Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung einkommensabhängiger Leistungen. Anpassungsgeld für Arbeitnehmer des Steinkohlebergbaus. vorläufiger Bescheid. vorläufige Festsetzung und endgültige Feststellung. Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes für Vergangenheit und Zukunft. Vertrauensschutz. Verwaltungsakt ist auch von Rechenzentrum erstellter Bescheid

 

Orientierungssatz

1. Bei streitigen Rückforderungsansprüchen ist in erster Linie die Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Abänderung und damit auch der Überzahlung festzustellen. Erst bei Bejahung derselben ist die Frage eines etwaigen Vertrauensschutzes, der der Rückforderung entgegenstehen könnte, zu prüfen.

2. Das Anpassungsgeld für den Steinkohlebergbau ist nicht Einkommen aus "gegenwärtiger Erwerbstätigkeit" iS des § 33 Abs 2 BVG. Es stellt "übrige Einkünfte" iS des § 33 Abs 1 BVG iVm § 1 Abs 3 S 2 BVG§33DV dar. Für die Korrektur der falschen rechtlichen Einordnung des Anpassungsgeldes bietet nicht § 48 Abs 1 SGB 10, sondern § 45 SGB 10 die rechtliche Grundlage.

3. Aus der Vorläufigkeit der Zahlung von Versorgungsbezügen bei schwankendem Einkommen ergibt sich nicht die uneingeschränkte Rücknehmbarkeit von Verwaltungsakten mit anschließender Erstattungspflicht schon gezahlter Bezüge. Die Vorläufigkeit bezieht sich nur auf die Höhe der zur Zeit der Feststellung noch schwankenden Einkünfte, nicht aber auf die übrigen die Rechtsgrundlage der Leistungen bildenden Faktoren.

4. Der vorläufige Bescheid nach § 60a BVG ist kein Bescheid, mit dem nur eine vorschußweise Zahlung bewilligt wird oder der in anderer Weise, zB durch einen ausdrücklichen Widerrufsvorbehalt, deutlich macht, daß die Leistung allein aufgrund späterer neuer Prüfung auch ohne Änderung der Verhältnisse wieder entzogen werden kann (vgl BSG 1969-03-21 9 RV 410/66 = SozR Nr 5 zu § 60a).

5. Auch für die Eingruppierung des Einkommens als "Einkünfte" iS des § 33 Abs 1 Buchst a BVG kann keine vom vorläufigen Bescheid abweichende Regelung getroffen werden. Hierbei handelt es sich um die rechtliche Bewertung der Einkommensart, die endgültig vorzunehmen ist. Die Vorläufigkeit kann sich demgegenüber nicht auf den Akt der rechtlichen Einordnung, sondern nur auf die Tatsachen beziehen, die das schwankende Einkommen hervorrufen. § 60a Abs 1 S 2 BVG hat nicht die Funktion, Leistungen der Versorgungsverwaltung auch dem Grunde nach offenzuhalten.

6. Der Rentenanpassungsbescheid ist ein begünstigender Verwaltungsakt. Er enthält eine gezielte, unmittelbar verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Regelung kraft hoheitlicher Gewalt (vgl jetzt § 31 SGB 10) und damit alle konstituierenden Merkmale, obgleich hier nur die Rechtsposition des Adressaten durch Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen verbessert wird. Allein in dieser formellen Bedeutung des Verwaltungsaktes kann die Begünstigung liegen. Auch steht der Qualifizierung als Verwaltungsakt nicht entgegen, daß die Mitteilung keine Rechtsmittelbelehrung enthält (vgl BSG 1965-12-14 2 RU 113/63 = BSGE 24, 162).

7. Der Qualifizierung des Rentenanpassungsbescheids als Verwaltungsakt steht ebenfalls nicht entgegen, daß er nicht vom Versorgungsamt, sondern vom Rechenzentrum nach den dort vorliegenden Daten gefertigt worden ist.

