Leitsatz (redaktionell)

1. In den Fällen, in denen ein Umanerkennungsbescheid nach dem BVG ohne ärztliche Nachuntersuchung und ohne Befunderhebungen nach BVG § 86 Abs 3 ergangen ist und in denen die Rente später gemäß BVG § 62 neu festgestellt werden soll, kommt es für die Feststellung, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, auf die Verhältnisse an, die bei Erlaß des dem Umanerkennungsbescheid vorausgegangenen, nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften erlassenen Bescheid vorgelegen haben.

2. Durch die Bezeichnung des Leidens "Herzfehler nach Gelenkrheumatismus" ist nicht rechtsverbindlich anerkannt worden, daß ein Gelenkrheumatismus vorgelegen hat; der Zusatz "nach Gelenkrheumatismus" bezeichnet nur den schädigenden Vorgang, der nach der damaligen ärztlichen Beurteilung zu der Anerkennung des "Herzfehlers" geführt hat; die Anerkennung umfaßt aber nur die Schädigungsfolge, nämlich den "Herzfehler".

 

Normenkette

BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, § 86 Abs. 3 Fassung: 1956-06-06

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle vom 2. Februar 1961 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger war vom Oktober 1940 bis September 1943 Soldat und beantragte am 13. September 1946 beim Landrat des Kreises St. Goar - Abteilung Kriegsopferversorgung - die Gewährung von Versorgung wegen einer chronischen Gastritis mit Neigung zu Geschwürsbildung, wegen Herzleidens und Gelenkrheumatismus und wegen Abrisses des äußeren Fußknöchels rechts; er führte diese Gesundheitsstörungen auf seinen Einsatz in Rußland zurück.

Der Kreisarzt des Landkreises St. Goar erstattete am 1. Oktober 1946 ein "versorgungsärztliches Gutachten"; er konnte pathologische Veränderungen am äußeren Knöchel des rechten Fußes nicht feststellen, sah - nach den Angaben des Klägers - empfindliche Druckschmerzen in der Magengrube und unter dem linken Rippenbogen als erwiesen an und stellte am Herzen eine Verbreiterung nach links, Unreinheit des ersten Tones, unregelmäßige Aktion und stellenweise anfallsweises Herzjagen fest. Er führte die von ihm festgestellten Leiden "Herzfehler nach Gelenkrheumatismus und chronische Magenschleimhautentzündung" auf den Wehrdienst zurück und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers auf 50 v. H. Der Landrat des Landkreises St. Goar - Abt. Kriegsopferversorgung - erteilte daraufhin die Benachrichtigung vom 15. Oktober 1946, mit der mitgeteilt wurde, daß der Kläger wegen "Herzfehlers nach Gelenkrheumatismus und chronischer Magenschleimhautentzündung", hervorgerufen durch Kriegseinflüsse, nach einer MdE um 50 v. H. versorgungsberechtigt sei; die Zahlung von Versorgungsbezügen sei zur Zeit nicht möglich.

Am 6. Oktober 1947 erging - ohne vorherige ärztliche Nachuntersuchung - nach dem Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) der Bescheid der Landesversicherungsanstalt (LVA) Oldenburg-Bremen, mit dem die Gesundheitsschädigungen "Herzfehler nach Gelenkrheumatismus und chronische Magenschleimhautentzündung" als infolge militärischen Dienstes entstanden im Sinne des KBLG anerkannt wurden; die MdE wurde auf 50 v. H. festgesetzt, die entsprechende Rente vom 1. August 1947 an gezahlt.

Mit Bescheid des Versorgungsamtes (VersorgA) Oldenburg vom 29. Mai 1952 erfolgte die Umanerkennung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), und zwar ebenfalls wieder ohne vorherige ärztliche Nachuntersuchung und unter Übernahme der anerkannten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen im Sinne des BVG und der Höhe der MdE um 50 v. H.

