Leitsatz (redaktionell)

1. Regelungsfreiheit der Ersatzkassen bei der Leistungsgestaltung für freiwillig Weiterversicherte.

Anspruch auf ärztliche Behandlung als Sachleistung bei freiwilliger Weiterversicherung ?

2. Zur Frage der Gewährung freier vertragsärztlicher Behandlung auf Krankenschein durch Ersatzkassen.

3. Eine unmittelbare gesetzliche Verpflichtung der Ersatzkassen, ihren freiwillig weiterversicherten Mitgliedern die ärztliche Behandlung als Naturalleistung zu gewähren, besteht nicht; die Ersatzkassen können somit in ihren Versicherungsbedingungen, die Bestandteil der Satzung sind, bestimmen, daß diese Mitglieder nur eine Vergütung der nachweisbar aufgewendeten Behandlungskosten bis zur Höhe der Vertragssätze erhalten.

4. Eine Satzungsbestimmung der Ersatzkassen, die den Anspruch freiwillig weiterversicherter Mitglieder auf vertragsärztliche Behandlung (Naturalleistung) bis zur Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze in der Angestelltenversicherung davon abhängig machte, daß ihr Einkommen diese Versicherungspflichtgrenze nicht überschreitet, und den Mitgliedern mit höherem Einkommen lediglich einen Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten in Höhe der Vertragssätze zubilligte, verstößt weder gegen den versicherungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitglieder noch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des GG

 

Normenkette

RVO § 507 Fassung: 1924-12-15; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 14. März 1967 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger ist freiwillig weiterversichertes Mitglied der beklagten Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK).

Nach Abschnitt G - Unterabschnitt "Leistungen" - Nr. 2 der Versicherungsbedingungen (VB) der DAK vom 1. Januar 1954, die Bestandteil der Satzung sind (§ 3 der Satzung), haben Anspruch auf freie vertragsärztliche Behandlung die (nichtversicherungspflichtigen) Mitglieder, deren Einkommen die Angestelltenversicherungspflichtgrenze nicht übersteigt. Mitglieder, die keinen Anspruch auf freie Behandlung durch Vertragsärzte haben, müssen nach dieser Bestimmung insoweit für sich und ihre mitversicherten Familienangehörigen selbst sorgen. Sie erhalten gegen Aushändigung der nachweislich bezahlten Rechnungen eine Vergütung in Höhe der Vertragssätze, jedoch nicht mehr als die tatsächlichen Kosten.

Der Kläger, dessen Einkommen stets oberhalb der Angestelltenversicherungspflichtgrenze gelegen hat, beantragte Anfang 1964 die Erteilung eines Krankenscheins. Die DAK lehnte dies unter Berufung auf ihre VB ab.

Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger Klage erhoben. Diese hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Die DAK sei dem Kläger gegenüber berechtigt, an Stelle des sonst geltenden Sachleistungs- das in ihren VB vorgesehene Kostenerstattungssystem anzuwenden. Nach Art. 2 § 4 Abs. 2 der Zwölften Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 24. Dezember 1934 - RGBl I 1537 - idF der 15. Aufbau-Verordnung vom 1. April 1937 - RGBl I 439 - (12. Aufbau-VO) könne sie grundsätzlich sowohl die Voraussetzungen als auch die Art und den Umfang der Leistungen für ihre freiwillig weiterversicherten Mitglieder nach ihrem Ermessen regeln. § 508 der Reichsversicherungsordnung (RVO), wonach die Ersatzkasse ihren Mitgliedern ohne Beschränkung der Dauer und Höhe alle Leistungen gewähren dürfe, die § 179 "ihrer Art nach" bei den Krankenkassen zulasse, schränke dieses Ermessen in der Wahl der Leistungsform nicht ein. Die genannte Vorschrift habe lediglich den Sinn, die Anziehungskraft der Ersatzkassen im Interesse derjenigen Einrichtungen zu begrenzen, die der Regel des Gesetzes entsprächen. In diesem Sinne liege es, wenn die Ersatzkassen die freiwillig weiterversicherten Mitglieder nicht ebenso von den Kosten der ärztlichen Behandlung freistellten, wie es den gesetzlichen Krankenkassen auferlegt sei. Die unterschiedliche Behandlung der weiterversicherten Mitglieder nach dem Einkommen sei sachgerecht. Sie verstoße nicht gegen den versicherungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung (§ 21 Abs. 1 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931 - VAG - (RGBl I 315) i. V. m. Art. 2 § 2 Abs. 2 der 12. Aufbau-VO). Dieser Grundsatz gelte nur neben den Bestimmungen der RVO und der 12. Aufbau-VO, nach denen die Einführung des Kostenerstattungssystems für einen bestimmten Mitgliederkreis zulässig sei (Urteil vom 14. März 1967).

