Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildung zur Krankenschwester. Beendigung der beruflichen Bildungsmaßnahme mit Prüfung

 

Orientierungssatz

Bei Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme iS des § 34 AFG (hier: Ausbildung zur Krankenschwester) endet das Ausbildungsverhältnis und somit der Anspruch des Teilnehmers auf Unterhaltsgeld mit dem Tag der Ablegung der Prüfung (vgl 1976-03-11 7 RAr 67/74 und GmSOGB vom 1983-01-27 2/82), wenn der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlußprüfung besteht.

 

Normenkette

AFG § 34 Abs 1, § 44 Abs 1; KrPflG § 9 Abs 1, § 14f Abs 1; BBiG § 14 Abs 2

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 27.04.1982; Aktenzeichen L 14 Ar 81/81)

SG Berlin (Entscheidung vom 11.09.1981; Aktenzeichen S 66 Ar 43/81)

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung einer Bewilligung von Leistungen nach §§ 44, 45 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und deren Rückforderung.

Die 1950 geborene Klägerin war nach Abschluß der entsprechenden Ausbildung von 1972 bis Ende September 1978 als Krankenpflegehelferin berufstätig. Anschließend nahm sie an einer Ausbildung zur Krankenschwester teil. Nach dem Ausbildungsvertrag zwischen der Klägerin und der staatlich anerkannten Krankenpflegeschule des Diakonissenmütter- und Krankenhauses P.-G.-St. in B. sollte die nach den Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes (KrPflG) durchgeführte Ausbildung am 1. Oktober 1978 beginnen und am 30. September 1980 enden.

Antragsgemäß gewährte die Beklagte der Klägerin wegen Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung ab 1. Oktober 1978 Unterhaltsgeld (Uhg) und Fahrkostenzuschüsse (zuletzt Uhg in Höhe von wöchentlich 170,58 DM = arbeitstäglich 28,43 DM; Fahrkostenzuschuß in Höhe von monatlich 40,-- DM). Mit Schreiben vom 20. September 1980 teilte die Klägerin der Beklagten auf deren Anfrage mit, daß Prüfungstermine wie folgt stattgefunden hatten: "Schriftlich: 28. August 1980; Praktisch: 4. September 1980; Mündlich: 10. September 1980." Nach einer bei der Beklagten am 9. Oktober 1980 eingegangenen Bescheinigung des P.-G.- St. war der 5. September 1980 letzter Unterrichtstag und der 10. September 1980 letzter Prüfungstag gewesen. Die Beklagte hob daraufhin durch Bescheid vom 17. Oktober 1980 die Leistungsbewilligung mit Wirkung ab 11. September 1980 auf und forderte eine Leistungsüberzahlung von 503,31 DM von der Klägerin zurück (Uhg für die Zeit vom 11. bis 30. September 1980 in Höhe von 483,31 DM; anteiligen Fahrkostenzuschuß für September in Höhe von 20,-- DM).

Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin hiergegen sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 1980, zugestellt am 31. Dezember 1980; Urteil des Sozialgerichts Berlin -SG- vom 11. September 1981, das die Berufung zugelassen hat; Urteil des Landessozialgerichts Berlin -LSG- vom 27. April 1982). Nach Auffassung des LSG ist die förderungsberechtigende Teilnahme der Klägerin an der beruflichen Bildungsmaßnahme iSd §§ 33ff AFG mit Abschluß der Prüfung am 10. September 1980 beendet gewesen. Die nach dem KrPflG vorgesehene Fortdauer der Ausbildung danach könne jedenfalls nicht mehr als Erteilung von Unterricht iSd § 34 Abs 1 AFG angesehen werden, so daß für die Zeit nach Abschluß der Prüfung auch kein Anspruch auf Förderungsleistungen mehr bestanden habe. Die Beklagte sei deshalb berechtigt gewesen, die Leistungsbewilligungen gem § 151 Abs 1 AFG mit Wirkung ab 11. September 1980 aufzuheben. Sie habe ferner die - im übrigen richtig berechnete - Leistungsüberzahlung für die Zeit vom 11. bis 30. September 1980 von der Klägerin gem § 152 Abs 1 Nr 2 AFG zurückfordern dürfen; denn die Klägerin habe im Sinne dieser Vorschrift zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt, daß die Voraussetzungen der Leistung nicht vorlagen.

