Entscheidungsstichwort (Thema)

Anderweitige Rechtshängigkeit

 

Orientierungssatz

Zur Unzulässigkeit der Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (hier: Einbeziehung eines Bescheids über abschnittsweise Bewilligung von Arbeitslosenhilfe in den Rechtsstreit).

 

Normenkette

SGG § 94 Abs 2, § 96 Abs 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 16.11.1984; Aktenzeichen L 1 Ar 22/84)

SG Lübeck (Entscheidung vom 15.12.1983; Aktenzeichen S 6 Ar 188/82)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Weiterzahlung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Der Kläger bezog seit 1974 mit Unterbrechungen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit von der Beklagten, seit 18. März 1974 zunächst Arbeitslosengeld (Alg), seit 31. Oktober 1974 Alhi. So bewilligte die Beklagte dem Kläger in der Verfügung vom 1. August 1980 Alhi ab 21. Juli 1980. Die in dieser Verfügung vorgedruckte Frage, ob Vermögen zu berücksichtigen sei, ist mit Nein beantwortet. Ein Ende des Bewilligungszeitraumes ist in der Verfügung nicht angegeben.

Im Bescheid vom 17. Oktober 1980 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit gemäß § 119 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) für die Zeit vom 13. September bis 10. Oktober 1980 fest und hob die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für diesen Zeitraum unter Geltendmachung einer Rückforderung von 23,20 DM auf. Mit einem weiteren Bescheid vom 17. Oktober 1980 versagte sie mit entsprechender Aufhebung der Leistungsbewilligung den Anspruch für sechs Wochentage gemäß § 120 AFG, weil sich der Kläger am 19. September 1980 eines Meldeversäumnisses schuldig gemacht habe. Der Kläger erhob gegen beide Bescheide erfolglos Widerspruch, anschließend jeweils gesondert Klagen.

Durch Verfügung vom 15. Oktober 1980 bewilligte die Beklagte dem Kläger erneut Alhi ab 11. Oktober 1980. Auch in dieser Verfügung ist die Frage verneint, ob Vermögen zu berücksichtigen sei; ein Ende des Bewilligungszeitraumes ist ebenfalls nicht angeführt.

Durch Bescheid vom 14. April 1981 hob die Beklagte die Entscheidung vom 15. Oktober 1980 über die Bewilligung von Alhi mit Wirkung ab 31. März 1981 ganz auf, weil der Kläger am 30. März 1981 unberechtigterweise ein wirksames Arbeitsangebot abgelehnt und deshalb erneut eine Sperrzeit von vier Wochen verwirkt habe, so daß sein Leistungsanspruch gemäß § 119 Abs 3 AFG erloschen sei. Zugleich verlangte sie 255,20 DM für die Zeit nach dem 31. März 1981 bereits gezahlte Alhi zurück. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 1981).

Seine hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) mit den zuvor bereits erhobenen Klagen verbunden. Durch Urteil vom 2. Dezember 1981 (S 6 Ar 160/81) hat es den Bescheid vom 14. April 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 1981 aufgehoben und im übrigen die Klagen (wegen der ersten Sperrzeit und des Meldeversäumnisses) abgewiesen. Die Beklagte hat gegen das Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, am 18. Februar 1982 Berufung eingelegt, diese jedoch am 19. Mai 1982 zurückgenommen (Az des Berufungsverfahrens: L 1 Ar 13/82).

Bereits unter dem 10. Februar 1982 erging der im anhängigen Verfahren streitige Bescheid, in dem es heißt, daß die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi vom 15. Oktober 1980 ab 2. Dezember 1981 aufgehoben werde. Zur Begründung führte die Beklagte an, daß der Kläger nicht bedürftig iS des § 134 iVm § 137 AFG sei; zum einen sei ihm die Verwertung seines Mehrfamilienhauses zumutbar, zum anderen sei nach den Gesamtumständen anzunehmen, daß er seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi bestreite oder bestreiten könne. Der Bescheid vom 10. Februar 1982 enthält die Rechtsbehelfsbelehrung, daß gegen ihn Widerspruch zulässig sei.

