Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung. Zulässigkeit. Ausgleichsrente

 

Orientierungssatz

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG liegt ein Streit über die Höhe der Ausgleichsrente iS des § 148 Nr 4 SGG nicht vor, wenn das Urteil des SG die Frage der Sicherstellung des Lebensunterhalts nach § 32 Abs 1 BVG betrifft. Dagegen ist die Berufung nach dieser Vorschrift ausgeschlossen, wenn das SG über die Höhe der Ausgleichsrente im Rahmen des § 33 Abs 1 BVG entschieden hat, wobei es keinen Unterschied macht, ob zwischen den Parteien über die tatsächliche Höhe einer zahlbaren Ausgleichsrente gestritten wird oder ob mit Rücksicht auf ein vorhandenes sonstiges Einkommen Streit darüber besteht, daß eine Ausgleichsrente überhaupt gezahlt oder eine solche nicht gezahlt wird (vgl BSG 1955-06-16 8 RV 461/54 = BSGE 1, 62).

 

Normenkette

SGG § 148 Nr. 4 Fassung: 1953-09-03; BVG § 32 Abs. 1, § 33 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 28.03.1962)

SG Münster (Entscheidung vom 25.10.1957)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. März 1962 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Dem Kläger wurden durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt Westfalen vom 12. Juni 1948 als Gesundheitsschädigungen nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 "Zustand nach sternförmigem Bruch des Stirnbeins rechts, Bruch des oberen rechten Augenhöhlenrandes, Bruch der linken Augenhöhle mit Stenose des Tränenkanals links, mit Tränenfistel am inneren Lidwinkel, sekundärem Bindehautkatarrh, Auswärtskantung des linken Unterlides, Herabsetzung des Sehvermögens auf ein Drittel, linksseitige chronische Kiefernhöhleneiterung, Synechien und Septumverbiegung der Nase mit Herabsetzung des Riechvermögens, entstellende Narben im Gesicht und heftige Kopfschmerzen" bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 60 v. H. vom 1. März 1948 an anerkannt. Im Januar 1953 beantragte der Kläger Ausgleichsrente in voller Höhe nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 1. Juni 1952 an. Er gab hierzu an, daß er im Juni 1952 eine Landwirtschaft von etwa 13 ha gepachtet habe und sich infolge Schulden und der Notwendigkeit, wegen seiner Kriegsbeschädigung Hilfskräfte zu halten, in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinde. Mit Umanerkennungsbescheid vom 17. Februar 1953 übernahm das Versorgungsamt (VersorgA) G die bisher anerkannten Schädigungsfolgen und die MdE auch nach dem BVG. Es gewährte dem Kläger vorläufig die halbe Ausgleichsrente unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer späteren endgültigen Regelung. Anschließend legte der Kläger eine Bescheinigung des Finanzamts G vom 1. April 1954 vor, nach der sich auf Grund der Verordnung zur Gewinnermittlung für nichtbuchführende Land- und Forstwirte vom 2. Juni 1949 ein Jahresgewinn in Höhe von 2544 