Leitsatz (amtlich)

Eine Beschädigte, die für sich allein einen Haushalt führt, kann bei der Ausübung dieser Tätigkeit nicht iS des BVG § 30 Abs 2 S 2 Buchst b beruflich besonders betroffen sein.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 2 S. 2 Buchst. b Fassung: 1966-12-28

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 1970 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die 1901 geborene Klägerin wurde 1944 bei einem Bombenangriff verletzt. Auf Grund eines versorgungsärztlichen Gutachtens anerkannte das Versorgungsamt (VersorgA) mit Bescheid vom 5. Juli 1955 "Narben am rechten Oberschenkel und Knie mit Bewegungseinschränkung und Veränderung des Kniegelenks nach Verwundung" als Schädigungsfolgen nach § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und gewährte der Klägerin Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. Bei einer versorgungsärztlichen Untersuchung im Jahre 1956 wurde keine Verschlimmerung der Schädigungsfolge festgestellt.

Die Klägerin war vor der Schädigung und ist seither in ihrem Haushalt tätig. Ihr zweiter Ehemann, mit dem sie 1939 die Ehe geschlossen hatte, verstarb 1957. Seitdem führt sie den Haushalt allein für sich.

Am 30. November 1967 beantragte die Klägerin eine Prüfung der MdE wegen einer Verschlimmerung. Mit Bescheid vom 10. Juli 1968 setzte das VersorgA wegen einer Verschlechterung der Verhältnisse im rechten Kniegelenk den Grad der MdE auf 40 v.H. ab 1. November 1967 fest und erklärte dazu, die Klägerin sei nicht i.S. des § 30 Abs. 2 BVG besonders betroffen, weil sie ihren Beruf als Hausfrau uneingeschränkt ausüben könne. Die Klägerin begehrte mit ihrem Widerspruch, die MdE um 10 v.H. höher zu bewerten, weil ihre Erwerbsfähigkeit im Beruf der Hausfrau mehr als im allgemeinen Erwerbsleben gemindert sei. Der Widerspruch wurde mit der Begründung des angefochtenen Bescheides zurückgewiesen (Bescheid vom 18. Februar 1969). Zur Begründung ihrer Klage schilderte die Klägerin die Hausarbeiten, die sie nicht verrichten könne. Prof. Dr. von B kam in einem vom Sozialgericht (SG) eingeholten Gutachten vom 24. November 1969 zu dem Ergebnis, die Klägerin sei durch die Schädigungsfolgen als Hausfrau in einem wesentlich höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben "erwerbsgemindert" und könne diese Tätigkeit nur noch unter besonderem Energieaufwand und unter Schmerzen ausüben. Durch Urteil vom 13. Februar 1970 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin verfolgte mit ihrer Berufung weiterhin einen Anspruch auf Rente nach einer MdE von 50 v.H. wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins. Durch Urteil vom 29. Oktober 1970 wies das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin zurück: Die Klägerin sei allerdings bei den meisten Hausarbeiten stärker als im allgemeinen Erwerbsleben behindert. Sie könne infolge der Schädigung nur kurz auf den Beinen stehen, sei schon auf kurzen Wegstrecken, beim Treppensteigen, beim Knien, Bücken und schweren Tragen stark behindert und könne daher nur unter größten Anstrengungen Wäsche aufhängen und abnehmen, größere Wäschestücke bügeln, Staub saugen, Fußböden und Fenster reinigen, Möbel pflegen und Einkaufsgänge machen; außerdem könne sie nur unter erheblichem Energieaufwand und unter Schmerzen Brennmaterial zur Feuerstelle tragen sowie den Mülleimer hinaustragen oder hereinholen und werde bei sitzenden Arbeiten durch die Zwangshaltung des rechten Beines behindert. Gleichwohl sei eine Höherbewertung der MdE über 40 v.H. hinaus unberechtigt, weil die Tätigkeit der Klägerin in ihrem Haushalt, in dem sie allein sich selbst versorge, kein Beruf i.S. des § 30 Abs. 2 BVG sei, in dem sie besonders betroffen sein könne. Die für den Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 4 letzter Satz BVG maßgebende Einschränkung des "Berufs" im versorgungsrechtlichen Sinn, daß die "Hausfrau" einen Familienhaushalt führen müsse, gelte auch für § 30 Abs. 2 BVG; denn die in den beiden Vorschriften geregelten Versorgungsleistungen basierten auf demselben Begriff des Berufes. Die allein für sich sorgende Hausfrau sei regelmäßig nicht gehindert, eine Erwerbsarbeit neben ihrer Hausarbeit zu verrichten. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung des § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b BVG durch das LSG. Der eingeschränkte Berufsbegriff des § 30 Abs. 4 letzter Satz BVG könne nicht auf den Berufsbegriff des § 30 Abs. 2 BVG übernommen werden, weil die beiden voneinander unterschiedenen Ansprüche selbständig seien (Urteil des BSG vom 12.8.1969 - 10 RV 453/67 -), die Verwaltungsvorschriften (VerwV) zu § 30 BVG aber für § 30 Abs. 2 BVG eine Tätigkeit der Hausfrau ohne die Einschränkung der Sondervorschrift des § 30 Abs. 4 BVG gelten ließen. Anderenfalls würden die Hausfrauen gegenüber den anderen Beschädigten, die Ansprüche nach § 30 Abs. 2 BVG haben, benachteiligt.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Urteile, in Abänderung des Bescheides vom 10. Juli 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 1969 den Beklagten zu verurteilen, die Gesamt-MdE der Klägerin ab 1. November 1967 in Beachtung eines besonderen beruflichen Betroffenseins auf 50 v.H. festzusetzen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Beklagte tritt der Auffassung des LSG bei und betont, daß die Versorgungsleistung wegen besonderen beruflichen Betroffenseins ebenso wie der Berufsschadensausgleich als Fortentwicklung des § 30 Abs. 2 BVG ihre gemeinsame Grundlage in einem schädigungsbedingten Berufsschaden hätten. Auch unabhängig von § 30 Abs. 4 BVG sei der Beruf i.S. des § 30 Abs. 2 BVG wegen der dort geregelten Leistung, einer Höherbewertung der MdE gegenüber der nach § 30 Abs. 1 BVG bemessenen Erwerbsminderung, in den Oberbegriff des Erwerbslebens und der Erwerbsfähigkeit einbezogen. An der Erwerbsfähigkeit im Sinn der Fähigkeit, die Arbeitskraft wirtschaftlich zu verwerten, fehle es bei den der persönlichen Lebensführung dienenden Tätigkeiten wie bei den hauswirtschaftlichen der Klägerin. Diese Auslegung des Begriffs "Beruf" werde durch den allgemeinen Sprachgebrauch bestätigt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist aber nicht begründet.

