Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosmeldung iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Die Arbeitslosmeldung iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG genügt den Anforderungen nur dann, wenn mit der Meldung die ernsthafte Absicht verfolgt wird, durch Vermittlung des Arbeitsamtes ein neues Beschäftigungsverhältnis zu finden und hierdurch den Zustand "echter" Arbeitslosigkeit zu beenden (vgl BSG vom 25.10.1988 7/11b RAr 12/87).

2. Ein Vermittlungswille ist schon dann zu verneinen, wenn in tatsächlicher Hinsicht hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß der Meldende im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung oder ihres Wirksamwerdens an einer Vermittlung in Arbeit durch das Arbeitsamt objektiv nicht (mehr) interessiert ist, zB weil eine Arbeitsaufnahme gesichert erscheint.

3. Das fehlende Tatbestandsmerkmal des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG läßt sich nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzen oder als erfüllt fingieren.

 

Normenkette

VRG § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a; AFG § 100 Abs 1, § 105

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 10.04.1987; Aktenzeichen L 6 Ar 99/86)

SG Koblenz (Entscheidung vom 09.06.1986; Aktenzeichen S 7 Ar 534/85)

 

Tatbestand

Die Klägerinnen begehren einen Zuschuß zu ihren Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen.

Die Klägerinnen beantragten am 1. August 1985 die "Anerkennung der Voraussetzungen für die Zuschußgewährung zu den Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen" für die im August 1927 geborene und als Registraturkraft tätige Arbeitnehmerin G     (G.), die aufgrund eines Aufhebungsvertrages vom 19. Juli 1985 zum 31. August 1985 aus ihrem Arbeitsverhältnis bei den Klägerinnen ausschied. Zum Ersatz hatten die Klägerinnen die 1958 geborene Arbeitnehmerin R         (R.) eingestellt, und zwar schon zum 1. Juli 1985, um die Einarbeitung durch G. zu ermöglichen.

R. war bis zum 30. Juni 1985 anderweit beitragspflichtig beschäftigt gewesen; ihr war jedoch im Mai 1985 zum 30. Juni 1985 gekündigt worden. Nach den Angaben der Klägerinnen hat sich am 25. Juni 1985 einer ihrer Mitarbeiter mit dem Arbeitsamt Koblenz in Verbindung gesetzt, um zu klären, ob bei Einstellung der in Aussicht genommenen R. zum 1. Juli 1985 Zuschüsse gewährt würden, und von dort die Auskunft erhalten, daß hierfür erforderlich sei, daß sich die R. "noch in dieser Woche beim Arbeitsamt als ab 1. Juli 1985 arbeitslos melde". Tatsächlich meldete sich die R. ausweislich einer Bescheinigung des Arbeitsamtes Ludwigshafen vom 26. Juni 1985, die zur Vorlage bei den Klägerinnen bestimmt war, zum 1. Juli 1985 arbeitslos. In der Bescheinigung heißt es, "daß R. vom 19. November 1984 bis 30. Juni 1985 arbeitsuchend gemeldet war und zum 1. Juli 1985 arbeitslos wird und Leistungen beantragt hat". Die Einstellung der R. durch die Klägerinnen erfolgte nach deren Angaben am 1. Juli 1985 gegen 9.00 Uhr.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerinnen mit der Begründung ab, auf dem freigemachten Arbeitsplatz werde kein beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldeter Arbeitnehmer beschäftigt (§ 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a Vorruhestandsgesetz -VRG-); R. habe sich zwar im voraus ab 1. Juli 1985 arbeitslos gemeldet, Arbeitslosigkeit sei jedoch wegen der bereits an diesem Tage erfolgten Einstellung durch die Klägerinnen tatsächlich nicht eingetreten (Bescheid vom 23. August 1985, Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1985).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. Juni 1986). Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Klägerinnen antragsgemäß Zuschüsse zu den Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen an G. zu gewähren (Urteil vom 10. April 1987).

Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, den Klägerinnen stünden die beantragten Zuschußleistungen zu. Die allein strittigen Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG seien als erfüllt anzusehen. Zwar erfordere die Wiederbesetzung, daß der neu eingestellte Arbeitnehmer grundsätzlich arbeitslos im Sinne des § 101 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gewesen sei. Es komme jedoch nicht auf die Dauer der Arbeitslosigkeit an. Auch die Wiederbesetzung mit einem Arbeitnehmer, der sich erst am Tage der Wiederbesetzung beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet habe, könne zuschußbegründend sein. Ob eine Arbeitslosigkeit vorliegen müsse, die ggf auch Leistungsansprüche auslösen könne, bleibe offen. Entscheidend sei in diesen Fällen, daß der Arbeitnehmer ohne die Neueinstellung jedenfalls an diesem Tage wegen Nichtbestehens eines anderen Beschäftigungsverhältnisses arbeitslos gewesen wäre. Soweit dies festgestellt werden könne, sei die Gefahr, daß Mitarbeiter abgeworben oder Arbeitslosigkeit manipuliert werde, auszuschließen; zugleich sei auch der Zweck des Vorruhestandsgesetzes erreicht, den Arbeitsmarkt durch die Einstellung von Arbeitslosen zu entlasten. Hiernach sei davon auszugehen, daß die R. am 1. Juli 1985 im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG arbeitslos gemeldet gewesen sei. Zwar genügten weder die Meldung als arbeitsuchend noch drohende Arbeitslosigkeit. Doch habe sich die R. am 26. Juni 1985 zum 1. Juli 1985 arbeitslos gemeldet und Leistungen beantragt, was aufgrund der erteilten Bescheinigung feststehe und im übrigen auch unbestritten sei. Infolgedessen sei davon auszugehen, daß der Arbeitsvertrag zwischen R. und den Klägerinnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen, sondern erst am 1. Juli 1985 zustande gekommen sei. Da das frühere Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 1985 geendet habe, komme der Arbeitslosmeldung ab 1. Juli 1985 die gleiche Wirkung zu, als ob sich die R. erst am Morgen dieses Tages vor ihrer Einstellung bei den Klägerinnen arbeitslos gemeldet hätte. Folglich sei sie als arbeitslos gemeldet anzusehen, zumal weder die Beklagte behauptet habe noch dies den Umständen nach ersichtlich sei, daß der R. am selben Tage ein anderes Arbeitsverhältnis hätte vermittelt werden oder sie selbst ein solches durch Eigenbemühungen hätte finden können.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG. Sie trägt hierzu vor, Ziel des VRG sei es, jüngeren arbeitslosen Arbeitskräften den Einstieg in das Berufsleben zu ermöglichen, indem ein älterer Arbeitnehmer freiwillig in den Vorruhestand trete. Die freiwerdenden Arbeitsplätze hätten aus dem Arbeitslosenpotential wieder besetzt werden sollen. Dieses Ziel lasse sich nur durch unmittelbare Einstellung arbeitslos gemeldeter Personen erreichen. Wiederbesetzungsvorgänge, die nur mittelbar Auswirkungen auf das Potential der Arbeitslosen hätten, hätten nicht der Zielsetzung und der Begünstigung durch das VRG entsprochen. Deshalb habe der Gesetzgeber bewußt an das Merkmal der förmlichen persönlichen Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt angeknüpft. Die Arbeitslosmeldung solle der Arbeitsverwaltung die Prüfung der Förderungsvoraussetzungen erleichtern. Einstellungsvorgänge seien betriebsinterne Handlungsabläufe, die häufig nicht mit Hilfe objektiver Erkenntnisse nachvollzogen werden könnten. Deshalb müsse schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität eine vor einem Einstellungsentschluß bereits eingetretene Arbeitslosigkeit und deren Dokumentation durch persönliche Meldung beim Arbeitsamt gefordert werden. Nicht zuletzt müßten Manipulationsmöglichkeiten zu Lasten der Beitragszahler ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber solle sich nicht für einen Arbeitnehmer in Erwartung von dessen Arbeitslosigkeit entscheiden, sondern den Wiederbesetzer aus dem Kreis der beim Arbeitsamt gemeldeten Arbeitslosen auswählen. Deshalb müsse die ausnahmsweise Anerkennung der Voraussetzungen, die das LSG für vertretbar halte und damit praktisch den Fall drohender Arbeitslosigkeit unter die gesetzliche Regelung subsumiere, ausscheiden. Die in den Vorentwürfen zum VRG vorgesehene Alternative, die auch die Einstellung von Arbeitslosigkeit bedrohter Arbeitnehmer begünstigt habe, sei im Zuge der Beratungen gestrichen worden, so daß der Wille des Gesetzgebers diese Variante nicht umfasse.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Klägerinnen sind im Revisionsverfahren nicht im Sinne des § 166 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Den Klägerinnen stehen Zuschüsse zu ihren Vorruhestandsaufwendungen für G. nicht zu.

