Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der Krankenhausleistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zu der Frage, inwieweit festangestellte Krankenhausärzte auf Belegabteilungen desselben Krankenhauses berechtigt sein können, ihre Leistungen über die zuständige Kassenärztliche Vereinigung abzurechnen.

2. Die medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Krankenhausleistungen sind auch dann durch den Pflegesatz abgegolten, so daß eine gesonderte Berechnung von Arzt- oder Nebenkosten grundsätzlich ausscheidet, wenn das Krankenhaus die zur medizinisch notwendigen Versorgung gehörenden Leistungen nicht selbst erbringen kann.

3. Ist einem beamteten Krankenhausarzt durch Nebentätigkeitsgenehmigung gestattet worden, die anästhesiologische Versorgung der Patienten auf der Belegabteilung mit eigenem Liquidationsrecht zu übernehmen, so hat der Krankenhausträger zunächst zu versuchen, durch eine Änderung des Dienstverhältnisses den Aufgabenbereich des Arztes auf die Belegabteilung zu erstrecken.

4. Ist dem Dienstherrn eine Änderung des Dienstverhältnisses unmöglich oder verweigert der Krankenhausarzt die Zustimmung, so kommt bezüglich der Ersatzkassen ausnahmsweise eine Ermächtigung nach EKV § 5 Nr 3 S 2 in Betracht, wenn ein dringendes, auf andere Weise nicht zu befriedigendes Bedürfnis nach einer Beteiligung des Arztes an der anästhesiologischen Versorgung der Belegpatienten vorhanden ist.

5. Kann eine Kassenärztliche Vereinigung eine Entscheidung im Kassenarztrecht nur im Einvernehmen mit Krankenkassen treffen, so haben die Sozialgerichte in der Besetzung mit Vertretern der Krankenkasse und mit der Besetzung mit Vertretern der Krankenkassen und mit Vertretern der Kassenärzte zu entscheiden.

 

Normenkette

KHG § 17 Fassung: 1972-06-29; BPflV § 3 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1973-04-25; EKV-Ä § 5 Nr. 3 S. 2; SGG § 12 Abs. 3

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Entscheidung vom 29.09.1976; Aktenzeichen S 12 Ka 32/75)

 

Tenor

Auf die Revision des beigeladenen Verbandes der Angestellten-Krankenkassen wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer - Zweigstelle Mainz - vom 29. September 1976 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Klägerin ist Fachärztin für Anästhesie und seit 1975 als Leiterin der Fachabteilung Anästhesie/Intensivmedizin in einem Krankenhaus, das auch Belegabteilungen mit kleinem Pflegesatz unterhält, im Beamtenverhältnis tätig. Ihren Antrag, sie zur Abrechnung von Leistungen ihres Faches in Fällen belegärztlicher Behandlung von Ersatzkassenpatienten zu ermächtigen, lehnte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung Koblenz (KÄV) ab, nachdem der beigeladene Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) seine Zustimmung verweigert hatte, weil die fraglichen Leistungen nach § 3 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) vom 25. April 1973 (BGBl I 333) mit dem Pflegesatz abgegolten seien (Bescheid vom 11. September 1975 und Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1975).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte zur Erteilung der beantragten Ermächtigung verurteilt und im wesentlichen ausgeführt: Die streitigen Leistungen gehörten nicht zu den allgemeinen, mit dem Pflegesatz abgegoltenen Leistungen des Krankenhauses (§ 3 Abs 1 BPflV), sondern seien, da der Klägerin insoweit eine mit eigenem Liquidationsrecht verbundene Nebentätigkeit vom Krankenhausträger gestattet worden sei, ebenso wie die Leistungen der Belegärzte selbst (§ 3 Abs 2 BPflV) gesondert abrechenbar; Vorschriften des Krankenhausfinanzierungsgesetzes des Bundes (KHG) vom 29. Juni 1972 und des rheinland-pfälzischen Krankenhausreformgesetzes vom 29. Juni 1973 stünden nicht entgegen (Urteil vom 29. September 1976).