Bei den Schädigungsfolgen der Klägerin ist eine Verschlimmerung festgestellt, die eine Neufeststellung des Rentenanspruchs entsprechend einer MdE von 40 v.H. im allgemeinen Erwerbsleben (§ 30 Abs. 1 BVG) zur Folge gehabt hat (§ 62 Abs. 1 Satz 1 BVG idF des Dritten Neuordnungsgesetzes - NOG - vom 28. Dezember 1966 - BGBl I S. 750 -). Streitig ist allein ein weitergehender Anspruch wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins (§ 30 Abs. 2 BVG). Ein solcher ist nicht begründet. Die MdE wäre nach § 30 Abs. 2 Satz 1 BVG höher als nach der Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben (§ 30 Abs. 1 Satz 1 BVG) zu bewerten, wenn die Klägerin durch die Art der Schädigungsfolgen (§ 1 Abs. 1 BVG) in ihrem vor der Schädigung ausgeübten oder in ihrem jetzigen Beruf besonders betroffen wäre. Bei ihren vor der Verwundung zu verrichtenden Hausarbeiten im Familienhaushalt mit dem zweiten Ehemann hätte sie nur dann i.S. des § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a BVG besonders beruflich geschädigt sein können, wenn sie wegen der nach § 1 BVG anerkannten Körperschäden diesen Haushalt nicht mehr hätte führen können und wenn diese ihre Tätigkeit als "Beruf" i.S. des § 30 Abs. 2 BVG zu bewerten wäre. Nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b BVG wäre die Klägerin besonders beruflich betroffen, wenn sie bei ihrer jetzigen Arbeit in dem allein für sich geführten Haushalt stärker als im allgemeinen Erwerbsleben behindert wäre und wenn diese Tätigkeit einem "Beruf" i.S. des § 30 Abs. 2 BVG gleichzuachten wäre. Keine dieser Voraussetzungen ist im Fall der Klägerin gegeben.