Nach ergebnislosen Anfragen im März 1955 bei den Krankenbuchlagern Berlin, Kassel und München nach etwa vorhandenen Krankenunterlagen des Klägers und nach Einholung einer Auskunft der Deutschen Dienststelle in Berlin-Wittenau vom 5. Mai 1955 - mit Angaben über Lazarettbehandlungen wegen Verstauchung am rechten Fuß, nervösen Krampfanfällen, Ohnmachtsanfällen - veranlaßte das VersorgA eine ärztliche Nachuntersuchung durch den Internisten, Dr. Z in W, der nach eingehender Befunderhebung in seinem Gutachten vom 18. Juli 1955 ausführte, die als Schädigungsleiden anerkannten Gesundheitsstörungen seien nicht mehr nachzuweisen. Der Versorgungsarzt Dr. O in O trat diesem Gutachten nach Überprüfung am 28. Juli 1955 bei. Daraufhin entzog das VersorgA, gestützt auf § 62 i. V. m. § 86 Abs. 3 BVG, dem Kläger die Rente durch Bescheid vom 26. August 1955 mit Wirkung vom 1. Oktober 1955 an, weil ein Herzfehler und eine chronische Magenschleimhautentzündung nicht mehr nachweisbar seien. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser eine Bescheinigung seines behandelnden Arztes Dr. L vom 1. September 1955 - über Behandlung wegen Gelenkrheumatismus, Myocardschadens, Coronarinsuffizienz und stenokardischer Beschwerden - und die Bekundung einer Angestellten des Sanitätsdienstes seines Arbeitgebers vom 14. Januar 1955 - über Anfälle von Angina pectoris - vorlegte, hatte keinen Erfolg; er wurde im Anschluß an eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. P vom 14. Oktober 1955 mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 1955 zurückgewiesen.