 

Normenkette

BVG § 60a Abs 1 S 2; SGB 10 § 48 Abs 1 S 2 Nr 3, § 45; BVG § 33 Abs 2, § 33 Abs 1 Buchst a, § 60a Abs 1 S 1; BVG§33DV § 1 Abs 3 S 2; SGB 10 § 31

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 07.06.1982; Aktenzeichen L 9 V 73/81)

SG Dortmund (Entscheidung vom 03.07.1981; Aktenzeichen S 16 V 125/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung der dem Kläger nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gewährten einkommensabhängigen Leistungen.

Der Kläger bezieht Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 90 vH. Außerdem erhält er ua eine Ausgleichsrente, einen Ehegattenzuschlag und einen Berufsschadensausgleich. Mit Bescheid vom 29. Juli 1976 setzte das Versorgungsamt die einkommensabhängigen Leistungen vorläufig fest. Dabei berücksichtigte es ein monatliches Einkommen des Klägers aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit. Der Kläger schied Ende November 1977 als Arbeitnehmer des Bergbaus aus dem Erwerbsleben aus. Er erhielt ab 1. Dezember 1977 - bewilligt durch Bescheid des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft vom 31. Januar 1978 - Anpassungsgeld für Arbeitnehmer des Steinkohlebergbaus. Davon setzte der Kläger das Versorgungsamt mit Schreiben vom 6. März 1978 in Kenntnis. Das Versorgungsamt vermerkte am 17. März 1978 verwaltungsintern, daß nach der "Niederschrift" vom 28. November 1977 die Gewährung von Anpassungsgeld einer Arbeitslosigkeit gleichzusetzen sei. Es setzte die Zahlungen in der ursprünglichen Höhe fort. Die Bundesknappschaft teilte der Versorgungsverwaltung am 20. April 1978 auf Anfrage die jeweilige Höhe des vom Kläger bezogenen Anpassungsgelds mit. Mit Bescheid vom 5. Dezember 1978 paßte das Versorgungsamt die Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. Januar 1979 gemäß dem 10. Anpassungsgesetz der Kriegsopferversorgung an, ohne zugleich das bisher vorläufig zugrunde gelegte Einkommen anders zu bewerten. Es wurde weiterhin in der Spalte "Einkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit" geführt. Der Bescheid enthielt den Hinweis, daß bisher vorläufig festgesetzte Bezüge weiterhin als vorläufig gezahlt gelten.

Mit Bescheid vom 3. Juli 1980 stellte das Versorgungsamt die Versorgungsbezüge des Klägers für 1977 nachträglich endgültig, sowie für die Zeit von Januar 1978 bis August 1980 endgültig fest. Dabei berücksichtigte es das Anpassungsgeld als "übrige Einkünfte" gem § 33 Abs 1 Buchst a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und errechnete eine Überzahlung von DM 3.585,--. Diesen Betrag forderte das Versorgungsamt im gleichen Bescheid zurück.

Die gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 31. März 1981 erhobene Klage blieb vor dem Sozialgericht (SG) erfolglos (Urteil vom 3. Juli 1981). Das Landessozialgericht (LSG) hat der Klage zum Teil stattgegeben. Es hat das Urteil des Sozialgerichts abgeändert, soweit der Beklagte für die Zeit ab 1. Januar 1979 eine Rückforderung wegen Nichtberücksichtigung des dem Kläger gewährten Anpassungsgeldes als Einkünfte aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit iS des § 33 Abs 1 Buchst a BVG geltend macht. Es hat dazu ausgeführt: Zwar sei das Anpassungsgeld als "übrige Einkünfte" iS des § 33 Abs 1 Buchst a BVG, § 1 Abs 3 Satz 2 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 33 BVG idF vom 22. Dezember 1978 zu berücksichtigen und damit der Berechnung der Ausgleichsrente ein niedrigerer Freibetrag zugrunde zu legen. Der Versorgungsverwaltung sei aber ab Ende März 1978 die Änderung der Verhältnisse bekannt gewesen. Aufgrund der Mitteilung der Bundesknappschaft vom 20. April 1978 habe sie auch gewußt, daß es sich um der Höhe nach bekannte und feststehende Einkünfte handele. Daher hätte nunmehr eine endgültige Feststellung unter Berücksichtigung der geänderten Verhältnisse erfolgen müssen. Es habe keinen Grund mehr für eine vorläufige Feststellung nach § 60a BVG gegeben. Auch für einen Vorbehalt sei kein Raum mehr gewesen, da die für eine abschließende Beurteilung erforderlichen Tatsachen in ausreichender Weise vorgelegen hätten. Selbst unter Berücksichtigung der Probleme der Massenverwaltung hätte jedenfalls mit der Anpassung zum 1. Januar 1979 ein Änderungsbescheid ergehen müssen. Darauf habe der Kläger vertrauen können. Ein Rückforderungsanspruch gem den §§ 50, 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 des Sozialgesetzbuchs -Verwaltungsverfahren- (SGB X), die hier gem Art II § 37 Abs 1, § 40 Abs 1 und 2 SGB X zur Anwendung kämen, sei damit ab diesem Zeitpunkt nicht gegeben.

