Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 17.03.1989)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. März 1989 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob dem Kläger aufgrund der Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit vom 10. April bis 15. Juni 1935 ein Altersruhegeld ab 1. Januar 1984 zusteht.

Der 1901 geborene Kläger, der als Polizeimeister im Ruhestand Beamtenversorgung erhält, hat nach seinen Versorgungsunterlagen von Oktober 1923 bis Ende März 1935, vom 1. April 1936 bis Mai 1945 und von Februar 1946 bis März 1962 Dienstzeiten als Beamter im Polizeidienst zurückgelegt. In der Zeit von Februar 1919 bis Oktober 1920 hatte der Kläger Kriegsdienst geleistet; nach dem Zweiten Weltkrieg war er vom 9. Mai bis November 1945 in Kriegsgefangenschaft sowie in der anschließenden Zeit bis 31. Januar 1946 amtslos.

Einen ersten Antrag auf Altersruhegeld hatte die Beklagte mit dem bindend gewordenen Bescheid vom 22. Februar 1972 abgelehnt, weil während einer behaupteten Beschäftigungszeit vom 10. April 1935 bis 31. März 1936 Beiträge zur Angestelltenversicherung nicht abzuführen gewesen seien; als Versorgungsanwärter sei der Kläger nach § 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) aF versicherungsfrei gewesen. Aufgrund eines erneuten Antrags vom Februar 1986 wurde bei der Beklagten eine Stellkarte aufgefunden, in der für die Zeit von Oktober 1918 bis Dezember 1921 insgesamt 18 Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung verzeichnet sind. Mit Bescheid vom 28. Juli 1986 lehnte die Bekagte den Antrag auf Altersruhegeld erneut ab, weil der Kläger die Wartezeit nach § 25 Abs 7 Satz 3 AVG idF des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (HBeglG) von 60 Kalendermonaten nicht erfüllt habe. Insbesondere habe der Kläger für die behauptete Beschäftigung vom 10. April bis 15. Juni 1935 in Marienburg eine Beitragsentrichtung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, so daß ein Brückenbeitrag iS von § 26 AVG, der zur Anrechnung der vor dem 1. Januar 1924 zurückgelegten Zeiten führen könne, nicht vorhanden sei. Widerspruch, Klage und Berufung, mit denen der Kläger geltend machte, daß die Zeit vom 10. April bis 15. Juni 1935 als Beitragszeit anzurechnen und ihm Altersruhegeld ab 1. Januar 1984 zu gewähren sei, blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1986; Urteil des Sozialgerichts -SG- Oldenburg vom 9. Februar 1988; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Niedersachsen vom 17. März 1989).

Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 44 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X) für die Rücknahme des bindend gewordenen ersten Bescheids vom 22. Februar 1972 seien schon deshalb nicht erfüllt, weil damals eine Wartezeit von 180 Kalendermonaten hätte vorliegen müssen, die der Kläger mit sämtlichen der geltend gemachten Beitrags- und Ersatzzeiten nicht hätte zurückgelegt haben können. Insoweit habe auf sich beruhen können, ob die Beklagte die vom Kläger geltend gemachte Beitragszeit vom 10. April bis 15. Juni 1935 zu Recht nicht als bewiesen oder glaubhaft gemacht angesehen habe. Als Grundlage für eine von dem früheren Bescheid abweichende Entscheidung sei hier § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X heranzuziehen, weil mit Wirkung ab 1. Januar 1984 die Wartezeit für das Altersruhegeld auf 60 Kalendermonate herabgesetzt worden sei. Diese Rechtsänderung führe indes nicht zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung, weil sie in seinem Fall keine Rechtswirkungen äußere (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1249 Nr 3). Denn es fehle mangels eines Brückenbeitrags iS von § 26 Satz 1 und 2 AVG an der Anrechenbarkeit der Zeiten vor dem 1. Januar 1924. Die dafür erforderliche Beitragsentrichtung für die Zeit vom 10. April bis 15. Juni 1935 sei weder bewiesen noch im Sinne der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) glaubhaft gemacht. Die eigene Erklärung des Klägers sowie die Zeugenerklärungen seiner Ehefrau reichten mangels der erforderlichen Einzelangaben dafür nicht aus. Im übrigen spreche gegen eine Beitragsentrichtung auch der Umstand, daß der Kläger die streitige Beschäftigung nach Beendigung seines zwölfjährigen Polizeidienstes nur zur Überbrückung bis zur erneuten Verwendung im Polizeidienst als Versorgungsanwärter angenommen habe und nach damaligem Recht vorübergehende Dienstleistungen versicherungsfrei gewesen seien (§ 10 AVG aF iVm der Verordnung vom 9. Februar 1923, RGBl I, 109, idF vom 17. Dezember 1931, RGBl I, 777). Eine andere Rechtsfolge ergebe sich auch nicht aus der Anwendung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (DPSVA) vom 9. Oktober 1975 (BGBl II 1976, 396). Auch wenn im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (BSGE 54, 51, 52; 61, 30, 33) davon ausgegangen werde, daß die Beschäftigung in Marienburg als Beschäftigungszeit polnischen Rechts nach dem DPSVA bei der Feststellung der deutschen Rente des Klägers zu berücksichtigen sei, erfülle diese Zeit nicht die Funktion eines Brückenbeitrages iS von § 26 AVG. Denn sie werde nach dem Abkommen unabhängig von einer Beitragsentrichtung berücksichtigt, während es nach § 26 AVG gerade auf eine Beitragsentrichtung ankomme. Das ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte des jetzt geltenden Rechts, wonach nicht jede Versicherungszeit geeignet sei, die Funktion eines Brückenbeitrags iS des § 26 AVG zu erfüllen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger, das LSG habe zu Unrecht die Erheblichkeit von Beschäftigungszeiten nach dem deutsch-polnischen Abkommensrecht für die Anwendung des § 26 AVG verneint. Bei seiner Beschäftigung in Marienburg handele es sich um eine „Beschäftigungszeit im anderen Staat” iS des Art 4 Abs 2 DPSVA, die die Beklagte als zuständiger Versicherungsträger so zu berücksichtigen habe, als wäre sie in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt worden. Nach der Rechtsprechung des BSG gehörten zu den „im anderen Staat” zurückgelegten Zeiten iS von Art 4 Abs 2 DPSVA auch solche Zeiten, die ein Versicherter auf dem Gebiet der heutigen Republik Polen zu einer Zeit zurückgelegt habe, als dieses Gebiet zum Deutschen Reich gehört und dort Reichsrecht gegolten habe. Das Abkommen stelle nämlich auch für zurückliegende Zeiten allein auf den Gebietsstand bei Vertragsabschluß ab und enthalte an keiner Stelle einen Hinweis darauf, daß Zeiten im „jeweiligen” Gebiet des anderen Staates gemeint seien (BSGE 61, 30, 31; BSGE 54, 51). Danach seien jedwede im heutigen polnischen Gebiet zurückgelegte Beschäftigungszeiten unabhängig davon zu berücksichtigen, ob sie seinerzeit nach deutschem Recht rentenrechtlich erheblich gewesen wären. Dann aber müßten diese Zeiten entgegen der Ansicht des LSG aufgrund des dem DPSVA zugrundeliegenden Eingliederungsprinzips, das sich insofern von dem Eingliederungsprinzip des Fremdrentengesetzes (FRG) unterscheide, als Beitragszeiten berücksichtigt werden; sie seien deshalb auch geeignet, die Funktion eines Brückenbeitrags iS von § 26 AVG zu erfüllen. Eine Befugnis des deutschen Rentenversicherungsträgers, den einzugliedernden Zeiten partiell – im Rahmen des § 26 AVG – den Beitragscharakter abzusprechen, sei nirgends vorgesehen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. März 1989 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 9. Februar 1988 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 1986 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22. Februar 1972 aufzuheben und die Zeit vom 10. April bis 15. Juni 1935 als Beitragszeit anzurechnen sowie ihm Altersruhegeld ab 1. Januar 1984 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, die Revision des Klägers sei bereits deshalb unbegründet, weil für die begehrte Anrechnung der Beschäftigungszeit in Marienburg die Anwendung des DPSVA überhaupt ausscheide. Dies habe der erkennende Senat in seiner nach Erlaß des angefochtenen Urteils ergangenen Entscheidung vom 21. Juni 1989 (1 RA 53/88) bezüglich Beschäftigungszeiten in Danzig entschieden.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

II

Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte und aufgrund der mit Beschluß des erkennenden Senats vom 25. Juli 1989 gewährten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Revision des Klägers ist in der Sache nicht begründet.

Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG Oldenburg zurückgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Altersruhegeld, weil er die dafür erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten anrechnungsfähiger Versicherungszeit nicht erfüllt (§ 25 Abs 5 iVm Abs 7 Satz 3 AVG in der mit Wirkung ab 1. Januar 1984 geltenden Fassung durch das HBeglG 1984 vom 22. Dezember 1983, BGBl I S 1532). Da der Kläger die Wartezeit – wenn überhaupt – nur mit den vor dem 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten erfüllt haben kann, kommt es darauf an, ob beim Kläger ein sog Brückenbeitrag iS von § 26 AVG vorhanden ist. Nach dieser Bestimmung werden auf die Wartezeit ua für das Altersruhegeld grundsätzlich nur die ab 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten (§ 27 AVG) angerechnet (§ 26 Satz 1 AVG). Die vor dem 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten werden nach dem hier allein in Betracht kommenden § 26 Satz 2 Buchst a), 1. Halbs AVG nur dann angerechnet, wenn mindestens ein Beitrag für die Zeit nach dem 31. Dezember 1923 in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1924 und dem 30. November 1948 entrichtet worden ist. An einem solchem Brückenbeitrag fehlt es nach wie vor. Die streitige Beschäftigung in Marienburg vom 10. April bis 15. Juni 1935 erfüllt schon nicht die Voraussetzungen einer anrechnungsfähigen Versicherungszeit nach § 26 Satz 1, § 27 AVG. Sie ist weder eine Beitragszeit iS von § 27 Abs 1 Buchst a) AVG noch ist sie einer solchen aufgrund des DPSVA vom 9. Oktober 1975 (BGBl II 1976, 396) gleichgestellt worden. Die Beklagte mußte demgemäß ihren bestandskräftigen Bescheid vom 22. Februar 1972 weder nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zurücknehmen noch nach § 48 SGB X für die Zukunft aufheben. Weder ist bei Erlaß des vorgenannten Bescheides das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist, noch ist in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß des genannten Bescheides vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten.

Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, daß eine Anrechnung der behaupteten Beschäftigung in Marienburg nur dann möglich ist, wenn iS von § 27 Abs 1 Buchst a) AVG eine Beitragsentrichtung nach den früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung nachgewiesen oder nach den §§ 1, 10 der VuVO vom 3. März 1960 (BGBl I 137) zumindest glaubhaft gemacht worden ist. Beides hat das LSG rechtsfehlerfrei verneint. Die von ihm dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat der Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen, so daß das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG an sie gebunden ist.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann die streitige Beschäftigung in Marienburg im Jahr 1935 auch nicht in Anwendung des nach dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 22. Februar 1972 in Kraft getretenen DPSVA vom 9. Oktober 1975 und dem dazu ergangenen Zustimmungsgesetz vom 12. März 1976 (BGBl II 1976, 393) als Abkommenszeit bei der Feststellung seines Altersruhegeldes berücksichtigt werden und damit auch nicht gemäß § 48 SGB X zu einer Neufeststellung seiner Rente führen. Ob zu berücksichtigende Abkommenszeiten die Funktion eines Brückenbeitrags iS von § 26 AVG erfüllen können – was das LSG verneint hat –, kann dahinstehen; denn die streitige Beschäftigungszeit ist nach dem Abkommen nicht zu berücksichtigen; sie erfüllt nicht die Voraussetzungen des Art 4 Abs 2 DPSVA.

Nach Art 4 Abs 2 DPSVA berücksichtigt der Versicherungsträger des Staates, in dessen Gebiet der Berechtigte wohnt (Wohnstaat), bei Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften „Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat” so, als ob sie im Gebiet des Wohnstaates zurückgelegt worden wären. Dies gilt auch für entsprechende Zeiten, die vor Inkrafttreten des DPSVA zurückgelegt worden sind (Art 15 Abs 2 DPSVA). Dazu erläutert Art 2 Abs 1 des Zustimmungsgesetzes, daß Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, gemäß Art 4 Abs 2 des Abkommens in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Feburar 1960 zu berücksichtigen sind, solange der Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes wohnt. Soweit sich Zeiten nach Abs 1 mit Zeiten überschneiden, die nach deutschem Recht zu berücksichtigen sind, werden gemäß Abs 2 der Vorschrift die erstgenannten Zeiten berücksichtigt; dies gilt nicht für Zeiten, für die Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden sind.

