Leitsatz (amtlich)

Die MdE eines Beschädigten, der das 55. Lebensjahr vollendet hat, ist bei Besserung seines Gesundheitszustandes gemäß BVG § 62 Abs 3 S 1 iVm SVG § 80 S 1 auch dann nicht niedriger festzustellen, wenn ihre mehr als 10 Jahre zurückliegende frühere Feststellung im Rahmen der Feststellung des Anspruchs auf einen Ausgleich (SVG § 85) erfolgt ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Berechnung der 10-Jahresfrist (BVG § 62 Abs 3 S 1) sind Zeiten, in denen ein Anspruch auf Ausgleich nach SVG § 85 bestand, zu berücksichtigen. Diese Auslegung gewährleistet die Gleichbehandlung der Beschädigten nach dem SVG mit denen nach dem BVG.

2. Eine Bindung der Versorgungsverwaltung an Feststellungen der Bundeswehrverwaltung über das Vorliegen gesundheitlicher Schädigungen als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung im Rahmen der Entscheidung über einen Ausgleich nach SVG §§ 81 und 85 ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

3. Den Gemeinsamen Erlassung des BMVg und des BMA vom 1972-02-24 und 1974-08-12 fehlt als nur im innerdienstlichen Bereich wirkenden Verwaltungsvorschriften die Allgemeinverbindlichkeit einer Rechtsnorm. Unmittelbar aus ihnen können mithin Rechtsansprüche nicht hergeleitet werden. Dagegen folgt aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der gleichen Behandlung aller Staatsbürger (GG Art 3 Abs 1) ein Anspruch auf Beachtung der Verwaltungsvorschriften in den dafür vorgesehenen Fällen. Die Versorgungsverwaltung muß deshalb bei ihren Entscheidungen über den Versorgungsanspruch grundsätzlich von den im Bescheid der Bundeswehrverwaltung festgestellten Schädigungsfolgen ausgehen.

4. Sie darf aber davon abweichen, soweit ihre tatsächlichen Voraussetzungen inzwischen durch Änderung der Verhältnisse iS des BVG § 62 Abs 1 S 1 in Wegfall gekommen sind.

5. Trotz der weitgehenden Eigenständigkeit der Ansprüche nach SVG § 85 und auf Versorgung würde es dem Sinn und Zweck der Schutzvorschrift des BVG § 62 Abs 3 S 1 nicht entsprechen, wenn sie nur für den betreffenden Anspruch gelten und somit Fälle des Übergangs von einem auf den anderen Anspruch nicht erfassen würden. Deshalb darf die MdE eines Soldaten, der nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr einen Versorgungsantrag stellt und der die Voraussetzungen des BVG § 62 Abs 3 S 1 iVM BVG § 80 S 1 erfüllt (55 Jahre alt, seit Feststellung nach dem SVG 10 Jahre unveränderte MdE) trotz Besserung seines Gesundheitszustandes nicht niedriger als in der Entscheidung über den Ausgleich nach SVG § 85 festgesetzt werden.

 

Normenkette

BVG § 62 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1966-12-28; SVG § 80 S. 1 Fassung: 1971-09-01, § 85 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1971-09-01, § 81; GG Art. 3 Abs. 1; BVG § 62 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Oktober 1975 geändert.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12. Dezember 1974 wird zurückgewiesen, soweit es sich um die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit handelt.

Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen Besserung des Gesundheitszustandes gemäß § 62 Abs 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) auch dann nicht niedriger festzusetzen ist, wenn sie zwar in den letzten zehn Jahren seit Feststellung unverändert geblieben ist, es sich dabei aber um die für die Gewährung eines Ausgleichs während der Dienstzeit nach § 85 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) erfolgte Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung gehandelt hat.