Der Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung des § 60a Abs 1 Satz 2 BVG, des § 47 Abs 1 Nr 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG), des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 und des § 50 SGB X sowie von Art II § 37 Abs 1, § 40 Abs 1 und 2 SGB X. Das LSG habe - meint der Beklagte - zu Unrecht die §§ 50, 48 SGB X angewandt, da dieser Fall noch nach altem Recht zu behandeln sei. Im übrigen ergebe sich eine uneingeschränkte Rückerstattungspflicht aus einem Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsrechts, da die Bezüge nur vorläufig festgestellt worden seien. Selbst bei Anwendung des § 47 Abs 1 und Abs 2 KOV-VfG sei eine Rückzahlungsverpflichtung gegeben, da der Kläger wegen der Vorläufigkeit der Zahlung gewußt habe oder habe wissen müssen, daß sie ihm in der gewährten Höhe nicht zuständen. Darüber hinaus sei § 128 Abs 1 Satz 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletzt. Das LSG habe keine Gründe für seine Überzeugung angegeben, warum der Kläger ab 1. Januar 1979 auf eine Neufeststellung habe vertrauen können bzw tatsächlich vertraut habe. Vorsorglich macht der Beklagte geltend, die Mitteilung über die Rentenanpassung vom 5. Dezember 1978 sei nicht vom Versorgungsamt, sondern vom Rechenzentrum nach den dort vorliegenden Daten gefertigt worden.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG in vollem Umfang zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Beklagten ist sachlich nicht begründet.

Das LSG hat zu Recht einen Rückerstattungsanspruch gegen den Kläger für den derzeit noch streitigen Zeitraum vom 1. Januar 1979 an verneint. Es hat seine Entscheidung jedoch nicht darauf beschränkt, vielmehr darüber hinaus festgestellt, daß der angefochtene Bescheid, soweit das Anpassungsgeld die Höhe der Ausgleichsrente beeinflußt, nur für die Zukunft und nicht auch für die Vergangenheit Bestand haben kann. Die Ausgleichsrente ist nämlich dem Kläger nach der Rechtsauffassung des LSG aufgrund eines rechtswidrigen, jedoch für zurückliegende Zeit nicht mehr aufhebbaren Verwaltungsaktes gewährt worden. Zu dieser Auslegung des Urteilstenors nötigt das Eingehen des Berufungsgerichts auf § 60a BVG. Diese Vorschrift rechtfertigt nicht, was das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat und worauf noch näher einzugehen ist, eine vorläufige Festsetzung bzw eine nachträgliche endgültige Feststellung in dem erwähnten zeitlichen Umfang. Ist sonach der Leistungsbescheid vom 5. Dezember 1978 nicht mehr rückwirkend abänderbar, fehlt es zwangsläufig an einer entsprechenden Überzahlung. Die Frage einer Rückforderung stellt sich mithin nicht. Folglich ist bei streitigen Rückforderungsansprüchen in erster Linie die Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Abänderung und damit auch der Überzahlung festzustellen. Erst bei Bejahung derselben ist die Frage eines etwaigen Vertrauensschutzes, der der Rückforderung entgegenstehen könnte, zu prüfen. Indes ist hier entgegen dem Berufungsgericht nicht § 48 SGB X, sondern § 45 SGB X einschlägig. Diese am 1. Januar 1981 in Kraft getretene Vorschrift ist anwendbar, da zu diesem Zeitpunkt das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Aufhebung eines Verwaltungsaktes sowie über die Rückforderung noch anhängig war (BSGE GS Beschluß vom 15. Dezember 1982 - GS 2/80 -; zur Veröffentlichung bestimmt). Allerdings findet die Rückerstattung bereits erbrachter Leistungen in § 50 SGB X nur dann eine Stütze, wenn ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die Aufhebung des der Ausgleichsrente zugrundeliegenden Verwaltungsaktes vom 5. Dezember 1978 für die Vergangenheit läßt sich jedoch nach § 45 Abs 2 und 4 SGB X nicht rechtfertigen.

