Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch auf Krankengeld endet auch dann mit dem Tage des Rentenbeginns (RVO § 183 Abs 3 S 1), wenn er zu diesem Zeitpunkt geruht hat.

Hat die KK nach diesem Zeitpunkt, aber vor Bewilligung der Rente Krankengeld gewährt, so geht der Anspruch auf Rente vom Zeitpunkt des Beginns der Krankengeldzahlung - bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes - auf die Kasse über (RVO § 183 Abs 3 S 2).

2. Der Forderungsübergang nach RVO § 183 Abs 3 geht einer Abtretung des Rentenanspruchs (§ 119 RVO, § 76 AVG) vor.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Anspruch auf Krankengeld iS des § 183 Abs 3 RVO besteht auch dann, wenn das Krankengeld wegen Entgeltfortzahlung ruht.

 

Normenkette

RVO § 183 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1961-07-12, S. 1 Fassung: 1961-07-12; AVG § 76 Fassung: 1957-02-23; RVO § 119 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1911-07-19

 

Tenor

Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 1967 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch der Beigeladenen zu 2) auf Rentennachzahlung (Altersruhegeld) aus der Rentenversicherung der Angestellten in Höhe von noch 258,- DM auf die klagende Betriebskrankenkasse übergegangen ist oder ob er auf Grund einer Abtretung durch die Beigeladene zu 2) dem Beigeladenen zu 1) (Land Berlin) zusteht.

Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligte der Beigeladenen zu 2) mit Bescheid vom 13. Oktober 1964 Altersruhegeld mit Wirkung vom 1. August 1964 an. Die laufende Zahlung begann im Dezember 1964. - Mit Ablauf des 10. August 1964 war die Beigeladene zu 2) aus den Diensten des Landes Berlin ausgeschieden und erhielt von diesem zur Überbrückung der Zeit bis zum Einsetzen der Rentenzahlung "Übergangsgeld". Mit Erklärung vom 3. August 1964 trat sie ihren Rentenanspruch für die Zeit vom 11. August bis 10. Dezember 1964 bis zur Höhe des "Übergangsgeldes" für diesen Zeitraum an das beigeladene Land ab. Dieses zahlte an die Beigeladene zu 2) für die Zeit vom 11. August bis 15. Oktober 1964 den Betrag von 1.199,09 DM und nahm die auf diese Zeit entfallende Rentennachzahlung der Beigeladenen zu 2) in Höhe von 1.028,40 DM voll in Anspruch. Die klagende Krankenkasse gewährte der Beigeladenen zu 2) für die Zeit vom 11. August bis 15. Oktober 1964 Krankengeld in Höhe von 660,- DM und meldete den Forderungsübergang (§ 183 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) bei der Beklagten an. Diese hielt die Vorschriften über die Gesamtgläubigerschaft (§ 428 des Bürgerlichen Gesetzbuches) für entsprechend anwendbar und befriedigte die angemeldeten Ansprüche in dem Verhältnis, in dem die Gesamtforderung zu der zur Verfügung stehenden Nachzahlung stand. Deshalb erhielt die Klägerin statt der angemeldeten 660,- DM nur 402,- DM, das Bezirksamt Kreuzberg statt 1.028,40 DM lediglich 626,40,- DM.

Die Klägerin vertritt jedoch die Auffassung, daß ihr aus § 183 Abs. 3 RVO hergeleiteter Anspruch der Abtretung vorgehe. Sie hat deshalb Klage gegen die beklagte BfA auf Zahlung der restlichen 258,- DM erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat dem Klageantrag stattgegeben: Die Abtretung vom 3. August 1964 sei zwar wirksam, sie umfasse jedoch nicht den durch die Legalzession des § 183 Abs. 3 RVO an die klagende Krankenkasse übergegangenen Betrag. Das SG hat die Berufung zugelassen.

Die Beklagte hat gegen das Urteil mit Einwilligung der Klägerin und der zwei Beigeladenen Sprungrevision eingelegt. Sie trägt vor: Der gesetzliche Forderungsübergang des § 183 Abs. 3 RVO dürfe nicht anders behandelt werden als ein anderer Forderungsübergang oder die nach § 76 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) iVm § 119 Abs. 1 Nr. 1 RVO zulässige Abtretung. Eine Sonderstellung des Forderungsübergangs aus § 183 Abs. 3 RVO lasse sich weder aus der rechtlichen Konstruktion noch aus dem Wortlaut dieser Vorschrift herleiten. Die Beigeladene zu 2) habe ohne Einschränkung über ihren künftigen Rentenanspruch verfügen dürfen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, daß der gesetzliche Ersatzanspruch nach § 183 Abs. 3 RVO in jedem Falle der Abtretung nach § 119 RVO im Range vorgehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Berlin vom 24. April 1967 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Das beigeladene Land Berlin stellt keinen Antrag.

Die Beigeladene zu 2) ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Die Sprungrevision ist nicht begründet.