Der beigeladene VdAK hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt, mit der er die Verletzung von Vorschriften des KHG und des § 3 BPflV durch das SG rügt. Nach diesen Vorschriften seien auch die Leistungen der Krankenhausanästhesisten - wie grundsätzlich alle ärztlichen Leistungen des Krankenhauses - mit dem allgemeinen Pflegesatz abgegolten; die Ausnahmevorschriften der §§ 4 bis 7 BPflV träfen hier nicht zu.

Der Beigeladene beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Ihrer Ansicht nach erbringt sie die Leistungen auf den Belegstationen des Krankenhauses als eigene, nicht als Leistungen des Krankenhauses, auch wenn ihr die anästhesiologische Versorgung der Belegstationen als Dienstaufgabe zugewiesen sein sollte.

Auch die beklagte KÄV hält das angefochtene Urteil für zutreffend; die außergerichtlichen Kosten der Klägerin hätten allerdings nicht ihr, sondern dem beigeladenen VdAK auferlegt werden müssen.

Die beigeladene Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hält das angefochtene Urteil des SG ebenfalls für zutreffend. Sie meint, die Klägerin erbringe aufgrund ihrer Nebentätigkeitsgenehmigung die fraglichen Leistungen außerhalb ihrer Dienstaufgaben, allerdings als "Pflicht-Nebentätigkeit". Ihre Leistungen gehörten deshalb nicht zu den mit dem Pflegesatz abgegoltenen Leistungen des Krankenhauses.

II

Der Senat hat - anders als das SG - über die Revision mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenärzte entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Kassenarztrechts, nicht der Kassenärzte allein handelt (§§ 12 Abs 3 Satz 1, 33, 40 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Ob eine Streitsache den Angelegenheiten des Kassenarztrechts im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 1 SGG oder den Angelegenheiten der Kassenärzte im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 2 SGG zuzuordnen ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats davon ab, ob Gegenstand des Rechtsstreits eine Maßnahme der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärzte und Krankenkassen ist oder ob die Streitsache die Kassenärzte allein betrifft. Dieses richtet sich wiederum danach, ob die Krankenkassen aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Regelung bereits am Verwaltungsverfahren durch eigene Vertreter beschließend mitzuwirken haben oder ob die Entscheidung einer allein mit Kassenärzten besetzten Stelle überlassen ist (vgl BSGE 11, 1, 2 f und Urteile des Senats vom 7. Oktober 1976,6 RKa 15/75 , S 4 f, und 6 RKa 20/73 , S 5 f, jeweils mit weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall hatten zwar über den Ermächtigungsantrag der Klägerin nach außen hin - der Klägerin gegenüber - nur Organe der beklagten KÄV, also allein mit Kassenärzten besetzte Stellen, zu entscheiden. Eine positive Entscheidung konnten diese jedoch nur "im Einvernehmen" mit dem beigeladenen VdAK treffen (§ 5 Ziffer 3 Satz 2 des Arzt/Ersatzkassen-Vertrages - EKV- Ärzte - vom 20. Juli 1963 idF der Ergänzungsvereinbarung vom 27. Juni 1966, Deutsches Ärzteblatt 1966, 2161; § 2 der Vereinbarung über die Ermächtigung von Fachärzten für Anästhesie/Ersatzkassen vom 5. April 1972, Deutsches Ärzteblatt 1972, 1433; anders § 2 der Empfehlungsvereinbarung über die Teilnahme der Fachärzte für Anästhesie an der kassenärztlichen Versorgung vom 28. Juli 1972, Deutsches Ärzteblatt 1972, 2424: "... im Benehmen mit den Krankenkassen..."). Der Begriff des "Einvernehmens" erfordert - anders als der des Benehmens (vgl dazu BSGE 29, 111, 113) - eine ausdrücklich erklärte Zustimmung des anderen Teils, hier des VdAK. Konnte aber ohne dessen Zustimmung die Klägerin die beantragte Ermächtigung nicht erhalten, so besteht im Ergebnis kein wesentlicher Unterschied gegenüber den Fällen, in denen Vertreter der Krankenkassen (Ersatzkassen) beschließend am Erlaß der jeweiligen Verwaltungsentscheidung mitzuwirken haben (so die bisher vom Senat entschiedenen Fälle, vgl BSGE 21, 237, 239; 26, 16, 21; 28, 84, 85; Urteil vom 7. Oktober 1976,6 RKa 20/73 , S 5). Sowohl bei der einen wie bei der anderen Fallgestaltung können die Krankenkassen (Ersatzkassen) maßgebenden Einfluß auf den Erlaß der Entscheidung ausüben. Ob dies schon bei der Willensbildung innerhalb des Beschlußorgans oder aber erst nachträglich durch eine Versagung der Zustimmung zu einem von einer ärztlichen Stelle gefaßten Beschluß geschieht, ist dabei von untergeordneter Bedeutung. In beiden Fällen handelt es sich mithin um Akte der gemeinsamen Selbstverwaltung, über deren Rechtmäßigkeit auch die Gerichte in "paritätischer" Besetzung, dh unter Mitwirkung von Vertretern der Krankenkassen und der Kassenärzte, zu entscheiden haben. Obwohl das SG hiernach mit zwei Kassenärzten als ehrenamtlichen Richtern unrichtig besetzt war, ist sein Urteil nicht schon deswegen aufzuheben, weil dieser Mangel von keinem Beteiligten gerügt worden ist (vgl BSGE 11, 1, 3).

