Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Beitrags zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Der Kläger (geboren 1905) ist Rechtsanwalt und Notar. Er betreibt die Praxis gemeinsam mit einem Sozius, der ebenfalls Notar ist. In dem Sozietätsvertrag vom 25. März 1970 wurde u.a. folgendes vereinbart:

"Von den Einnahmen der Praxis und zwar von allen nach dem Eintritt des Herrn S… eingehenden neuen Sachen, erhält Herr S… gemäß nachstehender Berechnung

1.)

von den Einnahmen der Anwaltspraxis

50%

2.)

von den Einnahmen des Notariats

10%

jedoch von allen Urkundennummern, die jährlich über UR. Nr. 210 liegen 20% und nach seiner Bestellung zum Notar von allen Notariatseinnahmen 50%".

Der Kläger bezieht von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Rente, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) 42,30 DM betrug. Er ist Mitglied der KVdR.

Mit Bescheid vom 1. Februar 1983 setzte die Beklagte den monatlichen Beitrag für die KVdR ab 1. Januar 1983 auf 239,89 DM fest. Sie berücksichtigte hierbei nach § 180 Abs. 5 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) n.F. den in den Steuerbescheiden ausgewiese-nen Gewinn aus der Anwaltssozietät (Durchschnitt der Jahre 1978 bis 1980). Nach den Steuerbescheiden des Finanzamtes H… hatte der Kläger im Jahre 1978 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 35.042,-- DM, 1979 von 44.415,-- DM und 1980 von 55.437,-- DM. Im Revisionsverfahren hat der Kläger ein Schreiben der Beklagten vom 31. Juli 1984 vorgelegt, aus dem sich ergibt, daß der steuerlich festgestellte Gewinn für das Jahr 1982 45.938,-- DM betrug.

Widerspruch und Klage, mit denen sich der Kläger gegen die Berücksichtigung dieser Einkünfte wandte, blieben ohne Erfolg (Wider-spruchsbescheid vom 6. September 1983; Urteil des SG Detmold vom 12. Juli 1984).

Das SG hat die Auffassung vertreten, daß es sich bei dem Einkommen aus der Anwaltssozietät in vollem Umfang um Arbeitseinkommen i.S. von § 15 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB 4) handele und dieses gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 3 RVO bei der Berechnung des Grundlohns für die Beiträge zur KVdR zu berücksichtigen sei. Es hält auch für zutreffend, daß hierbei die Steuerbescheide zugrunde gelegt wurden. Eine Herabsetzung des Grundlohns wegen der gesundheitlichen Behinderung des Klägers (Anerkennung als Schwerbehinderter mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit -MdE- um 60 vH) komme nicht in Betracht.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, es sei verfassungswidrig, eine Rente von nur etwas mehr als 40,-- DM zum Ausgangspunkt eines Krankenversicherungsbeitrags von über 200,-- DM zu nehmen. Der Staat müsse seine Finanzprobleme auf andere Weise lösen. Hinzu komme, daß er infolge seines Alters und seiner gesundheitlichen Einschränkung nur noch ca. 10% der Normalleistung in seinem Büro erbringen könne. Er arbeite nur noch halbtägig, sein Einkommen beruhe deshalb allenfalls zu 40% auf seiner Arbeit, im übrigen aber auf dem Sozietätsvertrag. Die Beklagte habe seinen Beitrag auch falsch berechnet. Seine Einnahmen seien inzwischen - wie sich aus dem Steuerbescheid für 1982 ergebe - so weit gesunken, daß sie nicht mehr die Beitragsbemessungsgrenze erreichten. Der Kläger wendet sich schließlich dagegen, daß der Beitragsberechnung sein Einkommen ohne Rücksicht auf steuerliche Freibeträge zugrunde gelegt worden ist.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Detmold vom 12. Juli 1984 und den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 1983 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie bezieht sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil. Die dort zugrunde gelegten Normen (§ 180 Abs. 5 RVO, § 15 SGB 4) hält sie nicht für verfassungswidrig. Es handele sich um zulässige Pauschalierungen angesichts einer "unendlichen Fülle von Lebenssachver-halten".

