Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit von § 37c Abs. 1 AVG (= § 1260c Abs 1 RVO)

 

Leitsatz (amtlich)

Eine beitragslose Zeit ist der beamtenrechtlichen Versorgung jedenfalls dann "zugrundegelegt", wenn sie ruhegehaltsfähig ist und in den Zeitraum der ersten 35 Jahre der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit fällt.

 

Orientierungssatz

Der Senat läßt es auf sich beruhen, ob § 37c Abs 1 AVG generell verfassungsgemäß ist (so BSG 1983-03-17 11 RA 46/82 = SozR 2200 § 1260c Nr 3) oder hieran nicht zumindest dann Zweifel bestehen müssen, wenn die Vorschrift die Berücksichtigung einer beitragslosen Zeit bei der Berechnung der gesetzlichen Rente auch in dem Falle ausschließt, daß diese Zeit außerhalb des Zeitraums der ersten 35 Jahre der versorgungsfähigen Dienstzeit liegt und somit ohne Einfluß auf die Höhe der beamtenrechtlichen Versorgung bleibt. Diese Zweifel sind auch durch den Beschluß des Dreierausschusses der BVerfG vom 14.10.1980 1 BvR 201/80 = SozR § 1260c Nr 1) nicht vollständig behoben worden.

 

Normenkette

AVG § 37c Abs 1 Fassung: 1977-06-27; RVO § 1260c Abs 1 Fassung: 1977-06-27; GG Art 14 Abs 1 S 1; GG Art 3 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 28.10.1982; Aktenzeichen L 10 An 37/82)

SG Berlin (Entscheidung vom 18.05.1982; Aktenzeichen S 3 An 1318/81)

 

Tatbestand

Streitig ist die rentensteigernde Anrechenbarkeit einer Ersatzzeit.

Für den im Jahre 1924 geborenen Kläger wurden bis zum 27. Dezember 1942 und erneut ab 29. Oktober 1945 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Ab 31. Oktober 1942 leistete er Wehrdienst. Am 5. August 1945 wurde er aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Mit Wirkung ab 1. Mai 1956 wurde er in ein noch bestehendes Beamtenverhältnis bei der Deutschen Bundespost übernommen.

In ihrer Rentenauskunft vom 3. Dezember 1980 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Ersatzzeit vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 könne gemäß § 37c des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in der Fassung des Gesetzes zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz - 20. RAG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I S 1040) (seit 1. Januar 1983: § 37c Abs 1 AVG in der Fassung des Art 20 Nr 10 des Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts - Haushaltsbegleitgesetz 1983 - vom 20. Dezember 1982; BGBl I S 1857) nicht berücksichtigt werden, weil sie bei einer Versorgung aus einem vor dem 1. Januar 1966 begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zugrundegelegt sei oder bei Eintritt des Versorgungsfalles zugrundegelegt werde. Auf die Gegenvorstellung des Klägers lehnte die Beklagte die Berücksichtigung des Zeitraums vom 31. Oktober 1942 bis 5. August 1945 als Ersatzzeit durch Bescheid vom 13. März 1981 förmlich ab. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 1981).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. Mai 1982) und das Landessozialgericht (LSG) Berlin die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 28. Oktober 1982). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Eine rentensteigernde Anrechnung der Kriegsdienstzeiten und der Kriegsgefangenschaft des Klägers vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 komme selbst dann nicht in Betracht, wenn diese Zeiten, obwohl als ruhegehaltsfähig anerkannt, wegen der ohnehin erreichten Höchstgrenze der Versorgung diese nicht erhöhten. Die Zeiten seien ruhegehaltsfähige Dienstzeiten und lägen damit im Sinne des § 37c AVG der beamtenrechtlichen Versorgung des Klägers zugrunde. Nicht entscheidend sei, daß die Ersatzzeit nicht zu einer Erhöhung der Versorgungsleistung führe. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die Zeiten bei der Rentenberechnung nur dann berücksichtigt werden, wenn der Versicherte insoweit nach Beamtenrecht unversorgt geblieben sei. Der Interpretation des in § 18 Abs 3 des Fremdrentengesetzes (FRG) in seiner ursprünglichen Fassung (= aF) vom 25. Februar 1960 (BGBl I S 93) verwendeten Begriffs "zugrundegelegt" durch das Bundessozialgericht (BSG) sei auch im vorliegenden Fall zu folgen. Entgegen der Auffassung des Klägers könnten Ersatzzeiten nicht deswegen im Wege des Besitzstandsschutzes als anrechenbar behandelt werden, weil sie vor der Gesetzesänderung zurückgelegt worden seien. § 37c AVG stelle auf seit dem 1. Januar 1980 eintretende Versicherungsfälle ab. Mit der Vorschrift verbundene Härten dadurch, daß sich Ersatzzeiten weder auf die Höhe des Altersruhegeldes noch - wegen Erreichens des Höchstruhegehaltes - auf die Versorgungsbezüge auswirkten, habe der Gesetzgeber in Kauf genommen. § 37c AVG verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG).

