Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusatzaltersrente. Zugehörigkeit zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung. zusätzliche Versicherungszeit. fiktive Zugehörigkeit. Fiktion. Beginn der Versicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Die bei Einführung der freiwilligen Zusatzrentenversicherung der DDR rentennahen Jahrgängen gewährten “zusätzlichen Versicherungszeiten” (§ 23 der Verordnung über die freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung) sind bei Berechnung der SGB VI-Rente nicht rentensteigernd zu berücksichtigen.

 

Normenkette

SGB VI § 307a; FZRV §§ 20, 23; FZRVDB 1 § 13

 

Verfahrensgang

LSG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 27.02.1996; Aktenzeichen L 6 J 24/95)

SG Rostock (Urteil vom 31.05.1995; Aktenzeichen S 4 J 41/94)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27. Februar 1996 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 31. Mai 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungs- und Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob dem Kläger höhere Altersrente zusteht. Streitig ist insbesondere, ob bei der Berechnung der Altersrente des Klägers für die Ermittlung der durchschnittlichen Entgeltpunkte (Ost) je Arbeitsjahr weitere 108 Monate zusätzlicher Versicherungszeit als Monate der Zugehörigkeit zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) anzurechnen sind.

Der 1910 geborene Kläger erhielt ab 1975 eine Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung der ehemaligen DDR sowie eine Zusatzaltersrente aus der FZR. Bei Berechnung der Zusatzaltersrente wurden 36 Monate der Zugehörigkeit zur FZR mit einem Durchschnittsverdienst von 10,00 M und 108 Monate zusätzlicher Versicherungszeit mit einem Durchschnittswert von 369,00 M berücksichtigt. Mit Bescheid vom 27. November 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 1994 wertete die Beklagte die Rente um und paßte sie der ab 1. Januar 1992 geltenden Rechtslage nach dem SGB VI an. Bei der Berechnung der – einheitlichen – Regelaltersrente berücksichtigte sie aus der FZR nunmehr lediglich 36 Monate mit einem Durchschnittseinkommen in Höhe von 10,00 DM. Zur Begründung hieß es, die 108 Monate zusätzlicher Versicherungszeit seien nicht mehr zu berücksichtigen, weil hierfür keine FZR-Beiträge gezahlt worden seien, bei der Rentenberechnung nach § 307a Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI aber nur Monate mit Beitragszahlung zur FZR zugrunde zu legen seien.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31. Mai 1995). Das LSG hat die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils und Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1992 höhere Altersrente unter Berücksichtigung eines Gesamteinkommens für Renten aus der FZR iS des § 307a Abs 2 Nr 1 Buchst b SGB VI in Höhe von 40.212,00 DM statt bisher 360,00 DM zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Dem Kläger, der im Jahre 1960 bereits das 50. Lebensjahr vollendet habe, habe nach § 1 der 2. Verordnung über die Verbesserung der FZR und der Leistungen der Sozialversicherung bei Arbeitsunfähigkeit (2. VerbesserungsVO) vom 10. Mai 1972 (GBl der DDR II S 311) diese zusätzliche Versicherungszeit zugestanden. Die entsprechende Regelung sei durch § 3 der 3. VerbesserungsVO vom 29. Juli 1976 (GBl der DDR I S 393) bis zum Jahr 1977 verlängert und sodann als § 23 in die Verordnung über die freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung – FZR-Verordnung (FRZ-VO) – übernommen worden. Diese zusätzlichen Versicherungszeiten seien FZR-Zeiten iS des § 307a SGB VI. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers komme es nicht auf die Beitragszahlung zur FZR an, sondern auf die leichter feststellbare Zeit der Zugehörigkeit zur FZR. Wären die zusätzlichen Versicherungszeiten nach § 23 FZR-VO zu DDR-Zeiten nicht getrennt von den übrigen FZR-Zeiten erfaßt worden, wäre deren Berücksichtigungsfähigkeit auch nicht zweifelhaft. Die zusätzlichen Versicherungszeiten seien bereits seit der 3. VerbesserungsVO Zeiten der Zugehörigkeit zur FZR gleichgestellt gewesen. Es habe sich mithin nach DDR-Recht nicht um Zeiten besonderer Art, sondern um fingierte FZR-Zeiten gehandelt, die gemäß § 20 Abs 2 FZR-VO wie FZR-Zeiten mit einem Satz von 2,5 % des erzielten monatlichen Durchschnittseinkommens über 600,00 M bewertet worden seien.