Den vom Kläger am 18. Februar 1982 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 1982, dem Kläger zugestellt am 15. Mai 1982, zurück. Durch Urteil vom 15. Dezember 1983 (S 6 Ar 188/82) hat das SG die vom Kläger entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheides hiergegen erhobene Klage abgewiesen, weil der Kläger nicht bedürftig sei. Das SG hat die Klage für zulässig erachtet. Zwar sei der Bescheid vom 10. Februar 1982 gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens L 1 Ar 13/82 vor dem Landessozialgericht (LSG) geworden, ebenso der Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 1982. Die erst danach erfolgte Rücknahme der Berufung der Beklagten habe jedoch insoweit keine Bindungswirkung ausgelöst und der Kläger habe entsprechend der Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid rechtzeitig Klage erhoben.

Durch Urteil vom 16. November 1984 hat das LSG die gegen das Urteil des SG gerichtete Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Es hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Es könne auf sich beruhen, ob die angefochtenen Verwaltungsakte eine Bewilligungsaufhebung enthielten oder - entgegen ihrem Wortlaut - als Versagung weiterer Alhi nach Ablauf des am 21. Juli 1980 begonnenen Bewilligungsabschnittes iS des § 139a AFG wirkten. Selbst eine rückwirkende Rücknahme einer dem Kläger zuvor erteilten Bewilligung sei von § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) gedeckt, weil schon die Bewilligung vom 1. August 1980 von vornherein rechtswidrig gewesen sei. Belanglos sei, daß sich die als Aufhebung bezeichnete Rücknahme auf die im Anschluß an eine Sperrzeit wiederholte Bewilligung vom 15. Oktober 1980 beziehe; denn dabei handele es sich lediglich um einen Bezeichnungsfehler. Sinngemäß aufgehoben werden solle die eigentliche Bewilligung mit regelnder Bedeutung, nämlich die vom 1. August 1980.

Vertrauensschutz iS von § 45 Abs 2 SGB 10 entfalle völlig. Dieser habe allenfalls für die aus der Bewilligung vom 1. August 1980 erfaßte Zeitdauer bestanden, dh gemäß § 139a AFG höchstens für ein Jahr, nicht mehr aber für die hier streitige Zeit ab 2. Dezember 1981. Unerheblich blieben auch die in § 45 Abs 3 und 4 SGB 10 genannten Rücknahmefristen von zwei Jahren seit Bekanntgabe, bzw einem Jahr seit Kenntnis der Beklagten von Rücknahmegründen. Die Vorschrift sehe nämlich "grammatisch-logisch wie systematisch" die Rücknahme wegen eines nicht hinreichend schutzwürdigen Vertrauens voraus; dies fehle im hier streitigen Leistungszeitraum vollkommen. Auch das Fehlen von Ermessenserwägungen der Beklagten sei unschädlich. Das Ermessen sei nämlich auf Null geschrumpft, da eine Bewilligung ab 2. Dezember 1981 ohnedies gemäß § 139a Abs 2 AFG eine gänzliche Neuprüfung des Anspruchs vorausgesetzt hätte.

