (§§ 182 ff RVO).

Die Gründe des Berufungsurteils, die auch zur Auslegung des Urteilsausspruchs heranzuziehen sind, beantworten lediglich die Frage, ob die Beschäftigung des Klägers vom 11. Oktober bis zum 25. November 1977 Versicherungspflicht begründete. Sie nehmen damit nur zu einer Grundvoraussetzung aller Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung Stellung. Aus ihnen ergibt sich jedoch nicht, welche Leistungen der Kläger begehrt und ob die jeweiligen speziellen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. In Anbetracht dessen, daß die Kosten der wiederholten stationären Unterbringung des Klägers, soweit bekannt, wenigstens vorläufig vom Beigeladenen zu 1) übernommen worden sind, liegt es zwar nahe, daß sich das Begehren des Klägers und dementsprechend die Entscheidung des LSG auf den Krankengeldanspruch beschränkt. Das steht jedoch nicht eindeutig fest. Immerhin hat der Kläger vor dem SG den umfassenden Antrag gestellt, die aus dem Versicherungsverhältnis "resultierenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren". Einen entsprechenden Antrag hat das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß sich das Begehren des Klägers auch auf Sachleistungen (zB auf Krankenpflege, Krankenhauspflege, Unterbringung in Spezialeinrichtungen evtl über die zurückliegende Zeit hinaus) oder auf Erstattung der Kosten von inzwischen anderweitig beschafften Krankenhilfeleistungen erstreckt, insbesondere auf Kostenerstattung an den Beigeladenen zu 1), der den Kläger seinerseits in Anspruch nimmt (siehe Schreiben des Beigeladenen zu 1) an den Kläger vom 27. Januar 1983).

Selbst bei einer Beschränkung des Urteilsausspruchs auf das vom Kläger wohl in erster Linie begehrte Krankengeld könnte das Urteil nicht bestätigt werden. Das LSG meint, weil der am 3. Dezember 1977 arbeitsunfähig gewordene Kläger mindestens bis zum 22. Mai 1978 im PKH M. behandelt worden sei, habe er Anspruch auf Mindestleistungen. Damit wird jedoch weder ein Krankengeldanspruch nach § 182 Abs 1 Nr 2 RVO noch ein Krankengeldanspruch nach § 186 RVO ausreichend begründet. Im ersteren Falle wird Krankengeld für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit gewährt, und zwar in der Regel von dem auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tage an (§ 182 Abs 3 RVO), im letzteren Falle während einer Krankenhauspflege (§ 184 RVO) oder einer Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Kur- oder Spezialeinrichtung (§ 184a RVO) oder einer Genesendenfürsorge in einem Genesungsheim (§ 187 S 1 Nr 3 RVO). Die tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil reichen nicht aus, um einen dieser Krankengeldtatbestände als erfüllt ansehen zu können. Die beim Kläger seit vielen Jahren bestehende Suchterkrankung bedingt selbst nach Auffassung des LSG nicht ohne weiteres Arbeitsunfähigkeit. Das Berufungsurteil geht vielmehr davon aus, daß der Kläger trotz dieser Suchterkrankung während der vom 11. Oktober bis zum 25. November 1977 ausgeübten Beschäftigung nicht arbeitsunfähig war. Das LSG nimmt aber offenbar an, der Kläger sei durch den am Tage der Entlassung aus dem PKH M. am 28. November 1977 erlittenen Alkoholrückfall wieder arbeitsunfähig geworden. Es stellt jedoch nicht fest, ob und ggf wie lange der Kläger in der hier streitbefangenen Zeit ab 3. Dezember 1977 infolge seiner Krankheit außerstande war, seiner vor der Unterbrechung, also bis zum 25. November 1977 ausgeübten Beschäftigung nachzugehen. Es ist nicht geklärt, ob der Alkoholrückfall lediglich eine einmalige Entgleisung gewesen ist, die nur die Notwendigkeit einer weiteren stationären Betreuung aufgezeigt hat, oder ob sich der Krankheitszustand und die davon abhängige Arbeitsfähigkeit auf längere Zeit verschlechtert hat. Die erneute Aufnahme in das PKH M. rechtfertigt allein nicht die Annahme von Arbeitsunfähigkeit, nachdem auch die der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit zugrunde gelegte Beschäftigung und ebenfalls die dieser vorausgegangene Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber vom 17. August bis zum 31. Dezember 1976 während des stationären Aufenthalts im PKH M. ausgeübt worden war. Schließlich sind bisher auch keine Feststellungen darüber getroffen worden, ob es sich bei dem Krankenhausaufenthalt ab 3. Dezember 1977 um eine dem Krankenversicherungsträger obliegende stationäre Behandlung iS des § 186 RVO gehandelt hat.