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß eine fehlerhafte Anwendung des § 37c AVG. Die Vorschrift sei erst mit Wirkung ab 1. Januar 1980 in das AVG eingefügt worden. Damit sei zu prüfen, ob sie auf vor diesem Zeitpunkt zurückgelegte Zeiten angewendet werden dürfe. Das LSG habe darauf abgestellt, ob der maßgebliche Versicherungsfall nach dem 1. Januar 1980 eingetreten sei. Die Fassung der Vorschrift schließe jedoch nicht aus, daß sie nur anzuwenden sei, wenn der Zeitraum der sogen. Doppelversorgung nach ihrem Inkrafttreten liege. Dafür spreche auch, daß der Gesetzgeber das Inkrafttreten der Vorschrift lange hinausgeschoben habe. Abgesehen davon, verbiete die Fassung der Vorschrift nicht, eine für die beamtenrechtliche Versorgung unerhebliche Zeit wenigstens bei der sozialversicherungsrechtlichen Altersversorgung zu berücksichtigen. Entgegen der Ansicht des LSG sei die Auslegung des früheren § 18 Abs 3 FRG durch das BSG für den vorliegenden Fall nicht bindend. Diese Vorschrift habe sich auf das zeitliche Zusammentreffen einer fiktiven deutschen Beitragszeit mit einer echten ruhegehaltsfähigen Dienstzeit bezogen und außerdem dem Eingliederungsgedanken der Neuregelung des Fremdrentenrechts Rechnung getragen. Demgegenüber handele es sich im vorliegenden Fall um das Zusammentreffen zweier tatsächlicher Altersversorgungsanwartschaften in demselben Zeitraum. § 37c AVG sei eine Anrechnungsvorschrift. Wenn in einem solchen Zusammenhang eine Zeit als "zugrundeliegend" bezeichnet werde, so könne dies nur bedeuten, daß sie Grundlage für eine Anrechnung und damit letztlich für die Berechnung der Altersbezüge bilde. Wirke sich ein Zeitraum in der beamtenmäßigen Versorgung überhaupt nicht aus, so könne er einer Anrechnung nicht "zugrundeliegen". § 37c AVG solle allerdings eine Doppelversorgung vermeiden. Das könne jedoch nicht dazu führen, daß ein Zeitraum, der für das Sozialversicherungsrecht und für das Beamtenrecht eine Rolle spiele, überhaupt nicht berücksichtigt werde. Anderenfalls bleibe der Versicherte hinsichtlich dieses Zeitraums tatsächlich unversorgt. Bei der nach seiner (Klägers) Auffassung gebotenen Auslegung des § 37c AVG werde eine Härte vermieden. Sie sei außerdem hinsichtlich der Frage des rückwirkenden Inkrafttretens und hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Ersatzzeit in der Sozialversicherung für Zeiten, die sich auf das beamtenrechtliche Ruhegehalt nicht auswirkten, verfassungskonform.