Nach dem LSG ist das Anpassungsgeld nicht, wie die Versorgungsbehörde zunächst angenommen hatte, Einkommen aus "gegenwärtiger Erwerbstätigkeit" iS des § 33 Abs 2 BVG. Es stellt "übrige Einkünfte" iS des § 33 Abs 1 BVG iVm § 1 Abs 3 Satz 2 DVO dar. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Kläger ließ die angefochtenen Bescheide für die Zukunft bindend werden.

Damit gehört diese Leistung, ebenso wie Renten aller Art, (§ 1 Abs 3 Nrn 3 bis 7, Nr 9 DVO zu § 33 BVG), zu den "übrigen Einkünften" und war gem § 33 Abs 1 Buchst a lediglich mit einem Freibetrag in Höhe von 0,65 % des jeweiligen Bemessungsbetrages und nicht, wie bei Einkünften aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit, mit einem Freibetrag in Höhe von 1,5 % zu berücksichtigen. Diesen erhöhten Betrag hatte der Beklagte bei der Auszahlung der in Frage stehenden Versorgungsbezüge aber ständig zugrunde gelegt.

Für das Rückzahlungsverlangen stützt sich die Revision auf die Vorläufigkeit der Zahlung der Versorgungsbezüge. Sie nimmt offensichtlich an, daß sich daraus die uneingeschränkte Rücknehmbarkeit von Verwaltungsakten mit anschließender Erstattungspflicht schon gezahlter Bezüge ergibt. Diese Auffassung geht fehl. Die Vorläufigkeit bezieht sich nur auf die Höhe der zur Zeit der Feststellung noch schwankenden Einkünfte, nicht aber auf die übrigen die Rechtsgrundlage der Leistungen bildenden Faktoren.

Die dem Kläger geleisteten einkommensabhängigen Zahlungen beruhten zunächst auf dem vorläufigen Bescheid vom 29. Juli 1976. Durch das Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben mit Ablauf des Monats November 1977 und dem darauffolgenden Bezug des monatlichen feststehenden Anpassungsgeldes trat in seinen Verhältnissen eine wesentliche Änderung ein, die die Behörde gem § 62 Abs 1 BVG zu einer Neufeststellung seines Anspruches hätte veranlassen müssen. Da sich die Höhe des Anpassungsgeldes nach der Rentenanwartschaft des Arbeitnehmers in der knappschaftlichen Rentenversicherung im Zeitpunkt seiner Entlassung richtet (§ 4 Abs 1 der Richtlinien) und sich auch die übrigen Faktoren, die die Höhe beeinflussen, aus den Richtlinien ergeben, handelt es sich bei dem Anpassungsgeld um "monatlich feststehende Einkünfte" iS des § 60a Abs 2 BVG. Darüber hinausgehendes schwankendes Einkommen des Klägers ist nicht bekannt, so daß die Verwaltungsbehörde nach der Mitteilung der Bundesknappschaft vom 20. April 1978 über die Höhe des fortlaufend zu zahlenden Betrages eine endgültige Feststellung der Ausgleichsrente gem § 60a Abs 1 Satz 1 BVG hätte vornehmen müssen. Eine solche ausdrückliche Entscheidung hat die Behörde unterlassen. Sie hat aufgrund ihrer Ansicht, das Anpassungsgeld entspreche dem Arbeitslosengeld und sei damit als "Einkünfte aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit" iS des § 33 Abs 1 Buchst a 1. Halbs, Abs 2 BVG zu behandeln, die Ausgleichsrente in der in dem vorläufigen Bescheid vom 26. Juli 1976 festgelegten Höhe weitergezahlt, somit also das Anpassungsgeld wie Einkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit gewertet. Dies kommt deutlich in dem Rentenanpassungsbescheid vom 5. Dezember 1978 zum Ausdruck. Auch in diesem Bescheid wurde das Einkommen des Klägers in der Spalte "Einkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit" geführt. Bei diesem Bescheid handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Er enthält eine gezielte, unmittelbar verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Regelung kraft hoheitlicher Gewalt (vgl jetzt § 31 SGB X) und damit alle konstituierenden Merkmale, obgleich hier nur die Rechtsposition des Adressaten durch Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen verbessert wird. Allein in dieser formellen Bedeutung des Verwaltungsaktes kann die Begünstigung liegen (vgl Ossenbühl, Die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte, 1964, S 5). Auch steht der Qualifizierung als Verwaltungsakt nicht entgegen, daß die Mitteilung keine Rechtsmittelbelehrung enthielt (BSGE 24, 162).