Ob die frühere Tätigkeit der Klägerin im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann deshalb ein "Beruf" i.S. des § 30 Abs. 2 BVG ist, weil die in § 30 Abs. 4 Satz 4 BVG für die Bemessung des Berufsschadensausgleichs enthaltene Begriffsbestimmung einer "Hausfrau", die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann oder anderen Familienangehörigen führt oder zu führen hätte, auch für § 30 Abs. 2 BVG gelten müßte, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat die Klägerin unabhängig von der Verschlimmerung ihrer Schädigungsfolgen (1967) schon seit dem vorher (1957) eingetretenen Verlust ihres zweiten Ehemannes nicht mehr in einem Familienhaushalt zu arbeiten und könnte daher nicht in diesem "Beruf" gem. § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a BVG besonders betroffen sein.

Die Klägerin kann auch nicht nach dem Tod ihres Ehemannes im Hinblick auf die frühere Arbeit im Familienhaushalt wie ein aus dem Erwerbsleben ausgeschiedener Arbeitnehmer oder Selbständiger besonders beruflich betroffen sein. Ein gegenwärtiger Schaden, der für die Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG erforderlich ist, muß aus einer früheren Tätigkeit noch fortwirken, z.B. als schädigungsbedingte Minderung der Versorgung aus dem früher ausgeübten Beruf (BSG 14, 172, 175). Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin, die bei den für sich allein zu verrichtenden Hausarbeiten besonders körperlich behindert ist, nicht gegeben.

Die Klägerin kann wegen der verschlimmerten Kriegsbeschädigungsfolgen zahlreiche Tätigkeiten im Haushalt nur unter größten Anstrengungen, unter erheblichem Energieaufwand und unter Schmerzen leisten, wie das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat (§ 163 SGG). Bei einer solchen Sachlage kann allgemein ein Beschädigter in seinem Beruf i.S. des § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b BVG besonders betroffen sein (BSG 13, 20, 23). Dies gilt aber aus den folgenden Erwägungen nicht für die Klägerin beim Besorgen der für sich allein betriebenen Hauswirtschaft.

Nach Nr. 5 der VerwV zu § 30 BVG idF vom 26. Juni 1969 (Beilage Nr. 15/69 zum Bundesanzeiger Nr. 119 vom 4. Juli 1969 = Anlage zum Bundesversorgungsblatt - BVBl - 1969, Heft 7) steht die Tätigkeit als Hausfrau einem Beruf gleich (ebenso BSG 12, 20, 23). Diese VerwV läßt aus sich heraus indes nicht erkennen, ob sie sich auch auf § 30 Abs. 2 BVG oder allein auf den Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG bezieht und ob sie im ersten Fall mit der Einschränkung gemeint ist, die in § 30 Abs.4 Satz 4 BVG für den von der Klägerin nicht begehrten Berufsschadensausgleich gesetzlich vorgeschrieben ist, daß nämlich "Hausfrau" in diesem Sinn nur die Leiterin eines Familienhaushalts ist. Nach Nr. 6 (zuvor Nr. 3) der VerwV zu § 30 BVG vom 14. August 1961/23. Januar 1965 (Bundesanzeiger Nr. 161 vom 23. August 1961 = BVBl 1961, Beilage zu Heft 9; Bundesanzeiger Nr. 19 vom 29. Januar 1965 = BVBl 1965, 14), die vor den VerwV vom 26. Juni 1969, mithin auch seit dem von der Klägerin gestellten Neufeststellungsantrag galt, stand die Hausfrauentätigkeit einem Beruf i.S. des § 30 Abs. 2 BVG gleich. Ob die zitierte VerwV in alter und neuer Fassung auf die im Familienhaushalt tätigen "Hausfrauen" anwendbar ist, kann hier aus dem schon dargelegten Grund dahingestellt bleiben. Mit dem Gesetz wäre sie nicht vereinbar, falls sie für beschädigte Frauen, die allein für sich selbst einen Haushalt führen, gelten soll. Das folgt aus dem gesetzlichen Zusammenhang, in dem § 30 Abs. 2 BVG steht, nämlich aus der Bedeutung dieser Versorgungsleistung im Rahmen der gesamten Beschädigtenversorgung nach den §§ 30 bis 35 BVG.