Die Klägerin habe bei Antragstellung von der Beklagten ein Merkblatt erhalten, in dem ausgeführt sei, daß die Maßnahme als abgeschlossen gelte, wenn Unterricht nicht mehr erteilt, bzw die Abschlußprüfung abgelegt werde. Nach diesem Tage könne auch dann kein Uhg mehr gezahlt werden, wenn der Maßnahmeträger einen späteren Zeitpunkt als Maßnahmeende bestimme. Die Klägerin sei in den vierteljährlich erfolgten Aufforderungen zur Abgabe von Erklärungen über ihr Einkommen und über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme auf dieses Merkblatt hingewiesen worden, zuletzt unter dem 26. Juni 1980. Sie habe sich daher ohne besonderen Aufwand darüber informieren können, ob ihr die Leistung noch zustand, wenn ihr die Unrechtmäßigkeit der Leistungsgewährung nicht bekannt gewesen sein sollte.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 34 AFG. Sie trägt im wesentlichen vor: Ihre Ausbildung habe sich nach den einschlägigen Bestimmungen des KrPflG gerichtet. Ziel der Ausbildung sei die Erlangung der Erlaubnis, die Krankenpflege unter der Berufsbezeichnung Krankenschwester ausüben zu dürfen. Diese Erlaubnis werde der Lernschwester erst nach vollständigem Ablauf der vereinbarten und nach dem KrPflG grundsätzlich auf drei volle Jahre angelegten Ausbildungsdauer erteilt. Solange befinde sich die Lernschwester in Ausbildung, wie auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Urteil vom 11. September 1979 - 5 AZR 733/77 - entschieden habe; § 14 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), der die Beendigung der Ausbildung bei vorzeitiger Prüfung vorschreibe, gelte für die Berufsausbildung in Heil- und Heilhilfsberufen nicht (§ 107 Abs 1 BBiG). Dem habe das Förderungsrecht nach dem AFG Rechnung zu tragen, dessen Sinn es sei, dem zu Fördernden zu einem anerkannten Berufsabschluß zu verhelfen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Berlin vom 11. September 1981 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Dezember 1980 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils und die Rechtsprechung des erkennenden Senats.

Beide Beteiligte sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie hat keinen Anspruch auf Förderungsleistungen über den 10. September 1980 hinaus und ist verpflichtet, die für die Zeit vom 11. bis 30. September 1980 erhaltenen Leistungen zurückzuzahlen.

Nach den Feststellungen des LSG war die Klägerin mit Beginn ihrer Ausbildung zur Krankenschwester Teilnehmerin an einer Maßnahme zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht, so daß ihr von da an Anspruch auf Uhg und Fahrkostenerstattung in dem bewilligten Umfange zustand (§§ 41, 44, 45 AFG idF des Haushaltsstrukturgesetzes-AFG -HStruktG-AFG- vom 18. Dezember 1975 - BGBl I 3113-). Dieser Anspruch erlosch mit Ablauf des 10. September 1980; denn durch die Ablegung der Abschlußprüfung an diesem Tage endete die Ausbildung der Klägerin zur Krankenschwester, mithin ihre Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung iSd § 34 AFG idF des HStruktG-AFG.

Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß der Zeitraum, für den der Teilnehmer an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung oder Umschulung Anspruch auf Förderungsleistungen haben kann, durch das Ende der vorgesehenen und tatsächlichen Unterrichtsveranstaltungen begrenzt wird, weil danach keine Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme iS des Förderungsanspruchs nach § 34 Abs 1 AFG mehr stattfindet (BSGE 41, 224, 227; Urteil vom 11. März 1976 - 7 RAr 67/74 -). Er hat diese Auffassung auch für die Ausbildungsgänge nach dem KrPflG bejaht, weil seiner Meinung nach die Regelungen in den §§ 9 Abs 1, 14f Abs 1 KrPflG über die grundsätzliche Dauer der Lehrgänge in der Krankenpflege (drei Jahre) und in der Krankenpflegehilfe (ein Jahr) keine Regelung einer Mindestdauer des individuellen Ausbildungsverhältnisses enthalten (BSG aaO). Diese Auffassung hat nunmehr der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes in seinem Beschluß vom 27. Januar 1983 - GemS OGB 2/82 -, der den Beteiligten zur Kenntnis gegeben wurde, bestätigt. Nach diesem Beschluß endet das - wie hier - arbeitsrechtlich-betrieblich ausgestaltete Ausbildungsverhältnis einer Krankenschwester, die bereits vor Ablauf der nach § 9 KrPflG vorgesehenen dreijährigen Lehrgangsdauer die Abschlußprüfung nach § 13 KrPflG erfolgreich bestanden hat, mit dem Zeitpunkt der Prüfung. Der Gemeinsame Senat hat diese Rechtsfolge aus der auch für den Bereich der Ausbildung nach dem KrPflG grundsätzlich anwendbaren Vorschrift des § 14 Abs 2 BBiG gefolgert; nach dieser Vorschrift endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlußprüfung, wenn der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlußprüfung besteht. Die vom erkennenden Senat (aaO) noch offen gelassene Frage, ob durch § 107 Abs 1 BBiG, der bestimmt, daß bundesgesetzliche Regelungen über die Berufsausbildung in Heil- und Heilhilfsberufen (vom BBiG) unberührt bleiben, die Anwendbarkeit des § 14 Abs 2 BBiG in der Krankenpflegeausbildung ausgeschlossen ist, hat der Gemeinsame Senat ausdrücklich verneint.