Beide Beteiligten haben einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) zugestimmt.

II

Die Revision ist unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, daß bei der Errechnung des Grundlohns, aus dem sich der Beitrag des Klägers zur KVdR ergibt, auch sein Einkommen aus der Sozietät zu berücksichtigen ist.

§ 180 Abs. 5 Nr. 3 RVO bestimmt, daß zum Grundlohn auch das Arbeitseinkommen gehört. Nach § 15 SGB 4 ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen, Tätigkeit. Bei der Ermittlung des Gewinns sind steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen und Veräußerungsgewinne abzuziehen.

Der Bescheid der Beklagten entspricht diesen gesetzlichen Vorgaben. § 15 SGB 4 differenziert (anders als z.B. § 9 Abs. 1 und § 6 Abs. 3 Satz 3 letzter Halbsatz der VO zu § 30 Abs. 3 bis 5 des Bundesversorgungsgesetzes für den Berufsschadensausgleich) bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit nicht zwischen demjenigen Teil der Einkünfte, der unmittelbar auf die eigene Arbeitsleistung zurückgeht, und dem Teil, der durch Einsatz von Kapital und die Mitarbeit unselbständig tätiger Mitarbeiter erzielt wird. § 15 umfaßt vielmehr den gesamten Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit.

Die Beklagte hat auch zu Recht die vom Kläger genannten Steuerfreibeträge unberücksichtigt gelassen. Dabei handelt es sich im einzelnen um

-

einen Altersentlastungsbetrag (§ 24a Einkommensteuergesetz -EStG- )

-

den Sonderausgaben - Pauschbetrag (§ 10c Abs. 1 EStG)

-

Versicherungsbeiträge nach § 10 Abs. 3 EStG

-

den Freibetrag für freie Berufe (§ 18 Abs. 4 EStG)

-

den Altersfreibetrag (§ 32 Abs. 2 EStG)

-

den allgemeinen Tariffreibetrag.

Bei all diesen Posten handelt es sich um die Auswirkungen steuerlicher Vorschriften, die nicht die Ermittlung des Gewinns betreffen (zum Gewinnbegriff vgl. § 4 Abs. 1 und 3 EStG: Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres bzw. Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebs-ausgaben); sie regeln vielmehr die Höhe der aus dem Gewinn zu zahlenden Steuern (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EW einerseits und § 2 Abs. 3 bis 5 EStG andererseits). Sie sind nach § 15 SGB 4 insgesamt unbeachtlich, weil danach Arbeitseinkommen mit Gewinn gleichgesetzt und nicht auf denjenigen Teil des Gewinns beschränkt wird, von dem letztlich Steuern zu zahlen sind. Die Einschränkung in § 15 Satz 2, daß steuerliche Vergünstigungen unbeachtlich bleiben, bezieht sich auf steuerliche Vorschriften, die im Rahmen der Gewinnermittlung wirksam werden (vgl. Merten in GK-SGB 4 § 15 RdNr 38; Hauck/Haines SGB 4 K § 15 RdNr 6).

Nicht zu beanstanden ist ferner, daß die Beklagte von den vorliegenden Einkommensteuerbescheiden ausgegangen ist und keine eige-nen Ermittlungen angestellt hat. Dies hat der erkennende Senat bereits entschieden (SozR 2200 § 180 Nr. 20, S 66 ff). Ob es auch zuläs-sig war, vom durchschnittlichen Einkommen der letzten drei Jahre auszugehen, kann hier dahinstehen; denn dadurch ist der Kläger jeden-falls nicht beschwert worden.