Wenn die MdE nach § 30 Abs. 2 Satz 1 BVG als Voraussetzung für die Grundrente (§ 31 Abs. 1 Satz 1 BVG) höher bewertet werden soll, erfordert dies einen besonderen beruflichen Schaden im Vergleich mit der Leistungseinbuße im allgemeinen Erwerbsleben, die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG berücksichtigt wird. Dazu muß der Beschädigte in erster Linie im Vergleich mit der allgemeinen, für alle jeweils gleichartig Beschädigten geltenden MdE besonders geschädigt sein; d.h. diese Schädigung darf nicht durch die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 iVm § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG bemessene Grundrente ausgeglichen sein. Außerdem muß dieser besondere Schaden im Beruf des Beschädigten, wie dies im einzelnen beispielhaft in § 30 Abs. 2 Satz 2 BVG bestimmt wird, eingetreten sein.

Ein Beschädigter kann im Vergleich mit anderen durch die Schädigungsfolgen nicht besonders betroffen sein, wenn der Schaden, dessentwegen er eine Höherbewertung der MdE begehrt, bereits durch die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 iVm § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG festgestellte Grundrente ausgeglichen wird. Das ist aber der Fall für Behinderungen bei der Arbeit im Einpersonenhaushalt.

Die MdE i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG wird nach allgemeinen Erfahrungssätzen nicht nur wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit im Arbeitsleben bemessen, sondern auch nach der allgemeinen "körperlichen Beeinträchtigung" i.S. einer Leistungseinbuße infolge einer Schädigung der körperlichen Unversehrtheit und daher auch nach der dadurch bedingten Notwendigkeit von Mehraufwendungen und Auslagen, die einer Person ohne die Schädigungsfolgen nicht entstehen. Diese Auslegung des Begriffes der "MdE" i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG folgt aus dem Bezugspunkt der körperlichen Unversehrtheit einerseits und aus dem Bemessungsmaßstab der allgemeinen Leistungseinbuße andererseits, sie ist eindeutig aus den Vorstellungen des Gesetzgebers zu erkennen (BT-Drucks. I/1333, S. 43, 56; BT-Drucks. III/1239, S. 21) und wird auch von der herrschenden Lehre und Rechtsprechung vertreten (vgl. mit weiteren Nachweisen: Bundesgerichtshof - BGH -, Sozialgerichtsbarkeit 1965, 304, 305; BSG 30, 21, 25; Vorberg, Versorgungsbeamter 1966, 26). Der Bundesgerichtshof (aaO) hat diese nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG zusätzlich zu entschädigenden Nachteile als "Ausfälle an wirtschaftlichen Vorteilen aus einer Betätigung außerhalb des Berufs, die einen gewissen Ausgleich erfordern", bezeichnet. Darunter sind naturgemäß auch Hausarbeiten für die eigene Person zu verstehen. Diese sind nicht auf diejenigen zu beschränken, die üblicherweise von männlichen Beschädigten außerhalb der typischen Hausfrauenarbeiten geleistet werden. Versorgungsleistungen sind grundsätzlich unabhängig vom Geschlecht und Familienstand zu gewähren. Was insoweit für die Pflegezulage gilt (BSG 12, 20, 22-23), kann für die Bemessung der Grundrente nicht anders sein, weil sie sich allein nach dem Grade der körperlichen Versehrtheit und zusätzlich gem. § 30 Abs. 2 BVG nach dem Beruf des Beschädigten richtet. Eine besondere Behinderung bei den üblichen für die eigene Person erforderlichen Hausarbeiten wird nicht durch die Pflegezulage nach § 35 BVG ausgeglichen, und daher ist eine Entschädigung durch die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 iVm § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG bemessene Grundrente nicht aus diesem Grund ausgeschlossen. Hilflos i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG und damit pflegezulageberechtigt ist nur ein Beschädigter, der wegen der Schädigungsfolgen bei der Wartung und Pflege seiner Person auf fremde Hilfe angewiesen ist (BSG 12, 20, 22-24; vgl. auch § 35 Abs. 1 letzter Satz BVG und § 8 Satz 2 Halbs. 2 der Durchführungsverordnungen von 1964 und 1968 zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG).