Nach § 1 Abs 1 VRG vom 13. April 1984 (BGBl I 601) gewährt die Bundesanstalt für Arbeit (BA) Arbeitgebern Zuschüsse zu den Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen an Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet und ihre Erwerbstätigkeit beendet haben. Voraussetzung ist gemäß § 2 Abs 1 Nr 5 VRG ua, daß der Arbeitgeber aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen einen Auszubildenden, einen Jugendlichen oder einen Arbeitnehmer beschäftigt, für den nach Abschluß der Ausbildung kein Arbeitsplatz vorhanden ist, oder, was hier allein in Betracht zu ziehen ist, auf dem freigemachten oder einem infolge des Ausscheidens durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz einen beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer beschäftigt (Buchst a). Daran fehlt es hier, wie die Revision im Ergebnis zu Recht geltend macht; denn arbeitslos gemeldet im Sinne dieser Vorschrift war die R. entgegen der Auffassung des LSG nicht. Hierzu genügt nicht, daß die R. möglicherweise am 1. Juli 1985 bis 9.00 Uhr arbeitslos iS des § 101 AFG war, weil sie vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand, und iS des § 105 AFG gemeldet war, dh den Eintritt der Arbeitslosigkeit zum 1. Juli 1985 persönlich beim zuständigen Arbeitsamt angezeigt hatte. Wie der Senat in dem zwischenzeitlich ergangenen und zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil vom 25. Oktober 1988 - 7/11b RAr 12/87 - entschieden hat, genügen Arbeitslosigkeit und deren Meldung nämlich nur dann, wenn mit der Meldung die ernsthafte Absicht verfolgt wird, durch Vermittlung des Arbeitsamtes ein neues Beschäftigungsverhältnis zu finden und hierdurch den Zustand "echter" Arbeitslosigkeit zu beenden.

Was unter dem Merkmal "beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet" iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG zu verstehen ist, läßt sich dem Gesetz selbst nicht entnehmen. Sein Inhalt ist daher allein aus Sinn und Zweck der geforderten Arbeitslosmeldung zu erschließen. Arbeitsmarktpolitisches Ziel der Vorruhestandsregelung insgesamt ist es, zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitslose und Jugendliche der geburtenstarken Jahrgänge zu schaffen, die auf den Arbeitsmarkt drängen, indem das Freiwerden von älteren Arbeitnehmern innegehabter Arbeitsplätze gefördert wird; zugleich sollten die Haushalte der BA und des Bundes von Leistungen für Arbeitslose entlastet werden, die sonst nach dem AFG zu erbringen sind (vgl Begründung zum VRG-Entwurf, BT-Drucks 10/880 S 1, 13 und 15). Aufgrund dieser allgemeinen Zielsetzung der Vorruhestandsregelung kann dem Kriterium der Arbeitslosmeldung iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG nur der Bedeutungsinhalt beigemessen werden, daß die Wiederbesetzung des freigewordenen Arbeitsplatzes mit solchen Arbeitnehmern zu erfolgen hat, die mit der Meldung ihrer Arbeitslosigkeit beim Arbeitsamt ernsthaft einen der Funktion dieses Rechtsbegriffs entsprechenden Zweck verfolgen. Dieser Zweck besteht vor allem darin, die Arbeitsvermittlungsdienste der BA auszulösen, um die gemeldete Arbeitslosigkeit so rasch wie möglich durch den Nachweis von Arbeitsgelegenheiten zu beseitigen. Nur durch die Eingliederung derart "echt" Arbeitsloser in Arbeit treten die Effekte ein, die vom VRG beabsichtigt sind.