DM ergab. Nach Abzug des Pauschbetrages für Sonderausgaben und des Freibetrages für nichtbuchführende Landwirte verblieb ein steuerpflichtiges Einkommen von 1344 DM, so daß er keine Steuern zu zahlen hatte. Das VersorgA Gelsenkirchen erließ daraufhin den Bescheid vom 6. April 1954, in dem es ausführte, daß dem Kläger eine Ausgleichsrente seit dem 1. Juni 1952 nicht zustehe, weil sein Lebensunterhalt bei der Größe seines Betriebes (52 Morgen) als sichergestellt anzusehen sei. Nach der vorgelegten Bescheinigung des Finanzamts vom 1. April 1954 betrage der monatliche Gewinn 212 DM, so daß die Einkommensgrenze von 160 DM bzw. von 180 DM vom 1. März 1954 an überschritten sei. Gleichzeitig forderte das VersorgA den überzahlten Betrag in Höhe von 495 DM zurück und behielt 15 DM monatlich von den laufenden Bezügen ein. Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts - LVersorgA - Westfalen vom 13. November 1954. Das LVersorgA begründete die Zurückweisung des Widerspruchs damit, daß das jährliche Einkommen des Klägers nach der Bescheinigung des Finanzamts 2544 DM betrage, von denen ein Pauschbetrag in Höhe von 200 DM für Versicherungsprämien zu Krankenkassen usw. abzuziehen sei. Damit ergebe sich ein sonstiges Einkommen von jährlich 2344 DM = monatlich rd. 195 DM. Steuerliche Vergünstigungen könnten bei der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens nicht berücksichtigt werden.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Münster durch Urteil vom 25. Oktober 1957 den Beklagten entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Klägers unter Änderung des Bescheides vom 6. April 1954 und Aufhebung des Widerspruchsbescheides verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. August 1953 an Ausgleichsrente unter Anrechnung von monatlich 141 DM als sonstiges Einkommen zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt: Es habe zunächst zu prüfen gehabt, ob der Lebensunterhalt des Klägers auf andere Weise sichergestellt ist, da er in diesem Falle keinen Anspruch auf Ausgleichsrente habe. Wann der Lebensunterhalt eines Beschädigten und seiner Familie sichergestellt sei, ergebe sich aus den Einkommensgrenzen des § 33 BVG. Bei einem Einheitswert des von dem Kläger gepachteten Grundstücks in Höhe von 23715 DM ergebe sich als Einkommen ein Grundbetrag von 1976 DM; von diesem Betrag seien die Pacht- und Schuldzinsen mit 1893 DM abzusetzen, so daß ein Rest von 83 DM verbleibe. Von dem Wert der Arbeitsleistung des Klägers in Höhe von 1200 DM seien 180 DM abzusetzen; der Wert der Arbeitsleistung der Ehefrau betrage 600 DM. Damit ergebe sich ein monatliches Einkommen von 141 DM. Da vom 1. August 1953 an die Einkommensgrenze für den Kläger monatlich 160 DM betrage und durch das Einkommen von 141 DM sein Lebensunterhalt nicht sichergestellt sei, habe er Anspruch auf Ausgleichsrente für die Zeit vom 1. August 1953 an.