Der Kläger hat nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist seine Ausführungen ergänzt. Er beantragt sinngemäß, die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 1982 und des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 1982 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. März 1981 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 1981 zu verurteilen, den Zeitraum vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 als Ersatzzeit vorzumerken.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie bringt vor, § 37c AVG sei eine Vorschrift mit sogen. unechter Rückwirkung. Deren Verfassungsmäßigkeit könne nicht am Maßstab des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grundsatzes des Vertrauensschutzes geprüft werden. Vielmehr komme, da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auch Rentenanwartschaften die konstituierenden Merkmale verfassungsrechtlich geschützten Eigentums aufwiesen, als Prüfungsmaßstab Art 14 Abs 1 GG in Betracht. Der durch § 37c AVG bewirkte Eingriff in die Rentenanwartschaft des Klägers halte sich jedoch im Rahmen der dem Gesetzgeber verliehenen Befugnis zur Bestimmung des Inhaltes und der Grenzen des Eigentums. Für die Einfügung des § 37c AVG durch das 20. RAG sei der dringende und unabweisliche Zwang zu energischen Maßnahmen zur Sanierung der Finanzsituation der Rentenversicherung maßgebend gewesen. Demgegenüber müsse das Interesse des Versicherten an der Beibehaltung der Doppelversorgung zurücktreten. Unerheblich sei, ob die beitragslosen Zeiten die beamtenrechtliche Versorgung tatsächlich erhöhten oder nicht. Allein ihre Einbeziehung in die Berechnung der beamtenrechtlichen Versorgung entfalte nach dem klaren Wortlaut des § 37c AVG eine Sperrwirkung gegenüber einer nochmaligen Berücksichtigung solcher Zeiten bei der Rentenberechnung.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Kläger erstrebt die "Vormerkung" (zur Zulässigkeit eines solchen Anspruchs vgl BSG SozR 2200 § 1251 Nr 85 S 230 mwN) des Zeitraums seiner Wehrdienstleistung und anschließenden Kriegsgefangenschaft vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 als Ersatzzeit. Rechtsgrundlage hierfür ist § 28 Abs 1 Nr 1 AVG. Danach werden für die Erfüllung der Wartezeit - und damit im Leistungsfalle auch bei der Ermittlung der Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre (§ 35 Abs 1 AVG) - als Ersatzzeiten ua Zeiten des militärischen oder militärähnlichen Dienstes im Sinne der §§ 2 und 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), der aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht oder während eines Krieges geleistet worden ist, sowie Zeiten der Kriegsgefangenschaft angerechnet. Der Zeitraum vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 erfüllt diese Merkmale einer Ersatzzeit. Darüber herrscht unter den Beteiligten kein Streit. Streitig ist allein, ob die Ersatzzeit nach Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 37c Abs 1 AVG bei der Berechnung der dann zu gewährenden Rente unberücksichtigt zu bleiben hat.

Nach dieser durch das 20. RAG eingefügten und am 1. Januar 1980 in Kraft getretenen (vgl Art 3 § 6 des 20. RAG) Vorschrift bleiben ua Ersatzzeiten bei der Berechnung der Versicherten- und Hinterbliebenenrente unberücksichtigt, soweit sie bei einer Versorgung aus einem vor dem 1. Januar 1966 begründeten öffentlich- rechtlichen Dienstverhältnis oder Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zugrundegelegt sind oder bei Eintritt des Versorgungsfalles zugrundegelegt werden.

§ 37c Abs 1 AVG ist auf den vorliegenden Fall grundsätzlich anwendbar. Der Ansicht des Klägers, die Vorschrift erfasse lediglich die nach ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1980 zurückgelegten beitragslosen Zeiten, kann nicht gefolgt werden. § 37c Abs 1 AVG schreibt unter den dort genannten Voraussetzungen die Nichtberücksichtigung beitragsloser Zeiten bei der "Berechnung" einer Versicherten- oder Hinterbliebenenrente vor. Er ist eine reine Berechnungsvorschrift (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 24. März 1983 - 1 RJ 82/82 -; insoweit in BSGE 55, 57, 60 und SozR 2200 § 1260c Nr 7 S 19 nicht abgedruckt; vgl aber den vollständigen Abdruck des Urteils in Breithaupt 1983, 881, 884 und Praxis 1983, 512, 514). Der Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 1. Januar 1980 kann somit nur bedeuten, daß sie anwendbar ist, wenn nach dem 31. Dezember 1979 eine Versicherten- oder Hinterbliebenenrente erstmals oder neu zu berechnen ist. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, daß § 37c Abs 1 AVG auf die Berechnung von Renten anläßlich nach dem 31. Dezember 1979 eintretender Versicherungsfälle anwendbar ist, wobei es sich allerdings nicht um einen erstmaligen Versicherungsfall zu handeln braucht, sondern auch die Umwandlung einer bereits vor dem 1. Januar 1980 gewährten Rente anläßlich eines nach dem 31. Dezember 1979 eintretenden neuen Versicherungsfalles in Betracht kommt (vgl BSG SozR 2200 § 1260c Nr 6 S 13). Beim Kläger ist ein Versicherungsfall bislang nicht eingetreten. Eine ihm oder seinen Hinterbliebenen zu gewährende Rente kann und wird damit zwangsläufig erst in der Zeit nach dem Inkrafttreten des § 37c Abs 1 AVG berechnet werden. Dann aber ist die Vorschrift bei dieser Rentenberechnung heranzuziehen.