Unbeachtlich ist der Einwand des Klägers, sein Einkommen sei inzwischen gesunken. Insoweit handelt es sich um neues Tatsachenvor-bringen, das der Senat in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigen kann. Er hat allein den im angefochtenen Urteil festgestellten Sach-verhalt zu beurteilen, wie er dem SG im Zeitpunkt der Entscheidung vorlag.

Auch über den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 1984, der nach der Entscheidung erster Instanz (verkündet am 12. Juli 1984), aber vor Einlegung der Revision ergangen ist und die Beiträge für das Jahr 1984 betrifft, ist hier nicht zu entscheiden; denn ein solcher Verwal-tungsakt wird nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens, sondern bei der Vorinstanz anhängig (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl., § 96 RdNr 8).

Da somit die Beklagte den Beitrag des Klägers zur KVdR für das Jahr 1983 zutreffend berechnet hat, könnte die Revision des Klägers nur Erfolg haben, wenn eine der Bestimmungen, auf die sich die Beklagte stützt, in einer für die Entscheidung des vorliegenden Falles erhebli-chen Auswirkung mit dem Grundgesetz nicht vereinbar wäre.

Es gibt zunächst keine Anhaltspunkte dafür, daß § 15 SGB 4 als solcher verfassungswidrig ist; dies wird auch vom Kläger nicht geltend gemacht. In Betracht kommt allein eine Verfassungswidrigkeit des § 180 Abs. 5 Nr. 3 RVO i.V.m. § 15 SGB 4. Insofern rügt der Kläger,

-

daß überhaupt auf sein Einkommen aus seiner Anwaltstätigkeit zurückgegriffen wird,

-

daß es neben den Steuern noch mit einer "Steuer zur Krankenversicherung" belastet wird,

-

daß hierbei die steuerlich zugestandenen Freibeträge unbeachtet bleiben und

-

daß bei den Einnahmen nicht differenziert wird, inwieweit sie einerseits Entgelt für gegenwärtige Arbeitsleistung sind und andererseits Einkünfte aus einer auf dem Sozietätsvertrag beruhenden Altersversorgung.

Der Kläger wendet sich damit nicht gegen seine Einbeziehung in die KVdR; für verfassungswidrig hält er lediglich den dafür geforderten Beitrag. Dem kann der erkennende Senat nicht folgen.

Art. 14 des Grundgesetzes (GG) ist durch die - mit Wirkung vom 1. Januar 1983 erfolgte - Änderung der Berechnungsgrundlagen für die Beiträge zur KVdR (Einfügung der Abs. 5 bis 8 in § 180 RVO durch das RAG 1982 vom 1. Dezember 1981, BGBl I 1205) nicht verletzt. Das Eigentum des Klägers ist durch Erhöhung seines Krankenversicherungsbeitrags nicht beeinträchtigt. Das Bundesverfassungsgericht -BVerfG- (BVerfGE 69, 272) hat hierzu in einem Urteil vom 16. Juli 1985, das die Einschränkung der KVdR durch das Krankenversiche-rungs - Kostendämpfungsgesetz vom 27. Juni 1977 (Forderung einer "Halbbelegung") betrifft, folgende Leitsätze aufgestellt.

1.

Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Träger als privatnützig zugeordnet ist; diese genießt den Schutz der Eigen-tumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient.

2.

Die rentenversicherungsrechtliche Position des Versicherten aus § 1235 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung, nach welcher der Rentenversicherungsträger Beiträge oder Zuschüsse für die Krankenversicherung der Rentner zu zahlen hat, ist Gegen-stand der Eigentumsgarantie. Sie wird jedoch durch die Neufassung des § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a RVO durch das Kranken-versicherungs-Kostendämpfungsgesetz nicht berührt.

3.

Die krankenversicherungsrechtliche Position der Rentner aus § 165 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung a.F., die eine Aussicht auf beitragslosen Krankenversicherungsschutz im Rentenfall eröffnete, war nicht durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.