Der am 1. Dezember 1914 geborene Kläger erlitt im Jahre 1958 als Major der Bundeswehr bei einem Flugzeugabsturz erhebliche Verletzungen. Durch Bescheid vom 8. Juli 1960 erkannte das Wehrbereichsgebührnisamt V als Schädigungsfolgen ua an: "Funktionell-nervöse Störungen nach Schädelbasisbruch mit Hirnschwellung." Die MdE wurde bis Ende 1958 auf 100 vH, bis 31. März 1960 auf 70 vH und ab 1. April 1960 auf 60 vH festgesetzt. Drei Nachuntersuchungen ergaben unbeschadet einer Neufassung der Schädigungsfolgen (Bescheid vom 24. März 1964) keine Änderung der MdE.

Am 6. April 1971 beantragte der mit Ablauf des 31. März 1971 aus der Bundeswehr ausgeschiedene Kläger beim Versorgungsamt Köln Beschädigtenversorgung. Nach neurologischer und chirurgischer Begutachtung erkannte dieses durch Bescheid vom 5. Juni 1972 als Schädigungsfolgen nicht mehr die funktionell-nervösen Störungen nach Schädelbasisbruch mit Hirnschwellung an und bewertete die MdE für die übrigen, im wesentlichen unveränderten Schädigungsfolgen ab 1. April 1971 mit 30 vH. Den Widerspruch, mit dem der Kläger Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule, eine besondere berufliche Betroffenheit und eine MdE um 60 vH anerkannt haben wollte, wies das Landesversorgungsamt (LVA) Nordrhein-Westfalen durch Bescheid vom 21. Dezember 1972 zurück.

Zur Klagebegründung verwies der Kläger in erster Linie auf § 85 Abs 4 SVG und § 62 Abs 3 BVG. Mit Urteil vom 12. Dezember 1974 hat das Sozialgericht (SG) Köln den Bescheid vom 5. Juni 1972 unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides abgeändert und den Beklagten für verpflichtet erklärt, dem Kläger unter Beibehaltung der im Bescheid vom 24. März 1964 anerkannten Schädigungsfolgen auch über den 31. März 1971 hinaus weiter Rente nach einer MdE um 60 vH zu zahlen. Das SG hat ausgeführt, die Soldaten der Bundeswehr dürften nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst nicht schlechter gestellt werden als die Soldaten der Kaiserlichen Armee, der Reichswehr und der Deutschen Wehrmacht. Im übrigen verweise § 85 Abs 4 SVG ausdrücklich auf § 62 Abs 3 BVG. Das von der Beklagten geübte Verfahren sei auch nicht mit einer nahtlosen Versorgung der Soldaten der Bundeswehr vereinbar und begegne schließlich als "venire contra factum proprium" rechtlichen Bedenken.

