Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung Beitragsbemessung. nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten Veranlagung zu Gefahrklassen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten ausgeführt wurden, die es nach § 728 Abs 3 RVO rechtfertigen, den vierfachen Beitragssatz zu fordern, richtet sich danach, ob das Bauunternehmen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung in seinem Bestand gesichert ist.

 

Orientierungssatz

Die Zuordnung bestimmter Tätigkeiten zu einer geringeren Gefahrklasse setzt einen eigenen Unternehmensteil voraus. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt bei Tätigkeiten, die nicht dem speziellen Unternehmenszweck entsprechen, sondern nur vorübergehend ausgeführt werden, um der wirtschaftlichen Sicherung des Unternehmens zu dienen. (Vergleiche BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 = HV-INFO 1988, 2215-2221).

 

Normenkette

RVO § 728 Abs 3, § 729 Abs 2, § 734

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 30.03.1988; Aktenzeichen L 4 U 57/87)

SG Itzehoe (Entscheidung vom 10.06.1987; Aktenzeichen S 3 U 93/86)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Klägerin geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung.

Nachdem der Ehemann der Klägerin mit seinem Baugeschäft am 8. März 1984 die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragt hatte, betrieb die Klägerin vom 12. März 1984 an das Baugeschäft "J.  . S.     , Inh. M.    S.     ", in dem sie neben drei weiteren Arbeitnehmern auch ihren Ehemann als Zimmermeister beschäftigte. In dem Unternehmen der Klägerin wurden Maurer- und Zimmererarbeiten verrichtet und wegen der schlechten Auftragslage im Baugewerbe auch Holzpaletten angefertigt. Der Betrieb der Klägerin war als Gewerbe angemeldet. Um in die Handwerksrolle eingetragen werden zu können, sollte er in eine neu zu gründende Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) überführt werden. Dazu wurde der Industrie- und Handelskammer Ende des Monats Juni 1984 der Entwurf eines Gesellschaftsvertrages übersandt. Am 14. Juni 1985 kam es schließlich zum Abschluß des GmbH-Gesellschaftsvertrages, in dem die Klägerin als Gesellschafterin zur Geschäftsführerin bestellt wurde. Mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an trug die Beklagte das Unternehmen der Firma S.     -Bau GmbH, unter der das Baugeschäft der Klägerin fortgeführt wurde, in ihr Unternehmerverzeichnis ein. Am 14. November 1985 wurde die GmbH mit dem Ehemann der Klägerin als Betriebsleiter in die Handwerksrolle eingetragen.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 1985 ohne Rechtsbehelfsbelehrung erklärte die Beklagte der Klägerin, sie ordne die Maurer- und Zimmererarbeiten, die von dem Baugeschäft "J.  . S.     , Inh. M.    S.     " in der Zeit vom 12. März 1984 bis zum 13. Juni 1985 ausgeführt worden seien, dem nicht gewerbsmäßigen Bereich zu. Denn als Einzelunternehmerin habe die Klägerin nicht die Berechtigung gehabt, derartige handwerkliche Arbeiten auszuführen. Als Unternehmerin nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten sei sie ihr Mitglied außerhalb des Unternehmerverzeichnisses. Die Beklagte forderte deshalb die Klägerin auf, die Lohnnachweise für diese Zeit einzureichen. Als die Klägerin dem nicht rechtzeitig nachkam, erteilte die Beklagte ihr den angefochtenen Beitragsbescheid vom 13. Januar 1986 für die Zeit vom 12. März 1984 bis zum 13. Juni 1985 über 73.222,32 DM nach dem Gefahrtarif für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten in der Gefahrklasse für Maurerei und Zimmerei anhand des Beitragssolls der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) I.     . Aufgrund der im anschließenden Widerspruchsverfahren bezifferten Bruttolohnsummen für die streitbetroffene Zeit ermäßigte die Beklagte ihre Forderung auf 46.232,18 DM (Bescheid vom 10. Juni 1986). Im übrigen wies sie den Widerspruch der Klägerin, der sich vor allem gegen die Anwendung des vierfachen Beitragssatzes entsprechend dem Gefahrtarif für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten richtete, zurück (Widerspruchsbescheid vom 19. August 1986).