Soweit der Beklagte geltend macht, der zuvor genannte Anpassungsbescheid sei nicht vom Versorgungsamt, sondern vom Rechenzentrum nach den dort vorliegenden Daten gefertigt worden, ist dies ohne Belang. Das mit Hilfe einer automatischen Einrichtung hergestellte Schreiben bezeichnet als Aussteller das Versorgungsamt Dortmund. Die Grundlagen der Mitteilung entstammen dieser Behörde, ihr ist der Verwaltungsakt zuzurechnen. Den Inhalt dieses Verwaltungsaktes durfte der Kläger so verstehen, daß auch das Anpassungsgeld "Einkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit" darstellt, da nur diese Rubrik einen Eintrag enthielt. Überdies wollte die Behörde ihn so verstanden wissen. Dies bestätigt der Aktenvermerk vom 17. März 1978, wonach der Erhalt von Anpassungsgeld einer Arbeitslosigkeit gleichzusetzen sei. Auf diese in die Akten des Versicherungsträgers aufgenommenen Unterlagen, die der Behörde zur Entscheidungsfindung dienten, kann zur Auslegung des Verwaltungsaktes zurückgegriffen werden (BSGE 24, aaO).

Zwar stand der Verwaltungsakt, dessen teilweise Aufhebung bewirkt werden sollte, unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit der Zahlung. Es stellt sich deshalb die Frage, wie weit dieser Vorbehalt greift. Grundsätzlich gilt, daß auch ein unter Vorbehalt stehender begünstigender Verwaltungsakt dazu bestimmt ist, Recht und Rechtslagen des Betroffenen zu schützen (vgl BSGE 7, 227, 228). Wie das BSG bereits grundlegend festgestellt hat, ist der vorläufige Bescheid nach § 60a BVG kein Bescheid, mit dem nur eine vorschußweise Zahlung bewilligt wird oder der in anderer Weise, zB durch einen ausdrücklichen Widerrufsvorbehalt, deutlich macht, daß die Leistung allein aufgrund späterer neuer Prüfung auch ohne Änderung der Verhältnisse wieder entzogen werden kann (BSGE 29, 200, 204 mwN = SozR Nr 5 zu § 60a BVG). Denn anders als dort stehen beim vorläufigen Bescheid iS des § 60a BVG die Anspruchsgrundlagen fest, dh es kann bei der endgültigen Feststellung etwa über die Fragen, ob der Empfänger der Leistung zu dem versorgungsberechtigten Personenkreis gehört, ob die als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung auf eine schädigende Einwirkung iS des BVG ursächlich zurückzuführen ist, wie hoch die dadurch bedingte MdE zu bemessen und welcher Betrag der vollen Ausgleichsrente hiernach zusteht, keine vom vorläufigen Bescheid abweichende Regelung getroffen werden. Entsprechendes hat auch für die Eingruppierung des Einkommens als "Einkünfte aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit" bzw als "übrige Einkünfte" iS des § 33 Abs 1 Buchst a BVG zu gelten. Hierbei handelt es sich um die rechtliche Bewertung der Einkommensart, die endgültig vorzunehmen ist. Die Vorläufigkeit kann sich demgegenüber nicht auf den Akt der rechtlichen Einordnung, sondern nur auf die Tatsachen beziehen, die das schwankende Einkommen hervorrufen. Die vorläufige Festsetzung geschieht, weil die zu erwartenden Änderungen des Einkommens der Höhe nach noch nicht bekannt sind; nur deshalb erfolgt nach Ablauf des Feststellungszeitraumes eine endgültige Feststellung, die diese Einkommensveränderungen zu berücksichtigen hat. Vorbehalten bleibt sonach allein, daß die voraussichtlich eintretenden Änderungen des Einkommens später berücksichtigt werden (umfassend BSGE, aaO). Der § 60a Abs 1 Satz 2 BVG hat nicht die Funktion, Leistungen der Versorgungsverwaltung auch dem Grunde nach offenzuhalten.

