Entscheidungsstichwort (Thema)

"Nicht unerhebliche" Beeinträchtigung

 

Leitsatz (amtlich)

Für die "nicht unerhebliche" Beeinträchtigung der Hinterbliebenenversorgung iS von § 48 Abs 1 BVG ist ein starrer Vomhundertsatz - etwa 15 % - kein brauchbarer Maßstab.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Ausdruckswechsel in § 48 Abs 1 S 1 BVG idF des AFGHStruktG vom 18.12. 1975 von dem früheren "erheblich" in "nicht unerheblich" läßt - entgegen der sonstigen, nach dem HStruktG verfolgten Absicht allgemeiner Einsparungen - nicht den Schluß zu, daß nunmehr engere Tatbestandsvoraussetzungen gelten sollen als vorher (vgl zur Auslegung des "erhebliche Beeinträchtigung der Versorgung" nach früherem Recht BSG 1978-06-14 9 RV 54/77 = SozR 3100 § 48 Nr 4, wonach für eine Minderung der Versorgung etwa 15 vH als Grenze anzunehmen seien.

2. Nach einer erneuten Würdigung des Merkmals "nicht unerhebliche" Beeinträchtigung hält es der Senat für unangebracht, dieses Kriterium allgemein und überhaupt mit einem starren Prozentsatz festzuschreiben. Dementsprechend ist auch nicht generell der Linie zu folgen, welche der BMA im Rundschreiben vom 8.3.1976, BVBl 1976, 60 Nr 28 vorgezeichnet hat, nämlich, daß "eine Minderung der Hinterbliebenenversorgung um etwa 15 vH als nicht unerheblich anzusehen" sei.

3. Die nicht unerhebliche Beeinträchtigung muß mangels genauerer inhaltlicher Kennzeichnung an der Hinterbliebenenversorgung in ihrer Gesamtheit gemessen werden. Diese Versorgung ist im Gesetz nicht etwa auf Härtefälle oder auf die Höhe von Sozialversicherungsrenten oder Beamtenpensionen beschränkt und umfaßt daher eine große Spanne. Dafür, was als bedeutender - mehr als unbeträchtlicher - Ausfall der Versorgung zu qualifizieren ist, läßt sich nur schwer eine schematische, lineare Regel aufstellen. Ein ein für allemal geltender Betrag oder eine feste Relation könnte zwar der Gleichheit, Vereinfachung und Voraussehbarkeit der Rechtsanwendung dienen, wäre aber gewillkürt.

Bei einer nur geringen Witwenrente kann als erheblich bereits ein Minderbetrag wirken, der es für eine größere Hinterlassenschaft nicht zu sein braucht. Man wird hier maW sowohl den nominellen Betrag als auch die Relation kleiner ansetzen müssen, als bei mittleren oder gar höheren Hinterbliebeneneinkünften.

Beträgt, wie hier, die Minderung des Hinterbliebeneneinkommens monatlich 83 DM bei einer Witwenrente von 700 DM, so ist dieser Verlust (knapp 11 vH) "nicht unerheblich".

4. Der Gesichtspunkt der Überversorgung spielt weder bei der Witwenrente noch bei der Witwenbeihilfe eine Rolle.

 

Normenkette

BVG § 48 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1975-12-18

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 06.11.1980; Aktenzeichen L 7 V 149/79)

SG Detmold (Entscheidung vom 08.08.1979; Aktenzeichen S 6 V 163/78)

 

Tatbestand

Die Klägerin   beantragt   Witwenbeihilfe. Ihr 1921 geborener und im Januar 1977 verstorbener Ehemann (Sch.) hatte im Krieg den linken Oberschenkel verloren. Er bezog Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vH. Er ist nicht an den Schädigungsfolgen gestorben.

Sch. hatte eine Lehre als Dreher erfolgreich abgeschlossen, anschließend war er bis zur Einberufung zur Wehrmacht im Jahre 1942 in diesem Beruf tätig. Wegen der Verwundung wurde er nach Kriegsende in der DDR zum Fotolaboranten umgeschult und arbeitete bis März 1960 in diesem Beruf. Nach Umsiedlung in die Bundesrepublik war er zunächst fünf Monate weiter als Dreher tätig, dann arbeitete er als Graveur und von Dezember 1965 bis zum 26. Oktober 1976 als Bürogehilfe. Seit dem 27. Oktober 1976 bezog er Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit, die monatlich 976,30 DM betrug.