Daß eine Arbeitslosmeldung iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG die Bereitschaft umfassen muß, die Dienste der BA in Anspruch zu nehmen, wird durch einen Blick auf die für den Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) und Arbeitslosenhilfe (Alhi) notwendige persönliche Arbeitslosmeldung (§ 100 Abs 1, § 105, § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG) deutlich. Durch sie soll ua gewährleistet werden, daß die Arbeitsverwaltung Leistungen wegen Arbeitslosigkeit erst dann erbringt, wenn sie Kenntnis vom Versicherungsfall erlangt hat, seine Voraussetzungen prüfen und Schritte zur Vermittlung einleiten konnte (vgl hierzu etwa Steinmeyer in Gagel, Komm zum AFG, Stand Juli 1987, § 105 RdNrn 1 und 4; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl, § 105 RdNr 7). Aus diesem Grund hat der erkennende Senat die Funktion der Arbeitslosmeldung im Sinne des AFG darin erblickt, das Arbeitsamt tatsächlich in die Lage zu versetzen, mit seinen Vermittlungsbemühungen zu beginnen, um die eingetretene Arbeitslosigkeit und damit die Leistungsverpflichtung möglichst rasch zu beenden (BSGE 60, 43, 45 = SozR 4100 § 105 Nr 2; vgl auch BSGE 42, 199, 202 = SozR 4100 § 151 Nr 5; Urteil vom 26. Juni 1986 - 7 RAr 8/85 -). Dieselbe Funktion ist der Arbeitslosmeldung iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG zuzuordnen. Die Arbeitslosmeldung muß infolgedessen die Bereitschaft, die Vermittlungsdienste der BA in Anspruch zu nehmen, umfassen und darüber hinaus von dem ernsthaften Willen getragen sein, die eingetretene Arbeitslosigkeit durch das Arbeitsamt beheben zu lassen. Die bloße Anzeige des Eintritts der Beschäftigungslosigkeit genügt nicht. Durch sie wird nur der Anschein erweckt, als ob die Voraussetzung des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG gegeben wäre.

An der Ernsthaftigkeit des Willens der R., durch das Arbeitsamt in ein neues Beschäftigungsverhältnis vermittelt zu werden, fehlt es hier. In dem genannten Urteil vom 25. Oktober 1988 hat der Senat die Bereitschaft eines sich arbeitslos meldenden Arbeitnehmers, eine Vermittlung in Arbeit durch die BA wahrzunehmen, für den Fall verneint, daß dieser bereits einen im übrigen ungefährdeten Arbeitsplatz innehatte und vom Arbeitgeber allein zu dem Zweck entlassen wurde, ihn wieder einstellen zu können und so andernfalls nicht gegebene Voraussetzungen für den Anspruch des Arbeitgebers auf Zuschüsse der BA zu erfüllen. Gleiches muß aber auch dann gelten, wenn ein Interesse, Arbeitslosigkeit durch die BA beseitigen zu lassen, auf seiten des sich arbeitslos Meldenden deshalb nicht mehr besteht, weil dieser bereits vor der Arbeitslosmeldung einen neuen Arbeitgeber gefunden hat. Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung - bzw ihres Wirksamwerdens bei vorheriger Arbeitslosmeldung - der Arbeitslose mit dem neuen Arbeitgeber bereits einen Arbeitsvertrag abgeschlossen oder von diesem eine verbindliche Einstellungszusage erhalten hat. Daß einer dieser Sachverhalte hier vorgelegen hat, wie die Revision behauptet, hat das LSG allerdings nicht festgestellt. Es hat vielmehr gemeint, aufgrund der Bescheinigung des Arbeitsamtes Ludwigshafen vom 26. Juni 1985 ohne weitere eigene Prüfung davon ausgehen zu müssen, daß im Gegenteil der Arbeitsvertrag an diesem Tage noch nicht abgeschlossen gewesen, sondern erst am 1. Juli 1985 zustandegekommen sei. Von seiner Rechtsauffassung her hat das LSG auch dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, daß die Klägerinnen nach ihrem eigenen Sachvortrag zu diesem Zeitpunkt längst entschlossen waren, die R. einzustellen.