Mit dem LSG ist jedoch davon auszugehen, daß im Vordergrund des Rechtsstreits die Frage steht, ob der Kläger überhaupt nach § 165 Abs 1 Nr 1 iVm §§ 206, 306 Abs 1 RVO den Versicherungsschutz der gesetzlichen Krankenversicherung erworben hatte. Es spricht viel dafür, daß diese Frage vom LSG zu Recht bejaht worden ist. Allerdings bedürfen auch insoweit die Tatsachenfeststellungen noch einer Ergänzung.

Nach den Feststellungen im Berufungsurteil nahm der im PKH M. sich aufhaltende Kläger am 11. Oktober 1977 erneut eine Beschäftigung als Lagerarbeiter auf. Die Beigeladene zu 2) stellte ihn zunächst unter dem Vorbehalt ein, das Arbeitsverhältnis von einem auf den anderen Tag kündigen zu können. Schließlich wurde ein Arbeitsverhältnis mit einer vierteljährigen Probezeit vereinbart, nach Ablauf der Probezeit sollte der Kläger voll integriert werden. Das Arbeitsverhältnis kam auf eigene Initiative des Klägers zustande. Bis zum 25. November 1977 (Freitag) arbeitete der Kläger an 34 Arbeitstagen insgesamt 340 Stunden; er verdiente dabei 2.107,05 DM brutto. Am Tage seiner Entlassung aus dem PKH M. am 28. November 1977 (Montag) erlitt er einen Alkoholrückfall. Die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) setzte er nun nicht mehr fort. Er wurde wieder im PKH M. aufgenommen.

Diese Feststellungen lassen zunächst keinen Zweifel daran zu, daß die letzte Beschäftigung des Klägers ihrer Art nach eine versicherungspflichtige Beschäftigung gewesen ist. Der Kläger war als Arbeiter gegen Entgelt beschäftigt (§ 165 Abs 1 Nr 1, Abs 2 RVO). Er ging einer nichtselbständigen Arbeit in einem Arbeitsverhältnis nach (§ 7 Abs 1 SGB IV). Dem steht nicht entgegen, daß er sich während der Beschäftigung im PKH M. aufhielt. Er wurde nicht im Rahmen einer zwangsweisen Unterbringung gegen seinen Willen zur Arbeitsleistung herangezogen (BSG SozR Nr 54 zu § 165 RVO), vielmehr nahm er die Beschäftigung aus freien Stücken auf. Die damals noch bestehende Entmündigung schloß eine versicherungspflichtige Beschäftigung ebenfalls nicht aus (SozR Nr 44 zu § 165 RVO). Sein Vormund hatte zudem der Beschäftigung zugestimmt. Die vom Kläger geleistete Arbeit spricht schließlich auch nach Art und Umfang nicht dafür, daß es sich, wie die Beklagte meint, nur um eine Belastungserprobung bzw Arbeitstherapie oder um eine geringfügige Beschäftigung oder um einen mißglückten Arbeitsversuch gehandelt hat.