In der Sache sei die Entscheidung richtig. Dem Kläger stehe mangels Bedürftigkeit keine Alhi zu. Dafür sei unerheblich, ob die Gesamtumstände seiner Lebensführung iS des § 137 Abs 3 AFG den Schluß zuließen, er sei ganz oder teilweise nicht bedürftig. Jedenfalls könne der Kläger sein Hausgrundstück zumutbar verwerten und daraus seinen Lebensunterhalt bestreiten. Das LSG führt dazu des Näheren aus, daß das Haus des Klägers auch bei Annahme eines Verkehrswertes von 200.000,-- DM und vorhandener Belastungen - ua mit einer Grundschuld über 15.000,-- DM für Darlehen des Beigeladenen - weiter belastbar sei. Es sei zudem übertragbar. Der eigene Wohnbedarf des Klägers schließe dies nicht aus. Die Wohngröße des Hauses mit zumindest 157,80 qm bilde eine für ihn mehr als nur angemessene Wohnfläche. Deshalb sei jedenfalls die gegenwärtige Verwertung durch Belastung zugunsten des beigeladenen Sozialhilfeträgers zumutbar. Diese sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich; denn der das Darlehen des Sozialversicherungsträgers sichernde Zinssatz von 8 vH jährlich sei eher günstig. Im übrigen werde dieser sein Grundpfandrecht erklärtermaßen zu Lebzeiten des Klägers nicht ausüben, außer im Falle der Veräußerung des Grundstücks, so daß diese Art der Belastung dem Kläger billigerweise zumutbar sei.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 45 SGB 10 und § 139a AFG. Er führt dazu aus: Das LSG verneine zu Unrecht einen Vertrauensschutz des Klägers. Bis Juli 1980 habe der Kläger Alhi unter Anrechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhalten. Als diese fortfielen habe er weiter Alhi erhalten, obwohl die Beklagte gewußt habe, daß er Eigentümer eines Hauses sei. Er habe dazu nie unrichtige Angaben gemacht. Deshalb entfalle die Anwendung von § 45 Abs 2 Satz 3 SGB 10; Abs 3 Satz 2 SGB 10 liege ohnehin nicht vor. Die Beklagte müsse sich angesichts ihrer Kenntnis der Tatsachen bereits seit 21. Juli 1980 den § 45 Abs 4 Satz 2 SGB 10 entgegenhalten lassen.

Rechtsirrig sei auch die Begrenzung des Vertrauensschutzes auf ein Jahr seit Bewilligungsbeginn am 21. Juli 1980. Der § 139a AFG lege lediglich der Beklagten Pflichten auf, von denen sie nicht einmal Gebrauch machen müsse. Hier seien lediglich Kontrollrechte eingeführt, die jedoch nicht zu einer rückwirkenden Entziehung der Alhi entgegen § 45 SGB 10 führen könnten. Im übrigen habe für den Kläger auch Vertrauen in zukünftige Leistungsgewährung bestanden. Ein öffentliches Interesse an der Rücknahme sei nicht ersichtlich. Schließlich sei die Ansicht des LSG falsch, das Haus des Klägers sei verwertbar, und die Verwertung sei zumutbar.

Zwar sei das Haus theoretisch belastbar; der Kläger könne aber nicht darauf verwiesen werden, Grundschulden an den Sozialhilfeträger in Anspruch zu nehmen. Dies würde das Prinzip der Nachrangigkeit der Sozialhilfe verletzen. Die Vorschriften des AFG sähen nicht den Leistungsausschluß infolge Verweisbarkeit auf Sozialhilfe vor. Man könne deshalb allenfalls verlangen, der Kläger müsse ein Bankdarlehen aufnehmen und dieses durch eine Grundschuld sichern. Dazu führe das LSG jedoch selbst das Fehlen der Kreditwürdigkeit des Klägers an. Ihm fehlten auch die Mittel zur Tilgung und Verzinsung einer solchen Schuld, so daß sie ihm nicht zumutbar sei.

Schließlich träfen auch die Ausführungen des LSG über das Vorhandensein eines Hausgrundstücks von angemessener Größe nicht zu. Seine Hinweise auf das Wohnungsbaugesetz verkürzten diesen Begriff, der einen Wertfaktor meine. Deshalb sei zu berücksichtigen, daß dem Haus die Mindestausstattung iS des Wohnungsbaugesetzes fehle und daß es baufällig sei, weshalb auch Vermietung entfalle. Ein zumutbarer Verkauf scheide schon wegen der schlechten Wirtschaftslage und des damit verbundenen Preisverfalls aus. Dem Kläger stehe mithin Alhi bis zum Zeitpunkt zu, seit dem er Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit beziehe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, das Urteil des SG vom 15. Dezember 1983 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1982 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Alhi vom 2. November 1981 bis 30. April 1984 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des LSG für richtig.

Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt. Alle Beteiligten haben, auch nachdem sie auf die Entscheidung des Senats vom 14. August 1980 - 7 RAr 100/79 - hingewiesen worden sind, erklärt, daß sie mit Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden sind (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die auf Klageabweisung lautenden Entscheidungen der Vorinstanzen sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zwar hat das LSG die Berufung zu Recht als zulässig erachtet; insbesondere handelt es sich hier nicht um einen Höhenstreit iS des § 147 SGG, denn die Beklagte verneint in dem angefochtenen Bescheid die Bedürftigkeit des Klägers, mithin eine Voraussetzung für den Anspruch auf Alhi (§ 134 Abs 1 Nr 3 AFG; vgl BSG SozR 1300 § 48 Nr 26). Gleichwohl hat das LSG ebenso wie das SG zu Unrecht in der Sache entschieden. Die Klage ist nämlich unzulässig, so daß nicht darüber zu entscheiden war, ob sie unbegründet ist. Dies folgt aus § 94 Abs 2 SGG. Danach ist eine neue Klage unzulässig, wenn und solange die Streitsache schon bei einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit rechtshängig ist. Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor.

Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1982. Diese Bescheide sind gemäß § 96 Abs 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Berufungsverfahrens L 1 Ar 13/82 vor dem LSG geworden, denn sie haben den in jenem Verfahren streitigen Verwaltungsakt (Bescheid der Beklagten vom 14. April 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 1981) iS des § 96 Abs 1 SGG ersetzt. Daß der Bescheid vom 10. Februar 1982 schon vor Einlegung der Berufung der Beklagten am 18. Februar 1982 ergangen ist, ändert an dieser Rechtsfolge nichts (BSG SozR 1500 § 96 Nr 6).

Die dem Bescheid vom 10. Februar 1982 innewohnende Ersetzungswirkung iS des § 96 Abs 1 SGG folgt aus seinem rechtlichen Inhalt. Dieser betrifft denselben Alhi-Anspruch des Klägers, hinsichtlich dessen die Beklagte durch den Bescheid vom 14. April 1981 eine Regelung getroffen hatte. Dem Kläger war seit 21. Juli 1980 Alhi bewilligt worden. Nach Ablauf der von der Beklagten für die Zeit vom 13. September bis 10. Oktober 1980 festgestellten Sperrzeit (Bescheid vom 17. Oktober 1980) hat sie am 15. Oktober 1980 die Weiterbewilligung seines Alhi-Anspruchs für die Zeit ab 11. Oktober 1980 verfügt und dem Kläger daraus Alhi gezahlt. Es kann dahinstehen, ob diese Bewilligung vom 15. Oktober 1980 lediglich eine wiederholende Verfügung hinsichtlich der ursprünglichen Bewilligung vom 1. August 1980 darstellte, wie das LSG meint. Es handelt sich jedenfalls um denselben Alhi-Anspruch aus einem einheitlichen Sozialrechtsverhältnis zur Beklagten. Der Bescheid vom 14. April 1981 greift in diesen Anspruch ein, indem er die bisherige Bewilligung als Folge der Anwendung von § 119 Abs 3 AFG mit Wirkung ab 31. März 1981 ganz aufhob.