Der Beklagte hat Berufung eingelegt und zur Begründung mit Schriftsatz vom 30. April 1958 vorgetragen, die Berufung gegen das Urteil des SG sei weder nach § 148 Nr. 3 noch nach § 148 Nr. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen. Das SG habe zwar eine Berechnung des Einkommens angestellt, dies sei aber erklärtermaßen nur zu dem Zweck geschehen, festzustellen, ob der Lebensunterhalt des Klägers sichergestellt ist oder nicht. Der Streit um die Frage der Sicherstellung des Lebensunterhalts werde aber nicht dadurch zu einem Streit um die Höhe der Ausgleichsrente i. S. des § 148 Nr. 4 SGG, daß das SG zur Auslegung des § 32 BVG rechtsirrtümlich auf § 33 BVG zurückgegriffen habe. Materiell-rechtlich sei im vorliegenden Falle der Lebensunterhalt des Klägers bei der Höhe des Einheitswertes des Hofes von 23715 DM als sichergestellt anzusehen; auch sei die Einkommensgrenze des § 33 BVG überschritten.

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 28. März 1962 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Münster vom 25. Oktober 1957 als unzulässig verworfen; es hat die Revision zugelassen. Nach Ansicht des LSG ist für die Zulässigkeit der Berufung nicht von entscheidender Bedeutung, daß das SG der Prüfung nach § 33 BVG noch die Feststellung angeschlossen habe, der Lebensunterhalt des Versorgungsberechtigten sei nicht als sichergestellt anzusehen, jedenfalls dann nicht, wenn alle Beteiligten davon ausgingen, daß der Begriff der Sicherstellung in § 32 BVG durch die Einkommenshöchstgrenzen des § 33 BVG gesetzlich umrissen sei und der Sachverhalt keinen Anlaß gebe, die Frage der Sicherstellung noch nach anderen Gesichtspunkten als denen des § 33 BVG zu erörtern. Würde man in einem solchen Falle die Berufung als zulässig ansehen, käme § 148 Nr. 4 SGG bei Klagen gegen Bescheide, in denen die Gewährung von Ausgleichsrente wegen Überschreitung der Einkommenshöchstgrenze abgelehnt werde, nie zur Anwendung, weil immer auch eine Sicherstellung des Lebensunterhalts in Betracht gezogen werden müßte. Im vorliegenden Falle gehe der Streit der Beteiligten vor dem SG tatsächlich nur um Fragen der Einkommensberechnung nach § 33 BVG. Zwar sei auch von "Sicherstellung des Lebensunterhalts" die Rede, jedoch nicht i. S. eines selbständigen, von dem Ergebnis der Berechnung nach § 33 BVG unabhängigen Anspruchausschließungsgrundes. In dem Bescheid vom 6. April 1954 sei allerdings als Grund für die Ablehnung der Ausgleichsrente auch angegeben, daß bei der Größe des Pachtbetriebs der Lebensunterhalt des Klägers als sichergestellt angesehen werden müsse, im Widerspruchsbescheid werde darauf aber nicht mehr eingegangen, sondern nur noch der in dem Bescheid vom 6. April 1954 ebenfalls angeführte Ablehnungsgrund erörtert, daß sich aus der von dem Kläger vorgelegten Bescheinigung des Finanzamts ein monatlicher Gewinn ergebe, der die Einkommenshöchstgrenze nach § 33 BVG überschreite. Nur gegen diese Berechnung wende sich auch die Klage. Das Urteil des SG betreffe somit tatsächlich nur die allein umstrittene Einkommensberechnung nach § 33 BVG. Die Berufung des Beklagten sei daher nach § 148 Nr. 4 SGG ausgeschlossen; Verfahrensmängel i. S. des § 150 Nr. 2 SGG, die sein Rechtsmittel trotzdem zulässig machen könnten, seien nicht gerügt.

Gegen dieses ihm am 17. April 1962 zugestellte Urteil des LSG hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 27. April 1962, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 28. April 1962, Revision eingelegt und beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. März 1962 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

