Leitsatz (amtlich)

1. Fortbildungsmaßnahmen (hier: Besuch der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Nürnberg) sind weder eine Fachschulausbildung iS RVO § 1259 Abs 1 S 1 Nr 4 Buchst b noch ihr rechtlich gleichzustellen.

2. Beitragslose Zeiten iS RVO § 1255a S 1 können nicht allein deshalb mit dem Wert für die Leistungsgruppe 2 der Anl 1 zu RVO § 1255a berücksichtigt werden, weil der Versicherte während seiner Beamtenausbildung an Kursen der Bayerischen Verwaltungsschule teilgenommen hat (Fortführung von BSG 1977-12-07 1 RA 111/76).

 

Leitsatz (redaktionell)

Als Fachschule iS des RVO § 1259 Abs 1 S 1 Nr 4 Buchst b kann nur eine Bildungseinrichtung verstanden werden, die die Arbeitskraft des Auszubildenden im wesentlichen voll in Anspruch nimmt.

 

Normenkette

RVO § 1255a S. 1 Nr. 1 Fassung: 1965-06-09, § 1255a Anl 1 Fassung: 1965-06-09, § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. b Fassung: 1972-10-16

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 05.10.1976; Aktenzeichen L 5 Ar 305/75)

SG Nürnberg (Entscheidung vom 27.05.1975; Aktenzeichen S 7 Ar 670/73)

 

Tenor

Die Revision des Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Oktober 1976 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe von Hinterbliebenenrenten, und zwar im einzelnen die Frage der Bewertung beitragsloser Zeiten.

Der 1921 geborene und 1972 verstorbene Ehemann und Vater der Kläger, als Oberamtsrat Beamter der Stadt N… (N.), hatte für weniger als 60 Kalendermonate Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Unter Berücksichtigung des Kriegsdienstes als Ersatzzeit bewilligte die Beklagte den Klägern mit Bescheiden vom 13. März 1974 Hinterbliebenenrenten und bewertete die (beitragslose) Ersatzzeit mit dem Tabellenwert der Leistungsgruppe 3 der Anlage 1 zu § 1255 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum Inkrafttreten des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes (20. RAG) vom 27. Juni 1977 geltenden Fassung.

Mit der auf Zuordnung der Werte der Leistungsgruppe 2 aaO zielenden Klage hatten die Kläger vor dem Landessozialgericht (LSG) keinen Erfolg. Im angefochtenen Urteil vom 5. Oktober 1976 hat das LSG die zusprechende Entscheidung des Sozialgerichts (SG) vom 27. Mai 1975 aufgehoben und die Klagen abgewiesen. In der Begründung heißt es, zwar habe der Ehemann und Vater der Kläger von 1937 bis 1940 an Lehrveranstaltungen der Bayerischen Verwaltungsschule und von 1954 bis 1957 an Kursen der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie teilgenommen. Gleichwohl handele es sich bei ihm nicht um einen "Versicherten mit einer in § 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO bezeichneten Schul- oder Fachschulausbildung" im Sinne der Definition der Leistungsgruppe 2 aaO. Die Kurse der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie dienten nicht der Ausbildung, sondern der Fortbildung bereits ausgebildeter Beamter und Angestellter.

Der Besuch der Bayerischen Verwaltungsschule sei auch keine Fachschulausbildung. Hierunter sei nur die Ausbildung an einer Vollzeitschule zu verstehen, wogegen an der Bayerischen Verwaltungsschule der Unterricht an zwei Nachmittagen der Woche zu je zwei Stunden durchgeführt worden sei. Bei dem Versicherten habe die praktische Ausbildung als Stadtinspektor-Anwärter weit überwogen. Im übrigen fehle es an dem regelrechten "Abschluß" einer Fachschulausbildung. Schließlich sei eine Fachschulausbildung versicherungspflichtig oder versicherungsfrei Beschäftigter, bei denen kein Beitragsausfall eintreten könne, von vornherein rentenrechtlich unbeachtlich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die zugelassene Revision der Kläger. Sie verweisen darauf, daß sich die Bayerische Verwaltungsschule von 1937 bis 1940 selbst als Fachschule bezeichnet und daß der Versicherte beide Fachschulausbildungen mit einem Diplom abgeschlossen habe. Im übrigen bedürfe es nach der Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 zu § 1255 a RVO nicht einer "anzurechnenden", sondern nur einer in § 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO "bezeichneten" Fachschulausbildung. Die Auffassung des LSG stelle überdies eine besondere Härte dar.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Oktober 1976 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27. Mai 1975 zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, ihnen auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG-).