Mit der Klage hat der Kläger erneut eine Bescheinigung seines behandelnden Arztes Dr. L (vom 26. Juli 1954) vorgelegt, wonach der Kläger in den letzten Wochen unter gehäuft auftretenden, mit unregelmäßigen Herzschlagfolgen einhergehenden Anfällen von Herzbeschwerden leide. Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Gutachter Dr. von R in O als ärztlichen Sachverständigen gehört und mit Urteil vom 17. September 1957 die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen in Celle hat im Berufungsverfahren auf Anregung des Klägers die Heilverfahrensakten der LVA Oldenburg-Bremen über eine Kur in Bad Salzuflen vom 13. Januar bis 10. Februar 1958 beigezogen. Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Wilhelmshaven und die AOK des Kreises St. Goar haben am 4. und 11. März 1960 unter Angabe der Art der jeweiligen Erkrankungen Aufstellungen für die Zeiten vorgelegt, in denen der Kläger von Anfang 1948 bis Anfang April 1954 und von Mitte Februar 1944 bis Mitte April 1947 arbeitsunfähig krank gewesen ist. Dr. L hat auf Veranlassung des Berufungsgerichts am 11. April 1960 einen Bericht über die von ihm in den Jahren 1950 bis 1959 beim Kläger behandelten Krankheiten erstattet, und das Hospital zum H G in B hat auf Anfrage am 25. Mai 1960 unter Beifügung einer Fieberkurve berichtet, daß der Kläger vom 7. Dezember 1946 bis 3. Januar 1947 von Dr. Ho stationär behandelt worden ist, nachdem er mit der Diagnose "durchgebrochenes Magengeschwür" eingeliefert worden war. Eine Krankengeschichte liege nicht vor. Schließlich hat das LSG noch die Ärzte Prof. Dr. He und Dr. M von der Medizinischen Klinik des O Landkrankenhauses S gutachtlich gehört (Gutachten vom 28. Juli 1960). Mit Urteil vom 2. Februar 1961 hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zwar habe der Bescheid vom 26. August 1955, weil nach dem 30. September 1954 ergangen, nicht mehr auf § 86 Abs. 3 BVG gestützt werden können; seine Rechtmäßigkeit ergebe sich aber aus § 62 Abs. 1 BVG aF, den das VersorgA zutreffend angewandt habe. Denn da der Umanerkennungsbescheid vom 29. Mai 1952 ohne vorherige ärztliche Nachuntersuchung ergangen sei und deshalb kein vergleichbarer Befund aus dieser Zeit vorliege, seien Vergleichsgrundlagen im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG aF die Befunde, die dem dem Umanerkennungsbescheid vorhergehenden Bescheide nach altem Recht zugrunde gelegt worden seien. Im Falle des Klägers seien deshalb die Befunde, die der Kreisarzt des Landkrankenhauses St. Goar am 1. Oktober 1946 erhoben habe und die die medizinische Grundlage für die vom Landrat des Kreises St. Goar in seiner Benachrichtigung vom 15. Oktober 1946 ausgesprochene Anerkennung der später unverändert in den KB-Bescheid vom 6. Oktober 1947 und in den Umanerkennungsbescheid vom 29. Mai 1952 übernommenen Schädigungsfolgen mit einer MdE um 50 v. H. gewesen seien, den in den Jahren 1955 und 1960 - von den Gutachtern Dr. Z sowie Prof. Dr. He und Dr. M - erhobenen Befunden gegenüberzustellen. Nach letzteren seien aber die im Jahre 1946 unter den Leidensbezeichnungen "Herzfehler nach Gelenkrheumatismus und Magenschleimhautentzündung" anerkannten Gesundheitsstörungen nicht mehr vorhanden. Dies stelle eine die Rentenentziehung rechtfertigende Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG aF dar. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses ihm am 11. März 1961 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21. März 1961, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 22. März 1961, Revision eingelegt. Die Revisionsbegründungsschrift vom 16. Mai 1961 ist - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 12. Juni 1961 - am 19. Mai 1961 eingegangen. Mit ihr rügt der Kläger eine Verletzung des § 62 Abs. 1 BVG aF durch das LSG und darüber hinaus Verstöße gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) und gegen die Regeln der Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 SGG). Er mißt allerdings der Frage, wegen der das LSG die Revision zugelassen hat, ob nämlich der Beklagte bzw. das LSG berechtigt gewesen sind, die im Jahre 1955 erhobenen - und im Jahre 1960 bestätigten - Befunde den im Jahre 1946 erhobenen gegenüberzustellen, keine Bedeutung bei. Denn die mit der Benachrichtigung vom 15. Oktober 1946 als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen seien schon damals gar nicht vorhanden gewesen, so daß der die Anerkennung aussprechende Verwaltungsakt zu seinen (des Klägers) Gunsten fehlerhaft gewesen sei. Deshalb fehle es überhaupt an einer Vergleichsgrundlage im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG aF. Wenn das Berufungsgericht trotzdem davon ausgegangen sei, daß für die Frage, ob eine wesentliche Änderung eingetreten sei, auf den Zeitpunkt abgestellt werden müsse, zu dem der frühere, dem Umanerkennungsbescheid vorhergehende Bescheid (nach altem Recht) vom 15. Oktober 1946 erlassen worden sei, habe es gegen die Vorschriften der §§ 103 und 128 Abs. 1 SGG verstoßen. Denn bei den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen habe es den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt und die ihm vorliegenden Beweisergebnisse, insbesondere die Gutachten des Dr. Z und des Prof. Dr. He (Dr. M), nicht wie erforderlich gewürdigt. Es habe diesen Gutachten zwingend entnehmen müssen, daß schon 1946 weder ein Herzfehler noch eine Magenschleimhautentzündung vorhanden gewesen sei, so daß eine Änderung der Verhältnisse tatsächlich nicht vorliege.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 2. Februar 1961 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 17. September 1957 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26. August 1955 zu verurteilen, ihm über den Entziehungsmonat September 1955 hinaus die Rente nach einer MdE um 50 v. H. weiterzuzahlen,

hilfsweise,

die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils vom 2. Februar 1961 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Auf den Schriftsatz des Klägers vom 16. Mai 1961 und auf den des Beklagten vom 15. Juni 1961 wird verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG) und durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

Die Revision ist jedoch nicht begründet.

Das VersorgA hat den im Streit stehenden Bescheid vom 26. August 1955 auf die §§ 62 Abs. 1, 86 Abs. 3 BVG gestützt. Das LSG hat dazu festgestellt, daß am 26. August 1955 eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge nach § 86 BVG aF nicht mehr zulässig gewesen ist, weil die in dieser Vorschrift vorgesehene, am 30. September 1954 endigende Frist von vier Jahren zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war; es hat die Rechtsmäßigkeit des Bescheides deshalb zutreffend allein daraufhin nachgeprüft, ob bei seinem Erlaß die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 BVG gegeben waren, und es hat diese Frage ebenso zutreffend bejaht.