In der Revisionsbegründung vom 8. Mai 1962, auf die im einzelnen Bezug genommen wird, rügt der Beklagte in erster Linie, das LSG habe zu Unrecht eine Prozeßentscheidung statt einer Sachentscheidung getroffen, weil das SG nicht nur über die Höhe der Ausgleichsrente entschieden habe. Durch Bescheid vom 6. April 1954 sei die Gewährung der Ausgleichsrente aus doppeltem Grunde abgelehnt worden, nämlich einerseits weil der Lebensunterhalt des Klägers sichergestellt sei, andererseits weil sein anrechenbares Einkommen die Einkommenshöchstgrenzen des § 33 BVG überschreite. Das SG habe diese richtig erkannt und die Entscheidungsgründe mit dem Satz begonnen: "Die Kammer hatte zunächst zu prüfen, ob der Lebensunterhalt des Klägers auf andere Weise sichergestellt ist, da er in diesem Falle keinen Anspruch auf Ausgleichsrente hat." Allerdings habe das SG in rechtlich unzutreffender Weise die Einkommensgrenzen des § 33 BVG für die Abgrenzung des Begriffs der Sicherstellung des Lebensunterhalts für maßgebend gehalten und daher eine Berechnung nach dieser Vorschrift angestellt. Wenn es auch die Prüfung der Sicherstellung mit der Berechnung der Ausgleichsrente verquickt habe, so sei nach den Entscheidungsgründen seines Urteils nicht abzustreiten, daß seine Berechnung zur Verneinung der Sicherstellung des Lebensunterhalts geführt habe. Auch aus der Rechtsmittelbelehrung des SG ergebe sich, daß es über die Sicherstellung des Lebensunterhalts entschieden habe, da es andernfalls auf den Berufungsausschließungsgrund des § 148 Nr. 4 SGG hingewiesen hätte. Das LSG habe dem Umstand entscheidendes Gewicht beigelegt, daß alle Beteiligten davon ausgegangen seien, der Begriff der Sicherstellung in § 32 BVG werde durch die Einkommenshöchstgrenzen des § 33 BVG gesetzlich umrissen. Das treffe jedoch für die Versorgungsverwaltung nicht zu, da in den angefochtenen Bescheiden ausdrücklich auf die Frage der Sicherstellung eingegangen worden sei. Das LSG habe daher seine Feststellung über die Rechtsauffassung des Beklagten unter Überschreitung der Grenzen seines Rechts zur freien Beweiswürdigung getroffen, weil es den Inhalt der Bescheide unrichtig ausgewertet habe. Das LVersorgA habe auch im Schriftsatz vom 24. August 1955 gegenüber dem SG erklärt, daß es keine Möglichkeit sehe, von "der bisherigen Beurteilung" abzuweichen; damit sei selbstverständlich auch die Sicherstellung des Lebensunterhalts angesprochen worden. In dem Umstand, daß das LSG diesen Schriftsatz nicht ausgewertet habe, sei ein weiterer Verstoß gegen § 128 SGG zu erblicken. Im übrigen komme es bei der Frage, welchen Streitgegenstand ein Urteil betreffe, nicht darauf an, welche Rechtsauffassung im Einzelfalle von den Beteiligten vertreten wird und welche rechtliche Behandlung diese vom Gericht erwarten. Das Berufungsgericht sei ferner zu Unrecht der Meinung, wesentliche Verfahrensmängel seien nicht gerügt worden. Vielmehr habe das LVersorgA in der Berufungsbegründung vorgetragen, es sei nicht ersichtlich, wie sich der vom SG angesetzte Betrag von 1893 DM für Pacht- und Schuldzinsen zusammensetze. Mit diesem Vorbringen sei gerügt worden, daß dem Urteil des SG in einem wesentlichen Punkt die Begründung fehle (§ 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG). Ferner sei damit eine Überschreitung der Grenzen des Rechts zur freien Beweiswürdigung und gegebenenfalls mangelnde Sachaufklärung geltend gemacht worden. Da im Berufungsverfahren im Gegensatz zum Revisionsverfahren (vgl. § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG) keine Pflicht bestehe, wesentliche Verfahrensmängel zu substantiieren, hätte das LSG diesen Verfahrensrügen nachgehen und, falls es das für erforderlich gehalten hätte, den Beklagten zu ergänzenden Erklärungen veranlassen müssen; dann wäre auch eine weitere Substantiierung der behaupteten Verfahrensmängel erfolgt.

Der Kläger beantragt, die Zurückweisung der Revision als unbegründet; er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die durch Zulassung statthafte Revision des Beklagten (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Seine Revision ist jedoch nicht begründet.

Der Beklagte rügt in erster Linie, das Berufungsgericht habe statt einer Prozeßentscheidung eine Sachentscheidung treffen müssen. Er ist der Meinung, der Berufungsausschließungsgrund des § 148 Nr. 4 SGG greife im vorliegenden Falle nicht ein, weil das SG nicht über die Höhe der Ausgleichsrente, sondern über die Frage der Sicherstellung des Lebensunterhalts und damit über den Grund der Ausgleichsrente entschieden habe. Diese Rüge geht jedoch fehl, da das LSG im Ergebnis zutreffend die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Münster vom 25. Oktober 1957 als unzulässig verworfen hat.