Zur Berufungsbegründung hat der Beklagte geltend gemacht, nach § 85 Abs 4 SVG erlösche der Anspruch auf Ausgleich mit der Beendigung des Wehrdienstverhältnisses. Folglich könne ihm für den Anspruch auf Versorgung nach § 80 SVG keinerlei rechtliche Bedeutung oder Wirkung mehr zukommen. Mangels den §§ 85 und 86 BVG entsprechender Übergangsregelungen im SVG sei durch den Gemeinsamen Erlaß des Bundesministers der Verteidigung und des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 9. Dezember 1968 allein eine einheitliche Beurteilung des Kausalzusammenhanges nach den §§ 85 und 80 SVG gewährleistet. Unter diesen Voraussetzungen diene der Antrag auf Versorgung nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses nicht der "Weitergewährung der Leistungen", sondern sei nach § 83 Abs 2 Satz 1 letzter Halbsatz SVG Voraussetzung für die Entstehung des Versorgungsanspruchs überhaupt und führe nur bei rechtzeitiger Antragstellung zu einem nahtlosen Übergang der Ausgleichsleistungen in die Versorgungsleistungen. Die Schutzvorschriften des § 85 Abs 4 SVG einerseits und des § 62 Abs 3 BVG andererseits beträfen jeweils nur die Ausgleichs- bzw die Versorgungsleistungen, nicht aber den Übergang von der einen zur anderen Leistung. Der angefochtene Bescheid stehe auch nicht in Widerspruch zum früheren Verhalten der Versorgungsverwaltung. Abgesehen davon, daß die ausdrückliche Begrenzung der Leistungsbewilligung im Bescheid vom 8. Juli 1960 auf die Dauer des Dienstverhältnisses einem darüber hinausreichenden Vertrauen des Klägers auf Leistungsfortdauer entgegengestanden habe, sei die Mitwirkung der Versorgungsverwaltung bei der Anerkennung des Ausgleichsanspruchs im Jahre 1960 nach dem erwähnten Gemeinsamen Erlaß auf die Sicherstellung der einheitlichen Beurteilung des Kausalzusammenhangs beschränkt gewesen. Die Anwendung des § 62 Abs 3 BVG scheitert jedenfalls daran, daß der Kläger nicht die einer MdE um 60 vH entsprechende Rente für die Zeit von mindestens zehn Jahren "nach dem BVG" bezogen habe; dies sei dem Kommentar von Wilke in Anm 3 zu § 62 BVG und dem dort zitierten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Juli 1970 - 8 RV 1/69 - (SozR Nr 41 zu § 62 BVG) zu entnehmen. Diese Schlechterstellung der Wehrdienstbeschädigten nach dem SVG gegenüber dem unmittelbar nach dem BVG versorgten Personenkreis sei vom Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen; sie sei hinzunehmen, zumal sich beim Kläger tatsächlich eine wesentliche Besserung der anerkannten Schädigungsfolgen ergeben habe.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Ergebnis einer Nachmusterung des Klägers beigezogen, durch Urteil vom 21. Oktober 1975 die Klage unter Abänderung des Urteils des SG abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Zur Begründung hat es sich der Berufungsbegründung des Beklagten angeschlossen.

Die auf Beschwerde des Klägers mit Beschluß des Senats vom 11. Mai 1976 zugelassene Revision hat der Kläger am 25. Mai 1976 eingelegt und am 16. Juli 1976 begründet. Er rügt die Nichtanwendung des § 62 Abs 3 BVG. Wenn auch der angefochtene Bescheid die Versorgungsrente nach §§ 80 und 81 SVG erstmals festgesetzt habe, so sei dadurch doch nicht erstmalig über den Versorgungsanspruch entschieden worden. Der Bescheid vom 8. Juli 1960 habe nämlich nicht nur die Zuerkennung des Ausgleichs, sondern zugleich auch die Anerkennung der Wehrdienstbeschädigung und die Festsetzung der dadurch bedingten MdE zum Gegenstand gehabt. Dies sei für das spätere Verfahren nach den §§ 80 und 81 SVG maßgebend. Für die anerkannten Schädigungsfolgen seien der Ausgleichs- und der Versorgungsanspruch nach der gleichen Rechtsquelle - dem SVG - festzustellen. Die Versorgungsverwaltung handele bei Feststellung des Versorgungsanspruchs nur im Auftrag des Bundes; deshalb sei sie an die Leidensfeststellungen im Bescheid nach § 85 SVG gebunden und habe den entsprechend anzuwendenden Grundsatz des § 62 Abs 3 BVG zu beachten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Oktober 1975 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12. Dezember 1974 zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verweist auf das angefochtene Urteil und verbleibt dabei, daß der Bescheid vom 8. Juli 1960 eine Rechtswirkung über die Beendigung des Wehrdienstverhältnisses hinaus, die allein Gegenstand einer Bindung des Beklagten hätte sein können, nicht gehabt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist daher zulässig. Sie erweist sich hinsichtlich der Höhe der MdE als begründet, im übrigen aber als unbegründet.