Nach § 62 Abs. 1 BVG aF werden die Versorgungsbezüge neu festgestellt, d. h. erhöht, gemindert oder entzogen, wenn in den Verhältnissen, die für die - zuletzt voraufgegangene - Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintritt. Das bedeutet, daß mit Hilfe des § 62 Abs. 1 BVG grundsätzlich nur die Rücknahme solcher Verwaltungsakte möglich ist, die bei ihrem Erlaß rechtmäßig gewesen und erst - durch Änderung der Sach- und Rechtslage - nach ihrem Erlaß fehlerhaft geworden sind. Auf den vorliegenden Fall angewandt hätte das zur Folge, daß der Umanerkennungsbescheid vom 29. Mai 1952, mit dem nach dem BVG die Anerkennung der jetzt aberkannten Leiden und die Festsetzung der Höhe der MdE erfolgt ist, auf Grund des § 62 Abs. 1 BVG nur dann hätte zurückgenommen werden können, wenn er durch eine Änderung, die nach seinem Erlaß eingetreten ist, fehlerhaft geworden wäre. Im Falle des Klägers handelt es sich jedoch bei dem von der Versorgungsbehörde zurückgenommenen Verwaltungsakt um einen Umanerkennungsbescheid, der nach § 86 Abs. 3 BVG ohne ärztliche Nachuntersuchung und ohne Befunderhebungen ergangen ist und in dem die nach altem - vorausgegangenem - materiellem Versorgungsrecht bereits anerkannt gewesenen Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen im Sinne des BVG ebenso wie die nach altem Recht festgestellte Höhe der MdE (50 v. H.) einfach übernommen worden sind. Damit liegt hier einer der besonderen Fälle vor, in denen mangels Feststellungen hinsichtlich der "maßgebenden" Verhältnisse beim Erlaß des Umanerkennungsbescheides regelmäßig nicht geklärt werden kann, welcher Art die "maßgebenden Verhältnisse" bei der Bescheiderteilung gewesen sind. In diesen besonderen Fällen, in denen ein Umanerkennungsbescheid nach dem BVG ohne ärztliche Nachuntersuchung und ohne Befunderhebungen unter Übernahme der bis dahin anerkannten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen im Sinne des BVG unter gleichzeitiger Übernahme des Grades der MdE (§ 86 Abs. 3 BVG) ergangen ist und in denen die Rente später wegen einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen, die für die früheren Feststellungen maßgebend gewesen sind, neu festgestellt werden soll (§ 62 Abs. 1 BVG), haben die in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung zuständigen Senate des BSG in mehrjähriger unveränderter Rechtsprechung übereinstimmend entschieden, daß es für die Feststellung, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, auf die Verhältnisse ankommt, die bei Erlaß des dem Umanerkennungsbescheid vorausgegangenen, nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften erlassenen Bescheides vorgelegen haben; dabei ist es unerheblich, ob die Änderung der Verhältnisse vor oder nach dem Erlaß des Umanerkennungsbescheides eingetreten ist und ob die Neufeststellung vor oder nach dem 30. September 1954 erfolgt ist (vgl. ua Urteile des erkennenden Senats: BSG 11, 236; 15, 26 ff und Urteile vom 22. Februar 1962 - 8 RV 701/60 und 20. August 1963 - 8 RV 685/62; Beschluß des 10. Senats vom 8. Juni 1960 - 10 RV 1159/59 und Urteil dieses Senats vom 10. Januar 1963 - 10 RV 763/60; Urteile des 11. Senats: BSG 7, 8 ff und Urteil vom 22. April 1959 - 11/8 RV 295/57, vom 22. März 1963 - 11 RV 664/60, vom 24. April 1963 - 11 RV 804/62 = SozR BVG § 62 Bl. Ca 21 Nr. 24). An dieser ständigen Rechtsprechung, der sich das Berufungsgericht zutreffend angeschlossen hat, deren Richtigkeit im übrigen auch von der Revision offenbar nicht ernsthaft in Frage gestellt werden soll, wird festgehalten, ohne daß es im Hinblick auf die angeführten, zu dieser Frage ergangenen Entscheidungen des BSG und auf ihre Begründungen (vgl. insbesondere auch SozR BVG § 62 Bl. Ca 21 Nr. 24) noch einer Auseinandersetzung mit Heuer (Die Kriegsopferversorgung 1960 S. 168) bedurfte.