Wenn demnach allgemein Behinderungen bei der Hausarbeit für die eigene Person durch die von der MdE i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG abhängige Grundrente ausgeglichen werden, läßt sich ein Anspruch auf eine Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG auch nicht im Einzelfall damit begründen, der Beschädigte sei durch die Schädigungsfolgen in diesem Tätigkeitsbereich deshalb besonders betroffen, weil seine Leistungsminderung nicht durch diese Grundrente und ergänzend durch andere Einkünfte vollständig ausgeglichen würde. Die Beschädigtenrente kann - wie alle Versorgungsleistungen nach dem BVG - die durch Schädigungsfolgen bedingten Schäden nicht je nach den Umständen des Einzelfalles voll ersetzen, sondern als Folgen eines Sonderopfers nur in einem von der Leistungsfähigkeit des Sozialstaates abhängigen Ausmaß billig und gerecht ausgleichen und muß daher grundsätzlich pauschaliert und generalisiert sein (vgl. Urteil des BSG vom 17.5.1968 - 10 RV 843/66 -, BVBl 1969, 47; BSG 20, 41, 45; BSG 27, 69, 71; BVerfGE 26, 16, 31, 35-37). Häufig wird ein Beschädigter die für ihn selbst erforderlichen Hausarbeiten, die er wegen der Schädigungsfolgen überhaupt nicht oder nur unter außergewöhnlichem Energie- und Schmerzaufwand selbst leisten könnte, von einer anderen Person entgeltlich oder im Rahmen des von ihm wesentlich zu finanzierenden Familienhaushalts verrichten lassen. Daß die Klägerin einzelne Hausarbeiten von einer bezahlten Hauskraft ausführen lassen müßte, hat das LSG nicht festgestellt. Aber selbst wenn ein alleinstehender Beschädigter - wie sie - darauf angewiesen ist und im Vergleich mit den anderen gleichartig Beschädigten dadurch besonders finanziell belastet wird, weil seine Einkünfte nicht für die Bezahlung einer Hilfskraft im Haushalt oder eines gewerblichen Unternehmers, z.B. einer Wäscherei, ausreichen, kann dies nicht als besondere berufliche Schädigung i.S. des § 30 Abs. 2 BVG gewertet werden. Diese Schädigung beschränkt sich gerade auf den außerberuflichen Bereich, der zwischen der typischen Berufsarbeit und der nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG rechtserheblichen Personenpflege und -versorgung liegt; dieser Bereich erfordert im Vergleich mit der Erwerbsarbeit (im üblichen Sinn) in der Regel wesentlich weniger Zeit und Arbeitskraft und ist wirtschaftlich weniger bedeutend. Wer nur in seiner eigenen Hauswirtschaft tätig ist, kann seine Kraft und Zeit auch besser auf die ihn besonders belastenden Hausarbeiten einrichten als ein Berufstätiger. Wenn ausnahmsweise eine Behinderung im eigenen Haushalt nicht durch die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG bemessene Grundrente und ergänzend durch sonstiges Einkommen vollständig ausgeglichen wird, was bei der Klägerin der Fall sein könnte, allerdings nicht festgestellt ist, trifft dieser Schaden den Lebensunterhalt. Die Grundrente ist aber nicht unmittelbar nach den Bedürfnissen des Lebensunterhalts, soweit sie von den Schädigungsfolgen beeinflußt werden, zu bemessen, und zwar weder die auf der allgemeinen MdE i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG beruhende noch die vom besonderen beruflichen Betroffensein i.S. des § 30 Abs.2 BVG abhängige Beschädigtenrente. Der notwendige Lebensunterhalt ist gesetzlicher Maßstab allein für die Ausgleichsrente und für Familienzuschläge der Schwerbeschädigten (§§ 32 bis 33 b BVG; BGH, aaO; BSG 30, 21, 25). Bei anderen Beschädigten (mit einer MdE bis zu 40 v.H.) wird keine schädigungsbedingte Beeinträchtigung des Lebensunterhalts angenommen, die über die Grundrente nach § 30 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG hinaus auszugleichen wäre.