Das SG hat für den Klaganspruch mit Recht den Sozialrechtsweg für zulässig gehalten, ohne dies allerdings näher zu begründen. Der Ermächtigungsantrag der Klägerin, den sie zunächst bei der Beklagten gestellt und nach Ablehnung im sozialgerichtlichen Verfahren weiterverfolgt hat, stützt sich auf die schon genannte Bestimmung des EKV-Ärzte, die in § 5 Ziffer 3 Satz 2 und 3 wie folgt lautet:

Soweit die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Anspruchsberechtigten durch Vertragsärzte nicht gewährleistet ist, kann die KV Im Einvernehmen mit dem VdAK/AEV Nichtvertragsärzte und ärztlich geleitete Einrichtungen zur Durchführung bestimmter ärztlicher Leistungen einschließlich ärztlicher Sachleistungen allgemein oder im Einzelfall ermächtigen. Die Vertragspartner können zur Durchführung dieser Bestimmung allgemeine Regelungen erlassen und Musterverträge vorschreiben.

Nach der daraufhin von den Vertragspartnern - der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Ersatzkassen - geschlossenen Vereinbarung über die Beteiligung von Fachärzten für Anästhesie vom 27. Juni 1966 (Deutsches Ärzteblatt 1966, 2160), die später durch die Vereinbarung vom 5. April 1972 ersetzt worden ist, können die KÄVen mit Fachärzten für Anästhesie im Einvernehmen mit dem VdAK "Ermächtigungsverträge" nach einem der Vereinbarung beigefügten Vertragsmuster abschließen (§ 2 Satz 1). Ob der hier vorgesehene Abschluß von "Ermächtigungsverträgen" ein rechtlich gangbarer Weg ist, um einen Arzt außerhalb der Beteiligung als Vertragsarzt (§ 5 Ziffer 1 und 2 EKV-Ärzte) an der Ersatzkassenpraxis teilnehmen zu lassen, oder ob, wenn die Teilnahme an der Ersatzkassenpraxis insgesamt auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erfolgt (vgl dazu BSGE 11, 1), nicht der Erlaß eines Verwaltungsakts das allein zulässige oder mindestens angemessenere Mittel der Beteiligung ist, das auch einen wirksamen Rechtsschutz garantiert (vgl BSGE 11, 10 f; 38, 73, 76), läßt der Senat dahingestellt (vgl § 31 der Zulassungsordnung für Kassenärzte idF der Verordnung vom 20. Juli 1977, BGBl I 1332, Art 1 Nr 16, wonach die Ermächtigung in der Form eines Verwaltungsakts zu erteilen ist). Selbst wenn hier für die Klägerin, um ihre Berechtigung zur Teilnahme an der Ersatzkassenpraxis zu begründen, kein Verwaltungsakt, sondern nur ein Ermächtigungsvertrag in Betracht käme, würde es sich dabei nicht um einen privatrechtlichen Vertrag, sondern um ein Geschäft des öffentlichen Rechts (öffentlich-rechtlichen Vertrag) handeln. Ein Streit über die Verpflichtung zum Abschluß eines solchen Vertrages wäre deshalb - nicht anders wie eine Verpflichtungsklage auf Erlaß eines entsprechenden Verwaltungsaktes - eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, über die, weil sie die Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen betrifft (vgl BSGE 28, 218, 219), die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden haben (§ 51 Abs 1 iVm Abs 2 Satz 1 SGG).