Dies alles bedeutet für den vorliegenden Fall, daß für die Frage, ob beim Kläger eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG eingetreten ist, auf den Zeitpunkt abgestellt werden muß, zu dem der letzte auf ärztliche Befunde gestützte, dem Umanerkennungsbescheid vom 29. Mai 1952 vorhergehende Bescheid nach altem Recht erlassen worden ist. Das ist der Bescheid (Benachrichtigung) vom 15. Oktober 1946; denn der nach dem KBLG ergangene Bescheid vom 6. Oktober 1947 scheidet hierfür aus, weil mit ihm ebenso wie mit dem Umanerkennungsbescheid vom 29. Mai 1952 lediglich die Leidensbezeichnungen und die Höhe der MdE ohne vorherige ärztliche Nachuntersuchung und Befunderhebungen übernommen worden sind; daran ändert nichts, daß dem Kläger durch den Bescheid vom 6. Oktober 1947 erstmals eine Rente (nach einer MdE um 50 v. H. mit Wirkung vom 1. August 1947 an) zugesprochen worden ist.

Wenn im übrigen die Revision in einem Nebensatz darauf verweist, daß der Bescheid vom 15. Februar 1955, der in Nr. V des angefochtenen Bescheides aufgeführt ist, lediglich die Ausgleichsrente neu geregelt habe, so können daraus für die Ungültigkeit des angefochtenen Bescheides keine Schlüsse gezogen werden; denn der Entziehungsbescheid betraf seinem Inhalt nach in erster Linie die Rücknahme des Umanerkennungsbescheides, der allein die Grundlage für eine Versorgung nach dem BVG bildet, wenn er naturgemäß in diesem Zusammenhang auch die Rücknahme des letzten Bescheides vom 15. Februar 1955 betrifft. In dieser Hinsicht bestehen daher keine Bedenken gegen die Gültigkeit des angefochtenen Bescheides.

Entgegen der Auffassung der Revision brauchte sich das LSG im Rahmen seiner Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 BVG gegeben seien, auch nicht mit dem Hinweis der Versorgungsbehörde im Bescheid vom 26. August 1955 zu befassen, daß der Kläger noch DM 295,- überhoben habe und um Mitteilung gebeten werde, wie er diesen zu Unrecht empfangenen Betrag zurückzahlen wolle. Denn bei diesen DM 295,- handelt es sich nicht um einen in Verbindung mit dem Entziehungsbescheid und seinen Folgen für den Kläger festgestellten und aus diesem Grunde - als zu Unrecht empfangen - geltend gemachten Rückforderungsbetrag, sondern um den Rest einer Überzahlung, die bereits im bindend gewordenen Bescheid über die "Neufeststellung der Ausgleichsrente" vom 15. Februar 1955 in Höhe von damals DM 355,- festgestellt und zurückgefordert worden ist.