An die Stelle dieses Bescheides trat der Bescheid vom 10. Februar 1982. Darin hob die Beklagte die bisherige Alhi-Bewilligung nunmehr mit anderer Begründung (mangelnde Bedürftigkeit) mit Wirkung ab 2. Dezember 1981 auf. Auf die Motive der Beklagten für den Erlaß dieses Bescheides kommt es für seine Ersetzungswirkung iS des § 96 Abs 1 SGG nicht an. Entscheidend ist lediglich, daß beide Bescheide dasselbe Sozialrechtsverhältnis, hier sogar denselben Anspruch, betreffen und der zweite Bescheid den ersten ergänzt oder - wie hier - ersetzt. Der Unterschied in ihrem Regelungsgehalt besteht lediglich in einem verschiedenen Zeitpunkt der Entziehung ein und desselben Anspruchs.

Für die Frage des Einbezogenseins des Bescheides vom 10. Februar 1982 in den den Bescheid vom 14. April 1981 betreffenden Rechtsstreit gemäß § 96 Abs 1 SGG ist es unerheblich, ob die ursprüngliche Alhi-Bewilligung (vom 1. August 1980 oder vom 15. Oktober 1980) gemäß § 139a AFG auf einen einjährigen Bewilligungsabschnitt beschränkt war. Das LSG hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Nach dem Inhalt der den Bewilligungen zugrundeliegenden Verwaltungsverfügungen ist eine derartige Beschränkung nicht erkennbar. Selbst wenn aber eine solche Beschränkung in den dem Kläger erteilten Bewilligungsbescheiden enthalten wäre und derartige Bewilligungsabschnitte vor Erlaß des Bescheides vom 10. Februar 1982 oder des von ihm bestimmten "Aufhebungszeitpunktes" (2. Dezember 1981) abgelaufen sein sollten, ist dieser Bescheid von der Rechtswirkung des § 96 Abs 1 SGG erfaßt worden. Wie der Senat nämlich schon entschieden hat, ändert die Anwendung von § 139a AFG nichts daran, daß bei fortbestehender Arbeitslosigkeit die abschnittsweise Bewilligung jeweils ein und denselben Anspruch betrifft (BSGE 59, 227, 229 = SozR 4100 § 134 Nr 29; Urteil vom 25. Juli 1986 - 7 RAr 94/84 -). Im übrigen genügt es, daß der neue Verwaltungsakt den Streitstoff des anhängigen Verfahrens beeinflussen kann (vgl Hennig/Danckwerts/König, SGG, Erl 6 zu § 96 mwN; BSG vom 14. August 1980 - 7 RAr 100/79 -). Da aber die Aufhebung der Alhi-Bewilligung mit Bescheid vom 14. April 1981 den vorhandenen Alhi-Anspruch ab 31. März 1981 gänzlich beseitigen sollte, legte sie sich Wirkung auch über einen etwa zuvor zeitlich bestimmten Bewilligungsabschnitt hinaus bei. So führte die Beklagte in der Begründung des oa Bescheides ausdrücklich an, daß ein weiterer Leistungsanspruch erst nach erneuter Erfüllung der Anwartschaftszeit entstehen könne. Folglich betraf der Bescheid vom 10. Februar 1982 den Regelungsgehalt jener Entscheidung, wenn er den Alhi-Anspruch nunmehr mit anderer Begründung ab 2. Dezember 1981 wiederum zu beseitigen trachtete.

Bei Erlaß des Bescheides vom 10. Februar 1982 war der Rechtsstreit wegen des Bescheides vom 14. April 1981 noch anhängig. Da die Beklagte gegen das Urteil des SG vom 2. Dezember 1981 (S 6 Ar 160/81) die zulässige Berufung eingelegt hatte, ist der Bescheid vom 14. April 1981 vom SG nicht rechtskräftig aufgehoben gewesen. Diese Wirkung trat erst mit der Rücknahme der Berufung der Beklagten am 19. Mai 1982 ein. Inzwischen war jedoch der Bescheid vom 10. Februar 1982, wie schon ausgeführt, gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens vor dem LSG geworden, und zwar kraft Klage (st Rspr, vgl BSG SozR 1500 § 146 Nr 14 mwN). Die Rechtshängigkeit dieses Teiles des Streitgegenstandes ist durch die Rücknahme der Berufung der Beklagten nicht beseitigt worden, denn dadurch konnte die Beklagte über das prozessuale Schicksal der insoweit anhängig gewordenen Klage nicht befinden (vgl BSG SozR 1500 § 96 Nr 12).