Daß ein Beigeladener, der - wie hier der VdAK - durch ein Urteil beschwert ist, unabhängig von den Hauptbeteiligten ein Rechtsmittel einlegen kann, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl SozR SGG § 75 Nr 34 mit weiteren Nachweisen).

Die Sprungrevision des Beigeladenen, die vom SG nachträglich zugelassen worden ist (§ 161 SGG), hat auch Erfolg.

Das angefochtene Urteil kann - jedenfalls mit der vorliegenden Begründung - nicht bestehen bleiben. Für eine abschließende Sachentscheidung fehlen die erforderlichen Feststellungen.

Die Sprungrevision ist allerdings nicht schon deswegen begründet, weil die genannte Vereinbarung über die Ermächtigung von Anästhesisten zur Teilnahme an der Ersatzkassenpraxis vom 5. April 1972 durch den VdAK zum 30. Juni 1976 gekündigt worden ist. Dabei kann unentschieden bleiben, ob diese Vereinbarung die einzige Rechtsgrundlage für die von der Klägerin beantragte Ermächtigung ist oder ob, wenn sie wegfiele, die Ermächtigung auch aufgrund der allgemeinen Bestimmung in § 5 Ziffer 3 Satz 2 EKV-Ärzte erteilt werden könnte. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, als Ermächtigungsnorm mithin nur die erstgenannte Bestimmung in Betracht käme, würde deren Kündigung hier eine Ermächtigung der Klägerin nicht ausschließen. Inzwischen haben nämlich die Vertragspartner durch eine bis zur Entscheidung ua auch des vorliegenden Rechtsstreits geltende Übergangsregelung die gekündigte Vereinbarung unter bestimmten Voraussetzungen (die hier offenbar vorliegen) für vorläufig weiter anwendbar erklärt (vgl Arzt- und Arzneimittelrecht 1977, 46).

Nach der allgemeinen Bestimmung in § 5 Ziffer 3 Satz 2 EKV-Ärzte "kann" die KLÄV Nichtvertragsärzte zu bestimmten ärztlichen Leistungen ermächtigen, soweit die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung durch Vertragsärzte nicht gewährleistet ist. Entsprechend "können" nach § 2 der genannten Vereinbarung vom 5. April 1972 die KÄVen mit Fachärzten für Anästhesie Ermächtigungsverträge schließen, um ihnen damit die Möglichkeit zu eröffnen, in dem für die Versicherten erforderlichen Maße an der ärztlichen Versorgung teilzunehmen (vgl die Einleitung der Vereinbarung). Voraussetzung für die Anwendung beider "Kann"-Bestimmungen ist mithin, daß die Ermächtigung für eine ausreichende Versorgung der Ersatzkassen-Versicherten erforderlich ist. Ob bei Bejahung der Bedürfnisfrage einem geeigneten Arzt die Ermächtigung auf Antrag erteilt werden muß oder ob den zur Entscheidung berufenen Stellen auch dann noch ein gewisser Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zusteht, läßt der Senat unentschieden. Rechtliche Voraussetzung für die Erteilung der Ermächtigung ist jedenfalls das Vorliegen eines Bedürfnisses. Ob ein solches hier besteht, ist nach den Feststellungen des SG zweifelhaft.

Die Klägerin erstrebt die streitige Ermächtigung, um ihre Leistungen als Anästhesistin, die sie auf Belegabteilungen des Krankenhauses, also stationär, erbringt, zu Lasten der Ersatzkassen gegenüber der beklagten KÄV abrechnen zu können. Daß eine solche Abrechnungsbefugnis mit den Vorschriften des KHG und der BPflV vereinbar sei, hat das SG - entgegen der Auffassung des beigeladenen VdAK - angenommen. Seine Ausführungen sind indessen nicht bedenkenfrei.