Nach dieser Auslegung des § 60a Abs 1 Satz 2 BVG, gehört die in dem Rentenanpassungsbescheid vom 5. Dezember 1978 vorgenommene Regelung, das Anpassungsgeld des Klägers sei "Einkünfte aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit", nicht zur Feststellung der Berechnungsgrundlagen iS von § 22 Abs 5 KOV-VfG. Nur die Grundlagen der Berechnung eines in der Höhe noch schwankenden Einkommens entbehren der Bindungswirkung, nicht dagegen die Qualifizierung bestimmter Einkunftsarten gem § 33 BVG (vgl die ähnliche Problematik in BSG SozR 3640, § 9 Nr 1). Infolgedessen durfte die Verwaltungsbehörde die Bewertung des Anpassungsgeldes als "Einkünfte aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit" mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. Juli 1980 jedenfalls für die zurückliegende Zeit nicht verändern.

Diese Rechtslage ist § 45 SGB X und nicht, wie das LSG meint, dem § 48 SGB X zu entnehmen. Letztere Vorschrift kommt nicht in Betracht, weil die dem Kläger ungünstige endgültige Feststellung der Ausgleichsrente auf der Anwendung eines anderen Berechnungsmodus beruht und nicht, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, auf einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 SGB X. Der Erhalt des Anpassungsgeldes war der Behörde zum Zeitpunkt des Bescheides vom 5. Dezember 1978 bekannt. Es geht ihr jetzt darum, dessen falsche rechtliche Einordnung zu korrigieren. Dafür bietet nicht § 48 Abs 1 SGB X, sondern § 45 SGB X die gesetzliche Grundlage. Nach § 45 SGB X darf aber ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nur insoweit zurückgenommen werden, als der Begünstigte auf seinen Bestand vertraut hat. Das ist der Fall. Das Anpassungsgeld war niedriger als das zuvor erzielte Einkommen, weshalb der Kläger mit einer Überzahlung keinesfalls rechnen mußte. Sein Vertrauen war auch unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig. Die Verwaltungsbehörde hatte die Überzahlung allein verursacht. Der Kläger ist seiner Verpflichtung, alle Änderungen seiner Einkommensverhältnisse mitzuteilen, unverzüglich nachgekommen. Das Versorgungsamt hatte die Mitteilung der Bundesknappschaft über die Höhe des Anpassungsgeldes vom 20. April 1978 nicht unmittelbar zum Anlaß genommen, die Ausgleichsrente des Klägers neu festzustellen. Dies geschah vielmehr über zwei Jahre danach mit dem angefochtenen Bescheid. Zudem hat der Kläger die erbrachten Leistungen verbraucht. Aufgrund dessen war es der Versorgungsbehörde nicht erlaubt, den Bescheid vom 5. Dezember 1978 in dem zeitlichen Umfang abzuändern, auf den sich das Vertrauen des Klägers erstreckte, nämlich vom 1. Januar 1979 an bis zum Zugang des angefochtenen Verwaltungsakts. Hingegen war - wie geschehen - eine Korrektur mit Wirkung für die Zukunft innerhalb der Zweijahresfrist (§ 45 Abs 4 SGB X) gestattet.

Das LSG hat damit zu Recht eine Rückforderung der überzahlten Bezüge ab 1. Januar 1979 abgelehnt.

Die Revision der Beklagten ist daher unbegründet und muß zurückgewiesen werden (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655563

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