Das Sozialgericht (SG) Itzehoe hat die Bescheide vom 10. Dezember 1985 (angebliches Datum des Feststellungsbescheides über die Mitgliedschaft der Klägerin als Unternehmerin nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten) und 13. Januar 1986 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 10. Juni 1986 und des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1986 insoweit aufgehoben, als darin von der Klägerin ein höherer als der einfache Beitragssatz erhoben wird. Es hat die Beklagte außerdem verurteilt, gemäß Teil II Ziff 6 Satz 2 (nach den Entscheidungsgründen: Ziff 4 Satz 2) des Gefahrtarifs den für den Betrieb der Klägerin geltenden Gefahrtarif unter Berücksichtigung des Unternehmenszweiges Palettenbau neu festzusetzen (Urteil vom 10. Juni 1987). Die Berufung der Beklagten hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) im wesentlichen zurückgewiesen (Urteil vom 30. März 1988). Es hat ausgeführt, die Klägerin sei nicht verpflichtet, nach § 728 Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) entsprechend § 62 der Satzung der Beklagten den vierfachen Beitragssatz zu zahlen. Denn in ihrem Unternehmen seien keine "nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten" iS dieser Vorschrift verrichtet worden. Zwar sei nach BSGE 30, 230, zu fordern, daß ein gewerbsmäßiges Unternehmen in seinem Bestand gesichert sein müsse. Aber die höchstrichterliche Rechtsprechung gehe nicht dahin, daß sich die Frage nach der Gewerbsmäßigkeit eines Baubetriebes einzig und allein nach Eintragung in die Handwerksrolle beantworte. Was auch immer § 729 Abs 2 RVO nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Januar 1988 (2 RU 25/87) bezwecke, hier gehe es jedenfalls um die gerechte Beitragsverteilung zwischen gewerbsmäßigen und nicht gewerbsmäßigen Bauunternehmen, so daß sich die Auslegung des § 728 Abs 3 RVO nur an diesem Zweck zu orientieren habe. Obwohl die Klägerin nicht in die Handwerksrolle eingetragen gewesen sei, habe sie doch gewerbsmäßige Arbeiten ausgeführt. Es habe sich nicht um ein einmaliges Tätigwerden wie beim Bau eines Hauses durch Privatpersonen gehandelt. Im Unternehmen der Klägerin seien die Maurer- und Zimmererarbeiten unter der Mitarbeit eines Zimmermeisters eineinviertel Jahre lang kontinuierlich und erfolgreich ausgeführt worden. Die Art und die Einrichtung des Betriebes, seine Zweckbestimmung und die Dauer der Tätigkeit ließen daher ein Mißverhältnis zwischen den genossenen Vorteilen der gesetzlichen Unfallversicherung und ihren Lasten nicht erkennen. Im übrigen sei der Palettenbau ein fremdartiger Unternehmensteil gewesen, der die Zuständigkeit einer anderen Berufsgenossenschaft begründet hätte, wenn er Hauptunternehmen gewesen wäre. Deshalb sei der Beitrag dafür nach Teil II Ziff 3 des Gefahrtarifs in der Höhe zu erheben, in der er bei der anderen Berufsgenossenschaft angefallen wäre. Schließlich müsse die Aufhebung des Bescheides vom 10. Dezember 1985 durch das SG rückgängig gemacht werden. Seiner Meinung nach handele es sich dabei um den der GmbH erteilten Beitragsbescheid für die Zeit ab 14. Juni 1985, der nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits sei.

Mit der - vom BSG zugelassenen - Revision macht die Beklagte eine Verletzung von § 728 Abs 3 iVm § 729 Abs 2 RVO geltend.

Nach der Rechtsprechung des BSG sei das Merkmal der Bestandssicherung des Baubetriebes zur Abgrenzung der gewerbsmäßigen von den nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten unerläßlich. Besondere Bedeutung habe der Umstand, daß der Bauunternehmer in der Handwerksrolle eingetragen und deshalb berechtigt sei, selbständig Bauarbeiten durchzuführen. Fehle diese Eintragung, sei auch der Bestand des Unternehmens nicht gesichert, weil die Einstellung des Betriebes jederzeit behördlich erzwungen werden könne. Das treffe auf das Baugeschäft der Klägerin zu. Der Betrieb des Baugeschäfts allein durch die Klägerin sei überhaupt nicht auf Dauer beabsichtigt gewesen. Der Bestand dieser Einzelfirma sei dementsprechend nicht gesichert gewesen. Von vornherein habe die Klägerin die Gründung einer GmbH zum Betrieb des Baugeschäfts angestrebt. Darin, daß das LSG trotzdem angenommen habe, es seien gewerbsmäßige Bauarbeiten ausgeführt worden, sei es von der Rechtsprechung des BSG abgewichen (BSGE 30, 230, 236; Urteile vom 26. September 1986 - 2 RU 60/85 -, vom 30. Juli 1987 - 2 RU 37/85 - und vom 26. Januar 1988 - 2 RU 25/87 -).

