Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, das dem Kläger bewilligte Kindergeld auf sein Bausparkonto zu überweisen.

Der Kläger erhält seit dem 1. Januar 1975 für seine Tochter Kindergeld, das die Beklagte auf sein Girokonto bei der Raiffeisenbank K… überweist. Am 24. Oktober und 14. November 1979 baten der Kläger und seine Ehefrau die Beklagte, das Kindergeld ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt auf ein Konto der Bausparkasse Sch… bei der Volksbank H… zugunsten eines bei dieser Bausparkasse für beide Eheleute gemeinsam errichteten Bausparkontos zu überweisen. Die Beklagte lehnte das mit ihrem Bescheid vom 27. November 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 1980 ab, weil die Voraussetzungen einer Auszahlung an Dritte nicht vorlägen und es der Zweck des Kindergeldes erfordere, daß der Empfänger über die Leistung jederzeit verfügen und sie zum Unterhalt des Kindes verwenden könne.

Die hiergegen gerichtete Anfechtungs- und Leistungsklage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Nürnberg - SG - vom 24. Februar 1982, Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts - LSG - vom 15. Juni 1983). Das LSG hat zur Begründung u.a. ausgeführt: § 47 SGB I habe zum Ziel, daß die Sozialleistung auf eine Weise bewirkt werden müsse, die dem mit ihrer Gewährung verfolgten Zweck entspreche. Der Sozialleistungsträger könne deshalb die Überweisung auf bestimmte Konten verweigern, wenn der Zweck der Leistung dem entgegenstehe. Der Zweck des Kindergeldes erfordere es aber in aller Regel, daß die dem laufenden Unterhalt der Kinder dienenden und wiederkehrenden Geldleistungen auch laufend für den Unterhalt der Kinder verwandt, also nicht zur Vermögensbildung benutzt oder langfristig festgelegt würden. Die Beklagte könne aber nicht in jedem Falle übersehen, ob der Unterhalt der Kinder auf andere Weise sichergestellt sei.

Mit seiner - von dem LSG - zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 47 und 39 SGB I. Das Kindergeld sei nicht in dem von dem LSG angenommenen Sinn zweckgebunden, sondern stehe dem Berechtigten zur freien Verfügung. Der Berechtigte könne es daher auch zur Vermögensbildung verwenden und die Beklagte handele ermessensfehlerhaft, wenn sie dem Auszahlungswunsch des Klägers nicht entspreche. Im übrigen sei die Weigerung der Beklagten ermessensfehlerhaft, weil sie den Kläger dadurch ungerechtfertigt anders behandele als die Inhaber von "normalen" Sparkonten mit vereinbarten längeren Kündigungsfristen. Auch hier könnten die Berechtigten erst nach erfolgter Kündigung - ebenso wie bei Bausparverträgen - nicht unmittelbar auf die jeweilige Leistung zugreifen. Dem stehe die für Bausparkassen nicht anwendbare Regelung des § 22 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) nicht entgegen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Juni 1983, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. Februar 1982 und den Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Kindergeld des Klägers auf dessen Bausparkonto Nr. …bei der Bausparkasse Sch… in Sch… zu überweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Eine Überweisung auf ein Bausparkonto sei nur mittelbar möglich, weil Bausparkassen mangels einer Bankleitzahl am unmittelbaren bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht teilnähmen. Eine solche mittelbare Überweisung über den Weg eines Girokontos der Bausparkasse bei einem anderen Geldinstitut entspreche aber nicht der Voraussetzung des § 47 SGB I, auch wenn der Kläger wirtschaftlich in den Genuß der Leistung komme. Die Beklagte sei verpflichtet, dem Berechtigten einen Anspruch auf Gutschrift auf seinem Konto und innerhalb der ersten sieben Tage auch einen Auszahlungsanspruch zu verschaffen, denn in diesen sieben Tagen sei der eingegangene Betrag nach § 55 SGB I nicht nur unpfändbar, das Geldinstitut dürfe ihn auch nicht mit einem Negativ-Saldo verrechnen, sondern müsse ihn auszahlen. Der Berechtigte, hier der Kläger, könne aus der Überweisung keine Rechte gegen das Geldinstitut herleiten, das das Konto der Bausparkasse führe, denn durch die Überweisung entstünden keine Rechtsbeziehungen zwischen dem Geldinstitut und dem Kläger. § 47 SGB I gestattet deshalb nur die Überweisung auf ein Konto des Berechtigten, nicht aber auf dasjenige eines Dritten. Nach § 47 SGB I sei die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über die überwiesene Leistung unbedingt erforderlich. Selbst wenn der Berechtigte im Rahmen des § 47 SGB I die Wahlmöglichkeiten unter mehreren seiner Konten habe, so brauche einem entsprechenden Wunsch gem. § 33 Satz 2 SGB I nur entsprochen zu werden, wenn er angemessen sei. Hier sei ein entsprechender Wunsch auch wegen des damit verbundenen erhöhten Verwaltungsaufwandes der Beklagten unangemessen. Es sei dem Kläger dagegen zuzumuten, das Kindergeld weiter auf seinem Girokonto in Empfang zu nehmen und seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Bausparkasse selbst nachzukommen.