Das Verhältnis der von der Klägerin in ihrem Einpersonenhaushalt zu leistenden Hausarbeit zum "Beruf" i.S. des § 30 BVG bestätigt das bisherige Ergebnis. Das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 1956 (LS VI (VIII) KB 7176/54 - Leitsatz in Kriegsopferversorgung 1956, Rechtsprechung Nr. 676), auf das die Klägerin ihre Revisionsbegründung stützt, bezieht sich zwar auf das besondere berufliche Betroffensein (i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BVG aF wie § 30 Abs. 2 BVG nF), meint aber mit dem "Beruf" der Hausfrau, den in der Regel jedes Mädchen im Kindesalter anstrebe, naturgemäß die einem Familienhaushalt gewidmete Tätigkeit. Ob dagegen eine Beschädigte wie die Klägerin, die allein für sich selbst Hausarbeiten verrichtet und daher keine "Hausfrau" i.S. des § 30 Abs. 4 Satz 4 BVG ist, gemäß § 30 Abs. 2 BVG besonders beruflich geschädigt sein kann, muß nicht deshalb bejaht werden, weil die beiden Versorgungsleistungen zum Ausgleich eines beruflichen Schadens nach § 30 Abs. 2 und nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG unabhängig voneinander seien (vgl. zum umgekehrten Fall das von der Klägerin zitierte Urteil in BSG 30, 48 f). Dies ist aber auch nicht deshalb zu verneinen, weil beide Rentenarten vom selben Berufsbegriff ausgehen müßten. § 30 Abs. 4 Satz 4 BVG ist eine Sonderregelung für den Berufsschadensausgleich. Weil der Berufsschadensausgleich von einem Einkommensverlust abhängt (§ 30 Abs. 3 BVG) und dieser durch einen Vergleich mit dem Durchschnittseinkommen in der Berufsstellung, die der Beschädigte ohne die Schädigungsfolgen erreicht hätte, bemessen wird (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG), könnte diese Leistung einer Hausfrau nicht ohne die gesetzliche Fiktion des § 30 Abs. 4 Satz 4 BVG gewährt werden, nach der die schädigungsbedingten Mehraufwendungen bei der Führung eines Familienhaushalts als Einkommensverlust gelten. Der in dieser Vorschrift enthaltene besondere Begriff der "Hausfrau" dient dazu, die Fiktion des Einkommensverlustes nach der Lebenswirklichkeit abzugrenzen; das Gesetz unterstellt bei schwerbeschädigten Hausfrauen, die einen Familienhaushalt führen oder zu führen hätten, daß ihnen Mehraufwendungen entstehen, die zu entschädigen sind. Ein besonderes berufliches Betroffensein i.S. des § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b BVG kann gerade ohne einen derartigen wirtschaftlichen Schaden, den § 30 Abs. 4 Satz 4 BVG fiktiv regelt, eintreten (BSG 10, 69, 71; BSG 13, 20, 23). Das gilt für jede Hausfrauentätigkeit ebenso wie für jeden davon unterschiedenen "Beruf" im üblichen Sinn und vermag daher für die begriffliche Abgrenzung im vorliegenden Fall nichts herzugeben. Allerdings spricht die Regelung des § 62 Abs. 4 BVG idF des 3. NOG dafür, daß der in § 30 Abs. 4 Satz 4 BVG enthaltene Begriff der "Hausfrau" auch für § 30 Abs. 2 BVG gilt; nach dieser Vorschrift ist nur unter einer bestimmten Voraussetzung der Berufsschadensausgleich ebenso wie die MdE nach § 30 Abs. 2 BVG neu festzustellen, wenn der gemeinsame Haushalt einer schwerbeschädigten Hausfrau mit Familienangehörigen aufgelöst wird. Zugleich bedeutsam für § 30 Abs. 2 BVG ist eindeutig in § 30 Abs. 4 Satz 4 BVG, daß ausdrücklich angeordnet werden mußte, Mehraufwendungen bestimmter Hausfrauen sollten als Einkommensverlust gelten. Mittelbar wird damit diese "Hausfrauen"-Tätigkeit wie ein Beruf gewertet; vorausgesetzt wird also, daß sie - anders als die Arbeit einer beschäftigten Haushälterin oder Hausgehilfin - kein "Beruf" i.S. der versorgungsrechtlichen Vorschriften des § 30 Abs. 3 und 4 BVG ist. Dies muß um so mehr für die Hausarbeit gelten, die eine Frau für sich selbst verrichtet; sie hat nicht die gleiche wirtschaftliche Bedeutung wie die Führung eines Familienhaushalts. Dies wird im Ergebnis durch andere Rechtsvorschriften und durch den allgemeinen Sprachgebrauch bestätigt.