Schließlich hat das Berufungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandeter Weise auch zutreffend entschieden, daß gegenüber den, wie dargelegt, hier maßgeblichen Verhältnissen im Oktober 1946 eine wesentliche Änderung eingetreten und deshalb der Bescheid vom 26. August 1955 zu Recht ergangen ist. Die Richtigkeit dieser Entziehung wird durch den Vergleich der vom Kreisarzt des Landkreises St. Goar am 1. Oktober 1946 erhobenen Befunde - als medizinische Grundlage für die Anerkennung eines Herzfehlers nach Gelenkrheumatismus und einer chronischen Magenschleimhautentzündung als Schädigungsfolgen (MdE 50 v. H.) in der Benachrichtigung vom 15. Oktober 1946 - mit den medizinischen Feststellungen des Dr. Z vom 18. Juli 1955 und des Prof. Dr. H (Dr. M) vom 28. Juli 1960 bestätigt. Dabei trifft die Behauptung der Revision, die Verwaltungsbehörde habe im Oktober 1946 irrigerweise "ohne jede Prüfung das Vorliegen von kriegsbedingten Schädigungsfolgen unterstellt", in Wirklichkeit habe dem Kläger damals gar nichts gefehlt, nicht zu. Zwar ist zuzugeben, daß das "versorgungsärztliche Gutachten" vom 1. Oktober 1946 nicht den Anforderungen entspricht, die heute an solche Sachverständigenäußerungen gestellt werden, denn es ist insbesondere ohne Zuhilfenahme an sich erforderlich gewesener und heute üblicher technischer Hilfsmittel (EKG, Röntgenaufnahmen, Magensaftprüfung u. ä.) erstattet worden. Ihm liegt aber, und das darf nicht übersehen werden, eine klinische Untersuchung durch den Gutachter zugrunde, die diesem ebenso wie der Versorgungsbehörde ausgereicht hat, das Bestehen der damals vom Kläger geklagten Schädigungsleiden und die durch sie bedingte MdE festzustellen. Dabei ist unerheblich, ob die Leidensbezeichnungen richtig gewesen sind, denn aus dem Gutachten vom 1. Oktober 1946 ergibt sich zumindest, daß am Herzen und Magen des Klägers krankhafte Befunde vorlagen.

Die Herzaktion war - bei Verbreiterung des Herzens nach links - unregelmäßig und steigerte sich zeitweilig zu "anfallsweisem Herzjagen"; der Ruhepuls betrug 96 Schläge in der Minute und erhöhte sich nach 5 Kniebeugen auf 120 Schläge bei eintretender "ernsthafter Dyspnoe". Dies alles - als Zeichen für eine bestehende Herzschädigung - ließ damals und auch noch heute den Schluß zu, daß tatsächlich ein krankhaftes Geschehen am Herzen vorlag, wobei dahingestellt bleiben kann, ob nicht statt "Herzfehler" gegebenenfalls eine andere Leidensbezeichnung zutreffender gewesen wäre. Überdies sind die Worte "nach Gelenkrheumatismus" für die Ausgesprochene Anerkennung unerheblich, gleichgültig, ob der Kläger jemals an einem Gelenkrheumatismus gelitten hat oder nicht. Denn durch die Bezeichnung des Leidens "Herzfehler nach Gelenkrheumatismus" ist nicht rechtsverbindlich anerkannt worden, daß ein Gelenkrheumatismus vorgelegen hat; der Zusatz "nach Gelenkrheumatismus" bezeichnet nur den schädigenden Vorgang, der nach der damaligen ärztlichen Beurteilung zu der Anerkennung des "Herzfehlers" geführt hat; die Anerkennung umfaßt aber nur die Schädigungsfolge, nämlich den "Herzfehler" (vgl. BSG im SozR BVG § 1 Bl. Ca 9 Nr. 28).

Der Revision ist auch zuzugeben, daß die der Anerkennung einer "chronischen Magenschleimhautentzündung" vorausgegangene Befunderhebung am Magen recht dürftig war. Sie kann aber nicht in Abrede stellen, daß der Kläger selbst bei der ärztlichen Untersuchung am 1. Oktober 1946 "in der Magengrube und unter dem linken Rippenbogen empfindliche Druckschmerzen angegeben" und darauf hingewiesen hat, daß er bereits während seines Wehrdienstes (1941/42) an einem Magengeschwür und einer Magenschleimhautentzündung gelitten habe. Diese Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch den Gutachter ließen diesen aus seiner ärztlichen Erfahrung zu dem Schluß kommen, daß ein krankhafter Zustand am Magen, nämlich in Form einer "chronischen Magenschleimhautentzündung" vorlag. Auch hier ist wieder unwesentlich, ob der Gutachter den Befund am Magen zutreffend bezeichnet hat, denn daß tatsächlich ein von ihm festgestellter krankhafter Befund am Magen vorlag, wird dadurch bestätigt, daß der Kläger schon wenige Wochen nach Untersuchung und Begutachtung durch den Kreisarzt, nämlich am 7. Dezember 1946, wegen Verdachtes auf ein durchgebrochenes Magengeschwür in das Hospital zum H G in B eingeliefert worden ist.