II

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht. Die Beklagte wäre nur dann nicht verpflichtet, dem Wunsch des Klägers zu entsprechen, das ihm zustehende Kindergeld auf das Bausparkonto bei der Sch… - Bausparkasse zu überweisen, wenn das für sie mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Da das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt zu Recht - hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, müssen sie nachgeholt werden.

Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) sind gemäß § 47 des Ersten Buchs des SGB (SGB I) im Regelfall in der Weise auszuzahlen, daß sie von dem Leistungsträger kostenfrei auf ein Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut überwiesen werden. Diese Regelung gilt für das dem Kläger bewilligte Kindergeld, weil besondere Bestimmungen über die Auszahlung von Kindergeld im Inland nicht bestehen.

Der Kindergeldberechtigte hat nicht nur die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden in § 47 SGB I genannten Auszahlungsarten (Überweisung auf ein Konto oder Übermittlung an seinen Wohnsitz), er kann vielmehr auch dasjenige Konto bei einem Geldinstitut bestimmen, auf das die Geldleistung überwiesen werden soll; denn bei der Ausgestaltung der Leistung soll den Wünschen des Berechtigten entsprochen werden. Allerdings müssen diese Wünsche angemessen sein (§ 33 SGB I). Unter dem weitgefaßten Begriff "Ausgestaltung der Leistung" ist nach dem Sinngehalt dieser Vorschrift auch die Auszahlungsweise der einzelnen Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Zulässigkeit zu verstehen. Es ist kein Grund ersichtlich, daß den angemessenen Wünschen des Empfängers nicht Rechnung getragen werden sollte, soweit es mit der Auszahlungsregelung des § 47 SGB I vereinbar ist. Die Beklagte kann also das Begehren des Klägers nicht allein deshalb ablehnen, weil sie das Kindergeld auf sein ihr bekanntes Girokonto bei der R… Bank überweist.

Das der Beklagten von dem Kläger benannte Konto bei der Bausparkasse Sch… ist ein Konto bei einem Geldinstitut i.S. des § 47 SGB I. Dabei spielt es keine rechtserhebliche Rolle, daß der Kläger über dieses Konto nicht nur allein, sondern auch seine Ehefrau oder beide gemeinsam verfügen können. Maßgebend ist, daß der Kläger (Mit-) Inhaber dieses Kontos ist, die überwiesenen Beträge also ihm wirtschaftlich zufließen.