Das KHG - mit seiner vollen Überschrift: Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 29. Juni 1972 - BGBl I 1009 - ("Krankenhausfinanzierungsgesetz") - enthält neben einer Begriffsbestimmung der Pflegesätze (§ 2 Nr 4: Die Entgelte der Benutzer oder ihrer Kostenträger für stationäre und halbstationäre Leistungen des Krankenhauses) in § 17 Grundsätze für die Pflegesatzregelung, ua die Vorschrift, daß, wenn Arztkosten oder Nebenkosten gesondert berechnet werden, dies bei der Bemessung der Pflegesätze zu berücksichtigen ist (Abs 2 Satz 1 erster Halbsatz). Welche Kosten dabei im einzelnen als (gesondert berechenbare) Arzt- oder Nebenkosten anzusehen sind, hat der Gesetzgeber einer Regelung in einer Rechtsverordnung der Bundesregierung überlassen (§ 17 Abs 2 Satz 1 zweiter Halbsatz KHG). Demgemäß bestimmt § 3 BPflV (Allgemeine Pflegesätze):

(1) Für jedes im Krankenhausbedarfsplan eines Landes aufgeführte Krankenhaus sowie für jedes sonstige Krankenhaus ist ein allgemeiner Pflegesatz festzusetzen, durch den  unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Krankenhausleistungen (allgemeine Krankenhausleistungen) abgegolten werden einschließlich der Leistungen von nicht am Krankenhaus angestellten Konsiliarärzten sowie für Leistungen fremder, auch bronchologischer Untersuchungsstellen.

(2) Soweit ärztliche Leistungen von einem Belegarzt erbracht und berechnet werden, ist dies bei der Bemessung des Anteils der ärztlichen Leistungen im allgemeinen Pflegesatz zu berücksichtigen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß, soweit sonst Arztkosten gesondert berechnet werden, dies entsprechend Satz 1 und bei der Ermittlung der Selbstkosten zu berücksichtigen ist; sie können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertragen.

(3) Vorbehaltlich der in den §§ 4 bis 7 bestimmten abweichenden Regelungen ist ausschließlich der allgemeine Pflegesatz zu berechnen ohne Rücksicht darauf, wer zu seiner Zahlung verpflichtet ist.

Wenn hiernach durch den Pflegesatz "alle ... medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Krankenhausleistungen (allgemeine Krankenhausleistungen) abgegolten werden" (§ 3 Abs 1), so ist damit, soweit es sich um eben diese Leistungen, dh um die medizinisch notwendige Standardversorgung handelt, eine gesonderte Berechnung von Arzt- oder Nebenkosten grundsätzlich ausgeschlossen worden (vollpauschalierter Pflegesatz, vgl BR-Drucks 596/72 , Begründung zu § 3 BPflV, S 4 ff). Daß dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn das Krankenhaus die zur Standardversorgung gehörenden Leistungen nicht selbst erbringen kann, sondern sich dazu anderer, nicht bei ihm angestellter Ärzte oder fremder Untersuchungsstellen bedienen muß, wird in § 3 Abs 1 ausdrücklich klargestellt ("einschließlich der Leistungen von nicht am Krankenhaus angestellten Konsiliarärzten sowie für Leistungen fremder, auch bronchologischer Untersuchungssteilen"). Wie diese Regelung zeigt, können die Krankenhäuser innerhalb der - allerdings je nach ihrer Leistungsfähigkeit abgestuften - medizinischen Standardversorgung den Umfang ihrer Leistungen nicht frei bestimmen, sondern müssen alle medizinisch notwendigen Leistungen entweder selbst (durch ihre angestellten Ärzte oder eigenen Untersuchungseinrichtungen) bereitstellen oder sich auf ihre Kosten beschaffen. Könnten sie die mit dem Pflegesatz abgegoltenen Krankenhausleistungen willkürlich einschränken, so daß neben dem Pflegesatz mehr oder weniger hohe Sonderkosten anfielen, wäre das Gebot der Pauschalierung, das auch einer "sozial tragbaren" Gestaltung der Pflegesätze dient (vgl § 1 KHG), leicht zu umgehen. Bei einer - an den erkennbaren Zielen des KHG und der BPflV orientierten - Auslegung des § 3 BPflV sind deshalb Ausnahmen von dem in Abs 1 statuierten Grundsatz der vollen Pauschalierung aller medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Krankenhausleistungen auf das unabweisbare Maß zu beschränken, jedenfalls nicht ohne gewichtige Gründe auf weitere, durch den Wortlaut nicht gedeckte Tatbestände auszudehnen.