Das SG ist davon ausgegangen, daß die Arbeitsunfähigkeit der Beigeladenen M. vor dem 1. August 1964 eingetreten ist (insoweit hat die Revision keine Angriffe erhoben) und daß der Anspruch auf Krankengeld bis zum 10. August 1964 wegen der Lohnfortzahlung (§ 189 Abs. 1 Satz 1 RVO geruht hat. Es ist deshalb zu dem Ergebnis gekommen, daß nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO der noch streitige Rentenanspruch auf die Klägerin übergegangen ist. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsirrtum erkennen.

Nach § 183 Abs. 3 RVO endet der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tage, an dem eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld vom Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird. Ist über diesen Zeitpunkt hinaus Krankengeld gezahlt worden, so geht der Anspruch auf Rente bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Kasse über. Ein solcher Fall hat hier vorgelegen. Ein Anspruch auf Krankengeld hat bereits bestanden, als das Altersruhegeld am 1. August 1964 begann. Krankengeld ist zwar erst vom 11. August 1964 an gezahlt worden, weil der schon lange vor dem 1. August 1964 bestehende Anspruch auf Krankengeld wegen Weiterzahlung von Gehalt nach § 189 RVO geruht hat. Für die Frage ob und zu welchem Zeitpunkt der Anspruch auf Krankengeld geendet hat (§ 183 Abs. 3 Satz 1 RVO) und damit die eine Voraussetzung für den Übergang des Rentenanspruchs (Satz 2 aaO) erfüllt ist, kommt es jedoch nicht auf die Zahlung des Krankengeldes, sondern darauf an, ob ein Anspruch auf Krankengeld bestanden hat. Maßgebend ist also der Zeitpunkt der Entstehung des Krankengeldanspruchs, gleichgültig von welchem Zeitpunkt an das Krankengeld tatsächlich gezahlt wurde. Das Ruhen des Krankengeldanspruchs hat nur zur Folge, daß dieser Anspruch zeitweilig wegen Vorliegens eines bestimmten Sachverhalts nicht zu erfüllen ist; es läßt den Anspruch als solchen aber bestehen (BSG 2, 142, 147 ). Da auch die zweite Voraussetzung für den Übergang des Rentenanspruchs - Zahlung von Krankengeld für die Zeit nach Erlöschen des Anspruchs (hier: vom 11. August 1964 an) - erfüllt ist, ist nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO der Anspruch auf Rente zum Ausgleich für das vom 11. August bis 15. Oktober 1964 gezahlte Krankengeld auf die Klägerin übergegangen.

Dies hat aber zur Folge, daß der Anspruch auf die restlichen 258,- DM Rente der Klägerin und nicht dem beigeladenen Land Berlin auf Grund der Abtretung zusteht. Denn der Übergang nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO geht einer Abtretung des Rentenanspruchs vor. Zwar ist dieser nach § 76 AVG, § 119 Abs. 1 Nr. 1 RVO wirksam, und es bestehen ... keine Bedenken, auch die Abtretung eines künftigen Anspruchs zuzulassen. Jedoch erwirbt der Zessionar mit der Abtretung des Rentenanspruchs diesen schon belastet mit dem vorgehenden stärkeren Recht der Krankenkasse auf Grund des Forderungsübergangs. Mit der Regelung des § 183 Abs. 3 Satz 2 und 3 RVO wird einmal sichergestellt, daß der Versicherte das über den Beginn der Rente hinaus gezahlte Krankengeld behalten darf und nicht zurückerstatten muß. Zum Ausgleich erhält die Krankenkasse die Rente, die meist niedriger als das Krankengeld ist. Dabei bestimmt Satz 3 noch ausdrücklich, daß die Krankenkasse, wenn das Krankengeld die Rente übersteigt, den überschießenden Betrag nicht vom Versicherten zurückfordern kann. Sie ist also zur Schadloshaltung wegen ihrer bei rückschauender Betrachtung für fremde Rechnung geleisteten Krankengeldzahlung allein auf die Rente angewiesen und kann sich wegen eines Ausfalls nicht an den Versicherten halten. Sie muß, solange ein Rentenverfahren läuft, aber noch keine Rente gezahlt wird, das Krankengeld weiterzahlen und kann sich nicht zur Sicherung ihrer Ansprüche die künftige Rente abtreten lassen. Dagegen kann sich ein Arbeitgeber, der Bezüge bis zur Zahlung der Rente gewährt, wegen seiner als Vorschuß auf die Rente zu wertenden Leistungen anderweitig sichern. Er kann sich insbesondere für den Fall, daß die Abtretung des Rentenanspruchs nicht zu seiner Befriedigung führt, einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf Rückzahlung des als Vorschuß Gezahlten vorbehalten, während die Krankenkasse leer ausgeht, wenn nicht der Forderungsübergang zum Zuge kommt. Unter diesen Umständen muß davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber den gesetzlichen Forderungsübergang nicht eingeschränkt wissen will; dieser geht also einer Abtretung vor.

Die Sprungrevision der Beklagten muß daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 707757

BSGE, 255

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