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Er hält an seiner Auffassung fest, daß die VB der DAK nichtig seien, soweit sie ihn von der Gewährung ärztlicher Hilfe als Sachleistung ausschlössen: Es stehe nicht mehr - wie noch zu Zeiten der Aufbaugesetzgebung - im Ermessen der Ersatzkasse, ob sie die freiwillige Weiterversicherung überhaupt zulasse. Die Sozialversicherung habe heute das "konventionelle Existenzminimum" zu sichern. Dazu gehöre die ärztliche Betreuung und Behandlung im Krankheitsfall. Die Ersatzkasse dürfe den - nichtversicherungspflichtigen - Angestellten mit einem Einkommen von mehr als 21600 DM jährlich das "konventionelle Existenzminimum" der medizinischen Hilfe nicht dadurch vorenthalten, daß sie ihnen die Möglichkeit der Weiterversicherung verschließe. Denn diese Angestellten seien im allgemeinen nicht in der Lage, eine umfassende Sicherung für den Krankheitsfall aus eigenen Mitteln oder über einen privaten Versicherungsschutz bereitzustellen. Bei der Leistungsgewährung selbst dürfe nicht nach der Einkommenshöhe differenziert werden; den gesetzlichen Krankenkassen sei das für ihre weiterversicherten Mitglieder auch nicht gestattet. Eine solche Differenzierung innerhalb ein und derselben Klasse von Mitgliedern bei gleicher Beitragsleistung verletze auch den in § 21 Abs. 1 VAG niedergelegten versicherungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung. Im übrigen sei die DAK, da sie sich grundsätzlich für die Gewährung ärztlicher Hilfe an ihre Mitglieder entschieden habe, der Leistungsart nach durch § 508 i. V. m. § 179 RVO gebunden; die Kostenerstattung sei gegenüber der ärztlichen Hilfe als Sachleistung kein minus, sondern ein aliud. Stelle sich hiernach die Bestimmung in den VB, die den Kläger von der Gewährung ärztlicher Hilfe als Sachleistung ausschließe, als nichtig dar, so ergebe sich der Anspruch auf Gewährung freier ärztlicher Behandlung schon aus Abschnitt G - Unterabschnitt "Leistungen" - Nr. 1 der VB, wo die für Mitglieder der Gruppe V (Versicherungspflichtige) geltenden Leistungsbestimmungen auch auf die Mitglieder der Gruppe N (Nichtversicherungspflichtige) für anwendbar erklärt seien, soweit in den nachfolgenden Bestimmungen keine andere Regelung getroffen sei. Der Anspruch sei aber auch unmittelbar nach dem Gesetz - u. a. nach § 21 Abs. 1 VAG - begründet.

Der Kläger beantragt,

1. die Urteile des LSG Hamburg vom 14. März 1967 und des Sozialgerichts Hamburg vom 18. August 1964 sowie den Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 1964 und den ihm vorausgegangenen Ablehnungsbescheid der Beklagten aufzuheben,

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Bedarfsfall ärztliche Behandlung im Wege der Sachleistung zu gewähren und ihm dafür einen Behandlungsschein auszuhändigen,

hilfsweise,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen zukünftigen Honorarforderungen ihrer Vertragsärzte solange freizustellen, bis sie die freie vertragsärztliche Behandlung des Klägers durch Vertrag mit den Vertragsärzten sichergestellt hat.