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 307a Abs 1 und 2 SGB VI und trägt vor: Schon nach dem Wortlaut des Gesetzestextes seien bei der Umwertung zur Bestimmung des Anteils aus der FZR nur die der bisherigen Rentenberechnung zugrunde gelegten Durchschnittseinkommen, auf welche tatsächlich Beiträge entrichtet worden seien, zu berücksichtigen. Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 307a SGB VI ergebe sich, daß bei der Feststellung der persönlichen Entgeltpunkte allein auf den Datenbestand zum Zeitpunkt der Umwertung Zugriff genommen werden sollte. Die Ersetzung des Wortes “Beitragszahlung” durch das Wort “Zugehörigkeit” in § 307a Abs 2 Nr 1 Buchst b SGB VI durch das Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung – Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (Rü-ErgG) auf Anregung der Rentenversicherungsträger der neuen Bundesländer habe seine Ursache darin, daß sich bei der Umwertung der Bestandsrenten herausgestellt habe, daß im Bestandsdatensatz bei den Daten zur FZR auch Zeiten enthalten gewesen seien, für die keine Beiträge zur FZR gezahlt worden seien. Dieser Fall habe immer dann eintreten können, wenn das Einkommen des Versicherten die Höchstgrenze für die Beitragspflicht zur Sozialversicherung von 600,00 M pro Monat für einen kurzen Zeitraum nicht überstiegen habe; während dieser Zeiten habe die Zahlung der Beiträge der Versicherten gemäß § 13 Abs 1 Buchst a der Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die freiwillige Zusatzrentenversicherung (1. DB FZR-VO) geruht. Nachträglich sei eine Trennung der Zeiten der Beitragszahlung und der Nichtzahlung nur noch unter Mitwirkung der Sachbearbeitung möglich, weil weder aus dem Sozialversicherungsausweis noch aus den primären Datenträgern diese Angaben ersichtlich seien. Gegen die Aufteilung in einer aufwendigen Verwaltungsarbeit spreche aber der Wille des Gesetzgebers (BT-Drucks 12/405 S 100, 135; 12/4810 S 26). Das LSG verkenne im übrigen auch den Begriff der Zugehörigkeit zur FZR, indem es die Zeiten nach § 23 FZR-VO mit einbeziehe. § 13 Abs 1 Buchst a bis f 1. DB FZR-VO zähle die Zeiten, die als Zeiten der Zugehörigkeit zur FZR galten – enumerativ – auf; § 23 FZR-VO gehöre nicht dazu. Diese Vorschrift solle als Härtefallregelung Nachteile für Personen ausgleichen, die erst mit höherem Lebensalter der FZR beigetreten seien. Es handele sich insoweit um ein sozialpolitisches Geschenk, weil die zusätzlichen Versicherungszeiten nicht mit einer Beitragsleistung “erkauft” werden mußten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27. Februar 1996 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 31. Mai 1995 zurückzuweisen.

Der Kläger stellt keinen Antrag. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision ist begründet. Das LSG hat das klageabweisende Urteil des SG zu Unrecht teilweise aufgehoben und die Beklagte in Abänderung ihrer Bescheide vom 27. November 1991 und 22. März 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 1994 verurteilt, dem Kläger höhere Altersrente unter Berücksichtigung eines Gesamteinkommens für Renten aus der FZR in Höhe von 40.212,00 DM statt bisher 360,00 DM zu zahlen. Die angefochtene Entscheidung verletzt § 307a Abs 1 und Abs 2 SGB VI. Nach dieser Vorschrift sind die vom Kläger geltend gemachten 108 Monate zusätzlicher Versicherungszeit bei der Ermittlung seiner persönlichen Entgeltpunkte (Ost) nicht anrechenbar.