Seit dem 1. Februar 1977 bezieht die Klägerin von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen Witwenrente, die ab Mai 1977 monatlich 644,50 DM betrug und im Wege der Rentenanpassungen ab Januar 1980 auf 700,40 DM erhöht wurde. Auf ihren im Mai 1977 gestellten Antrag auf Witwenbeihilfe nach § 48 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nahm das Versorgungsamt Bielefeld eine Vergleichsberechnung vor zwischen der Rente, die die Klägerin bezieht und der, die sie beziehen würde, wenn ihr Ehemann ständig als Dreher gearbeitet hätte. Dabei ermittelte das Versorgungsamt eine Minderung der Witwenrente um etwa 8,8 %. Bei dieser Sachlage lehnte die Versorgungsbehörde den Antrag auf Gewährung der Witwenbeihilfe ab. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 1978).

Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin ab dem 1. Februar 1977 Witwenbeihilfe zu gewähren.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) nach Erhebung weiterer Beweise das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Es könne zwar davon ausgegangen werden, daß Schm. ohne die Schädigungsfolgen bis zu seinem Tode in seinem erlernten Beruf als Dreher gearbeitet hätte. Eine nicht unerhebliche Minderung der Witwenversorgung sei zu verneinen. Nach der unter Verwertung der Auskünfte der Firma K., bei der Sch. zuletzt als Dreher gearbeitet hatte, von der LVA Westfalen erstellten Rentenberechnung ergebe sich für das Jahr 1980 eine Minderversorgung der Klägerin von monatlich 83,00 DM. Das mache für alle Jahre einen Vomhundertsatz von jeweils 10,6 oder, wenn man einige - möglicherweise berechtigte - zusätzliche Werteinheiten ansetze, einen solchen von fast 11 aus. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 14. Juni 1978 (SozR 3100 § 48 Nr 4) ausgeführt, daß im allgemeinen ein Minderverdienst von 15 % als "nicht unerhebliche" Minderung der Versorgung der Witwe anzusehen sei. Das BSG habe hervorgehoben, daß in besonders gearteten Einzelfällen auch eine geringere prozentuale Minderung der Hinterbliebenenversorgung als "nicht unerheblich" angesehen werden könne. Bei der Klägerin habe man es aber nicht mit Besonderheiten zu tun. Ihre Witwenrente sei nach 41 1/4 Versicherungsjahren berechnet; ihr liege ein Vomhundertsatz von 103,32 zugrunde. Das durchschnittliche Einkommen ihres Ehemannes habe somit über dem Durchschnittseinkommen aller Versicherten gelegen. In der anrechnungsfähigen Versicherungszeit bestünden auch keine Lücken. Ihre Hinterbliebenenversorgung sei also nicht besonders niedrig. Die Witwenrente der Klägerin von etwa 700,00 DM im Jahre 1980 sei zwar nicht sehr hoch; das reiche aber nicht aus, die aus der Schädigung ihres Ehemannes resultierende Rentenminderung von monatlich 83,00 DM (im Jahre 1980) als eine "nicht unerhebliche" Beeinträchtigung der Hinterbliebenenversorgung bejahen zu können. Die Einkünfte von Hinterbliebenen seien oftmals nur geringfügig. Schließlich dürfe auch nicht übersehen werden, daß die Klägerin, wenn ihr die begehrte Witwenbeihilfe nach § 48 BVG gewährt würde, ab 1980 monatlich 353,00 DM zusätzlich erhalten würde, obwohl sie nur eine Rentenminderung von monatlich 83,00 DM habe hinnehmen müssen. Diese Überversorgung liege nicht im Sinne des § 48 BVG.