Wie sich aus dem Revisionsbegehren des Klägers ergibt, will er durch Aufhebung des LSG-Urteils das Urteil des SG wiederhergestellt wissen, welches - seinem Antrag entsprechend - den Beklagten für verpflichtet erklärt hatte, ihm unter Beibehaltung der im Bescheid vom 24. März 1964 anerkannten Schädigungsfolgen auch über den 31. März 1971 hinaus weiter Rente nach einer MdE um 60 vH zu zahlen. Streitig sind mithin unter den Beteiligten die Frage der Bindung des Beklagten an die im Bescheid vom 24. März 1964 anerkannten Schädigungsfolgen und die Frage seiner Bindung an die in diesem Bescheid festgestellte MdE. Der Senat ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beklagte bei Erlaß des angefochtenen Bescheides nicht an die im Bescheid vom 24. März 1964 festgestellten Schädigungsfolgen, wohl aber an die hier festgestellte MdE um 60 vH gebunden war.

Eine Bindung der Versorgungsverwaltung an Feststellungen der Bundeswehrverwaltung über das Vorliegen gesundheitlicher Schädigungen als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung im Rahmen der Entscheidung über einen Ausgleich nach §§ 81 und 85 SVG ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. § 88 Abs 5 Nr 3 SVG spricht vielmehr gegen eine solche Annahme. Denn eine Erstreckung der Verbindlichkeit rechtskräftiger sozialgerichtlicher Entscheidungen zur Frage der Wehrdienstbeschädigung und des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einer Wehrdienstbeschädigung aus dem Verfahren wegen des Ausgleichsanspruchs auf das spätere Versorgungsverfahren wäre dann entbehrlich gewesen, wenn die Versorgungsverwaltung ohnehin jeweils an den von der Bundeswehrverwaltung im Anschluß an die rechtskräftige sozialgerichtliche Entscheidung zu erlassenden Ausführungsbescheid gebunden wäre oder wenn ein dem § 85 BVG entsprechender Schutz von der Bundeswehrverwaltung anerkannter Schädigungsfolgen im Versorgungsverfahren bestünde.

Die gesetzliche Normierung einer Bindung der Versorgungsverwaltung an die Feststellungen der Bundeswehrverwaltung zur Wehrdienstbeschädigung und zum ursächlichen Zusammenhang wäre vom Zweck der Versorgung der Soldaten der Bundeswehr her allerdings angebracht. Denn es besteht keine Notwendigkeit, die gemeinsamen Grundlagen eines für die Zeit des aktiven Dienstes und die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Dienst durchaus unterschiedlich regelbaren Entschädigungsanspruchs einer doppelten Prüfung zu unterziehen, die zudem die Gefahr voneinander abweichender Entscheidungen mit sich bringt. Es ist auch nicht unbedenklich, daß die Soldaten der Bundeswehr, die beim Ausscheiden aus dem aktiven Dienst ohne Wechsel des Dienstherrn und Kostenträgers (vgl § 88 Abs 6 SVG) aus der Zuständigkeit der Bundeswehrverwaltung in die der Versorgungsverwaltung übergehen, nicht einen gesetzlichen Schutz bereits anerkannter Schädigungsfolgen genießen, wie ihn die Soldaten der Wehrmacht und ihrer Vorgänger trotz Wechsels des Dienstherrn nach § 85 BVG erhalten, der ausdrücklich die Rechtsverbindlichkeit einer nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG getroffenen Entscheidung nach dem BVG vorsieht. Rechtliche Folgerungen für den vorliegenden Fall ergeben sich daraus jedoch nicht, wie noch darzutun sein wird.

Zur Sicherung einer einheitlichen Entscheidung über die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung haben der Bundesminister der Verteidigung und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Gemeinsamen Erlaß vom 9. Dezember 1968 (BVBl 1969 S. 23), geändert durch die Gemeinsamen Erlasse vom 24. Februar 1972 (BVBl 1972 S. 43) und vom 12. August 1974 (BVBl 1974 S. 118), eine Verfahrensregelung getroffen. Sie regelt in den Fragen der Wehrdienstbeschädigung und damit ursächlich zusammenhängender Gesundheitsstörungen die Herbeiführung einer übereinstimmenden Auffassung zwischen der Bundeswehrverwaltung und der Versorgungsverwaltung (Teil A und B) mit der Wirkung (Teil C), daß die Entscheidung der einen Verwaltung für die andere Verwaltung verbindlich ist.