Nach allem sieht der erkennende Senat als erwiesen an, daß am 1. Oktober 1946 beim Kläger krankhafte Geschehen am Herzen und Magen vorlagen, auch wenn von den in den Jahren 1955 und 1960 gehörten Gutachtern Dr. Z und Prof. Dr. H (Dr. M) gewisse Bedenken gegen die Richtigkeit der Anerkennung geltend gemacht worden sind. Im übrigen richten sich diese Bedenken mindestens ebenso sehr gegen die bei der Anerkennung verwandten Leidensbezeichnungen.

Nach Auffassung des erkennenden Senats und in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die am 18. Juli 1955 von Dr. Z und am 28. Juli 1960 von Prof. Dr. H (Dr. M) erstatteten Gutachten auch hinreichend geeignet, um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegenüber den im Oktober 1946 festgestellten nachzuweisen. Am Herzen haben die Gutachter nach eingehender klinischer, elektrocardiografischer und röntgenologischer Untersuchung einen krankhaften Befund, der Anhalt für eine organische Herzerkrankung, einen "Herzfehler", bieten könnte, nicht mehr feststellen können; das bedeutet, daß die früher vorhanden gewesenen und unter der Leidensbezeichnung "Herzfehler nach Gelenkrheumatismus" anerkannten Gesundheitsstörungen nicht mehr bestehen. Bei dieser Sachlage und insbesondere auch im Hinblick auf die mit wissenschaftlicher Gründlichkeit und Begründung erstatteten und jeden Zweifel an ihrer Richtigkeit ausschließenden Gutachten der vorgenannten Gutachter bestand für das LSG auch kein Anlaß, noch weitere Ermittlungen anzustellen. Wegen des wehrmachtärztlichen Gutachtens aus dem Jahre 1943 brauchte es schon deshalb nichts zu veranlassen, weil etwaige Befunde aus dieser Zeit mit der Prüfung der Frage, ob im Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 26. August 1955 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten war, nichts zu tun hatten. Der Bericht des Dr. L vom 11. April 1960 (mit ausschließlich diagnostischen Angaben ohne Mitteilung von Befunden), auf den die Revision besonders hinweisen zu müssen glaubt, war aber - zusammen mit anderen noch eingeholten Unterlagen - gerade die Veranlassung für das Berufungsgericht, noch weitere Ermittlungen anzustellen; es hat alsbald nach Eingang des Berichtes des Dr. L, nämlich am 21. Juni 1960, die Erstattung des Gutachtens des Prof. Dr. H angeordnet. Im übrigen hat sich das LSG auch ausreichend und zutreffend mit dem Bericht des Dr. L auseinandergesetzt, so daß von einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) und in diesem Zusammenhang auch der Regeln der Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 SGG) nicht die Rede sein kann.

Nicht anders als mit dem "Herzfehler nach Gelenkrheumatismus" verhält es sich mit der "chronischen Magenschleimhautentzündung" des Klägers. Das LSG hat, ohne daß es gegen verfahrensrechtliche Grundsätze (§§ 103, 128 Abs. 1 SGG) verstoßen hat, in Übereinstimmung mit den Gutachtern - nach sorgfältigen klinischen und röntgenologischen Untersuchungen - als sicher und nach Auffassung des erkennenden Senats zutreffend festgestellt, daß für eine organische Erkrankung des Magendarmtraktes beim Kläger keinerlei Anhalt besteht und daß insbesondere keine Entzündung der Magenschleimhaut, kein Geschwür in der Magenwand und am Zwölffingerdarm oder eine sonstige Geschwulst an den Verdauungsorganen besteht. Damit ist auch das unter der Leidensbezeichnung "chronische Magenschleimhautentzündung" im Jahre 1946 als Schädigungsfolge anerkannte krankhafte Geschehen am Magen als abgeklungen und ausgeheilt anzusehen, so daß auch hier einer Neufeststellung nach § 62 Abs. 1 BVG nichts im Wege stand.

Die Versorgungsbehörde war daher zur Erteilung des Neufeststellungs(Entziehungs-)bescheides vom 26. August 1955 unzweifelhaft berechtigt. Das Berufungsgericht hat die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen.

Aus den dargelegten Gründen ist auch die Revision des Klägers nicht begründet und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2530017

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