Die Klägerin hat die vom BSG zugelassene Revision eingelegt und rügt die Verletzung des § 48 Abs 1 Satz 1 BVG sowie (sinngemäß) des § 128 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 103 SGG. Das BSG habe es zwar als angemessen angesehen, daß bei einer Minderung der Versorgung um etwa 15 % eine Witwenbeihilfe gewährt werden könne; die Grenze von 15 % sei aber nicht als absolute Zahl verstanden worden, vielmehr sei dieser nur der Charakter eines Anhalts beigemessen worden. Eine Witwenbeihilfe könne deshalb auch bei einer geringeren Einkommensminderung gewährt werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts vom 6. November 1980

aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil

des Sozialgerichts vom 8. August 1979 als unbegründet

zurückzuweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur

erneuten Verhandlung und Entscheidung an das

Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; der Klägerin steht eine Witwenbeihilfe zu.

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 BVG erhält die Witwe, wenn der Schwerbeschädigte nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben ist, eine Witwenbeihilfe, wenn ihre Versorgung infolge der Schädigung nicht unerheblich beeinträchtigt worden ist. Dazu hat das LSG festgestellt, daß der kriegsbeschädigte Ehemann unter Zugrundelegung von 41 1/4 Versicherungsjahren eine Versichertenrente von 976,30 DM bezogen hat. Daraus resultiert für die Klägerin eine Witwenrente, die aufgrund der Rentenanpassungen im Jahre 1980 700,40 DM betrug. Diese Rente bleibt um monatlich 83,00 DM hinter der Rente zurück, die der Ehemann im Falle gesunder Rückkehr aus dem Kriege wahrscheinlich für seine Frau hätte erwerben können. Die Minderung der Hinterbliebenenversorgung beträgt somit knapp 11 vH.

Der erkennende Senat hat zur Auslegung des in § 48 BVG verwendeten unbestimmten Begriffs "nicht unerhebliche" Beeinträchtigung der Versorgung in seinem Urteil vom 14. Juni 1978 (SozR 3100 § 48 Nr 4) Stellung genommen. Dieses Urteil bezog sich auf den Rechtszustand, der bis zum 1. Januar 1976 galt. Mit diesem Tag trat das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I, 3113) in Kraft (Art 47 § 1 HStruktG-AFG-). Im Zuge der Gesetzesänderung wurde der vorher verwendete Ausdruck "erheblich" in "nicht unerheblich" gewechselt. Entgegen der sonstigen, nach dem HStruktG verfolgten Absicht allgemeiner Einsparungen läßt der Ausdruckswechsel nicht den Schluß zu, daß nunmehr engere Tatbestandsvoraussetzungen gelten sollen als vorher. Davon ist namentlich nicht deshalb auszugehen, weil die bis dahin in das Ermessen der Verwaltung gestellte Leistung einer Witwenbeihilfe zu einem Rechtsanspruch erstarkt ist. Dazu ist in dem oben zitierten Urteil (SozR 3100 § 48 Nr 4) ausgeführt worden: Für eine Minderung der Versorgung seien etwa 15 % als Grenze anzunehmen. Von da ab müsse eine finanzielle Einbuße im allgemeinen als erheblich gewertet werden. Es wurde mithin ein Oberwert bezeichnet, bei dessen Überschreiten die Hinterbliebenenversorgung "erheblich" geschmälert sei. Mit der Zahl von 15 vH wurde aber keine starre Größe bezeichnet. Es komme - so das bezeichnete Urteil - auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an.

Nach einer erneuten Würdigung des Merkmals "nicht unerhebliche" Beeinträchtigung hält es der Senat für unangebracht, dieses Kriterium allgemein und überhaupt mit einem starren Prozentsatz festzuschreiben. Dementsprechend ist auch nicht generell der Linie zu folgen, welche der Bundesminister für Arbeit (Rdschr. vom 8. März 1976, BVBl 1976, 60 Nr 28) vorgezeichnet hat, nämlich daß "eine Minderung der Hinterbliebenenversorgung um etwa 15 vH als nicht unerheblich anzusehen" sei. Es erweist sich im Streitfalle, daß eine Minderung der Witwenbezüge um 83,00 DM monatlich bei verfügbaren Einkünften von monatlich ca. 700,00 DM sehr wohl "ins Gewicht fällt" und das Ausmaß einer "Bagatelleinbuße" sehr übertrifft.