Belastungserprobung und Arbeitstherapie sind Maßnahmen der Krankenhilfe und der medizinischen Rehabilitation (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchst e, § 182d RVO; § 10 Nr 5 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation -RehaAnglG-). Sie bezwecken, einen krankheits- oder behinderungsbedingten Zustand zu beheben oder zu bessern, und werden im Rahmen eines Behandlungsplanes durchgeführt. Die Mitwirkung des Patienten ist nicht auf die Erzielung von Arbeitsentgelt ausgerichtet, sondern auf das Erreichen eines therapeutischen Erfolges. Bei diesen Maßnahmen ist im Gegensatz zum Beschäftigungsverhältnis, für das die Dispositionsbefugnis des Arbeitgebers wesentlich ist, die Unterordnung unter einen Behandlungsplan vorrangig. Wenn auch manche Maßnahmen der Belastungserprobung und der Arbeitstherapie mit einer Eingliederung in einem Betrieb verbunden sein können, so gibt doch auch in diesen Fällen der Behandlungsplan den Rechtsbeziehungen zwischen den an der Behandlungsmaßnahme Beteiligten das Gepräge, eventuelle Weisungsbefugnisse eines Arbeitgebers sind demgegenüber nachrangig. Im vorliegenden Fall sprechen gegen eine solche Behandlungsmaßnahme der Umstand, daß das Beschäftigungsverhältnis ohne Beteiligung der für die Behandlung des Klägers zuständigen Ärzte zustandegekommen ist, und außerdem das Ausmaß der Arbeitsleistung des Klägers (an 34 Arbeitstagen 340 Arbeitsstunden) sowie das erzielte Entgelt (2.107,05 DM).

Wegen Geringfügigkeit könnte die Beschäftigung des Klägers nach § 168 RVO nur unter den Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Bestimmungen des § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV versicherungsfrei gewesen sein. Die Tatsachenfeststellungen des LSG bieten jedoch keinen Anhalt dafür, daß die Beschäftigung innerhalb eines Jahres seit ihrem Beginn auf längstens 3 Monate oder 75 Arbeitstage im voraus vertraglich begrenzt war oder eine solche Begrenzung sich aus der Eigenart der Beschäftigung ergab. Soweit die Beklagte mit der Revision beanstandet, daß das LSG die vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses auf einen Monat nicht beachtet habe, so übersieht sie ihrerseits, daß die Beschäftigung jedenfalls über die eventuell zunächst vereinbarte Befristung hinaus fortgesetzt und erst durch den Alkoholrückfall nach 7 Wochen beendet wurde. Der Umstand, daß es sich auch zu diesem Zeitpunkt noch um ein Beschäftigungsverhältnis auf Probe handelte, läßt nicht den Schluß auf eine Befristung zu. Eine solche Klausel erleichtert nur dem Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Ein mißglückter Arbeitsversuch, der keine Versicherungspflicht begründet, setzt voraus, daß bereits bei Aufnahme der Arbeit Arbeitsunfähigkeit vorlag. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn objektiv feststeht, daß der Beschäftigte die Arbeit nicht oder nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit ausführen konnte (SozR 2200 § 165 RVO Nr 33). Der Kläger war aber, wie das LSG unangegriffen festgestellt hat, zur Verrichtung der aufgenommenen Arbeit in der Lage. Zum Alkoholrückfall und zu der dadurch bedingten Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses kam es erst nach der Entlassung des Klägers aus dem Krankenhaus, also erst nach Änderung der im Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme vorgelegenen Verhältnisse. Der Kläger war auch nicht allein schon deshalb arbeitsunfähig, weil er evtl nur im Rahmen der stationären Betreuung der aufgenommenen Arbeit nachgehen konnte. Die gesundheitliche Gefährdung des Klägers außerhalb der stationären Betreuung erlaubt keine Rückschlüsse auf die Fähigkeit des Klägers, die Beschäftigung als solche fortzusetzen. Da eine versicherungspflichtige Beschäftigung, die grundsätzlich von einer entsprechenden Arbeitsfähigkeit ausgeht, auch während eines Aufenthalts in einem Heim oder einer Anstalt ausgeübt werden kann, (BSGE 18, 246 = SozR Nr 37 zu § 165 RVO; BSGE 46, 244 = SozR 4100 § 168 AFG Nr 7), ist die Beendigung eines stationären Aufenthalts und die sich daran anschließende Verschlechterung des Gesundheitszustandes für sich allein kein ausreichender Grund, Arbeitsunfähigkeit bereits bei Aufnahme der Beschäftigung anzunehmen.