Diesen nur im innerdienstlichen Bereich wirkenden Verwaltungsvorschriften fehlt die Allgemeinverbindlichkeit einer Rechtsnorm. Unmittelbar aus den Verwaltungsvorschriften können mithin Rechtsansprüche nicht hergeleitet werden. Dagegen folgt aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der gleichen Behandlung aller Staatsbürger (Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes - GG -) ein Anspruch auf Beachtung der Verwaltungsvorschriften in den dafür vorgesehenen Fällen. Verstößt die Verwaltung ohne triftigen Grund gegen die sich aus den Verwaltungsvorschriften unter Beachtung des Gleichheitssatzes ergebende Selbstbindung (vgl hierzu BSGE 29, 246, 248; 40, 120, 125), so ist ihre Entscheidung aus diesem Grunde rechtswidrig. Der Beklagte mußte deshalb bei seiner Entscheidung über den Versorgungsanspruch des Klägers zunächst von den im Bescheid der Bundeswehrverwaltung vom 24. März 1964 festgestellten Schädigungsfolgen ausgehen. Er durfte aber davon abweichen, soweit ihre tatsächlichen Voraussetzungen inzwischen durch Änderung der Verhältnisse in Wegfall gekommen waren. Denn die Verbindlichkeit nach Teil C des Gemeinsamen Erlasses kann nicht über das Maß derjenigen Verbindlichkeit hinausgehen, die sich bei Abwicklung des gesamten Verfahrens durch eine einzige Verwaltung ergeben würde; auch sie unterliegt vielmehr dem Gesetzesvorbehalt des § 62 Abs 1 Satz 1 BVG. Gerade darauf hat sich hier aber der Beklagte berufen. Er hat nämlich im Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1972 ausgeführt, bei der nervenfachärztlichen Untersuchung im Februar 1972 hätten klinisch, elektro-encephalografisch und röntgenologisch Folgen einer Hirnschädigung nicht mehr festgestellt werden können. Hierzu hat das LSG festgestellt, die durch den angefochtenen Bescheid anerkannte Leidensbezeichnung stimme mit den versorgungsärztlichen Gutachten vom 21. Februar und 4. Mai 1972 überein. Dies ist von der Revision nicht beanstandet worden und daher gemäß § 163 SGG für den Senat bindend.

Die im angefochtenen Bescheid gegenüber dem Bescheid vom 24. März 1964 vorgenommene Änderung der Schädigungsfolgen ist somit durch § 62 Abs 1 BVG gedeckt. Es hat aus diesem Grunde für die Entscheidung des Senats nicht mehr darauf anzukommen, ob etwa die Gleichbehandlung aller Beschädigten die entsprechende Anwendung des in § 85 BVG niedergelegten Schutzgedankens auf Fälle der vorliegenden Art erfordert. Denn selbst wenn davon auszugehen wäre und wenn es deshalb auf eine aus dem Gemeinsamen Erlaß herzuleitende Verbindlichkeit des Bescheides vom 24. März 1964 für den Beklagten nicht mehr anzukommen hätte, war der Beklagte doch gemäß § 62 Abs 1 Satz 1 BVG berechtigt, inzwischen eingetretene Änderungen in den anerkannten Schädigungsfolgen durch Änderung ihrer Bezeichnung zu berücksichtigen. Deshalb kann die Revision mit dem Anliegen keinen Erfolg haben, es bei der Bezeichnung der Schädigungsfolgen im Bescheid vom 24. März 1964 zu belassen.