Auf Art. 5 Abs. 2 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen, um ihren Anspruch zu begründen. Nach dieser Bestimmung wird "die der Familie gewidmete Hausarbeit" der Berufsarbeit gleichgeachtet. Selbst wenn dieser Schutz der Frau auch nach der Beendigung ihrer früheren Arbeit im Familienhaushalt weiterhin zugute kommen sollte, könnte sich dies nur auf Auswirkungen der früheren Führung des Familienhaushalts erstrecken; die Voraussetzungen für einen solchen Schaden sind aber, wie bereits dargelegt, bei der Klägerin nicht gegeben.

Die rein familienrechtliche Regelung des § 1360 Satz 2 Halbs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch, daß die Hausfrauenarbeit in einem Familienhaushalt als Unterhaltsleistung gilt, wirkt sich nicht rechtlich außerhalb der Familienbeziehung aus (vgl. für das Verhältnis von Zugewinngemeinschaft und Steuerrecht: BVerfGE 19, 268, 279 f) und betrifft gerade nicht die Bewertung der Hausarbeit für die eigene Person.

Auch die Rechtsprechung zum Rentenversicherungsrecht, die die Hausfrauentätigkeit nicht als "Beruf" im Sinn der Rentenversicherung anerkennt, sondern die Berufsunfähigkeit einer selbstversicherten Hausfrau (§ 23 des Angestelltenversicherungsgesetzes) nach ihrer Leistungsfähigkeit als versicherungspflichtige (beschäftigte) Haushälterin beurteilt (BSG, SozR Nr. 66 zu § 1246 RVO), läßt sich nicht auf das Berufsschadensrecht der Kriegsopferversorgung übertragen (vgl. BSG 30, 48, 50).

Der Anspruch auf einen monatlichen Hausarbeitstag für beschäftigte Frauen mit eigenem Hausstand (Hausarbeitstagegesetz vom 27.7.1948 - Gesetz - und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen S. 833), der auch für ledige Arbeitnehmerinnen - ohne Familienhaushalt - gilt (Bundesarbeitsgericht - BAGE 1, 51), dient dem Arbeitsschutz der berufstätigen Frau (Großer Senat des BAG, BAGE 13, 1, 4 f) und stellt gerade die häuslichen Pflichten ihrer Berufsarbeit gegenüber.