Die Zulässigkeit der Berufung des Beklagten ist nach den §§ 143 ff SGG i. d. F. vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 25. Juni 1958 (BGBl I S. 409) zu beurteilen, da dieses Gesetz auf Prozeßhandlungen, die vor seinem Inkrafttreten am 1. Juli 1958 abgeschlossen waren, nicht anwendbar ist (BSG 8, 135, SozR SGG § 143 Bl. Da 2 Nr. 2 und 3). Da die Berufung des Beklagten am 8. März 1958 eingelegt worden ist, findet § 148 Nr. 4 SGG aF Anwendung. Nach dieser Vorschrift konnten Urteile der Sozialgerichte mit der Berufung nicht angefochten werden, wenn sie die Höhe der Ausgleichsrente "betreffen". Hiernach kam es nach der damaligen Rechtslage nicht darauf an, ob im Berufungsverfahren die Höhe der Ausgleichsrente streitig war, sondern darauf, ob das Urteil des SG die Höhe der Ausgleichsrente betrifft, d. dh. ob im Verfahren vor dem SG die Höhe der Ausgleichsrente streitig war und es lediglich darüber entschieden hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. SozR SGG § 148 Bl. Da 2 Nr. 5) liegt ein Streit über die Höhe der Ausgleichsrente i. S. des § 148 Nr. 4 SGG nicht vor, wenn das Urteil des SG die Frage der Sicherstellung des Lebensunterhalts nach § 32 Abs. 1 BVG betrifft. Dagegen ist die Berufung nach dieser Vorschrift ausgeschlossen, wenn das SG über die Höhe der Ausgleichsrente im Rahmen des § 33 Abs. 1 BVG entschieden hat, wobei es keinen Unterschied macht, ob zwischen den Parteien über die tatsächliche Höhe einer zahlbaren Ausgleichsrente gestritten wird oder ob mit Rücksicht auf ein vorhandenes sonstiges Einkommen Streit darüber besteht, daß eine Ausgleichsrente überhaupt gezahlt oder eine solche nicht gezahlt wird; denn auch in letzterem Falle liegt nicht ein Streit über die sonstigen Voraussetzungen der Ausgleichsrente - so daß die Berufung zulässig wäre - vor, sondern ein Streit über die Höhe der Ausgleichsrente (vgl. BSG 1, 62, 66).

Das SG hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 25. Oktober 1957 ausgeführt, es habe zunächst zu prüfen gehabt, ob der Lebensunterhalt des Klägers auf andere Weise sichergestellt ist, da er in diesem Falle keinen Anspruch auf Ausgleichsrente habe. Es hat dann, ohne die Frage der Sicherstellung des Lebensunterhalts auf andere Weise i. S. des § 32 Abs. 1 BVG zu prüfen, die Rechtsauffassung vertreten, es ergebe sich aus den Einkommensgrenzen des § 33 BVG, wann der Lebensunterhalt eines Beschädigten und seiner Familie sichergestellt ist (a. A. BSG 6, 125). Entsprechend seiner Rechtsauffassung hat das SG anschließend geprüft, welches Einkommen der Kläger hat. Es ist hierbei unter Berücksichtigung der Bescheinigungen des Finanzamts Gelsenkirchen-Süd vom 1. April und 17. Dezember 1954 zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger damals ein monatliches Einkommen von 141 DM gehabt hat, das unter der Einkommensgrenze des § 33 Abs. 1 BVG lag. Das Urteil des SG betrifft somit in Wirklichkeit, wie das LSG zutreffend erkannt hat, lediglich die Frage, ob dem Kläger nach seinem Einkommen bei Berücksichtigung der Einkommensgrenzen eine Ausgleichsrente im Rahmen des § 33 Abs. 1 BVG zusteht. Wenn das SG hierbei von der - nicht zutreffenden - Rechtsauffassung ausgegangen ist, daß der Lebensunterhalt des Klägers allein deshalb nicht sichergestellt ist, weil sein Einkommen die Einkommensgrenzen des § 33 Abs. 1 BVG nicht erreicht, so hat es damit lediglich eine Folge seiner Rechtsauffassung ausgesprochen, ohne daß es damit über den Anspruch auf Ausgleichsrente dem Grunde nach i. S. des § 32 Abs. 1 BVG entschieden hat. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß im Tatbestand des angefochtenen Urteils im einzelnen die für die Berechnung des Einkommens wesentlichen Tatsachen wiedergegeben sind und das SG in den Entscheidungsgründen dann auf Grund dieser von ihm ermittelten Tatsachen geprüft hat, ob und in welcher Höhe dem Kläger eine Ausgleichsrente bei Berücksichtigung der Einkommensgrenzen des § 33 Abs. 1 BVG zusteht. Das Urteil des SG betrifft daher nach den gesamten Umständen lediglich die Höhe der Ausgleichsrente i. S. des § 148 Nr. 4 SGG, unbeschadet des Umstandes, daß die Gewährung einer Ausgleichsrente völlig abgelehnt wurde.