Gemäß § 307a Abs 1 Satz 1 SGB VI werden für den Monatsbetrag der Rente persönliche Entgeltpunkte (Ost) ermittelt, wenn am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets berechnete Rente bestand. Nach Abs 2 Satz 1 der Vorschrift ergeben sich die durchschnittlichen Entgeltpunkte (Ost) je Arbeitsjahr, wenn die Summe aus dem

  • für Renten der Sozialpflichtversicherung ermittelten 240fachen beitragspflichtigen Durchschnittseinkommen und
  • für Renten aus der FZR ermittelten 600,00 M übersteigenden Durchschnittseinkommen, vervielfältigt mit der Anzahl der Monte der Zugehörigkeit zur FZR,

durch das Gesamtdurchschnittseinkommen, das sich in Abhängigkeit vom Ende des der bisherigen Rentenberechnung zugrundeliegenden 20-Jahres-Zeitraums aus Anlage 12 ergibt, geteilt wird. Diesen Rechenvorgang hat die Beklagte – bezogen auf die hier streitigen durchschnittlichen Entgeltpunkte für Renten aus der FZR – zutreffend durchgeführt. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, daß sie nicht weitere 108 Monate zusätzlicher Versicherungszeit, die noch der Berechnung der Zusatzrente zu DDR-Zeiten zugrunde lagen, angerechnet hat.

Grundlage für die Berechnung der Zusatzaltersrente war gemäß § 20 Abs 1 der FZR-VO neben der Gesamtzeit der Zugehörigkeit zur FZR, den Zurechnungszeiten und der zusätzlichen Versicherungszeit das während der Zugehörigkeit zur FZR erzielte monatliche Durchschnittseinkommen über 600,00 M, für das Beiträge zur FZR entrichtet wurden (§ 20 Abs 1 Buchst b FZR-VO). Mithin war auch für die Berechnung von Renten aus der FZR das der Beitragsentrichtung zugrundeliegende Durchschnittseinkommen zu ermitteln. Hierfür war das Gesamteinkommen, für das Beiträge zur FZR gezahlt wurden, durch die Anzahl der Kalendermonate der Zugehörigkeit zur FZR zu teilen (vgl Polster in Kasseler Komm, RdNr 15 zu § 307a). Dementsprechend ordnet § 307a Abs 2 Satz 1 Buchst b SGB VI den umgekehrten Weg an, um das FZR-Gesamteinkommen zu bestimmen, weil dem Rentenbestandsdatensatz nur der monatliche Durchschnittswert zu entnehmen ist.

Die zusätzliche Versicherungszeit von 108 Monaten, die der Berechnung der Zusatzrente des Klägers zu DDR-Zeiten gemäß § 20 Abs 1 Buchst d, § 23 FZR-VO zugrunde gelegt worden war, beruht nicht auf einer Beitragszahlung des Klägers. Es handelt sich auch nicht um eine sonstige Zeit der Zugehörigkeit zur FZR; denn vor Einführung der FZR im Jahre 1971 konnte der Kläger dieser Versicherung tatsächlich nicht zugehören. Die besondere Leistung für rentennahe Jahrgänge, die aufgrund des § 1 der 2. Verbesserungs-VO vom 10. Mai 1972 eingeführt und als § 23 in die FZR-VO übernommen worden ist, stellte vielmehr eine sozialpolitische Wohltat des DDR-Ministerrats und später DDR-Gesetzgebers dar, die nicht mit einer entsprechenden Beitragsleistung korrespondierte. Mit ihr wurde lediglich eine fiktive Versicherungszeit zur Grundlage für die Rentenberechnung gemacht. Daß die zusätzliche Versicherungszeit des § 23 Abs 1 FZR-VO dadurch nicht zu einer Zeit der Zugehörigkeit zur FZR iS des § 307a Abs 2 Satz 1 Buchst b SGB VI wurde, wird auch aus der Systematik der rentenrechtlichen Bestimmungen der ehemaligen DDR, insbesondere aus § 20 Abs 1 FZR-VO sowie der hierzu erlassenen Durchführungsbestimmung in § 13 1. DB FZR-VO, deutlich. Denn nach § 20 Abs 1 FZR-VO differenzierte auch der DDR-Gesetzgeber hinsichtlich der Grundlage für die Berechnung der Zusatzalters- und Zusatzinvalidenrenten zwischen der Gesamtheit der Zugehörigkeit zur FZR (Buchst a) und der zusätzlichen Versicherungszeit für ältere Werktätige gemäß § 23 FZR-VO (Buchst d). Diese Differenzierung setzte sich in § 20 Abs 2 FZR-VO hinsichtlich der Bestimmung der maßgeblichen Bezugsgröße für die Zusatzrentenberechnung fort (§ 20 Abs 2 Buchst a FZR-VO: Zugehörigkeit zur FZR; Buchst d: zusätzliche Versicherungszeit). In § 13 Abs 1 Buchst a bis f 1. DB FZR-VO war enumerativ aufgezählt, welche Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zur FZR galten. Die zusätzlichen Versicherungszeiten gemäß § 23 FZR-VO gehörten nicht dazu. Zudem läßt die Formulierung “Als Zeit der Zugehörigkeit zur FZR gelten ab Beginn der Versicherung …” erkennen, daß auch nach dem Verständnis des DDR-Gesetzgebers nur solche Zeiten Zeiten der Zugehörigkeit zur FZR sein konnten, die nach Versicherungsbeginn lagen.