Die Beklagte hat zu Recht eine Vormerkung des Zeitraums vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 als Ersatzzeit abgelehnt. Die sachlichen Voraussetzungen des § 37c Abs 1 AVG für eine Nichtberücksichtigung der Ersatzzeit bei der Berechnung einer dem Kläger oder seinen Hinterbliebenen zu gewährenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind erfüllt. Jedenfalls nach dem gegenwärtigen Stand des Beamtenversorgungsrechts wird die Ersatzzeit der Versorgung des Klägers aus seinem vor dem 1. Januar 1966 begründeten Beamtenverhältnis im Sinne des § 37c Abs 1 AVG "zugrundegelegt werden".

Allerdings ist der Begriff der "Zugrundelegung" höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Der 11. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 17. März 1983 - 11 RA 59/82 - (SozR 2200 § 1260c Nr 4 S 7 f) anknüpfend an seine frühere Rechtsprechung zur Auslegung des § 18 Abs 3 FRG aF ausgesprochen, auch nach der Systematik und dem Sprachgebrauch des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) vom 24. August 1976 (BGBl I S 2485) sei eine als ruhegehaltsfähig anerkannte Zeit selbst dann im Sinne des § 37c Abs 1 AVG der Versorgung zugrundegelegt, wenn sie nicht zu einer Erhöhung der Versorgungsbezüge geführt habe. Nach dem BeamtVG sei zwischen der Zugrundelegung von Zeiten bei der Bestimmung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit (§ 10 BeamtVG) und der Steigerungswirkung solcher Zeiten (§ 14 Abs 1 BeamtVG) zu unterscheiden. Im Gegensatz zum Rentenversicherungsrecht sei dem vom Alimentationsprinzip beherrschten Beamtenversorgungsrecht der Gedanke, daß sich alle anzurechnenden Zeiten steigernd auf die zu gewährende Leistung auswirken müßten, fremd. Seien bestimmte Zeiten ruhegehaltsfähig, so bedeute das nur, daß "auf ihrer Grundlage" die Versorgung zuzubilligen sei. Die Staffelregelung des § 14 Abs 1 BeamtVG schließe eine Betrachtung aus, welche bestimmten Zeiten eine bestimmte Steigerungswirkung zuordne oder abspreche. Die Versorgungsbezüge würden von allen der Bestimmung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit zugrundegelegten und damit auch von solchen Zeiten mitgetragen, deren Fehlen nicht zu einer Verminderung der Versorgungsbezüge geführt hätte. Das Gesetz biete keine Möglichkeit, konkrete Zeiten, die als ruhegehaltsfähig anerkannt seien, als gleichsam im Rahmen des § 14 Abs 1 BeamtVG unberücksichtigt auszuscheiden.

Dementgegen hat sich der erkennende Senat in den - allerdings nicht tragenden - Gründen seines Urteils vom 24. März 1983 kritisch zu der Rechtsansicht geäußert, daß beitragslose Zeiten im Sinne des § 1260c Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO; = § 37c Abs 1 AVG) der beamtenrechtlichen Versorgung schon dann in vollem Umfange zugrundegelegt sein sollen, wenn sie ohne Auswirkung auf die Höhe der Versorgungsleistung lediglich dem Grunde nach ganz oder zu einem Teil als versorgungsfähige Zeit anerkannt worden oder anzuerkennen seien. Angesichts des Rechtscharakters des § 1260c Abs 1 RVO als einer reinen Berechnungsvorschrift, des mit der Regelung verfolgten Zwecks des Ausschlusses einer tatsächlichen Über- oder Doppelversorgung durch Leistungen für ein und denselben Zeitraum sowohl im Rahmen der Beamtenversorgung als auch aus der gesetzlichen Rentenversicherung und schließlich der Entstehungsgeschichte der Vorschrift liege es näher, eine Ersatzzeit, Ausfallzeit oder Zurechnungszeit erst dann als im Sinne des § 1260c Abs 1 RVO der beamtenrechtlichen Versorgung "zugrundegelegt" anzusehen, wenn sie auf dem Wege über eine Einbeziehung in die ruhegehaltsfähige Zeit nicht nur dem Grunde nach für den Versorgungsanspruch, sondern auch der Höhe nach für die Versorgungsleistung erheblich sei (vgl in einzelnen BSG Breithaupt 1983, 881, 883 ff = Praxis 1983, 512, 514 ff). In Übereinstimmung mit diesen Erwägungen hat der 5a-Senat in seinem Urteil vom 20. April 1983 - 5a RKn 8/82 - (BSG SozR 2200 § 1260c Nr 9 S 22f) unter besonderem Hinweis auf die Bedeutung des in § 58c Abs 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG; = § 37c Abs 1 AVG) verwendeten Begriffs "soweit" ausgesprochen, eine nur zu einem Bruchteil bei der Bemessung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit berücksichtigte beitragslose Zeit dürfe auch nur in diesem Umfange bei der Rentenberechnung unberücksichtigt bleiben.