Die Zeit, deren Anrechnung der Kläger begehrt, ist für die Beklagte als Versicherungsträger des Wohnstaates keine Zeit „im anderen Staat” iS des DPSVA. Die Stadt Marienburg, in der der Kläger angeblich als Verkäufer tätig war, gehörte in der streitigen Zeit (1935) zur Provinz Ostpreußen und damit zum Gebiet des Deutschen Reiches in den Grenzen vom 31. Dezember 1937. Dieses Gebiet unterlag damals dem deutschen Sozialversicherungsrecht und damit auch dem AVG. Solche Zeiten, die in den ehemals zum Deutschen Reich gehörenden, seit 1945 von der Volksrepublik Polen verwalteten Gebieten während der Geltung der Reichsversicherungsgesetze von Personen mit heutigem Wohnsitz in der Bundesrepublik zurückgelegt worden sind, werden vom DPSVA nicht erfaßt. Sie sind von vornherein nicht Gegenstand des Abkommens gewesen und dürfen vom Versicherungsträger des – deutschen – Wohnstaats nur unter den Voraussetzungen des § 27 AVG auf die Rente angerechnet werden. Dies hat der erkennende Senat in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 21. Juni 1989 (1 RA 53/88) nach Erlaß des angefochtenen Urteils des LSG entschieden; der 5. Senat des BSG ist dem inzwischen mit Urteil vom 7. September 1989 (5/4a RJ 83/87, zur Veröffentlichung vorgesehen) gefolgt. Damit ist die Rechtsprechung des früheren 11a-Senats des BSG, der im Urteil vom 25. November 1986 (BSGE 61, 30 = SozR 6710 Art 4 Nr 5) die gegenteilige Auffassung vertreten hat und der das LSG gefolgt ist, aufgegeben worden. Der erkennende Senat und auch der 5. Senat sind zwar mit dem früheren 11a-Senat der Meinung, daß das DPSVA die unter polnischer Verwaltung stehenden früheren deutschen Ostgebiete in Ansehung des Abkommens zu dem Gebiet der Volksrepublik Polen rechnet, ohne über die völkerrechtliche Zuordnung im übrigen zu entscheiden. Das bedeutet jedoch nicht, daß auch jegliche Zeiten vor Beginn der polnischen Verwaltung in den früheren deutschen Ostgebieten, die auf dem Territorium der heutigen Volksrepublik Polen zurückgelegt worden und nach deren innerstaatlichem Recht zu berücksichtigen sind, für Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik als Zeiten „im anderen Staat” zu gelten hätten. Denn abweichend von der Ansicht des 11a-Senats (aaO) stellt diese Formulierung nicht auf den Gebietsstand bei Vertragsabschluß – das Jahr 1975 – ab, sondern darauf, zu welchem Gebiet bzw zu welchem Rechtskreis der Beschäftigungsort zu der jeweiligen Zeit zählte, während der die fragliche Beitragszeit zurückgelegt worden sein soll. Dafür spricht schon der Wortlaut des Art 4 Abs 2 DPSVA, der nicht Zeiten „im Gebiet des anderen Staates”, sondern „im anderen Staat” erfaßt und damit dem Sinn und Zweck des Abkommens entsprechend nicht auf die räumlich-politische – auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses fixierte –, sondern auf die völkerrechtlich-historische Zugehörigkeit des Gebiets zum anderen Staat während der Zurücklegung der streitigen Zeiten abgestellt hat. Dies entspricht insbesondere auch dem dem Abkommen zugrundeliegenden Eingliederungsprinzip, wonach als Abkommenszeiten lediglich solche zu berücksichtigen sind, die für den Versicherungsträger des (deutschen) Wohnstaats „fremde” und nicht „eigene” (im eigenen deutschen Rechtskreis) zurückgelegte Zeiten sind. Auf die weiteren für diese Auslegung sprechenden Gründe, die der erkennende Senat in dem angeführten Urteil im einzelnen dargelegt hat, wird insoweit Bezug genommen. Dort ist auch dargelegt worden, warum der erkennende Senat seine Entscheidung ohne Anrufung des Großen Senats des BSG nach § 42 SGG treffen durfte.

Mithin kann die streitige Beschäftigungszeit des Klägers, die in einem ehemals zum Deutschen Reich gehörenden Gebiet unter der Geltung der Reichsversicherungsgesetze zurückgelegt worden ist, auch nicht als Abkommenszeit für die Gewährung einer Rente berücksichtigt werden. Da es sich nicht um eine Abkommenszeit nach dem DPSVA handelt, kommt es auf die weitere – vom LSG verneinte Frage, ob derartige Zeiten die Funktion eines Brückenbeitrags iS von § 26 AVG erfüllen können, nicht an.

Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173346

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