Die beklagte DAK und die Beigeladenen zu 4) und 5) beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die DAK ist der Ansicht, § 508 RVO gelte nur für die versicherungspflichtigen Mitglieder der Ersatzkassen. Daran habe auch die Aufbaugesetzgebung nichts geändert. Vielmehr umfasse die Satzungsautonomie nach Art. 2 § 4 Abs. 2 der 12. Aufbau-VO auch die inhaltliche Gestaltung der Weiterversicherung, insbesondere die Befugnis, das Sachleistungs- durch das Kostenerstattungsprinzip zu ersetzen.

Die Beigeladenen zu 4) und 5) treten der Revision wie folgt entgegen: Die §§ 225, 313 RVO seien keine Richtschnur für die Weiterversicherung bei den Ersatzkassen, da Art. 2 § 4 Abs. 2 der 12. Aufbau-VO insoweit ausdrücklich die Möglichkeit einer abweichenden Regelung durch die Satzung einräume. Die für die spezielle Leistungsfähigkeit kennzeichnende Einkommenshöhe sei auch im Rahmen des § 21 Abs. 1 VAG ein sachlicher Grund zur Differenzierung. Zumindest sei ein solcher Grund in der entsprechenden Bestimmung des Arzt/Ersatzkassenvertrages zu erblicken (§ 4 Abs. 2 des Vertrages). Den §§ 508, 179 RVO sei kein Ausschluß des Kostenerstattungssystems zu entnehmen; die genannten Vorschriften beträfen nur die Art , nicht die Form der Leistungen in bar oder Natur.

Die übrigen Beteiligten haben weder Anträge gestellt noch Ausführungen gemacht.

II

Die Revision ist unbegründet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die beklagte DAK auch dem Kläger nach Abschnitt G - Unterabschnitt "Leistungen" - Nr. 2 a ihrer VB i. V. m. § 4 Abs. 2 des Arzt/Ersatzkassenvertrages vom 20. Juli 1963 freie vertragsärztliche Behandlung auf Krankenschein gewähren muß, nachdem die - insoweit als Anspruchsbeschränkung vorgesehene - Angestelltenversicherungspflichtgrenze (§ 5 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes aF) seit 1. Januar 1968 durch Art. 1 § 2 Nr. 1 des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1259) beseitigt worden ist. Der Aufhebungsantrag richtet sich gegen einen Bescheid, mit dem die DAK es im Jahre 1964 abgelehnt hat, dem Kläger einen Krankenschein auszuhändigen. Die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides ist allein nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen. Mit dem weiteren Antrag festzustellen, daß die DAK verpflichtet sei, ihm im Bedarfsfall ärztliche Behandlung als Sachleistung zu gewähren, begehrt der Kläger zwar vorbeugenden Rechtsschutz auch für die Zukunft (vgl. dazu BSG 11, 198, betreffend die Klage eines Versicherten auf Feststellung einer von der Krankenkasse bestrittenen Verpflichtung zur künftigen Gewährung von Familienkrankenhilfe). Der Senat kann jedoch die Berechtigung dieses Antrages nicht auch für die Zeit nach Erlaß des angefochtenen Urteils überprüfen. Die genannte Gesetzesänderung ist erst während des Revisionsverfahrens erfolgt. Der Senat hätte sie deshalb allenfalls dann zu berücksichtigen, wenn sie - mit rückwirkender Kraft ausgestattet - die rechtliche Beurteilung des Streitstoffes, wie er schon dem LSG zur Entscheidung vorgelegen hat, beeinflussen würde (vgl. BGHZ 9, 101; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl. 1969, S. 765; Maiss, ZZP 65, 114; Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand April 1970, § 162 Anm. 5 g). Das ist aber nicht der Fall.

Auf der hiernach maßgebenden Beurteilungsgrundlage haben die Vorinstanzen die vom Kläger geltend gemachte Anspruchsberechtigung zutreffend verneint.