Zu Unrecht habe das LSG sie auch verurteilt, den für den Betrieb der Klägerin geltenden Gefahrtarif unter Berücksichtigung des Palettenbaus nach Teil II Ziff 3 des Gefahrtarifs zu bestimmen. Bei dem Palettenbau, der nur als Aushilfstätigkeit betrieben worden sei, habe es sich um keinen eigenständigen Betriebsteil gehandelt. Die Arbeiten seien innerhalb des Unternehmenszweiges "Zimmerei" erfolgt. Verschiedenartige Tätigkeiten innerhalb eines Unternehmenszweiges lägen regelmäßig vor, wenn nur vorübergehend oder aushilfsweise fremdartige Arbeiten verrichtet würden, um den Arbeiterstamm nicht zu verlieren. Derartige Tätigkeiten bildeten jedoch keinen rechtlich selbständigen Unternehmensteil innerhalb eines Gesamtunternehmens.

Die Beklagte beantragt,

die angefochtenen Urteile zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Der Palettenbau, mit dem sie in der streitigen Zeit einen größeren Umsatz als mit den Maurer- und Zimmererarbeiten erzielt habe, sei in ihrem Betrieb ein Unternehmensteil gewesen, der die Zuständigkeit einer anderen Berufsgenossenschaft begründet hätte, wenn er Hauptunternehmen gewesen wäre. Das habe das LSG ebenfalls zutreffend erkannt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im wesentlichen unbegründet; begründet ist sie nur insoweit, als sie die Verurteilung der Beklagten betrifft, einen Teil des Unternehmens der Klägerin einer anderen Gefahrklasse zuzuteilen.

1.

Zu Unrecht hat die Beklagte die Klägerin in die Mitgliedsgruppe der Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten nach Abschnitt IX ihrer Satzung in der ab 8. August 1978 gültigen Fassung eingeordnet. Ihr stand auch nicht das Recht zu, von der Klägerin das Vierfache des nach dem Gefahrtarif berechneten Beitrages des letzten Geschäftsjahres gemäß § 62 Abs 1 Satz 1 der Satzung zu verlangen. Denn in dem Baugeschäft, das die Klägerin in der streitbetroffenen Zeit zunächst allein unter Firma "J.  . S.     , Inh. M.    S.     " betrieb, sind von Anfang an gewerbsmäßige und keine nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten iS des § 728 Abs 3 RVO ausgeführt worden. Die von der Klägerin einheitlich mitangefochtene Feststellung (§ 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch - SGB X -), sie habe nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten unternommen (Schreiben der Beklagten vom 19. Dezember 1985), und die Beitragsforderung in Höhe des vierfachen Beitragssatzes (Bescheide vom 13. Januar 1986, 10. Juni 1986 und 19. August 1986) sind deshalb rechtswidrig und schon vom SG zutreffend aufgehoben worden; das gilt auch für die der Beitragsforderung vorausgehende Feststellung, die das SG irrtümlich als Feststellung (Bescheid) vom 10. Dezember statt vom 19. Dezember 1985 bezeichnet hat.

Nach § 728 Abs 3 RVO, die Ermächtigungsgrundlage, auf die § 62 Abs 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten ausdrücklich Bezug nimmt, kann die Satzung bestimmen, daß der Beitrag für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten ein mehrfaches, höchstens jedoch das Vierfache des nach dem Gefahrtarif berechneten Beitrags des letzten Geschäftsjahres beträgt.