In dieser Entscheidung hat das BVerfG auch ausgeführt, daß der durch Beitragszahlung erworbene Anspruch auf eine Rentnerkrankenver-sicherung den Gesetzgeber nur verpflichte, den versicherten Rentner in die Lage zu versetzen, "einen seinen Einkommensverhältnissen entsprechenden Krankenversicherungsschutz zu erlangen" (aaO S. 305, 306). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an (s. auch seine Urteile vom 16. Februar 1983 - 12 RK 79/80 - BSGE 54, 293 und vom 18. Dezember 1984 - 12 RK 36/84 - BSGE 58, 10). Danach ist der Kläger durch die streitige Beitragsforderung nicht in seinem Eigentumsrecht verletzt, da er einen vollen Krankenversiche-rungsschutz genießt und dies zu einem Beitrag, der in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Gesamteinkommen steht. Beitrags-pflichtig sind bei den in der KVdR pflichtversicherten Rentnern wie dem Kläger nur die in § 180 Abs. 8 RVO genannten Einkommensarten, und auch sie nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 180 Abs. 1 Satz 3 RVO); für die Rente gilt dabei ein Beitragssatz von 11,8%, für die übrigen beitragspflichtigen Einkünfte ein Beitragssatz in Höhe der Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes der zuständigen Kranken-kasse bzw. ihres Landesverbandes, wobei zum Beitrag für die Rente gemäß § 1304e RVO = § 83 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) ein Zuschuß gewährt wird.

Das Eigentum des Klägers wird auch nicht dadurch in verfassungswidriger Weise übermäßig belastet, daß sein Krankenversicherungs-beitrag nicht die einzige Abgabe ist, sondern - worauf der Kläger besonders hinweist - die von ihm zu zahlenden Steuern hinzutreten. Das BVerfG und im Anschluß daran der erkennende Senat haben bereits entschieden, daß unter dem Gesichtspunkt der Gesamtbelastung mit Abgaben und Abzügen ein Verstoß gegen Art. 14 GG erst dann in Betracht kommt, wenn alle Geldleistungspflichten zusammen den Eigentümer so stark belasten, daß das Eigentum seine freiheitssichernde Funktion nicht mehr erfüllen kann (Erdrosselungswirkung; s. dazu BVerfGE 14, 221, 241; 19, 119, 129; 27, 111, 131; BSG SozR 4100 § 186b Nr. 1). Eine solche "Erdrosselungswirkung" kann bei der Belastung von Versorgungsbezügen mit Zahlungspflichten erst angenommen werden, wenn die Belastung so erheblich ist, daß die Alterssicherung letztlich nicht mehr gewährleistet ist (s. dazu auch BVerfGE 29, 327, 331; 31, 8, 23). Davon kann hier indes nicht die Rede sein. Zum einen ist die Belastung des Klägers auch unter Einbeziehung der Steuern nicht so stark, daß seine Altersversorgung gefährdet wäre oder nicht mehr als angemessen angesehen werden könnte. Außerdem ist hier zu beachten, daß die Pflichtmitgliedschaft des Klä-gers in der KVdR ihn zugleich von anderen Aufwendungen für eine Krankenversicherung oder von Krankheitskosten entlastet.

Der Kläger meint nun allerdings, eine Erdrosselungswirkung ergebe sich daraus, daß seine kleine Rente mit einer Krankenversicherung gekoppelt sei, die einen die Rente weit übersteigenden Beitrag nach sich ziehe. Hierbei übersieht er aber, daß zwar seine Versicherung in der KVdR durch den Rentenbezug bewirkt wird, die Höhe des Beitrags jedoch nicht allein durch den Rentenbezug, sondern auch durch die Höhe seiner sonstigen Einkünfte bedingt ist und zu diesen in einem angemessenen Verhältnis steht. Insoweit hat das BVerfG in dem oben zitierten Urteil vom 16. Juli 1985 auch ausgesprochen, daß eine gesetzliche Regelung nicht deshalb beanstandet werden kann, weil der Versicherte wegen seiner sonstigen Einkünfte u.U. den größten Teil der Versicherungsrente allein für den Krankenversicherungsschutz aufbringen muß (aaO S. 307). Entsprechendes gilt, wenn - wie beim Kläger -die Rente durch den Krankenversicherungsbeitrag ganz auf-gezehrt wird oder sogar darüber hinausgehende Beiträge anfallen. Entscheidend für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der den Kläger treffenden Beitragsbelastung ist, daß ihn der Beitrag, gemessen an seinen gesamten Einkommensverhältnissen, nicht übermäßig belas-tet, er andererseits aber eine entsprechende "Gegenleistung" in Form eines vollen Krankenversicherungsschutzes erhält.