Die Richtigkeit dieser Auslegung wird auch dadurch bestätigt, daß im Verfahren vor dem SG nach dem Sachverhalt lediglich die Höhe des Einkommens des Klägers und damit die Frage streitig war, ob die Einkommensgrenzen des § 33 Abs. 1 BVG erreicht waren oder nicht. Wenn der Beklagte demgegenüber in der Revisionsbegründung vorträgt, es sei vor dem SG auch die Sicherstellung des Lebensunterhalts auf andere Weise - ohne Berücksichtigung der Einkommensgrenzen des § 33 BVG - streitig gewesen, so trifft dies nicht zu. Zwar hat das VersorgA Gelsenkirchen den Bescheid über die Nichtgewährung einer Ausgleichsrente vom 6. April 1954 sowohl darauf gestützt, daß der Lebensunterhalt des Klägers sichergestellt sei, als auch darauf, daß das Einkommen des Klägers die Einkommensgrenzen des § 33 Abs. 1 BVG überschreite. In dem Widerspruchsbescheid des LVersorgA Westfalen vom 13. November 1954 wird jedoch entgegen dem Vorbringen des Beklagten die Ablehnung der Ausgleichsrente nur darauf gestützt, daß die Einkünfte des Klägers die Einkommensgrenzen des § 33 Abs. 1 BVG überschritten. Der Widerspruchsbescheid beginnt zwar mit dem Satz: "Der angefochtene Bescheid des Versorgungsamts Gelsenkirchen vom 6. April 1954 stellt fest, daß in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Versorgungsbezüge maßgebend gewesen sind, insofern eine wesentliche Änderung eingetreten ist, als Ihr Lebensunterhalt durch die Pachtung des 12,75 ha großen landwirtschaftlichen Betriebes als sichergestellt anzusehen ist und vom 1. Juni 1952 ab kein Anspruch auf Gewährung einer Ausgleichsrente besteht." Hierin ist jedoch lediglich eine Wiedergabe des Inhalts des Bescheides vom 6. April 1954 zu erblicken, ohne daß das LVersorgA im folgenden auch nur mit einem Wort zum Ausdruck bringt, daß die Ablehnung der Ausgleichsrente wegen Sicherstellung des Lebensunterhalts gerechtfertigt war. Vielmehr stützt das LVersorgA die Nichtgewährung der Ausgleichsrente in den Gründen des Widerspruchsbescheides allein darauf, daß das Einkommen des Klägers die Einkommensgrenzen des § 33 Abs. 1 BVG überschreite. Der Beklagte übersieht bei seinem Vorbringen, daß nach § 95 SGG Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Nach dieser Vorschrift wird somit durch den Widerspruchsbescheid der angefochtene Verwaltungsakt neu gestaltet und dieser ist in der neuen Gestalt nunmehr Streitgegenstand (vgl. hierzu auch Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur SGb, Anm. zu § 95). Nachdem durch den Widerspruchsbescheid vom 13. November 1954 der angefochtene Bescheid vom 6. April 1954 dahin gestaltet worden ist, daß die Ablehnung der Ausgleichsrente allein auf die Überschreitung der Einkommensgrenzen des § 33 Abs. 1 BVG gestützt wird, ist Streitgegenstand vor dem SG nur die Frage gewesen, ob dem Kläger eine Ausgleichsrente deswegen zusteht, weil sein Einkommen die Einkommensgrenzen des § 33 Abs. 1 BVG nicht erreicht. Dementsprechend bezieht sich auch die Klagebegründung lediglich auf die Einkommensverhältnisse des Klägers. Wenn der Beklagte demgegenüber die Ablehnung des von dem Kläger geltend gemachten Ausgleichsrentenanspruchs auf die Sicherstellung seines Lebensunterhalts i. S. des § 32 Abs. 1 BVG auch vor dem SG hätte stützen wollen, so hätte er dies erneut zum Ausdruck bringen müssen. Das ist aber mit dem Formularschriftsatz vom 24. August 1955 nicht geschehen. Wenn dort lediglich ausgeführt wurde, das LVersorgA sehe nach Prüfung der Klagebegründung keine Möglichkeit, von der bisherigen Beurteilung abzuweichen, so kann unter "bisheriger" Beurteilung lediglich der angefochtene Bescheid vom 6. April 1954 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 1954 gemeint sein. Wie oben bereits dargelegt, hat das LVersorgA in dem Widerspruchsbescheid die Ablehnung des Ausgleichsrentenanspruchs lediglich auf die Überschreitung der Einkommensgrenzen gestützt. Streitgegenstand vor dem SG war somit die Höhe der Ausgleichsrente unter Berücksichtigung der Einkommensgrenzen, wie sich auch daraus ergibt, daß das SG im Tatbestand seines Urteils lediglich die dafür maßgebenden Gesichtspunkte angeführt hat. Der in den Entscheidungsgründen enthaltenen Rechtsauffassung, daß sich aus den Einkommensgrenzen des § 33 BVG ergebe, wann der Lebensunterhalt eines Beschädigten und seiner Familie sichergestellt ist, kann daher für die Frage der Zulässigkeit der Berufung keine Bedeutung beigemessen werden, da das SG die Beurteilung der Frage, ob dem Kläger eine Ausgleichsrente zusteht, in Wirklichkeit lediglich auf das Einkommen des Klägers und die Einkommensgrenzen des § 33 Abs. 1 BVG abgestellt hat. Das Urteil des SG betrifft somit die Höhe der Ausgleichsrente i. S. des § 148 Nr. 4 SGG, so daß die Berufung im vorliegenden Falle nach dieser Vorschrift ausgeschlossen ist. Da das Revisionsgericht die Frage der Zulässigkeit der Berufung unabhängig von den Ausführungen in dem Urteil des LSG und den darin angeblich enthaltenen "Feststellungen", gegen die sich der Beklagte in der Revisionsbegründung mit der Rüge einer Verletzung des § 128 SGG wenden will, zu prüfen hat, bedarf es insoweit keiner weiteren Erörterung.