Soweit es sich um die Höhe der MdE handelt, ist die Revision jedoch begründet. Entgegen der Auffassung des LSG muß die in § 62 Abs 3 Satz 1 BVG enthaltene Regelung auch auf den vorliegenden Fall zur Anwendung kommen. Auszugehen ist davon, daß die im Dritten Teil des SVG geregelte Beschädigtenversorgung für die aktiven und die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr ebenso eine öffentlich-rechtliche Entschädigung für gesundheitliche und wirtschaftliche Nachteile ist, welche der Einzelne in Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Dienstpflicht erlitten hat, wie das BVG für die Beschädigten der früheren Deutschen Wehrmacht und ihrer Vorgänger. Im Unterschied zum BVG, das erst nach Auflösung der Deutschen Wehrmacht mit Wirkung für die Zukunft geschaffen worden ist und somit nicht die Frage einer Abstufung der Versorgung während der Dienstzeit und nach Beendigung der Dienstzeit zu regeln hatte, enthält das SVG die Regelung der Versorgung während des Dienstes in der Bundeswehr und die Regelung der Versorgung für die Zeit nach dem Ausscheiden aus diesem Dienst. Es wird für jeden dieser Zeitabschnitte ein eigener Anspruch eingeführt; für die Zeit des aktiven Dienstes der Ausgleichsanspruch und für die Zeit nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr der Versorgungsanspruch. Dabei besteht in der rechtlichen Konstruktion keinerlei Verbindung zwischen beiden Ansprüchen. Der Ausgleich wird von Amts wegen, die Versorgung dagegen nur auf Antrag gewährt; beide Leistungen sind zeitlich nur nacheinander denkbar (vgl § 85 Abs 1 sowie Abs 4 Satz 3 mit § 80 Satz 1 SVG). Eine Bindung der über die Versorgung entscheidenden Verwaltung an die Entscheidung über den Ausgleich ist allein in Bezug auf die Frage einer Wehrdienstbeschädigung und den ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem Tatbestand des § 81 SVG sowie zum Vorliegen einer Gesundheitsstörung im Sinne des § 81 Abs 4 Satz 2 SVG (Kannversorgung), stets aber nur dann gesetzlich vorgesehen, wenn und soweit ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit hierüber rechtskräftig entschieden hat (§ 88 Abs 5 Nr 3 SVG). Bei einer so weitgehenden Eigenständigkeit der Ansprüche auf Ausgleich und auf Versorgung, die durch die in dem erwähnten Gemeinsamen Erlaß enthaltene Regelung eher unterstrichen als verwischt wird, liegt der Gedanke des Beklagten und des LSG nahe, daß auch die Schutzvorschrift des § 62 Abs 3 Satz 1 BVG, die sowohl für den Ausgleichsanspruch als auch für den Versorgungsanspruch nach dem SVG gilt (vgl §§ 85 Abs 4 Satz 2 und 80 Satz 1 SVG), jeweils nur für den betreffenden Anspruch gelten soll und somit die Fälle des Übergangs von einem auf den anderen Anspruch bewußt nicht erfaßt. Indes erweist sich dieser Gedanke nach dem Gesetzeswortlaut bei Berücksichtigung der Rechtsentwicklung als nicht zutreffend.

Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 12. Dezember 1974 - 10 RV 317/73 - (SozR 3100 Nr 1 zu § 62 BVG) dargelegt hat, war erstmals in § 62 Abs 4 BVG idF des 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) vorgesehen, bei Versorgungsberechtigten, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, die Höhe der MdE wegen Besserung des Gesundheitszustandes nicht neu festzustellen, wenn sie bei der Umanerkennung oder Erstanerkennung nach diesem Gesetz aufgrund eines eingehenden ärztlichen Gutachtens festgestellt worden und seitdem zehn Jahre unverändert geblieben ist. Das SVG idF des Ersten Gesetzes zur Änderung des SVG vom 8. September 1961 (BGBl I 1685) hat nur auf § 62 Abs 1 und 2 BVG, nicht aber auch auf § 62 Abs 4 BVG damaliger Fassung verwiesen, obwohl bereits durch Art 2 des Gesetzes über die Altersgrenzen der Berufssoldaten vom 9. Juni 1961 (BGBl I 723) in § 45 Abs 1 des Soldatengesetzes neben der allgemeinen Altersgrenze des 60. Lebensjahres die abgestuften Altersgrenzen für Unteroffiziere und Offiziere (bis zum Hauptmann 52., Major 54., Oberstleutnant 56., Oberst 58. Lebensjahr) festgelegt worden waren. Erst nachdem durch das 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) die Regelung des bisherigen § 62 Abs 4 BVG unter Verzicht auf das Erfordernis eines eingehenden ärztlichen Gutachtens nach § 62 Abs 3 BVG übernommen worden war, verwies § 85 Abs 4 Satz 2 SVG idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des SVG vom 8. August 1964 (BGBl I 649) auch auf diese Bestimmung, die schließlich - idF des 3. NOG vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) - die Vollendung des 55. an die Stelle der Vollendung des 60. Lebensjahres treten ließ.