Die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während der Unterbringung in einer Krankenanstalt ist jedoch ausgeschlossen, solange eine stationäre Behandlung iS des § 186 RVO durchgeführt wird. Es kommt dabei nicht darauf an, ob ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung leistungspflichtig ist, sondern, ob es sich bei der stationären Behandlung ihrer Art nach um eine solche iS des § 186 RVO handelt. Bei einer stationären Behandlung in diesem Sinne umfaßt der Behandlungsplan den ganzen Tag. Die stationäre Behandlung setzt im Gegensatz zur teilstationären Behandlung oder zur stationären Unterbringung, die lediglich der Pflege und Betreuung dient, die Eingliederung in den Behandlungsbetrieb eines Krankenhauses voraus (Urteil des Senats vom 1. Februar 1983 - 3 RK 33/81 -). Dem Patienten ist es daher nicht möglich, frei über seine Zeit zu verfügen und eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Ihm wird daher, eine entsprechende Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung vorausgesetzt, wie einem Arbeitsunfähigen Krankengeld gewährt. Ebenso wie die Arbeitsunfähigkeit steht deshalb auch eine stationäre Behandlung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung entgegen. Wäre es anders, so hätte ein nichtversicherter Patient die Möglichkeit, durch kurzfristige Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während einer Krankenhausbehandlung die umfassende Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung auch für die bereits begonnene stationäre Behandlung einschließlich der damit verbundenen Lohnersatzleistungen mit sofortiger Wirkung auszulösen. Dies widerspräche den Rechtsgrundsätzen, die auch bei einem mißglückten Arbeitsversuch der Begründung eines Versicherungsverhältnisses entgegenstehen. Übt der Patient während einer stationären Behandlung mit Zustimmung der behandelnden Ärzte eine Beschäftigung aus, so wird in der Regel angenommen werden können, daß diese Beschäftigung nach dem Behandlungsplan eine Belastungserprobung oder Arbeitstherapie sein soll (Urteil des Senats vom 1. Februar 1983 aaO). Nach einer längeren Krankenhausbehandlung kann zur Vorbereitung der Entlassung evtl auch eine befristete Beschäftigung iS des § 8 Abs 2 Nr 2 SGB IV in Betracht kommen. Wird von den behandelnden Ärzten jedoch eine Beschäftigung geduldet, die über eine Belastungserprobung hinausgeht und auch nicht als geringfügig angesehen werden kann, so wird dies in der Regel den Schluß zulassen, daß eine stationäre Behandlung iS des § 186 RVO nicht mehr durchgeführt wird (zu den verschiedenen Formen der stationären Betreuung im Bereich der psychiatrischen Versorgung: Reimer, DOK 1976, 537; Lauterbach, WIdO-Materialien Bd 15, 123; Wekel, aaO, 199; Feuerlein, Med. Sachv 1969, 58).

Lassen auch die bisherigen Feststellungen die Vermutung zu, daß der Kläger während der hier in Frage stehenden Beschäftigung nicht mehr einer stationären Behandlung iS des § 186 RVO bedurfte, so bestehen insoweit doch noch gewisse Zweifel. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist angegeben, daß sich der Kläger im PKH M. "tagsüber hatte behandeln lassen". Außerdem soll der Stationsarzt Dr. L. der Beklagten mitgeteilt haben, daß die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 2) als eine arbeitstherapeutische Maßnahme gewertet werden müsse und eine solche Beschäftigungstherapie nur als eine weitergehende Behandlungsform angesehen werden könne. Danach ist nicht auszuschließen, daß die stationäre Behandlung des Klägers bis zur Entlassung fortgesetzt und die Beschäftigung als Therapieform in den Behandlungsplan einbezogen wurde. Sollten jedoch die Ärzte des Krankenhauses dem Kläger freigestellt haben, eine unbefristete Beschäftigung in dem vom LSG festgestellten Umfange aufzunehmen, so wäre dies mit einer stationären Behandlung schwerlich in Einklang zu bringen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659164

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