Es kann schließlich nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger den Bescheid vom 10. Februar 1982 hat bindend werden lassen und seine Klage auf die Anfechtung des Bescheides vom 14. April 1981 hat beschränken wollen; dies widerlegt schon sein Klagebegehren im anhängigen Verfahren. Ein Fall der Nichtanwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG als Folge einer bewußten Klagebeschränkung, wie ihn der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 25. September 1962 (BSGE 18, 31, 33 = SozR SGG § 96 Nr 15) angenommen hat, liegt hier folglich nicht vor. Zur Erhebung einer neuen Klage ist der Kläger offensichtlich durch die unzutreffenden Rechtsmittelbelehrungen der Beklagten im Bescheid vom 10. Februar 1982 und im Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 1982 veranlaßt worden. Hätte die Beklagte ihrer Pflicht aus § 96 Abs 2 SGG genügt, dem LSG im Berufungsverfahren L 1 Ar 13/82 eine Abschrift der neuen Verwaltungsakte vom 10. Februar 1982 mitzuteilen, wäre es zu dem anhängigen Verfahren nicht gekommen. Das LSG hätte sodann in jenem Verfahren über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides entscheiden müssen. Es wird diese Entscheidung nunmehr nachzuholen haben.

Erweist sich nach allem die anhängige Klage gemäß § 94 Abs 2 SGG als unzulässig, kann die Revision des Klägers keinen Erfolg haben. Die Abweisung der Klage durch das SG ist im Ergebnis richtig, ohne daß der Grund dafür - nämlich ihre Unzulässigkeit - im Urteil zum Ausdruck kommen muß. Trotz des für die Beklagte in diesem Verfahren günstigen Prozeßergebnisses hat ihr der Senat auferlegt, die außergerichtlichen Kosten des Klägers für den gesamten Rechtsstreit zu erstatten (§ 193 SGG). Sie hat nämlich für die Erhebung der unzulässigen Klage durch falsche Rechtsmittelbelehrungen den Anlaß gegeben (vgl BSG vom 14. August 1980 - 7 RAr 100/79 -). Mit ihrem Einwand hiergegen, der Kläger habe erst im Revisionsverfahren einen Leistungsantrag in Form einer unzulässigen Klageerweiterung gestellt, kann sie nicht gehört werden; denn dies änderte nichts an dem in den falschen Rechtsmittelbelehrungen liegenden Anlaß für die Klageerhebung als solche. Einer Entscheidung über diesen Antrag des Klägers bedarf es im übrigen nicht, da die Revision schon wegen der Unzulässigkeit der Klage zurückzuweisen ist.

Obwohl die Prozeßlage einer Sachentscheidung im anhängigen Verfahren entgegensteht, sieht sich der Senat wegen der Erforderlichkeit einer erneuten Entscheidung über den Klageanspruch und angesichts der Ausführungen des LSG im angefochtenen Urteil zu folgenden Bemerkungen veranlaßt:

1. Es erscheint unumgänglich, den rechtlichen Inhalt des angefochtenen Bescheides vom 10. Februar 1982 konkret festzustellen, weil davon die für seine Beurteilung maßgebliche Rechtsgrundlage abhängt. Dieser Inhalt wird von dem Regelungsgehalt des aufgrund der Verfügung vom 15. Oktober 1980 ergangenen Bewilligungsbescheides bestimmt. Jener Bescheid regelt sicherlich, daß dem Kläger Anspruch auf Alhi ab 11. Oktober 1980 zustehe; er kann folglich auch die Zeit ab 2. Dezember 1981 betreffen. Inwiefern diesem Bescheid keine Bedeutung iS des § 31 SGB 10 zukommen soll, weil die Beklagte zuvor im Bescheid vom 1. August 1980 dem Kläger bereits Alhi für die Zeit ab 21. Juli 1980 bewilligt hatte, ist nicht einsichtig. Auch ein wiederholender Bescheid besitzt für den Adressaten Tatbestands- und Rechtswirkungen (vgl § 39 SGB 10).