Der Kläger gehört zu den Mitgliedern, die aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und sich freiwillig weiterversichert haben. Eine unmittelbare gesetzliche Verpflichtung der DAK, diesen Mitgliedern ärztliche Behandlung als Sachleistung zu gewähren, besteht nicht. Nach § 507 RVO hat die Ersatzkasse nur ihren versicherungspflichtigen Mitgliedern "mindestens die Regelleistungen der Krankenkasse" - einschließlich ärztlicher Behandlung als Bestandteil der Krankenhilfe (§ 179 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 182 Abs. 1 Nr. 1 RVO) - zu gewähren. Abgesehen von § 507 a Abs. 2 RVO aF (seit 1. Januar 1966 § 507 a idF des Gesetzes zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der RVO vom 24. August 1965 - BGBl I 912 -), der die Ersatzkasse zur Gewährung von Wochenhilfe (Mutterschaftshilfe) auch an freiwillig versicherte Mitglieder verpflichtet, bietet die RVO dagegen keine Grundlage für Leistungsansprüche dieses Kreises von Mitgliedern. Vielmehr richtet sich die Versicherung nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht gemäß Art. 2 § 4 Abs. 2 der 12. Aufbau-VO insoweit nach den Bestimmungen der Satzung.

Zwischen den Beteiligten herrscht kein Streit darüber, daß die Satzung der DAK in der hier zugrunde liegenden Fassung den Klaganspruch nicht zu rechtfertigen vermag. Nach Abschnitt G - Unterabschnitt "Leistungen" - Nr. 2 der VB, die Bestandteil der Satzung sind (§ 3 der Satzung), haben Anspruch auf freie vertragsärztliche Behandlung nur diejenigen (nichtversicherungspflichtigen) Mitglieder, deren Einkommen die Angestelltenversicherungspflichtgrenze nicht übersteigt. Mitglieder, die - wie hiernach der Kläger - keinen Anspruch auf freie Behandlung durch Vertragsärzte haben, erhalten nur eine Vergütung der nachweislich aufgewendeten Behandlungskosten bis zur Höhe der Vertragssätze.

Selbst wenn die Auffassung des Klägers zuträfe, daß es mit § 508 RVO unvereinbar sei, die Gewährung ärztlicher Behandlung als Sachleistung durch eine (teilweise) Kostenerstattung zu ersetzen, wäre die Klage noch nicht begründet. Vielmehr wäre dann nur die Bestimmung in den VB nichtig, die bei Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung Kostenerstattung vorsieht. Nicht aber wäre der Kläger damit in den Kreis der Mitglieder einbezogen, die nach den VB Anspruch auf freie vertragsärztliche Behandlung haben, weil ihr Einkommen die Angestelltenversicherungspflichtgrenze nicht übersteigt.

Allerdings hält der Kläger auch diese Regelung, soweit sie ihn wegen seines höheren Einkommens von der Gewährung ärztlicher Behandlung als Sachleistung ausschließt, mit der Begründung für nichtig, eine bei gleichen Beitragsleistungen nach der Einkommenshöhe differenzierende unterschiedliche Leistungsgewährung verstoße gegen den besonderen versicherungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung (§ 21 Abs. 1 VAG). Auch insoweit kommt es jedoch für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Gültigkeit der VB nicht an. Eine Nichtigkeit der genannten Anspruchsbeschränkung wegen Verstoßes gegen § 21 Abs. 1 VAG würde nämlich nicht bedeuten, daß die Gewährung freier vertragsärztlicher Behandlung auf den ausgeschlossenen Mitgliederkreis, dem der Kläger angehört, zu erstrecken wäre. Dem stünde die Satzungsautonomie, die Entschließungsfreiheit der DAK bei der Gestaltung ihrer VB entgegen. Denn es ist ungewiß, ob die DAK bei Kenntnis des - hier unterstellten - Gesetzesverstoßes dem versicherungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung gerade in der vom Kläger gewünschten Weise Rechnung getragen hätte.