Einen allgemeingültigen Sprachgebrauch mit genau umgrenzten Inhalt gibt es für den Begriff "Beruf" nicht. Gemeinsam ist allen Berufsbegriffen in verschiedenen Wissenschaften, soweit ersichtlich, bloß eine einzige Erkenntnis: Jeder Beruf ist einer Aufgabe innerhalb der arbeitsteilig organisierten Gesellschaft gewidmet; der Berufstätige leistet somit etwas für andere Mitglieder der Gesellschaft (vgl. z.B. Art. "Beruf" in: Brockhaus Enzyklopädie II, 17. Aufl. 1967, S. 597; Gundlach, Art. "Beruf" in: Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, I, 6. Aufl. 1957, S. 1087; H.H. Wolf, Art. "Beruf und Berufsethos" in: Friedrich Karrenberg (Herausgeber), Evangelisches Soziallexikon, 4. Aufl. 1963, Spalte 154 f; Schwarzlose, Art. "Beruf und Berufserziehung" in: Wilhelm Bernsdorf (Herausgeber), Wörterbuch der Soziologie, 2. Aufl. 1969, S. 18; Johannesson, Art. "Beruf" in: v. Beckerath u.a. (Herausgeber), Handwörterbuch der Sozialwissenschaften - HDSW -, 2. Bd., 1959, S. 7, 8; Hansjürgen Daheim, Der Beruf in der modernen Gesellschaft, 1. Aufl. 1969, 2. Aufl. 1970, Kap. 21, 22, 31, 311, 3121, 3132). Diese Voraussetzung fehlt jedoch bei der auf die eigene Person beschränkten Hausarbeit, bei der die Klägerin behindert ist.

Noch weniger gerechtfertigt wäre es, die Klägerin als besonders beruflich geschädigt dann zu beurteilen, wenn der "Beruf" i.S. des § 30 Abs. 2 BVG deshalb notwendig Erwerbscharakter haben müßte, weil dieser besondere Schaden Grundlage für eine Höherbewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bildet und zudem erheblich stärker als die MdE im allgemeinen Erwerbsleben (§ 30 Abs. 1 Satz 1 BVG) ausgeprägt sein muß. Auch im sonstigen juristischen sowie im sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Sprachgebrauch wird weithin die nicht erwerbstätige oder nicht berufstätige Hausfrau "beruflich" den Erwerbspersonen im üblichen Sinn gegenübergestellt (vgl. z.B. Referate und Gutachten, insbesondere von Langkeit und Zacher, auf dem 47. Deutschen Juristentag - DJT - im Jahre 1968, Verhandlungen des 47. DJT, Bd. I und II; Zopfy, Art. "Berufsstatistik" in: HDSW, 2. Bd., S. 28, 29; BVerfGE 17, 1, insbesondere 20; Walter Bogs u.a., Soziale Sicherung in der Bundesrepublik Deutschland - Bericht der Sozialenquête-Kommission, 1966, Nr. 48, 56, 59).

Die vorstehende Gesetzesauslegung durch den erkennenden Senat, die im Ergebnis die vom SG und vom LSG vertretenen Ansichten bestätigt, verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG). Mit dem Verfassungsgebot, alle Menschen gleich zu behandeln (Art. 3 Abs. 1 GG), ist es vereinbar, an verschiedenartige Tatbestände ungleiche Rechtsfolgen anzuknüpfen (ständige Rechtsprechung des BVerfG und des BSG, vgl. z.B. BSG 4, 75, 83 f); die Behinderungen bei der allein für die eigene Person geleisteten Hausarbeit können also rechtlich anders gewertet werden als besondere Schäden bei üblichen Berufstätigkeiten außerhalb des Haushalts. Der Grundsatz, daß Männer und Frauen gleichberechtigt sind (Art. 3 Abs. 2 GG), wird deshalb nicht verletzt, weil der von der Klägerin geltend gemachte Versorgungsanspruch nicht anders beurteilt wird, als wenn ein männlicher Beschädigter in gleicher Weise bei den Arbeiten in seinem eigenen Haushalt behindert wäre.

Da nach alledem die Klägerin nicht i.S. des § 30 Abs. 2 BVG besonders beruflich betroffen ist, mußte ihre Revision als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 151

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