Bausparkassen sind nach § 1 des Gesetzes über Bausparkassen vom 16. November 1972 (BGBl. I 2097) Kreditinstitute. Ob alle Kreditinstitute Geldinstitute i.S. von § 47 SGB 1 sind, kann dahingestellt bleiben. Bausparkassen jedenfalls gewähren nicht nur Kredite, sie verwalten auch eingezahlte Gelder, d.h. sie führen "Habenkonten" und zahlen dafür Zinsen. Bausparkonten sollen zwar grundsätzlich dazu dienen, daß der Konteninhaber durch das Ansparen einen Anspruch auf ein Bauspardarlehen erwirbt. Der Bausparer kann aber seinen Bausparvertrag kündigen und unter Einhaltung von Kündigungsfristen - gegebenenfalls unter Verlust bestimmter mit dem Ansparen auf Bausparkonten verbundener Vorteile - sich sein Guthaben zurückzahlen lassen. Insofern unterscheidet sich also ein Bausparkonto nur in einzelnen Modalitäten, nicht aber im Grundsatz von einem Sparkonto bei einem anderen Geldinstitut oder der Deutschen Bundespost, die ebenfalls ein "Geldinstitut" i.S. des § 47 SGB I ist (vgl. Begründung zu § 46 in BR-Drucks 305/72 S. 26).

Der Zulässigkeit der Überweisung von Kindergeld auf ein Bausparkonto des Berechtigten steht nicht, wie das LSG meint, die Zweckbestimmung dieser Leistung entgegen. Das Kindergeld wird dem Berechtigten als gewisser Ausgleich für die mit der Erziehung und Betreuung von Kindern verbundenen finanziellen, jedenfalls aber persönlichen Belastungen gewährt (u.a. SozR 5870 § 3 Nr. 3 m.N). Es steht dem Berechtigten zu. Er kann frei über seine Verwendung bestimmen. Eine dahingehende Zweckbestimmung oder gar Zweckbindung, daß das Kindergeld ganz oder teilweise für die Kinder verwendet werden muß oder gar zur Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht dient, besteht nicht. Die Auszahlungsmöglichkeit bei Verletzung der Unterhaltspflicht an Dritte (§ 48 SGB I) betrifft alle laufenden Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind. Wenn hiernach auch die Auszahlung von Kindergeld in bestimmten Fällen und in bestimmtem Umfang zulässig ist, besagt das allenfalls mittelbar etwas über die teilweise Zweckbestimmung des Kindergeldes (vgl. SozR 1200 § 48 Nr. 7). Daraus folgt aber keine Einschränkung der grundsätzlich freien Verfügungsbefugnis des Berechtigten.

Die Regelung des § 47 SGB I soll dem Umstand Rechnung tragen, daß der moderne Zahlungsverkehr in weiten Bereichen und in zunehmendem Maße bargeldlos abgewickelt wird und es auch den Trägern der Sozialversicherung ermöglichen, sich dieser Zahlungsweise zu bedienen, die auch für den Empfänger der schnellere und sicherere Weg ist, auf dem er die Verfügungsbefugnis über die Leistung fristgerecht erlangt. Insbesondere sollte dem "antiquierten Anstehen nach Sozialleistungen am Postschalter" endgültig ein Ende gemacht werden (Hauck, Das neue Sozialgesetzbuch 1972, S. 26). Daraus folgt aber nicht, daß eine Überweisung auf ein Konto des Empfängers nur dann zulässig ist, wenn diesem dadurch der sofortige und uneingeschränkte Zugriff auf die Leistung ermöglicht wird. Er muß also nicht in die gleiche Lage versetzt werden, als wenn ihm die Leistung bar ausgezahlt würde. Vielmehr darf er auch die im bargeldlosen Zahlungsverkehr zulässigen Verfügungsmöglichkeiten wahrnehmen. Das Gesetz unterwirft ihn nur in bestimmten Fällen besonderen Beschränkungen bei der Vorwegverfügung über Sozialleistungen. So ist etwa die Übertragung oder Verpfändung von Sozialleistungen nur in bestimmtem Umfang und gegebenenfalls nur dann zulässig, wenn der Leistungsträger das wohlverstandene Interesse des Berechtigten feststellt (§ 53 SGB I). Die Feststellung eines solchen wohlverstandenen Interesses wäre aber bei einer Überweisung auf ein Bausparkonto nicht erforderlich, weil der Leistungsanspruch nicht übertragen wird. Der Umstand, daß eine Überweisung auf ein Bausparkonto, wie die Beklagte behauptet, nur in der Weise zulässig ist, daß sie die Leistung auf ein Konto eines Bankinstitutes überweist, welches die Bausparkasse dort unterhält und aus diesem Konto die Zahlungen den jeweiligen Bausparern gutgeschrieben werden, bedeutet nicht, daß es sich um die Auszahlung an einen Dritten handelt. Vielmehr liegt darin allein ein banktechnischer Vorgang, der die Verfügungsmöglichkeit des Bausparers über sein Bausparkonto nicht beeinträchtigt. Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht auf § 55 SGB I berufen. Der dort geregelte Pfändungsschutz wirkt sich bei jeder Überweisung auf ein Konto des Empfängers aus, gilt also auch für Bausparkonten. Aus dieser Regelung kann jedenfalls nicht, wie die Beklagte meint, hergeleitet werden, daß der Berechtigte ebenso über sein Konto verfügen können muß, als ob ihm die Leistung bar ausgezahlt worden wäre. Der Pfändungsschutz des § 55 SGB I soll nur bewirken, daß Dritte innerhalb der dort genannten Zeiträume nicht auf die Forderung, die der Berechtigte durch die Gutschrift auf sein Konto erlangt, zugreifen können. Verfügungsberechtigt über sein Bausparkonto ist und bleibt dessen Inhaber.