II.

Die Revision der Kläger ist nicht begründet.

Nach der Definition der Anlage 1 zu § 1255 a RVO in der - hier anzuwendenden - Fassung bis zum Inkrafttreten des 20. RAG vom 27. Juni 1977 fallen zum Zwecke der Bewertung beitragsloser Zeiten in die - gegenüber der Leistungsgruppe 3 günstigere - Leistungsgruppe 2 Versicherte "mit einer in § 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO bezeichneten Schul- oder Fachschulausbildung". § 1259 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b RVO bestimmt, daß rentensteigernde Ausfallzeiten u.a. Zeiten einer nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden abgeschlossenen Fachschulausbildung sind.

Was in Bezug hierauf die Lehrveranstaltungen der Bayerischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie betrifft, so hat das LSG unangegriffen und damit für den Senat verbindlich festgestellt (§ 163 SGG), daß es sich insoweit um eine Fortbildung bereits ausgebildeter Beamter und Angestellter gehandelt hat. Fortbildungsmaßnahmen lassen sich aber, was keiner näheren Begründung bedarf, dem Begriff der Ausbildung an einer Fachschule weder unterordnen noch ihm rechtlich gleichbehandeln.

Aber auch die Teilnahme des Versicherten an Lehrveranstaltungen der Bayerischen Verwaltungsschule während seiner Ausbildung zum städtischen Beamten stellt keine Fachschulausbildung dar. Dies hat der erkennende Senat erst kürzlich in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 7. Dezember 1977 - 1 RA 111/76 - im Anschluß bzw. in Bestätigung der Urteile des 11. Senats in BSGE 35, 52 und BSGE 39, 71 entschieden. In der Begründung hat der erkennende Senat ausgeführt, daß als Fachschule im Sinne des Gesetzes nur eine Bildungseinrichtung verstanden werden kann, die die Arbeitskraft des Auszubildenden im wesentlichen voll in Anspruch nimmt. Dem sei hinsichtlich der Teilnahme an Kursen der Bayerischen Verwaltungsschule schon deswegen nicht genügt, weil diese nur nebendienstlich neben der weit überwiegenden praktischen Ausbildung zum Beamten durchgeführt worden seien. Das LSG hat für den konkret vorliegenden Fall Entsprechendes unangefochten ebenfalls festgestellt: Der Ehemann und Vater der Kläger habe, abgesehen von einem abschließenden sechswöchigen Vollkurs, neben seiner praktischen Ausbildung zum Beamten Unterricht nur an zwei Nachmittagen der Woche zu je zwei Stunden erhalten. Hat mithin der Versicherte auch im vorliegenden Fall an der Bayerischen Verwaltungsschule keinen Vollzeitunterricht genossen, so ist seine nebendienstliche Ausbildung an dieser Lehreinrichtung kein Fachschulbesuch im Sinne des Gesetzes gewesen.

Der erkennende Senat hat aaO ferner darauf hingewiesen, es sei unerheblich, daß die Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 zu § 1255 a RVO keine "anzurechnende" Ausbildungszeit verlange. Der Gesetzgeber habe auch in § 1255 a aaO bewußt typisiert und nur Schulen im Sinne des Ausfallzeitenrechts, also Einrichtungen mit einem eine Beitragsleistung hindernden Vollunterricht erfassen wollen. Der Senat hat an dieser Stelle auch erwähnt, daß das Gesetz bei seiner bewußt typisierenden Handhabung Ausbildungen, die entweder während eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses oder - wie im Falle des Ehemannes und Vaters der Kläger - während eines schon von vornherein versicherungsfreien Beamten- oder Beamtenanwärterverhältnisses durchgeführt worden seien und zu einer ansteigenden, weiterhin versicherungsfreien Beamtenstellung führen, nicht zu begünstigen brauchte; solche Ausbildungen waren nämlich gar nicht geeignet, unverschuldet eine Beitragsleistung zu verhindern, so daß sie - weder durch Anrechnung als Ausfallzeit, noch durch Höherbewertung einer beitragslosen Zeit - einer besonderen rentenrechtlichen Honorierung nicht bedurften. Daß dies nicht geschieht, stellt mithin in Fällen der vorliegenden Art auch keine besondere Härte dar.

Das Urteil des LSG entspricht mithin der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), so daß die Revision der Kläger hiergegen als unbegründet zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652140

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