Rechtserheblich ist allerdings das Vorbringen des Beklagten, er habe im Berufungsverfahren das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels i. S. des § 150 Nr. 2 SGG gerügt, da zutreffendenfalls die an sich nach § 148 Nr. 4 SGG ausgeschlossene Berufung statthaft wäre. Der Beklagte trägt hierzu vor, er habe in der Berufungsbegründung vom 30. April 1958 einen wesentlichen Mangel im Verfahren des SG mit folgendem Satz gerügt: "Weiterhin ist nicht ersichtlich, wie sich der vom Gericht abgesetzte Betrag von 1893 DM an Pacht- und Schuldzinsen zusammensetzt." Zwar muß die Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels nach § 150 Nr. 2 SGG nicht den Formerfordernissen des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG entsprechen, da diese Vorschrift nur für das Revisionsverfahren gilt (vgl. BSG in SozR SGG § 150 Bl. Da 14 Nr. 31). Eine solche Rüge braucht daher nicht substantiiert i. S. dieser Vorschrift zu sein. Immerhin muß sich zumindest aus dem Vorbringen des Rügenden entnehmen lassen, daß nach seiner Ansicht eine tatsächliche Feststellung des SG verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Ob schon der Satz "es ist nicht ersichtlich, wie sich der vom Gericht abgesetzte Betrag von 1893 DM an Pacht- und Schuldzinsen zusammensetzt" eine Verfahrensrüge darstellt, wie der Beklagte in der Revisionsbegründungsnachträglich unter Bezug auf Verfahrensvorschriften dartun will, kann jedoch dahingestellt bleiben, da aus dem Tatbestand des sozialgerichtlichen Urteils ersichtlich ist, wie das SG zu diesem Betrag gekommen ist; dort ist der Betrag von 1632 DM für Pachtzinsen und der Betrag von 261 DM für Schuldzinsen, also zusammen 1893 DM angegeben. Selbst wenn man also in dem angeführten Satz eine Verfahrensrüge i. S. des § 150 Nr. 2 SGG erblicken wollte, so würde diese Rüge nicht durchgreifen. Das LSG hat daher mit dem angefochtenen Urteil zu Recht die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Münster vom 25. Oktober 1957 als unzulässig verworfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2379759

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