Das gilt insbesondere für die in § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV enthaltene Ausnahme für ärztliche Leistungen, die von einem Belegarzt erbracht und berechnet werden. Ob für das Belegarztsystem herkömmlicher Art - unter dem freiberuflich und überwiegend ambulant tätige Ärzte ihre Patienten, wenn eine stationäre Behandlung erforderlich wird, in von ihnen "belegten" Krankenhausbetten selbst weiterbehandeln - eine eigene Abrechnungsbefugnis des Belegarztes für seine stationären Leistungen kennzeichnend oder sogar begriffswesentlich ist, kann dahinstehen (die Frage wird verneint zB von Schmelcher in: Kuhns, Das gesamte Recht der Heilberufe, S I/180 f). Jedenfalls gab und gibt es zahlreiche Belegärzte, die nach ihren Krankenhausverträgen eine Vergütung ihrer stationären Leistungen nicht aus dem an das Krankenhaus gezahlten (großen) Pflegesatz erhalten, sondern ihre Leistungen - unter entsprechender Kürzung des Pflegesatzes (kleiner Pflegesatz) - selbst gegenüber den Patienten, deren Kostenträgern oder, im kassen- bzw vertragsärztlichen Bereich, gegenüber der KÄV abrechnen (vgl § 368 g Abs 6 RVO idF des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes vom 27.6.1977, BGBl I 1069). An diesem Rechtszustand hat die BPflV für bestehende Verträge nichts ändern können, für die Zukunft offenbar auch nichts ändern wollen und deshalb in § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV die Leistungsabrechnung der Belegärzte besonders geregelt. Dieser Regelung kann indessen nicht - über ihren Wortlaut hinaus - entnommen werden, daß auch andere Ärzte, selbst wenn sie auf Belegabteilungen - in gleichgeordnetem Zusammenwirken mit dem Belegarzt oder als nachgeordneter ärztlicher Dienst (Assistenzärzte) - tätig werden, zu einer gesonderten Abrechnung ihrer Leistungen befugt sein sollen. Schwierigkeiten werden sich dabei auch kaum ergeben, soweit diese Ärzte vom Krankenhausträger angestellt sind und entsprechend den Bestimmungen ihres Anstellungsvertrages den Belegärzten für eine (Mit-)Behandlung ihrer Patienten zur Verfügung gestellt werden. Nicht entschieden zu werden braucht, ob ausnahmsweise auch einem Nichtbelegarzt für stationäre Leistungen im belegärztlichen Bereich ein eigenes Abrechnungsrecht dann einzuräumen wäre, wenn das Krankenhaus keine angestellten Ärzte hat, wie dies bei reinen Belegkrankenhäusern der Fall sein kann (vgl dazu aber das auf dem 80. Ärztetag beschlossene Reformmodell für das Belegarztwesen, das auch bei solchen Krankenhäusern die Anstellung von bestimmten "Funktionsärzten" wie Anästhesisten, Radiologen, Laborärzten und Pathologen als möglich vorsieht, Deutsches Ärzteblatt 1977, 1480, 1488 unter F II); der Fall eines reinen Belegkrankenhauses liegt hier nicht vor.