Der Verteidigungsausschuß des Bundestages bezeichnete die Verweisung in § 85 Abs 4 SVG auf § 62 Abs 3 BVG als Änderung "redaktioneller Art" (vgl BT-Drucks IV/2390). Sachlich wurde damit der bislang nur für die Versorgungsempfänger bestehende Schutz des § 62 Abs 3 BVG auf die Ausgleichsempfänger in der Bundeswehr ausgedehnt. Dem Sinn des § 62 Abs 3 BVG, eine seit zehn Jahren unverändert gebliebene MdE von der Vollendung des 60. (später des 55.) Lebensjahres an nicht mehr wegen Besserung des Gesundheitszustandes herabzusetzen, um dadurch eine gewisse Beruhigung der Beschädigten auf der einen Seite und eine Einsparung wenig effektiven Verwaltungsaufwandes auf der anderen Seite zu erreichen (vgl BSG aaO), konnte jedoch die bloße Ausdehnung des von § 62 Abs 3 BVG gewährten Schutzes auf die Ausgleichsempfänger der Bundeswehr nicht gerecht werden. Denn nach den oben wiedergegebenen Altersgrenzen für Berufssoldaten fielen bei Erstreckung des § 62 Abs 3 BVG auf die Ausgleichsempfänger im Jahre 1964 Altersgrenze und Altersvoraussetzung nach § 60 Abs 3 BVG - damals 60 Jahre - derart zusammen, daß schon aus diesem Grunde ein Wirksamwerden des Schutzes aus § 60 Abs 3 BVG praktisch für keinen Ausgleichsempfänger in Betracht kommen konnte. Selbst nach dem Inkrafttreten des 3. NOG konnte die Altersvoraussetzung des § 60 Abs 3 BVG von nunmehr 55 Jahren nur von den Dienstgraden ab Oberstleutnant aufwärts im aktiven Dienst - und somit als Ausgleichsempfänger - erreicht werden. Aber auch für diese gering zu veranschlagende Zahl von Fällen entfiel der mit 55 Jahren erreichte Schutz bei der vom Beklagten und vom LSG vertretenen Rechtsauffassung gemäß § 85 Abs 4 Satz 3 SVG bereits wenige Jahre danach wieder. Daran hat auch die Erhöhung der Altersgrenzen um jeweils ein Jahr durch Art 9 § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3091) nichts Wesentliches geändert.

Eine zunächst wirkungslose und auch später nur bedingt wirksame - nämlich vom Dienstgrad und von der danach ausgerichteten Altersgrenze abhängige - Ausdehnung des § 62 Abs 3 BVG auf die Ausgleichsempfänger der Bundeswehr kann - von den unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung hiergegen zu erhebenden Bedenken abgesehen - dem Willen des Gesetzgebers nicht unterstellt werden. Dies um so weniger, als der Wortlaut des § 62 Abs 3 BVG nicht an den Versorgungsanspruch, sondern an die MdE anknüpft und somit auch bei seiner entsprechenden Anwendung im Bereich des SVG eine Auslegung erlaubt, die dem Sinn und Zweck der Bestimmung einerseits und andererseits auch dem Bedürfnis nach weitgehender versorgungsrechtlicher Gleichbehandlung aller wehrdienstbeschädigten Soldaten Rechnung trägt.