Die Einbeziehung von Arbeitseinkommen in die Grundlohnberechnung für die Beiträge zur KVdR ist schließlich auch unter dem Gesichts-punkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verfassungswidrig.

Gegenüber versicherungspflichtigen Arbeitnehmern stellt die Einbeziehung von Arbeitseinkommen keine Ungleichbehandlung zu Lasten des Klägers dar, weil auch Arbeitnehmer von dem Arbeitsentgelt, das sie neben der Rente erzielen, Beiträge zahlen müssen (§ 165 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 6 Nr. 1; §§ 180 Abs. 1, 381 Abs. 1, 385 Abs. 1; § 180 Abs. 6 Nr. 1 RVO). Selbständige wie der Kläger sind sogar günstiger gestellt. Ihr Arbeitseinkommen wird nur insoweit der Beitragsberechnung zugrunde gelegt, als es zusammen mit dem Zahlbetrag der Rente die Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigt (§ 180 Abs. 5 Nr. 3 RVO), während bei Arbeitnehmern das Arbeitsentgelt neben der Rente uneingeschränkt bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen ist. Außerdem können bei Selbständigen im Rahmen der Ermittlung des Arbeitseinkommens alle Werbungskosten abgezogen werden, was bei Arbeitnehmern nicht der Fall ist. Sie haben nach § 180 Abs. 1 RVO Beiträge vom Bruttoarbeitsentgelt zu zahlen.

Der Kläger wird auch nicht dadurch ungleich behandelt, daß der Gesetzgeber beim Arbeitseinkommen der noch selbständig tätigen Rent-ner nicht danach unterschieden hat, ob und inwieweit das Arbeitseinkommen auf eigener Arbeitsleistung beruht oder aus dem eingeset-zten Kapital und/oder der Arbeitsleistung eines Sozius und von sonstigen Mitarbeitern fließt. Eine Heranziehung des Arbeitseinkommens, unabhängig von dem Umfang der Mitarbeit des Beziehers, rechtfertigt sich schon aus Verwaltungsvereinfachungsgründen. Die Kranken-kassen wären überfordert, wenn sie bei jedem selbständig Tätigen ermitteln müßten, in welchem Umfang er tatsächlich noch in seinem Gewerbebetrieb, seiner Praxis, seiner Landwirtschaft oder sonst tätig ist, und in welchem Umfang diese Tätigkeit nach Art der Vertrags-gestaltung sich in den Einnahmen niederschlägt. Der Gesetzgeber muß insoweit vereinfachende - generalisierende und typisierende - Regelungen treffen dürfen, insbesondere wenn dies zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung erforderlich ist (vgl. BVerfGE 9, 20, 31 f; 27, 220, 230; 40, 121, 136). Unerträglich hohe Belastungen werden hier auch durch den relativ mäßigen (halben) Beitragssatz zur Krankenversicherung (§ 385 Abs. 2a RVO) und die Beitragsbemessungsgrenze vermieden. Im übrigen ist eine Anknüpfung an die formale Stellung als selbständig Tätiger der Sozialversicherung auch sonst nicht fremd. Sie findet sich für das Beitragsrecht z.B. in der Handwer-kerversicherung (§ 1 HwVG) und für das Leistungsrecht in der Altershilfe für Landwirte (§ 2 Abs. 1 Buchst. c GAL: Abgabe des Unterneh-mens).