Er hat darüber hinaus entschieden, daß die bereits vor Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit erfolgreich geprüfte Krankenschwester vom Prüfungszeitpunkt an Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung des Berufs unter der Bezeichnung Krankenschwester (§ 1 KrPflG) besitzt. Damit steht fest, daß diese Ausbildung unter jedem Gesichtspunkt des KrPflG im gleichen Zeitpunkt ihr Ende gefunden hat. Die entgegenstehende Rechtsprechung des 5. Senats des BAG (vgl BAG in AP Nr 2 zu § 14 BBiG), der an dem oa Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat beteiligt war, ist infolgedessen gegenstandslos geworden. Für die vorbehaltslose Weiterbeschäftigung der Krankenschwester nach vorzeitiger Ablegung der Prüfung gilt § 17 BBiG, dh, mangels entgegenstehender Willensäußerung der Parteien des Ausbildungsverhältnisses ist zwischen ihnen kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis entstanden.

Damit liegt das Ende der beruflichen Bildungsmaßnahme nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Teilnehmerbegriffs, sondern auch als Folge der Beendigung des arbeitsrechtlich-betrieblich ausgestalteten Ausbildungsverhältnisses auf der Hand. Mithin endet zum gleichen Zeitpunkt der Anspruch auf Förderungsleistungen nach §§ 44, 45 AFG. Die Beklagte war infolgedessen berechtigt, die bestehende Bewilligung von Uhg und Fahrkostenerstattung aufzuheben, soweit diese den Zeitraum nach dem 10. September 1980, dem Tage der Abschlußprüfung der Klägerin, betraf. Sie durfte sich dafür auf § 151 Abs 1 AFG aF berufen, wonach Entscheidungen, durch die Leistungen nach dem AFG bewilligt worden sind, insoweit aufgehoben werden, als die Voraussetzungen für die Leistungen nicht mehr vorliegen oder weggefallen sind. Der § 151 Abs 1 AFG ist in dieser Fassung im vorliegenden Falle anwendbar geblieben, da er durch das Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - vom 18. August 1980 (BGBl I 1469 -SGB 10-) erst mit Wirkung ab 1. Januar 1981 aufgehoben worden ist (BSG vom 16. Februar 1983 - 7 RAr 105/81 -); das Verwaltungsverfahren war hier aber bereits mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides am 31. Dezember 1980 beendet.

Das LSG hat zutreffend ferner entschieden, daß die Klägerin nach § 152 Abs 1 Nr 2 AFG, der hier ebenfalls in der Fassung vor Inkrafttreten des SGB 10 anzuwenden ist, verpflichtet ist, für die Zeit ab 11. September 1980 zu Unrecht erhaltene Leistungen zurückzuzahlen. Danach hat der Empfänger einer Leistung diese im Falle der Aufhebung einer Bewilligung gem § 151 Abs 1 AFG insoweit zurückzuzahlen, als er wußte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß die Voraussetzungen für die Leistung nicht vorlagen. Aus den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ergibt sich, daß die Klägerin von der Beklagten über die Rechtsfolgen einer vorzeitigen Prüfung auf den Bestand ihres Leistungsanspruchs zutreffend hingewiesen worden ist und diese Hinweise in dafür geeigneter Form im Verlaufe des Leistungsbezuges mehrfach und regelmäßig wiederholt worden sind. Die Klägerin hatte jedenfalls bei geringer Sorgfalt die Möglichkeit, sich insoweit zu informieren. Die Schlußfolgerungen des LSG, daß die Klägerin deshalb zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß ihr Leistungsanspruch nach erfolgreicher Ablegung der Prüfung wegfallen würde, lassen Rechtsfehler nicht erkennen.

Nach allem muß die Revision der Klägerin ohne Erfolg bleiben; sie muß als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658787

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