Der Senat sieht sich nicht veranlaßt, von seiner im Urteil vom 24. März 1983 angedeuteten Rechtsansicht abzugehen. Das zwingt ihn aber nicht gemäß § 42 SGG zu einer Anrufung des Großen Senats des BSG wegen einer möglichen Abweichung von der Auffassung des 11. Senats. Denn nach der einen wie nach der anderen Meinung wird nach dem gegenwärtig geltenden Beamtenversorgungsrecht die Ersatzzeit vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 bei Eintritt des Versicherungsfalles der beamtenrechtlichen Versorgung des Klägers im Sinne des § 37c Abs 1 AVG "zugrundegelegt werden".

Die Ersatzzeit des Wehrdienstes und der anschließenden Kriegsgefangenschaft vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 ist eine ruhegehaltsfähige Dienstzeit. Zwar ergibt sich dies entgegen der Ansicht des LSG nicht aus der Auskunft der Landespostdirektion (LPD) Berlin vom 23. August 1973. Sie ist unter der zeitlichen Geltung der mit Ablauf des 31. Dezember 1976 außer Kraft getretenen Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes (BBG) erteilt worden und sagt damit über die Ruhegehaltsfähigkeit nach dem ab 1. Januar 1977 geltenden BeamtVG nichts aus. Wohl aber hat sich das LSG auf die der Beklagten erteilte Auskunft der LPD Berlin vom 12. August 1980 stützen können. Danach ist auch aufgrund des BeamtVG die Zeit vom 31. Oktober 1942 bis 5. August 1945 und somit der hier streitige Zeitraum ruhegehaltsfähig. Das entspricht dem § 9 Abs 1 Nrn 1 und 2 BeamtVG. Hiernach gilt als ruhegehaltsfähig die Zeit, während derer ein Beamter nach Vollendung des 17. Lebensjahres vor der Berufung in das Beamtenverhältnis ua nicht berufsmäßigen Wehrdienst geleistet oder sich in Kriegsgefangenschaft befunden hat.

Auf der Grundlage der Auffassung des 11. Senats führt allein die Ruhegehaltsfähigkeit der Zeit vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 zu ihrer "Zugrundelegung" bei der beamtenrechtlichen Versorgung nach Eintritt des Versorgungsfalles im Sinne des § 37c Abs 1 AVG. Auf eine mögliche Auswirkung auf die Höhe des im Versorgungsfalle zu gewährenden Ruhegehaltes kommt es dabei nicht an. Aber auch nach der im Urteil des erkennenden Senats vom 24. März 1983 vertretenen Ansicht wird die Ersatzzeit vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 der beamtenrechtlichen Versorgung des Klägers bei Eintritt des Versorgungsfalles zugrundegelegt werden. Die Berücksichtigung dieser Zeit als ruhegehaltsfähig ist nämlich nicht nur dem Grunde nach für den Versorgungsanspruch des Klägers erheblich. Sie wird sich vielmehr auch der Höhe nach auf die Versorgungsleistung auswirken. Das ergibt sich aus den Berechnungsvorschriften des BeamtVG.