Keine Ungleichbehandlung des Klägers liegt ferner vor im Verhältnis zu Anwälten, die aus ihrer Praxis ausgeschieden sind, dort also nicht mehr mitarbeiten, und ihr Alterseinkommen aus der entgeltlichen Überlassung der Praxis an einen Dritten ziehen. Zwar ist der Kläger gegenüber solchen Anwälten insofern stärker belastet, als jene aus den ihnen zufließenden Einkünften, weil diese kein Arbeitseinkommen sind, keine Beiträge zu entrichten haben. Darin liegt jedoch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Abgesehen davon, daß es bei jeder Grenzziehung Fälle gibt, deren unterschiedliche Behandlung nicht voll überzeugen mag, für die aber gewichtige Gründe der Praktikabilität sprechen, könnte hier ein möglicher Gleichheitsverstoß des Gesetzgebers jedenfalls nicht dazu führen, daß die Beitragspflicht des Klägers entfällt; er könnte allenfalls zur Einbeziehung auch der genannten Einkünfte in die Beitragspflicht nötigen.

Nicht begründet ist schließlich die Revision insoweit, als sie eine Ungleichbehandlung des Klägers durch Nichtberücksichtigung von Steuerfreibeträgen bei der Beitragsberechnung geltend macht. Im Verhältnis zu Arbeitnehmern liegt insoweit keine Ungleichbehandlung vor, weil bei diesen, sofern sie nicht wegen Geringfügigkeit der Beschäftigung versicherungsfrei sind, das Bruttoarbeitsentgelt der Bei-tragsberechnung zugrundezulegen ist, Steuerfreibeträge mithin unberücksichtigt bleiben. Wenn der Gesetzgeber der Eigenart von Einkünf-ten aus selbständiger Tätigkeit dadurch Rechnung trägt, daß er den Abzug von Werbungskosten zuläßt, die bei selbständiger Tätigkeit im übrigen eine weit größere Rolle als bei einer abhängigen Beschäftigung spielen, so folgt daraus nicht, daß alle steuerlichen Regelungen auf die Grundlohnberechnung "durchschlagen" müssen. Ein sachlicher Grund, bei Selbständigen Sonderausgaben und Freibeträge, die nach Steuerrecht abzugsfähig sind, auch im Beitragsrecht auszuklammern, ist nicht erkennbar. Dies würde letztlich sogar zu einer nicht vertretbaren Ungleichbehandlung gegenüber Arbeitnehmern führen.

Ebenso liegt endlich keine Ungleichbehandlung des Klägers im Verhältnis zu denjenigen Versicherten vor, die nicht die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Steuerfreibeträgen und Sonderausgaben erfüllen. Zwar tragen alle diese steuerlichen Regelungen besonde-ren Belastungen Rechnung, die es rechtfertigen, die von ihnen Betroffenen in geringerem Umfang zu Abgaben für den Staatshaushalt heranzuziehen. Bei den Beiträgen zur Krankenversicherung geht es jedoch - und dies verkennt der Kläger - nicht um eine weitere Steuer zur Erschließung neuer Staatseinnahmen, sondern um einen Beitrag für ein solidarisches Sicherungssystem, aus dem auch der Kläger in erheblichem Umfang Leistungen erhält. Dieser Beitrag ist notwendig, um die Kosten für diese Leistungen zu finanzieren. Wenn der Gesetzgeber die Finanzierung eines solchen Systems an den Einkommensverhältnissen - unabhängig von der sonstigen individuellen Belastung - orientiert, so erscheint dies sachgerecht und ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, zumal der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Finanzierung solcher Sicherungssysteme nach der Rechtsprechung des BVerfG einen weiten Spiel-raum hat (vgl. u.a. BVerfGE 44, 70, 90).

Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.12 RK 43/84

Bundessozialgericht

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518247

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