An diesem Ergebnis würde sich nichts ändern, wenn die fragliche Anspruchsgrundlage nicht nur mit ihrem einschränkenden Teil ("... Mitglieder, deren Einkommen die Angestelltenversicherungspflichtgrenze nicht übersteigt ..."), sondern als unauflösliches Ganzes insgesamt nichtig wäre. Entgegen der Meinung des Klägers würde dies nicht - jedenfalls nicht zu Gunsten der Mitglieder mit einem die Angestelltenversicherungspflichtgrenze übersteigenden Einkommen - den Rückgriff auf die allgemeine Bestimmung ermöglichen, wonach für die Mitglieder der Gruppe N (Nichtversicherungspflichtige) dieselben Leistungsbestimmungen gelten wie für Mitglieder der Gruppe V (Versicherungspflichtige), soweit in den nachfolgenden Bestimmungen keine andere Regelung getroffen ist (Abschnitt G - Unterabschnitt "Leistungen" - Nr. 1 der VB). Auch auf diesem Wege dürfte nicht in die Satzungsautonomie der DAK eingegriffen werden. Es wäre nicht mit Sicherheit festzustellen, ob die DAK es uneingeschränkt bei der genannten allgemeinen Bestimmung hätte bewenden lassen, wenn ihr eine - etwaige - Nichtigkeit der "nachfolgenden Bestimmungen" bekannt gewesen wäre. Nach dem Gesagten hätte sie die versicherungsmäßige Gleichheit möglicherweise auf andere, ihr tunlich erscheinende Art hergestellt.

Eine für das Klagebegehren günstigere Beurteilung käme allenfalls dann in Betracht, wenn das "gesetzgeberische" Ermessen der DAK kraft höherrangigen Rechts so eingeschränkt wäre, daß sie die Weiterversicherung mit Anspruch auf ärztliche Behandlung als Sachleistung allgemein - auch für die bisher nach der Einkommenshöhe ausgeschlossenen Mitglieder - zulassen müßte, die Anpassung der VB mithin "nur eine Formalität" wäre (Urteil des Senats vom 14. September 1966, BSG 25, 195, 200; vgl. auch BVerfG 15, 121, 125 f; 18, 288, 301 f; 23, 1, 10). Das ist jedoch nicht der Fall.

Daß eine Verpflichtung der DAK, einen so weitgehenden Versicherungsschutz bereitzustellen, nicht unmittelbar aus dem versicherungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung (§ 21 Abs. 1 VAG) - sofern er hier überhaupt verletzt ist - abgeleitet werden kann, ist dargelegt worden. Auch die ausführenden Organe der DAK wären nicht berechtigt, geschweige denn dem Kläger gegenüber verpflichtet, den für die Beschlußfassung über die Satzung zuständigen Organen in der Frage vorzugreifen, auf welchem von mehreren möglichen Wegen einer - durch das Satzungsrecht bedingten - ungleichen Behandlung der Mitglieder abzuhelfen wäre. Sollte auch die Gewährung ärztlicher Behandlung an diejenigen weiterversicherten Mitglieder, deren Einkommen die Angestelltenversicherungspflichtgrenze nicht überstiegen hat, auf keiner gültigen Rechtsgrundlage beruht haben, so hätte doch der Kläger weder nach dem genannten Grundsatz noch nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) Anspruch darauf, in die nicht rechtmäßige Leistungsgewährung einbezogen zu werden.

Ebensowenig hat die DAK es als verpflichtendes Beispiel zu nehmen, daß die Weiterversicherung bei den gesetzlichen Krankenkassen uneingeschränkt ärztliche Behandlung als Sachleistung mitumfaßt (§§ 225, 313 RVO). Die RVO hat in § 507 Abs. 1 davon abgesehen, den Ersatzkassen die Regelleistungen der Krankenkassen auch gegenüber den freiwillig Weiterversicherten zur Pflicht zu machen. An diesem Rechtszustand hat die Aufbaugesetzgebung nichts geändert. Art. 2 § 4 Abs. 2 der 12. Aufbau-VO hat die Versicherung nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht ausdrücklich der Satzungsautonomie überantwortet. Wie der Senat in BSG 25, 194, 197 f dargelegt hat, steht es deshalb grundsätzlich im Ermessen der einzelnen Ersatzkasse, die Weiterversicherung zuzulassen, ihre Bedingungen zu regeln sowie die Voraussetzungen und den Umfang der Leistungen festzusetzen.