Für die Höhe des beamtenrechtlichen Ruhegehaltes sind die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge (§ 5 BeamtVG) und die ruhegehaltsfähige Dienstzeit (§§ 6 ff BeamtVG) maßgebend. Im Regelfall beträgt das Ruhegehalt bis zur Vollendung einer zehnjährigen ruhegehaltsfähigen Dienstzeit 35 vH und steigt mit jedem weiteren Dienstjahr bis zum vollendeten 25. Dienstjahr um 2 vH, von da ab um 1 vH der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge bis zum Höchstsatz von 75 vH (§ 14 Abs 1 Satz 1 BeamtVG). Dieser Höchstsatz wird somit nach einer ruhegehaltsfähigen Dienstzeit von 35 Jahren erreicht. Eine darüber hinausgehende Dienstzeit vermag selbst im Falle ihrer Ruhegehaltsfähigkeit die Höhe des Ruhegehalts nicht zu beeinflussen. Das läßt es - worüber zu entscheiden der vorliegende Fall aber keinen Anlaß bietet - jedenfalls nach Meinung des erkennenden Senats zweifelhaft erscheinen, ob der über 35 Jahre hinausgehende und damit für die Höhe des Ruhegehaltes nicht mehr relevante Teil einer ruhegehaltsfähigen Dienstzeit, wenn er im rentenversicherungsrechtlichen Sinne eine Ersatzzeit, Ausfallzeit oder Zurechnungszeit darstellt, gemäß § 37c Abs 1 AVG der beamtenrechtlichen Versorgung "zugrundegelegt" wird. Andererseits hat jeder Teil der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit bis zu einer Gesamtdauer von 35 Jahren Einfluß auf die Höhe des Ruhegehaltes und ist damit auch auf der Basis der im Urteil des Senats vom 24. März 1983 geäußerten Rechtsansicht der beamtenrechtlichen Versorgung im Sinne des § 37c Abs 1 AVG "zugrundegelegt". Ist somit eine Ersatzzeit, Ausfallzeit oder Zurechnungszeit zugleich Teil einer ruhegehaltsfähigen Dienstzeit, und fällt dieser Teil in den Zeitraum der ersten 35 Jahre der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit, so ist jedenfalls wegen ihres Einflusses auch auf die Höhe des Ruhegehaltes die beitragslose Zeit der beamtenrechtlichen Versorgung "zugrundegelegt" worden mit der Konsequenz, daß sie gemäß § 37c Abs 1 AVG bei der Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung unberücksichtigt zu bleiben hat.

Das muß auch im Falle des Klägers gelten. Ausweislich der Auskunft der LPD Berlin vom 12. August 1980 sind im Versorgungsfalle als ruhegehaltsfähig die Zeiten vom 31. Oktober 1942 bis 5. August 1945 und ab 19. August 1946 anzuerkennen. Die hier streitige Ersatzzeit vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 liegt am Beginn der versorgungsfähigen Dienstzeit und damit innerhalb deren ersten 35 Jahre. Sie ist demnach für den zukünftigen Versorgungsanspruch des Klägers nicht nur dem Grunde, sondern gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 BeamtVG auch der Höhe nach erheblich und wird jedenfalls deswegen im Versorgungsfalle seiner beamtenrechtlichen Versorgung im Sinne des § 37c Abs 1 AVG "zugrundegelegt" werden.

Dem tritt der Kläger im wesentlichen mit dem Hinweis entgegen, daß er eine ruhegehaltfähige Dienstzeit von 35 Jahren und damit den Höchstsatz des Ruhegehaltes von 75 vH der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge auch ohne die hier streitige Zeit vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 erreichen werde bzw schon erreicht habe und damit die Ersatzzeit seiner beamtenrechtlichen Versorgung nicht zugrundegelegt werde. Werde sie auch bei der zukünftigen Berechnung seiner gesetzlichen Rente nicht berücksichtigt, so bleibe er hinsichtlich dieses Zeitraums im tatsächlichen Endergebnis "unversorgt". Diese Argumentation ist schon von ihrem gedanklichen Ansatzpunkt her unzutreffend. Es trifft eben nicht zu, daß die Ersatzzeit seiner beamtenrechtlichen Versorgung nicht zugrundegelegt werden wird. Vielmehr fällt sie - wie ausgeführt - in die ersten 35 Jahre seiner ruhegehaltsfähigen Dienstzeit und wird sich damit auf die Höhe seines beamtenrechtlichen Ruhegehaltes auswirken. Richtig ist allerdings, daß der Kläger auch ohne die Ersatzzeit eine ruhegehaltfähige Dienstzeit von mehr als 35 Jahren inzwischen erreicht hat oder zumindest bei Eintritt des Versorgungsfalles erreicht haben wird und damit wegen der Höchstsatzregelung des § 14 Abs 1 Satz 1 BeamtVG der über 35 Jahre hinausgehende Teil der versorgungsfähigen Dienstzeit keine Auswirkung auf die Höhe seines beamtenrechtlichen Ruhegehaltes haben kann. In diesen für die Höhe des Ruhegehaltes nicht mehr relevanten Teil der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit fällt die Ersatzzeit vom 28. Dezember 1942 bis 5. August 1945 jedoch gerade nicht. Vielmehr liegt sie innerhalb des Zeitraums der ersten 35 Jahre der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit und wird dadurch auch die Höhe seines zukünftigen Ruhegehaltes beeinflussen. Der Kläger hält sich demnach zu Unrecht insoweit für "unversorgt". Davon könnte höchstens - wozu der Senat aber schon mangels sachlicher Zuständigkeit nicht Stellung nehmen kann - hinsichtlich des über 35 Jahre hinausgehenden Teils der versorgungsfähigen Dienstzeit die Rede sein. Dabei handelt es sich indes um eine Konsequenz des Beamtenversorgungsrechts, über deren Rechtmäßigkeit im Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden und im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu befinden ist.