Maßgebend erscheint deshalb, ob der aufgrund der Verfügung vom 15. Oktober 1980 ergangene Bescheid eine zeitlich unbeschränkte Bewilligung aussprach (a) oder eine Befristung auf einen Zeitpunkt vor dem 2. Dezember 1981 enthielt (b). Nur im Falle (b) stellte sich der angefochtene Bescheid vom 10. Februar 1982 als Ablehnungsbescheid dar (vgl BSG vom 24. Juli 1986 - 7 RAr 94/84 -). Seine Rechtmäßigkeit richtete sich dann lediglich danach, ob die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi ab 2. Dezember 1981 vorlagen oder nicht. - Im Falle (a) wäre der angefochtene Bescheid vom 10. Februar 1982 als Aufhebungsbescheid zu qualifizieren. Seine Rechtmäßigkeit bestimmte sich dann nach § 45 SGB 10, wenn der Bescheid aufgrund der Verfügung vom 15. Oktober 1980 von Anfang an rechtswidrig gewesen sein sollte, oder nach § 48 SGB 10, wenn spätere Änderungen zu seiner Rechtswidrigkeit geführt haben sollten. Letzterer Fall dürfte ausscheiden, wenn es nur auf die Frage der Bedürftigkeit des Klägers unter dem Gesichtspunkt seines Hausbesitzes ankommt (siehe dazu unter 4).

2. In jedem Falle stellt sich die Frage nach dem Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen gemäß §§ 134 ff AFG. Fehlten solche bereits bei Vollzug der Verfügung vom 15. Oktober 1980 u n d enthielt der dem Kläger erteilte Bewilligungsbescheid keine vor dem 2. Dezember 1981 abgelaufene zeitliche Beschränkung, kann Vertrauensschutz iS des § 45 Abs 2 SGB 10 schwerlich mit dem Hinweis auf eine nach § 139a AFG m ö g l i c h e zeitliche Beschränkung verneint werden. Schon hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Inhalt der am 15. Oktober 1980 verfügten Bewilligung, wie sie dem Kläger bekannt gegeben wurde, konkret festzustellen. Sollte dies auch nach sachgerechter Beteiligung des Klägers (§§ 103, 106 SGG) nicht möglich sein, wird die Feststellung der zeitlichen Geltungsdauer der ausgesprochenen Bewilligung durch Auswertung der bei den Akten befindlichen Verfügung vom 15. Oktober 1980 zu erfolgen haben, ggfs unter Anwendung von Beweislastregeln (vgl BSG vom 9. September 1986 - 7 RAr 20/85 - S 9).

3. Die Erwägungen des LSG zur Fristenregelung in § 45 Abs 3 und 4 SGB 10 und zur Ausübung von Ermessen setzen begriffsnotwendig voraus, daß § 45 SGB 10 überhaupt die Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid vom 10. Februar 1982 darstellt. Das kann, wie schon erwähnt, aber nur dann der Fall sein, wenn der dem Kläger aufgrund der Verfügung vom 15. Oktober 1980 erteilte Bescheid keine oder jedenfalls eine über den 2. Dezember 1981 hinausreichende Befristung der Bewilligung enthalten hat. Bei einer solchen Sachlage könnte die Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aber weder unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung gesetzlicher Fristen für die Ausübung des Aufhebungsrechts (insbes nach § 45 Abs 4 SGB 10) noch der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unterbleiben. Jedenfalls ließen sich beide Voraussetzungen dann nicht mit dem Hinweis auf eine nach § 139a AFG möglich gewesene zeitliche Beschränkung der Bewilligung bejahen.