Zu Unrecht vertritt der Kläger im Anschluß an Peters (Sgb 1967, 241) die Auffassung, die soziale Wirklichkeit habe sich seit der Aufbaugesetzgebung so wesentlich verändert, daß die Ersatzkassen von ihrer Entscheidungsfreiheit einen gesetzwidrigen Gebrauch machen würden, wenn sie nicht die Weiterversicherung mit Anspruch auf volle medizinische Hilfe zuließen. Einen Wandel der Situation erblickt Peters (aaO S. 244 f) darin, daß die Sozialversicherung nicht mehr - wie noch zu Zeiten der Aufbaugesetzgebung - nur vor dem Abgleiten in den Fürsorgestatus zu bewahren, sondern das "konventionelle Existenzminimum" zu sichern habe, zu dem die ärztliche Behandlung und Betreuung im Krankheitsfall gehöre. Dafür sprächen die "erkennbare ratio der Verordnung von 1935, der Zweck dieses Gesetzes, der engere und weitere Zusammenhang, in dem diese Verordnung steht, die Entfaltung von allgemeinen Grundsätzen des sozialpolitischen Auftrags und unausgesprochen der Verfassungsgrundsatz der Sozialstaatlichkeit" (aaO S. 245 f). Diesen im wesentlichen sozialpolitischen Erwägungen sind jedoch keine rechtlichen Schranken für die Satzungsautonomie der Ersatzkassen zu entnehmen; sie können nicht als Ausdruck einer entscheidend gewandelten Rechtsanschauung aufgefaßt werden. Eine gerichtliche Nachprüfung ihrer Durchschlagskraft würde den Wesensgehalt der Satzungsautonomie antasten und damit auch dem Sinn von Art. 2 § 4 Abs. 2 der 12. Aufbau-VO widersprechen. Mag auch eine Weiterversicherung mit Anspruch auf ärztliche Behandlung in den Intentionen der 12. Aufbau-VO liegen, so ist doch der Weg dorthin durch die genannte Bestimmung vorgezeichnet. Er kann nur über eine autonome Entschließung der einzelnen Ersatzkasse führen, diese Anspruchsberechtigung in die Satzung aufzunehmen. Davon geht auch der Erlaß des Reichs- und Preußischen Arbeitsministers vom 27. Januar 1937 (EuM 40, 502) aus, mit dem es der damals zuständigen Aufsichtsbehörde zur Pflicht gemacht worden ist, die (Angestellten-)Ersatzkassen an das Recht der Weiterversicherung nach den Vorschriften der RVO "immer näher" heranzuführen.

Das hilfsweise erhobene Begehren festzustellen, daß die DAK verpflichtet sei, den Kläger von allen zukünftigen Honorarforderungen ihrer Vertragsärzte solange freizustellen, bis sie die freie vertragsärztliche Behandlung des Klägers durch Vertrag mit den Vertragsärzten sichergestellt habe, kann hiernach ebensowenig Erfolg haben wie die beiden Hauptanträge. Denn es setzt gleichfalls einen Anspruch des Klägers auf Gewährung umfassender medizinischer Hilfe - nur in anderer Form - voraus, für den es in den VB der DAK jedenfalls bis zum Erlaß des angefochtenen Urteils (noch) keine Grundlage gegeben hat.

Die Revision ist daher zurückzuweisen, ohne daß es auf die Gültigkeit der vom Kläger angegriffenen Bestimmungen der VB ankommt. Der Senat darf die Gültigkeit dieser Bestimmungen auch nicht losgelöst vom vorliegenden Streitfall überprüfen, da für eine abstrakte Normenkontrolle im sozialgerichtlichen Verfahren kein Raum ist (vgl. BSG 28, 224, 225; 29, 254, 255).

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670293

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