Indessen ist vom Vermittlungswillen des sich als arbeitslos beim Arbeitsamt Meldenden nicht schon stets auszugehen, wenn er noch keinen neuen Arbeitsvertrag abschließen konnte und ihm auch eine verbindliche Einstellungszusage nicht gegeben worden ist. Ein Vermittlungswille ist vielmehr schon dann zu verneinen, wenn in tatsächlicher Hinsicht hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß der Meldende im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung oder ihres Wirksamwerdens an einer Vermittlung in Arbeit durch das Arbeitsamt objektiv nicht (mehr) interessiert ist, zB weil eine Arbeitsaufnahme gesichert erscheint. So liegt der Fall hier. Denn bereits vor der Arbeitslosmeldung der R. zum 1. Juli 1985 am 26. Juni 1985 hatten die Klägerinnen entschieden, sie möglichst zum 1. Juli 1985 einzustellen, wie durch die Anfrage beim Arbeitsamt Koblenz am 25. Juni 1985 offenbar geworden ist und von den Klägerinnen selbst vorgetragen wird. Das kann der R. nicht unbekannt geblieben sein; denn die Arbeitslosmeldung am nächsten Tage zum 1. Juli 1985 und der Umstand, daß die R. sich diese Meldung zur Vorlage bei den Klägerinnen noch bestätigen ließ, erklärt sich nur durch die Auskunft, die die Klägerinnen am Vortage von einem Mitarbeiter des Arbeitsamtes Koblenz bekommen haben wollen. Unter diesen Umständen ist ein ernsthafter Wille der R., die Vermittlungsdienste der BA noch weiter in Anspruch zu nehmen und eine zum 1. Juli 1985 eintretende Arbeitslosigkeit durch diese beseitigen zu lassen, objektiv nicht gegeben. Es fehlt daher an den gemäß § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zuschußgewährung.

Ein Anspruch der Klägerinnen auf Zuschußgewährung besteht auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Nach der vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Rechtsprechung ist der sozialrechtliche Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl dazu allgemein Funk DAngVers 1981, 26; Bieback DVBl 1983, 159). Wesentlich ist daher das Ausbleiben von gesetzlich vorgesehenen Vorteilen infolge eines rechtswidrigen Verhaltens des Leistungsträgers im Rahmen eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses (vgl BSG SozR 4100 § 56 Nr 18).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte pflichtwidrig eine unrichtige Auskunft erteilt hat und hierauf zurückzuführen ist, daß die Klägerinnen aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der G. auf dem freigemachten oder auf einem infolge des Ausscheidens durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz keinen Arbeitnehmer beschäftigt, der die in § 2 Abs 1 Nr 5 VRG genannten Voraussetzungen erfüllt, so daß den Klägerinnen allein deshalb die begehrten Zuschüsse nicht zustehen. Selbst wenn das alles der Fall wäre, die Klägerinnen ua also, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, daß nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG nur die Einstellung solcher Arbeitnehmer zur Zuschußgewährung führt, die sich in der Absicht arbeitslos gemeldet haben, die Vermittlungsdienste der Beklagten in Anspruch zu nehmen, noch abgewartet hätten, daß sich die R. vor ihrer Einstellung in diesem Sinne arbeitslos gemeldet hätte, oder aber, zB weil dies tatsächlich schon nicht mehr möglich gewesen ist, einen anderen Arbeitnehmer anstelle der R. eingestellt hätten, bei dem eine der in § 2 Abs 1 Nr 5 VRG genannten Voraussetzungen gegeben sind, kann dies in keinem Falle dazu führen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuschußgewährung als erfüllt angesehen werden, obwohl sie tatsächlich nicht erfüllt sind; denn das fehlende Tatbestandsmerkmal des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG läßt sich nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzen oder als erfüllt fingieren.