Hiermit zugleich ist den verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers die Grundlage entzogen worden. Es mag auf sich beruhen, ob § 37c Abs 1 AVG generell verfassungsgemäß ist (so 11. Senat in BSG SozR 2200 § 1260c Nr 3 S 5 f) oder hieran nicht zumindest dann Zweifel bestehen müssen, wenn die Vorschrift die Berücksichtigung einer beitragslosen Zeit bei der Berechnung der gesetzlichen Rente auch in dem Falle ausschließt, daß diese Zeit außerhalb des Zeitraums der ersten 35 Jahre der versorgungsfähigen Dienstzeit liegt und somit ohne Einfluß auf die Höhe der beamtenrechtlichen Versorgung bleibt. Diese Zweifel sind auch durch den Beschluß des Dreierausschusses der BVerfG vom 14. Oktober 1980 (SozR § 1260c Nr 1) nicht vollständig behoben worden. Einmal betrifft dieser Beschluß einen Fall der vorstehend geschilderten Art nicht. Zum anderen ist das BVerfG auf die Vorlage eines SG hin erneut - wenn auch speziell für den Personenkreis der auf Antrag Pflichtversicherten (§ 2 Abs 1 Nr 11 AVG) - mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 37c Abs 1 AVG befaßt worden (1 BvL 12/83). Indes braucht dem im vorliegenden Verfahren nicht nachgegangen zu werden. Der Kläger räumt selbst ein (S 5 f der Revisionsschrift vom 17. Dezember 1982, S 5 des Schriftsatzes vom 30. Mai 1983), daß unter dem Gesichtspunkt und mit dem Ziel des Ausschlusses einer Doppelversorgung, dh der Berücksichtigung ein und derselben Zeit sowohl als beitragslose Zeit bei der Berechnung der gesetzlichen Rente als auch als ruhegehaltsfähige Dienstzeit im Rahmen der Beamtenversorgung, gegen § 37c Abs 1 AVG verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben sind. Derartige Bedenken vermag der Senat - insoweit dem Beschluß des BVerfG vom 14. Oktober 1980 (SozR 2200 § 1260c Nr 1) und dem Urteil des 11. Senats vom 17. März 1983 (BSG SozR 2200 § 1260c Nr 3) folgend - ebenfalls nicht zu erkennen. Für mit dem GG nicht vereinbar hält der Kläger § 37c Abs 1 AVG insoweit, als die Vorschrift zur Folge haben kann, daß eine beitragslose Versicherungszeit, welche zugleich bei der Beamtenversorgung als ruhegehaltsfähig anerkannt oder anzuerkennen ist, sich weder auf die Höhe des beamtenrechtlichen Ruhegehaltes auswirkt noch bei der Berechnung der gesetzlichen Rente zu berücksichtigen ist. Diese Rechtsfolge kann jedoch - wie nochmals hervorzuheben ist - nur eintreten, wenn die beitragslose Zeit außerhalb des Zeitraums der ersten 35 Jahre der versorgungsfähigen Dienstzeit liegt. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Allein deswegen bedarf es eines näheren Eingehens auf die vom Kläger vorgebrachten verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht.

Das angefochtene Urteil erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Dies führt zur Zurückweisung der Revision.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661212

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