Nicht näher erörtert zu werden braucht auch die Ausnahmebestimmung in § 3 Abs 2 Satz 2 BPflV , die sich ersichtlich auf die nach § 6 BPflV gesondert berechenbaren Arztkosten, dh auf ärztliche Wahlleistungen im Sinne von § 6 Satz 4 bezieht; solche Leistungen werden gegenüber Ersatzkassenpatienten nicht erbracht, da deren Kostenträger - die Ersatzkassen - keinen Anlaß haben, mit liquidationsberechtigten Krankenhausärzten über das medizinisch notwendige Maß hinaus (vgl § 1 Ziffer 4 Buchst a, § 2 Ziffer 1 und Ziffer 2 EKV-Ärzte) besondere Behandlungsverträge zu schließen.

Da die Klägerin als beamtete Krankenhausärztin nicht zu den Belegärzten gehört, ist die Ausnahmevorschrift in § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV auf sie nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar. Ob sonstige Gründe vorliegen, die ihre Ermächtigung zu einer gesonderten Berechnung ihrer Leistungen rechtfertigen oder erfordern könnten, läßt sich nach den bisher getroffenen Feststellungen des SG nicht entscheiden. Für eine solche Ermächtigung wäre dabei von vornherein kaum Raum, wenn - wie die bei den Akten befindliche Dienstanweisung für das Dienstverhältnis der Klägerin zu ergeben scheint - zu ihren dienstlichen Aufgaben auch die anästhesiologische Versorgung der Patienten auf den Belegabteilungen gehört (vgl Ziffer 2.2 der Dienstanweisung). Dann wären nämlich ihre Leistungen auch auf den Belegabteilungen - nicht anders wie auf den übrigen Krankenhausabteilungen - als Leistungen des Krankenhauses anzusehen, also durch § 3 Abs 1 BPflV erfaßt. Sollten die genannten Leistungen dagegen, obwohl medizinisch notwendig, nicht zu den Dienstaufgaben der Klägerin gehören, diese sie vielmehr, worauf eine Bemerkung des SG auf S 13 seines Urteils hindeutet, aufgrund einer ihr erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung erbringen, so hätte der Krankenhausträger entsprechend dem Grundsatz von der Abgeltung aller medizinisch notwendigen Leistungen durch einen vollpauschalierten Pflegesatz (§ 3 Abs 1 BPflV) zunächst zu versuchen, durch eine Änderung des Dienstverhältnisses den dienstlichen Aufgabenbereich der Klägerin auch auf die Versorgung der Kranken auf den Belegabteilungen zu erstrecken. Nur wenn dies nicht möglich sein sollte, weil auf Seiten des Krankenhausträgers schwerwiegende Gründe dagegen sprächen oder die Klägerin ihre Zustimmung zu einer Änderung des Dienstverhältnisses verweigerte, andererseits jedoch ein dringendes, auf andere Weise nicht zu befriedigendes Bedürfnis nach einer Beteiligung der Klägerin an der stationären Versorgung von Ersatzkassenpatienten bestände, käme ausnahmsweise ihre Ermächtigung nach § 5 Ziffer 3 Satz 2 EKV-Ärzte in Verbindung mit der Vereinbarung vom 5. April 1972 in Betracht. Bedenken, die aus § 3 Abs 1 BPflV hergeleitet werden könnten, müßten dann unter Umständen hinter dem - übergeordneten - Interesse an einer Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten auch im stationären Bereich zurücktreten (aus dem Schrifttum vgl zu den hier erörterten Fragen vor allem die Kommentare zur BPflV: Brandecker, Erläuterungen zu § 3 BPflV, besonders unter 4 e, und Wieglow/Roth, Die Kassenarztgebühren, 5. Aufl, Stand Oktober 1974, Bd IV, darin die von Schlauß und von Bölke zum Teil unterschiedlich kommentierte BPflV, S V a 56 ff einerseits, S V a 62 ff andererseits; vgl ferner Siegmund Schultze Arztrecht 1974, 130, 136; von diesen scheinen Brandecker und Bölke der Auffassung des Senats nahezustehen).

Da hiernach die bisher getroffenen Feststellungen für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits nicht ausreichen, hat der Senat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache nach § 170 Abs 4 SGG an das zuständige Landessozialgericht zurückverwiesen. Dieses wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650757

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