Zwar können im Wege des Herstellungsanspruchs gewisse sozialrechtliche Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen, wie etwa eine verspätete Antragstellung, eine verspätete Beitragsentrichtung, eine verspätete Vorlage von Unterlagen als erfüllt angesehen werden, wenn die Verspätung gerade auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruht. Dies gilt jedoch nicht für außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegende Tatbestände, die nach materiellem Recht für das Entstehen des Sozialrechtsanspruchs erforderlich sind (BSG SozR 2200 § 1233 Nr 17 und SozR 4100 § 56 Nr 18); andernfalls verpflichtete der Herstellungsanspruch den Sozialleistungsträger zu einer Gesetz und Recht widersprechenden Handlung, was unzulässig wäre (BSGE 44, 114, 121 = SozR 2200 § 886 Nr 1; BSGE 49, 76, 80 = SozR 2200 § 1418 Nr 6; BSGE 50, 25, 29 = SozR 2200 § 172 Nr 14; BSGE 51, 89, 92 = SozR 2200 § 381 Nr 44; BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSGE 60, 43, 48 = SozR 4100 § 105 Nr 2; SozR 4100 § 102 Nr 6).

Gesetzwidrig wäre es auch, die Klägerinnen in den Genuß von Zuschüssen zu Vorruhestandsleistungen kommen zu lassen, obwohl sie den Arbeitsplatz der G. nicht mit einem Arbeitnehmer aus den Gruppen wiederbesetzt haben, für die das VRG zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen sollte. Insoweit handelt es sich um einen rechtserheblichen Tatbestand, der tatsächliche Verhältnisse betrifft, den die Beklagte nicht durch eine Amtshandlung ersetzen kann. Sie darf ohne das Vorliegen dieses Tatbestandes rechtmäßig die beantragten Zuschußleistungen auch nicht gewähren. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs weder die in die Lohnsteuerkarte eingetragene durch eine im Unterstützungsfalle günstigere Steuerklasse (vgl Urteil vom 10. Dezember 1980 - 7 RAr 14/78 -, veröffentlicht im Dienstblatt der BA - Rechtsprechung - Dienstbl BA R - § 113 AFG Nr 2689a) noch ein tatsächlich erzieltes niedriges durch ein höheres Arbeitsentgelt (Urteil vom 12. Mai 1982 - 7 RAr 7/81 - Dienstbl BA R § 137 AFG Nr 2781a) ersetzt werden. Ebensowenig lassen sich für den Winterbau unzureichend getroffene Schutzvorkehrungen als ausreichend behandeln (Urteil vom 11. November 1982 - 7 RAr 16/82 - Dienstbl BA R § 78 AFG Nr 2782a) oder die fehlende Verfügbarkeit durch deren Fiktion ersetzen (Urteil vom 11. November 1982 - 7 RAr 24/80 - Dienstbl  BA R § 103 AFG Nr 2825a; BSGE 58, 104 = SozR 4100 § 103 Nr 36). Nichts anderes gilt für die Anwartschaftszeit, wenn sie fehlt (BSG SozR 4100 § 102 Nr 6), für eine Arbeitslosmeldung, die unterblieben ist (BSGE 60, 43 = SozR 4100 § 105 Nr 2) und für Eingliederungschancen, die verneint werden müssen (BSG SozR 4100 § 56 Nr 18). Gleiches muß daher auch für die Anforderungen gelten, die gemäß § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a VRG in tatsächlicher Hinsicht an den Arbeitnehmer gestellt werden, den der Arbeitgeber anstelle eines in den Vorruhestand getretenen früheren Arbeitnehmers beschäftigt. Das Klagebegehren läßt sich daher hier auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.

Soweit den Klägerinnen durch das Verhalten der Beklagten ein Schaden in Geld entstanden sein sollte, könnte dieser nur im Wege des Amtshaftungsanspruchs geltend gemacht werden, über den jedoch nicht die Sozialgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte zu entscheiden hätten.

Erweist sich die Klage hiernach als unbegründet, ist das Urteil des LSG aufzuheben und die unbegründete Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664964

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