Was nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten iS dieses Gesetzes sind, bedarf der Auslegung. Denselben Begriff verwendet das Gesetz auch für die Bauherrnhaftung nach § 729 Abs 2 RVO. Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 30, 230, 234 f), gibt der Begriff der Gewerbsmäßigkeit in der Ausprägung des Gewerberechts keinen hinreichenden Aufschluß für die Anwendung dieser Vorschrift der RVO. Nach dem Gewerberecht ist eine gewerbliche Tätigkeit schon dann als gewerbsmäßig anzusehen, wenn sie dazu bestimmt ist, eine selbständige Einkommensquelle für den Unternehmer zu bilden und fortgesetzten Gewinn zu erzielen. Demgegenüber ist für die Abgrenzung der nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten iS der §§ 783 ff RVO aF und iS der insoweit durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) inhaltsgleich gefaßten § 728 Abs 3 und § 729 Abs 2 RVO nF zusätzlich das Merkmal der Bestandssicherung unerläßlich. Die Regelung der §§ 783 ff RVO aF war darauf gerichtet, nur vorübergehend tätige Bauunternehmer an den Kosten der Unfallversicherung für die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer angemessen zu beteiligen. Die Anwendung eines besonderen, gegenüber den allgemeinen Mitgliederbeiträgen höheren Prämientarifs für die Unfallversicherung solcher Arbeiten, dem ua der Kapitalwert der voraussichtlich zu erbringenden Leistungen zugrunde lag (vgl § 804 Abs 2 RVO aF), war durch den Umstand gerechtfertigt, daß der Versicherungsträger Leistungen ggf noch zu einer Zeit erbringen mußte, als er den Unternehmer wegen zwischenzeitlicher Beendigung der Bauarbeiten zu den Lasten nicht mehr heranziehen konnte. Nach dem Zweck dieser Regelung waren demnach als nicht gewerbsmäßig tätige Bauunternehmer diejenigen zu betrachten, von denen wegen der Bestandsunsicherheit ihres Unternehmens nicht erwartet werden konnte, daß sie den Finanzbedarf des Versicherungsträgers dauernd mitbestritten (BSGE aaO 235 f).

Wenn dagegen der Bestand des Unternehmens gesichert ist, dh jedenfalls dann, wenn der Baubetrieb iS des Gewerberechts gewerbsmäßig geführt wird, der Unternehmer ihn auf Dauer angelegt hat und auch von Seiten der zuständigen Behörde keine Gefahr mehr droht, daß die Fortsetzung des Betriebes jederzeit untersagt werden kann (§ 16 Abs 3 Handwerksordnung), dann werden die Bauarbeiten auch iS von § 728 Abs 3 und § 729 Abs 2 RVO nF gewerbsmäßig ausgeführt. Dabei ist vor allem auf das Unternehmen selber (§ 658 Abs 2 Nr 1 RVO), hier also auf das Baugeschäft und seine betrieblichen Bestandsaussichten abzustellen. Wenn sich seine Bestandssicherheit trotz früherer Bestandsgefahren auf andere Weise nachweisen läßt, kommt es auch für frühere Zeiten auf Unsicherheiten in der Person früherer Unternehmer desselben Betriebes nicht mehr an. Denn die kontinuierliche, auch in Zukunft gesicherte Ausführung der Bauarbeiten ist die entscheidende Grundlage dafür, daß das Beitragsaufkommen der Berufsgenossenschaft jedenfalls nicht schlechter gesichert ist, als bei den übrigen in das Unternehmerverzeichnis aufgenommenen Mitgliedern der Berufsgenossenschaft. Das trifft auf das umstrittene Baugeschäft ebenfalls zu.

In diesen Zusammenhang ist es auch einzuordnen, daß der Unternehmer eines Handwerksbetriebes in die Handwerksrolle eingetragen werden muß. Je nach dem, ob die Voraussetzungen dazu zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen oder nicht, läßt sich die Bestandssicherung des betreffenden Handwerksbetriebes ermessen. Denn wenn auch noch zu diesem Zeitpunkt die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die erforderliche Eintragung in die Handwerksrolle fehlen, droht dem Betrieb jederzeit, daß die zuständige Behörde dessen Fortsetzung untersagt (§ 16 Abs 3 Satz 1 Handwerksordnung). Allein wegen einer solchen dem Betrieb andauernd drohenden Einstellungsgefahr hat der Senat in seinem Urteil vom 26. September 1986 - 2 RU 60/85 - (HV-Info 1986, 1892; NZA 1987, 286) ausgeführt, bei dem Handwerksbetrieb einer natürlichen Person fehle es an der Bestandssicherung in der Regel schon dann, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Eintragung in die Handwerksrolle nicht - auch nicht aufgrund einer Ausnahmebewilligung - gegeben seien. Dieser Satz gilt für den damals entschiedenen Fall, in dem der Unternehmer seinen Betrieb abmeldete, bevor ihm dessen Fortführung hätte untersagt werden können; dadurch dokumentierte der Unternehmer selbst die fehlende Bestandssicherung. Er gilt auch für den in BSGE 30, 230 entschiedenen Fall, in dem der Bauunternehmer ohne Meisterprüfung die Arbeitsprobe nicht bestanden und damit nicht die Voraussetzungen erfüllt hatte, unter denen er eine Ausnahmebewilligung hätte erhalten können, in die Handwerksrolle eingetragen zu werden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung konnte es jederzeit durch behördliche Maßnahmen verhindert werden, daß er seinen Betrieb weiterführt (BSGE aaO S 236).