Für vor dem Beitritt zur FZR liegende Zeiten machte § 13 der 1. DB FZR-VO in seinem Abs 2 lediglich eine Ausnahme für ehemalige Angehörige der bewaffneten Organe bzw der Zollverwaltung, die keinen Anspruch auf Rente nach den Bestimmungen der jeweiligen Vorsorgungsordnung hatten und der FZR beigetreten waren. Für diese Versicherten konnten bestimmte vor dem Beitritt zur FZR liegende Zeiten als Zeit der Zugehörigkeit zur FZR fingiert werden. Da diese Bestimmung wegen ihres Ausnahmecharakters einer Analogie grundsätzlich nicht zugänglich ist, sie mithin auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet, hatte der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob die fiktive Zugehörigkeit zur FZR der Zugehörigkeit iS des § 307a Abs 2 Satz 1 Buchst b SGB VI gleichzusetzen ist.

Die begriffliche Differenzierung hinsichtlich rentenrechtlicher Zeiten im Beitrittsgebiet hat der bundesdeutsche Gesetzgeber in Art 2 RÜG übernommen. Nach Art 2 § 18 Nr 2 RÜG sind rentenrechtliche Zeiten in der FZR nur Beitrags- und Zurechnungszeiten zur FZR. Die beiden Begriffe sind in Art 2 §§ 24, 25 RÜG definiert. Hiernach zählt die zusätzliche Versicherungszeit iS des § 23 FZR-VO nicht zu den rentenrechtlichen Zeiten, insbesondere nicht zu den fiktiven Beitragszeiten des Art 2 § 24 Abs 2 RÜG und den fiktiven Versicherungszeiten des Abs 4 dieser Vorschrift.

Schließlich spricht gegen die Einbeziehung der zusätzlichen Versicherungszeit nach § 23 FZR-VO in die Zeit der Zugehörigkeit zur FZR, daß sich dadurch die durchschnittlichen Entgeltpunkte von 52,9248 (vgl Anlage 16 S 2 des Bescheides der Beklagten vom 27. November 1991) auf 70,2072 Entgeltpunkte (Ost) erhöhen würden (Revisionsbegründungsschriftsatz der Beklagten vom 10. Juni 1996, S 9). Dies stellte einen Wert dar, der von einem Versicherten außerhalb des Beitrittsgebiets mit vergleichbarem Einkommen kaum erzielt werden würde. Die Absicht des Gesetzgebers war es jedoch, daß bei der Übertragung des SGB VI auf das Beitrittsgebiet keine Benachteiligungen der Versicherten bzw Rentner entstehen, andererseits aber auch keine Vorteile durch diese Personenkreise gezogen werden sollten (BT-Drucks 12/405, S 108, 109, 135; 12/630 S 17).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 211

Breith. 1997, 693

SozSi 1997, 399

SozSi 1997, 438

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