Die nicht unerhebliche Beeinträchtigung muß mangels genauerer inhaltlichen Kennzeichnung an der Hinterbliebenenversorgung in ihrer Gesamtheit gemessen werden. Diese Versorgung ist im Gesetz nicht etwa auf Härtefälle oder auf die Höhe von Sozialversicherungsrenten oder Beamtenpensionen beschränkt und umfaßt daher eine große Spanne. Dafür, was als bedeutender - mehr als unbeträchtlicher - Ausfall der Versorgung zu qualifizieren ist, läßt sich nur schwer eine schematische, lineare Regel aufstellen. Ein ein für allemal geltender Betrag oder eine feste Relation könnte zwar der Gleichheit, Vereinfachung und Voraussehbarkeit der Rechtsanwendung dienen, wäre aber gewillkürt. Damit wäre nur verdeckt, daß das Gesetz es an einem konkretisierungsfähigen Maßstab fehlen läßt. Im Hinblick darauf, daß in § 48 Abs 1 BVG eine Orientierung nicht gegeben ist, in welcher Art und in welchem Umfang Hinterbliebenenversorgung verkürzt sein muß, ergeben sich weit auseinanderklaffende Ergebnisse. Bei einer nur geringen Witwenrente kann als erheblich bereits ein Minderbetrag wirken, der es für eine größere Hinterlassenschaft nicht zu sein braucht. Die Lücke zwischen der tatsächlichen Versorgung und der wahrscheinlichen muß aber im Einzelfall auch unter Berücksichtigung der Höhe der gesagten Versorgung betrachtet werden. Ein bestimmter Prozentsatz von einem hohen Hinterbliebeneneinkommen kann trotz üppiger Betragsgröße für die Versorgung der Witwe eine nicht spürbare Minderung bedeuten, während derselbe Prozentsatz bei einer nahe dem Existenzminimum liegenden Versorgung nachhaltige Einschränkungen in der Lebensführung erforderlich macht.

Den im Gesetz selbst geregelten Fällen, in denen die Hinterbliebenenversorgung als nicht unerheblich beeinträchtigt gilt, ist ebenfalls weder ein fester Betrag noch eine exakte Relation zu entnehmen. So ist nach § 48 Abs 1 Satz 2, 1. Alternative BVG Witwenbeihilfe dann zu gewähren, wenn der Beschädigte im Zeitpunkt seines Todes Anspruch auf die Beschädigtenrente eines Erwerbsunfähigen hatte. Im allgemeinen mag hierdurch eine Verringerung der Hinterbliebenenversorgung bedingt sein; es ist aber nicht jeder Erwerbsunfähige gleichzeitig auch ohne Arbeitseinkommen. Es gibt Fälle, in denen ursprünglich als Handarbeiter tätige Beschädigte auf einen Büroberuf umgeschult wurden und danach einen vollen Arbeitsverdienst erzielten. Zu denken wäre auch an Blinde, die kraft Gesetzes (vgl § 31 Abs 4 BVG) als Erwerbsunfähige gelten, obwohl sie mitunter ihren vollen Arbeitslohn beziehen.