Diese Gefahr drohte dem Baugeschäft der Klägerin nicht zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung, nämlich dem Schluß der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG. Sie bestand schon nicht mehr am 19. Dezember 1985, als die Beklagte nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten feststellte. Denn die Klägerin hatte bereits die S.     -Bau GmbH als Unternehmerin des Baugeschäfts gegründet, die im November 1985 in die Handwerksrolle eingetragen worden war. Damit stand fest, daß das Baugeschäft der Klägerin in der Vergangenheit trotz der Gefahr der Schließung Bestand gehabt hat und in Zukunft nicht mehr von der Gefahr der behördlichen Schließung bedroht gewesen ist. Auf die vorübergehende Schließungsgefahr in der Vergangenheit, die in der Person der Klägerin als Unternehmerin begründet war, kommt es dabei nicht mehr an. Denn die kontinuierliche Fortführung der Bauarbeiten geben der Beklagten wie bei den übrigen Mitgliedern ausreichende Sicherung für ein regelmäßiges Beitragsaufkommen. Insofern verfolgen § 728 Abs 3 und § 729 Abs 2 RVO denselben Zweck. Sie verwenden dementsprechend den Begriff der nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten auch im gleichen Sinne. Der Antriebs- und Ausgleichszweck, den § 729 Abs 2 RVO daneben und zusätzlich mit der Bauherrnhaftung verfolgt (BSGE 63, 29, 30 = SozR 2200 § 729 Nr 5), läßt den Begriff der nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten unberührt.

2.

Zu Recht dagegen hat die Beklagte das Unternehmen der Klägerin der in ihrer Satzung gebildeten Gefahrklasse 8,5 zugeteilt. Das entspricht den von der Klägerin bei der Beklagten angemeldeten Unternehmenszweigen Maurerei (Tarifstelle 1 laufende Nr 1 "Hochbau aller Art") und Zimmerei (Tarifstelle 1 laufende Nr 13 "Zimmererarbeiten"). Der Senat vermag dem LSG nicht darin zu folgen, daß der Palettenbau im Betrieb der Klägerin ein Unternehmensteil sei, der es rechtfertige, ihn einer anderen Gefahrklasse oder gemäß Teil II Nr 3 der Satzung keiner Gefahrklasse des Teils I zuzuteilen. Dem stehen die bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) entgegen. Danach betrieb die Klägerin ein Baugeschäft, in dem die Arbeiter, zu denen auch der Ehemann der Klägerin als Zimmermeister gehörte, Maurer- und Zimmererarbeiten verrichteten; wegen der schlechten Auftragslage hatten dieselben Arbeiter auch Holzpaletten angefertigt.

Tätigkeiten, die unter diesen Umständen nicht dem speziellen Unternehmenszweck entsprechen, sondern nur vorübergehend ausgeführt werden, um der wirtschaftlichen Sicherung des Unternehmens zu dienen, bilden für die Veranlagung zum Gefahrtarif keinen eigenen Unternehmensteil. Der Senat hat in seinem Urteil vom 22. September 1988 - 2 RU 2/88 - (HV-Info 1988, 2215) entschieden, daß die Zuordnung bestimmter Tätigkeiten zu einer geringeren Gefahrklasse einen eigenen Unternehmensteil voraussetzt. Es muß sich um eine betriebliche Abteilung handeln, die von den anderen in einer Weise abgrenzbar ist, daß die dort in den anderen Abteilungen auftretenden Unfallgefahren in dieser generell nicht auftreten können, so zB bei der räumlichen und organisatorischen Trennung von Produktionsstätten und Verwaltungszentren. Dies folgt aus dem Grundsatz, daß es nicht auf die Unfallgefahr an bestimmten Arbeitsplätzen eines Unternehmens ankommt, sondern auf die gewerbespezifische Unfallgefahr des Gesamtbetriebes, der es den Berufsgenossenschaften gestattet, auch solche Personen oder Personengruppen, die gegenüber der typischen Gewerbegefahr objektiv geringer gefährliche Arbeiten verrichten, dem für den Gewerbezweig allgemein geltenden Gefahrtarif zuzuordnen (Urteil des Senats vom 22. September 1988, aaO mwN). Sowohl nach den Feststellungen des LSG als auch nach dem gesamten Vortrag der Klägerin fehlt eine derartige betriebliche Abgrenzung des Palettenbaus von den übrigen Unternehmenszweigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1667035

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