Die Beklagte kann jedoch die Überweisung auf ein von dem Berechtigten gewünschtes Konto verweigern, wenn ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt; denn nach § 47 SGB I "sollen" Geldleistungen überwiesen werden. Ein solcher von der Regel abweichender Fall liegt vor, wenn der grundsätzlich zu berücksichtigende Wunsch des Berechtigten unangemessen ist (§ 33 Satz 2 2. Satzteil SGB I). In diesem Sinne wäre ein Wunsch unangemessen, wenn zu seiner Erfüllung ein besonderer Verwaltungsaufwand der Beklagten notwendig wäre, der in keinem vernünftigen Verhältnis zu mit der Erfüllung des Wunsches für den Berechtigten verbundenen objektiven oder vermeintlichen Vorteilen steht. Der Kläger will mit der unmittelbaren Überweisung auf sein Bausparkonto Kosten und Zinsverluste vermeiden, die entstehen, wenn er die Leistung zunächst auf einem Girokonto in Empfang nehmen und von dort auf sein Bausparkonto überweisen müßte. Hierin liegt ein berechtigtes Interesse, das den Wunsch des Klägers grundsätzlich nicht als unangemessen erscheinen läßt, obwohl der Gesetzgeber dem Leistungsempfänger mit § 47 SGB I u.a. auch Kontoführungsgebühren zumutet und den Leistungsträger nur zur kostenfreien Überweisung verpflichtet. Andererseits bedient sich aber die Beklagte als Massenverwaltung bei der Auszahlung laufender Leistungen elektronischer Datenverarbeitungssysteme, mit deren Hilfe der bargeldlose Verkehr so wirtschaftlich wie möglich gestaltet werden soll. Die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten muß auch ein Leistungsempfänger gegen sich gelten lassen. Der Leistungsträger ist jedoch verpflichtet, im Rahmen des technisch möglichen und wirtschaftlich vertretbaren, die von ihm benutzten elektronischen Datenträger auch dazu zu verwenden, berechtigten Wünschen der Leistungsempfänger Rechnung zu tragen. Es wird also zu prüfen sein, welche zusätzlichen Aufwendungen die Beklagte machen muß, um das Kindergeld des Klägers auf dessen Bausparkonto zu überweisen und ob diese Aufwendungen im Vergleich zu den Nachteilen, die der Kläger hinnehmen müßte, wenn seinem Wunsch nicht Rechnung getragen würde, zumutbar sind.

Das LSG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.10 RKg 15/83

Bundessozialgericht

Verkündet am

12. September 1984

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518455

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