Nach § 48 Abs 1 Satz 2, 4. Alternative BVG steht Witwenbeihilfe dann zu, wenn der Beschädigte mindestens fünf Jahre Anspruch auf einen Berufsschadensausgleich hatte. Hierbei kann schon rein rechnerisch ein nur kleiner Betrag oder ein nur sehr geringer Prozentsatz die Witwenbeihilfe zur Folge haben. Das BVG trifft keine Bestimmung darüber, daß Berufsschadensausgleich nur nach Erreichen eines Mindesteinkommensverlustes zustehe (BT-Drucks 7/4124 S 55). Das läßt sich durch eine dem vorliegenden Fall angelehnte überschlägige Rentenberechnung verdeutlichen: Wenn für 40 Versicherungsjahre eine Rente von 1.000,00 DM zu errechnen wäre, ergäbe dies eine Witwenrente von 600,00 DM. Dann entfiele pro Versicherungsjahr eine Versichertenrente von 25,00 DM und eine Witwenrente von 15,00 DM. Es sei unterstellt, der Ehemann der Klägerin habe zehn Jahre lang Berufsschadensausgleich wegen eines Verlustes von 40 % eines Durchschnitts-Jahreseinkommens bezogen. Viel länger hätte er Berufsschadensausgleich nicht beziehen können, da diese Leistung erst mit dem 2. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 21. Februar 1964 (BGBl I, 85) auf Schwerbeschädigte ausgedehnt wurde. Dann würde die Rente so ausfallen, als wenn bei ihm für 10 Jahre nur je 15,00 DM errechnet worden seien. Die Witwenrente wäre dann - nach dem obigen Rechenbeispiel - um zehn mal 6,00 DM = 60,00 DM bei einer Ausgangsrente von 600,00 DM gemindert. Wie das LSG festgestellt hat, beträgt die Minderung des Hinterbliebeneneinkommens der Klägerin aber 83,00 DM bei einer Witwenrente von 700,00 DM, ist also merklich höher. Dabei ist nach § 48 Abs 1 Satz 2, 3. Alternative BVG nur ein Bezug von Berufsschadensausgleich während fünf Jahren notwendig. (In dem obigen Beispiel würde der Berufsschaden bei nur fünfjähriger Dauer eine Beeinträchtigung von nur 30,00 DM und bei nur 20 % Minderverdienst bei fünfjähriger Dauer nur 15,00 DM ausmachen; dies sind nicht einmal 3 %). Hieraus wird ersichtlich, daß ein - an sich ungeeigneter - Prozentsatz auch in der im Rundschreiben des BMA vom 8. März 1976 bezeichneten Höhe im Gesetz ohne Grundlage ist.

Ob die unbestimmte Größe "nicht unerheblich" etwa in Anlehnung an die Höhe der Grundrente der Witwe (§ 40 BVG) oder, ähnlich wie in der Rentenversicherung (vgl BSGE 40, 37; 40, 79; 50, 210), an die Sätze der Sozialhilfe eingegrenzt werden kann, erschiene ebenfalls bedenklich. Vielmehr wird man bei einer geringen Versorgung sowohl den nominellen Betrag als auch die Relation kleiner ansetzen müssen, als bei mittleren oder gar höheren Hinterbliebeneneinkünften.

Im übrigen ist in dem Urteil des BSG in BSGE 21, 155 = SozR Nr 11 zu § 2 KGG, von dem der BMA in seinem Rundschreiben vom 8. März 1976 bei der Festlegung des Prozentsatzes ausging, als "nicht unerheblich" ein Betrag von 40,00 DM bis 50,00 DM im Monat angesehen worden. Dazu hieß es, dieser Betrag falle nominell ins Gewicht und sei für den Gesamtaufwand nicht unwichtig. Der Rentenminderbetrag, den die Klägerin auf Grund der Schädigungsfolgen ihres Mannes hinnehmen muß, macht aber monatlich 83,00 DM aus. Dieser Verlust muß den Lebenszuschnitt der Klägerin deutlich fühlbar herabdrücken. Er kann nicht als "nicht unerheblich" abgetan werden. Der Klägerin ist deshalb die Witwenbeihilfe zu zahlen. Dieses Resultat kann auch nicht abgelehnt werden, weil mit der Gewährung der Witwenbeihilfe eine Überversorgung eintreten würde. Darauf stellt es das Gesetz bei der Witwenbeihilfe ebensowenig wie bei der Witwenrente ab.

Das SG hat also im Ergebnis zutreffend der Klägerin Witwenbeihilfe zugesprochen. Der Beklagte hat zwar darauf hingewiesen, daß die Klägerin den Antrag erst im Mai 1977 gestellt habe, während das SG die Leistung bereits ab Februar 1977 zuerkannt habe. Das ist jedoch unerheblich, weil der innerhalb eines Jahres nach dem Tode des Beschädigten gestellte Antrag auf Hinterbliebenenversorgung auf den Ersten des auf den Todesmonat folgenden Monats zurückwirkt (vgl § 60 Abs 1 Satz 2 iVm § 61 Buchst a BVG).

Auf die Revision der Klägerin war daher das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen (vgl § 170 Abs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 169

Breith. 1983, 434

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