§ 62 Abs 3 Satz 1 BVG in der für den vorliegenden Fall maßgebenden Fassung des 3. NOG setzt bei entsprechender Anwendung im Bereich des SVG voraus, daß es sich um einen Versorgungsberechtigten handelt, der das 55. Lebensjahr vollendet hat, und daß seine MdE in den letzten zehn Jahren seit Feststellung nach dem SVG unverändert geblieben ist. Das trifft hier zu. Denn die MdE des Klägers, die durch Bescheid vom 8. Juli 1960 ab 1. April 1960 nach dem SVG - zunächst für den Anspruch auf Ausgleich - auf 60 vH festgestellt worden war, ist bis zum Ausscheiden des Klägers aus dem aktiven Bundeswehrdienst am 31. März 1971 unverändert geblieben. Deshalb schließt hier § 62 Abs 3 Satz 1 BVG eine niedrigere Festsetzung der MdE aus.

Der Senat läßt dahingestellt, ob es zu dieser Auslegung der Erstreckung des § 62 Abs 3 BVG auf die Regelung des Ausgleichs bedarf oder ob sie sich nicht für den hier zu beurteilenden Fall der Versorgung schon aus der von Anfang an im SVG enthaltenen Verweisung des § 80 Satz 1 SVG auf das BVG ergibt. In jedem Fall ist nämlich durch die Ausdehnung dieses Schutzes auf den Ausgleich nach § 85 SVG klargestellt worden, daß die MdE nach dem SVG im Rahmen der Ansprüche auf Ausgleich und auf Versorgung nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen ist. Nur auf diese Weise läßt sich eine Gleichbehandlung der Beschädigten nach dem SVG mit denjenigen nach dem BVG in bezug auf den von § 62 Abs 3 Satz 1 BVG bezweckten Schutz alterer Beschädigter erreichen. Nur so kann auch der Sinn und Zweck dieses Schutzes - Beruhigung der Beschädigten einerseits, Einsparung wenig effektiven Verwaltungsaufwandes andererseits durch Wegfall von Nachuntersuchungen bei über zehn Jahre unverändert gebliebener MdE - im Bereich des SVG zum Tragen gebracht werden. Die MdE des Klägers ist somit trotz Besserung seines Gesundheitszustandes gemäß § 62 Abs 3 Satz 1 BVG iVm § 80 Satz 1 SVG nicht niedriger festzustellen, obwohl es sich bei ihrer mehr als zehn Jahre zurückliegenden Feststellung um die Höhe des Ausgleichs nach § 85 SVG gehandelt hat.

Diesem Ergebnis steht das Urteil des BSG vom 23. Juli 1970 - 8 RV 1/69 - (SozR Nr 41 zu § 62 BVG) nicht entgegen. Dort hatte der seinerzeit noch für Versorgungsangelegenheiten zuständige 8. Senat des BSG entschieden, bei der Umstellung eines Versorgungsanspruchs auf das BVG nach Art I § 3 Satz 1 des Gesetzes zur Einführung des BVG im Saarland vom 18. August 1961 iVm dem BVG idF des 2. NOG sei § 62 Abs 3 BVG nicht anwendbar, weil es in diesen Fällen an einer vorangegangenen Feststellung des Anspruchs auf Versorgung nach dem BVG fehle und das saarländische Recht eine dem § 62 Abs 3 BVG entsprechende Regelung nicht enthalten habe. Im vorliegenden Fall ist jedoch - anders als in dem Fall des saarländischen Übergangsrechts - auch in dem Versorgungsabschnitt, den der Kläger mit Ausscheiden aus der Bundeswehr verlassen hat, gesetzlich die entsprechende Anwendung des § 62 Abs 3 BVG ausdrücklich vorgesehen (vgl § 85 Abs 4 Satz 2 SVG).

Nach alledem muß das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen werden, soweit es sich um die Höhe der MdE handelt. Soweit der Kläger dagegen die Bezeichnung seiner Schädigungsfolgen beanstandet, muß seine Revision zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; sie trägt dem Gesichtspunkt Rechnung, daß der Kläger mit seinem wesentlichen Anliegen - der Beibehaltung der MdE und damit der Rentenhöhe - Erfolg gehabt hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649877

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