Tatbestände gemäß § 45 Abs 2 Satz 3 SGB 10 liegen nach den bisherigen Feststellungen des LSG offenbar nicht vor. Angesichts der wohl unstreitigen Tatsache, daß der Beklagten der Hausbesitz des Klägers schon länger bekannt war, ohne daß sie daraus zunächst auf mangelnde Bedürftigkeit des Klägers geschlossen, ihm im Gegenteil ungeachtet dessen Alhi bewilligt hat, dürfte einerseits Anlaß bestehen, die Rechtmäßigkeit einer rückwirkenden Aufhebung nach § 45 Abs 4 SGB 10 zu prüfen; zum anderen könnte schon deshalb die anscheinend gänzlich fehlende Ermessensabwägung der Beklagten im Bescheid vom 10. Februar 1982 schwerlich mit einer Ermessensreduzierung auf Null wegen fehlenden Vertrauensschutzes des Klägers gerechtfertigt werden. Im übrigen ist auf die ständige Rechtsprechung des BSG hinzuweisen, daß jede auf § 45 SGB 10 gestützte Aufhebung grundsätzlich die Ausübung von Ermessen verlangt (vgl die Nachweise im Urteil des Senats vom 17. April 1986 - 7 RAr 127/84 -). Dies ist gerade auch dann erforderlich, wenn eine Berufung des Betroffenen auf Vertrauensschutztatbestände nicht greift (BSGE 59, 157, 167, 169 ff).

4. Das LSG hat im anhängigen Verfahren die Bedürftigkeit des Klägers iS des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 137 Abs 2 AFG deshalb verneint, weil ihm die Verwertung seines Hausgrundstücks zumutbar sei. Es meint einmal, das Hausgrundstück sei übertragbar, also verkäuflich. Es hat hierzu jedoch bisher keine weiteren Feststellungen getroffen. Selbst wenn ihm darin zugestimmt werden könnte, daß ein Verkauf des Hausgrundstücks nicht von § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 7 der Alhi-Verordnung (Alhi-VO) ausgeschlossen wird, steht bisher nicht fest, ob und ggfs zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Bedingungen ein Verkauf tatsächlich möglich war oder ist, folglich auch nicht, ob ein solcher Verkauf iS des § 6 Abs 3 Satz 1 Alhi-VO offensichtlich unwirtschaftlich wäre oder nicht.

Das LSG stützt seine bisherige Entscheidung denn auch letztlich auf die Verwertbarkeit des Grundstücks durch (weitere) Belastung. Es zieht dabei eine Belastung in Form dinglicher Sicherung von privaten Darlehen nicht in Betracht, offenbar mit Rücksicht auf eine "von seiner Einkommenslage her wohl fehlende Kreditwürdigkeit des Klägers". Hingegen hält es eine weitere Belastung mit Grundschulden zugunsten des beigeladenen Sozialhilfeträgers für zumutbar als Deckung für Darlehen, die der Kläger von diesem erlangen könnte. Diese Betrachtung läuft darauf hinaus, daß Bedürftigkeit als Voraussetzung für den Anspruch auf Alhi entfalle, wenn der Lebensunterhalt des Arbeitslosen durch Leistungen der Sozialhilfe sichergestellt werden kann. Auch wenn das LSG dies nur für den Fall annehmen will, daß eine dingliche Sicherung solcher Sozialhilfeleistungen möglich sei, ändert dies nichts daran, daß diese Auffassung schwerlich mit dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe im Verhältnis zu allen anderen Sozialleistungen in Einklang steht (vgl § 2 BSHG, § 9 SGB 1).

5. Alles in allem wirft das Urteil des LSG vom 16. November 1984 eine Reihe verfahrens- und materiellrechtlicher Fragen auf, die in der neuen Entscheidung des LSG über die Klage gegen den Bescheid vom 10. Februar 1982 weitergehender Prüfung bedürfen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658452

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