Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit. Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Klärungsbedürftigkeit. Begründung. Verfügbarkeit. Erreichbarkeit

 

Orientierungssatz

1. Durch eine Gesetzesänderung kann eine Rechtsfrage wieder klärungsbedürftig werden, wenn sich der Inhalt der nicht ausdrücklich geänderten Norm gewandelt hat; ähnliches gilt für eine grundlegende Veränderung der Lebensverhältnisse in einem bestimmten Bereich. In derartigen Fällen muß im einzelnen dargelegt werden, daß und warum eine Neuinterpretation des Gesetzes erforderlich ist bzw geänderte Lebensverhältnisse die Rechtsfrage erneut als klärungsbedürftig erscheinen lassen. Dies gilt in besonderem Maße, wenn der Rechtsstreit - wie hier - nur ausgelaufenes Recht (persönliche Erreichbarkeit des Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost gemäß § 1 AufenthAnO) betrifft und daher in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung mehr hat. Ausnahmsweise kann die Klärungsbedürftigkeit einer derartigen Rechtsfrage darin liegen, daß noch über mehrere Streitfälle zu entscheiden ist oder daß die zu klärende Rechtsfrage nachwirkt und dies von allgemeiner Bedeutung ist. Auch dies muß vom Beschwerdeführer im einzelnen dargelegt werden.

2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 2.8.1999 - 1 BvR 786/99).

 

Normenkette

SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 169; AFG § 103 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; AufenthAnO § 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG für das Land Brandenburg (Urteil vom 02.04.1998; Aktenzeichen L 8 AL 10/96 (7))

SG Cottbus (Entscheidung vom 13.12.1995; Aktenzeichen S 2 Ar 30/95)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 5. April 1994 bis 27. Dezember 1994 und eine Erstattungsforderung der Beklagten von 10.019,20 DM für den Zeitraum vom 1. September 1994 bis 27. Dezember 1994.

Der im Jahre 1951 geborene Kläger war bis zum 30. März 1994 bei der Treuhandanstalt Berlin beschäftigt. Am 5. April 1994 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg, das die Beklagte durch Bescheid vom 29. Juli 1994 ab 5. April 1994 in Höhe von 595,20 DM wöchentlich bewilligte. Der Kläger schloß im Juli 1994 vor dem Arbeitsgericht mit der Treuhandanstalt einen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31. August 1994 beendet werden sollte. Die Beklagte forderte daraufhin von der Treuhandanstalt Erstattung des Alg und der Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 5. April 1994 bis 31. August 1994.

Der Kläger hatte bereits im August 1993 gemeinsam mit einem Verwandten die "U. T. (in Zukunft U.T.) top-sail GmbH" gegründet, von deren Stammkapital der Kläger 49.500,00 DM und der Verwandte 500,00 DM übernommen hatten. Nachdem die Arbeitsverwaltung im September 1994 Hinweise erhalten hatte, daß der Kläger einen Segelbootverleih betreibe, führte sie eine Überprüfung der Firma des Klägers durch Außendienstmitarbeiter durch. Sie hob zunächst die Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 3. September bis 23. Oktober 1994 in Höhe eines Anrechnungsbetrags von 1.460,30 DM wegen der Berücksichtigung von Nebeneinnahmen auf (Bescheid vom 13. Dezember 1994). Mit Ablauf des 27. Dezember 1994 stellte die Beklagte die Zahlung von Alg an den Kläger ein und hob durch Bescheid vom 6. Januar 1995 den Bescheid über die Berücksichtigung von Nebeneinkommen vom 13. Dezember 1994 auf. Zugleich nahm sie die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 5. April 1994 zurück. Der Kläger sei bereits am 5. April 1994 als Gesellschafter/Geschäftsführer der "t.-s. GmbH" tätig gewesen. Er habe bei der Antragstellung die Frage nach einer selbständigen Tätigkeit in wahrheitswidriger Weise verneint. Das für den Zeitraum vom 1. September 1994 bis 27. Dezember 1994 gezahlte Alg sei zu erstatten.

Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 16. Januar 1995; Urteil des Sozialgerichts vom 13. Dezember 1995; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 2. April 1998). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Bescheid über die Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 5. April 1994 bis 27. Dezember 1994 sei gemäß § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) zurückzunehmen gewesen, da die Bewilligung sich von Anfang an als rechtswidrig erweise und das Vertrauen in den Bestand der Bewilligung nicht schützenswert gewesen sei. Der Kläger sei am 5. April 1994 bereits nicht arbeitslos iS der §§ 101, 102 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gewesen, da er als Geschäftsführer der "U. T. t.-s. GmbH" mehr als kurzzeitig tätig gewesen sei. Aufgrund der Zeugenaussage des Vaters des Klägers stehe fest, daß der Kläger im streitigen Zeitraum mehr als 18 Stunden (mindestens an zwei ganzen Tagen in der Woche) wöchentlich auf dem Betriebsgelände der Firma mit Renovierungsarbeiten beschäftigt gewesen sei. Der Kläger sei zudem nicht verfügbar gewesen, da er nach eigenen Angaben täglich an sieben Tagen in der Woche von seinem Wohnort K. nach W. zu dem Seegrundstück der GmbH gefahren sei (einfache Wegstrecke: 63 km) und für eine einfache Fahrtstrecke zwischen 45 Minuten und 2 Stunden gebraucht habe. Da er zudem nach Angaben seines Vaters mindestens an zwei Wochentagen mit Reparaturarbeiten auf dem Gelände beschäftigt gewesen sei, sei er zur Zeit des täglichen Eingangs der Briefpost unter der von ihm angegebenen Anschrift nicht erreichbar gewesen. Hieran könne auch die Tatsache nichts ändern, daß er auf der Fahrt über das in seinem PKW installierte Funktelefon erreichbar gewesen sei. Der Kläger habe schließlich den Antrag auf Alg im April 1994 selbst unterschrieben. Dort sei die Frage 4a nach einer selbständigen Tätigkeit oder Nebenbeschäftigung verneint worden. Aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Kläger vor dem Senat gemacht habe, sei davon auszugehen, daß er damit zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Hinsicht unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht habe (§ 45 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB X).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde und macht grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

1. Zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) macht der Kläger geltend, er hätte über das in seinem PKW installierte Funktelefon jederzeit von seiner nicht berufstätigen Ehefrau über eingehende Post des Arbeitsamtes informiert werden können. Die millionenfache Verbreitung des Funktelefons verändere die Erreichbarkeit iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG, was auch in der neuen Erreichbarkeitsanordnung vom 23. Oktober 1997 Niederschlag gefunden habe. Es reiche nunmehr aus, daß ein Arbeitsloser seine Briefpost am Tage ihres Eingangs zur Kenntnis nehmen könne. Die Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung zur Frage der Erreichbarkeit habe grundsätzliche Bedeutung, zumal nach der bisherigen Rechtsprechung Arbeitslose in ihrem Grundrecht auf Freizügigkeit eingeschränkt würden. Auch Art 3 Grundgesetz (GG) gebiete es, auf die individuellen Gegebenheiten (Funktelefon) abzustellen. Insoweit stelle sich die Rechtsfrage, ob angesichts neuer kommunikativer Möglichkeiten für die Erreichbarkeit des Arbeitslosen uneingeschränkt und ohne Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalles an dem Erfordernis der persönlichen Anwesenheit jedes Arbeitslosen in seiner Wohnung zur Postzustellungszeit festgehalten werden kann.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Beschwerdeführer müssen daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, gegebenenfalls sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, daß diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und daß das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nrn 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Ist eine Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden, muß dargelegt werden, daß und warum die Frage gleichwohl klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden ist, daß etwa den höchstrichterlichen Entscheidungen in nicht geringem Umfang widersprochen oder Einwendungen erhoben worden sind, die nicht von vornherein abwegig sind (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13; vgl auch den Beschluß des Senats vom 25. November 1993 - 7 RAr 68/93). Auch durch eine Gesetzesänderung kann eine Rechtsfrage wieder klärungsbedürftig werden, wenn sich der Inhalt der nicht ausdrücklich geänderten Norm gewandelt hat; ähnliches gilt für eine grundlegende Veränderung der Lebensverhältnisse in einem bestimmten Bereich. Auch in derartigen Fällen muß im einzelnen dargelegt werden, daß und warum eine Neuinterpretation des Gesetzes erforderlich ist bzw geänderte Lebensverhältnisse die Rechtsfrage erneut als klärungsbedürftig erscheinen lassen. Dies gilt in besonderem Maße, wenn der Rechtsstreit - wie hier - nur ausgelaufenes Recht betrifft und daher in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung mehr hat. Ausnahmsweise kann die Klärungsbedürftigkeit einer derartigen Rechtsfrage darin liegen, daß noch über mehrere Streitfälle zu entscheiden ist oder daß die zu klärende Rechtsfrage nachwirkt und dies von allgemeiner Bedeutung ist. Auch dies muß vom Beschwerdeführer im einzelnen dargelegt werden.

An derartigen Darlegungen fehlt es. Der Kläger hat sich schon nicht mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auseinandergesetzt, in der mehrfach entschieden worden ist, daß "Erreichbarkeit" iS von § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG iVm § 1 Satz 1 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über den Aufenthalt von Arbeitslosen während des Leistungsbezugs vom 3. Oktober 1979 nur dann anzunehmen ist, wenn der Arbeitslose unter der Wohnanschrift, die er im Leistungsantrag der Beklagten gegenüber bekanntgegeben hat, von dieser und deren Bediensteten täglich zumindest während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich dort angetroffen werden kann (BSGE 66, 103, 105 = SozR 4100 § 103 Nr 47; BSGE 58, 104, 108 = SozR 4100 § 103 Nr 36; vgl auch Urteil vom 25. März 1999 - B 7 AL 14/98 R). Es reicht nicht aus, daß der Arbeitslose irgendwie erreichbar ist, zB fernmündlich oder telefonisch erreicht werden kann (BSG Urteil vom 9. November 1995 - 11 RAr 45/95 -, DBlR Nr 4240a zu § 103a AFG). Auch ist bereits entschieden, daß das Grundrecht auf Freizügigkeit durch die Anforderungen des § 1 der Aufenthaltsanordnung nicht berührt wird (BSGE 58, 104, 108 = SozR 4100 § 103 Nr 36; Urteil vom 29. Juli 1992 - 11 RAr 15/92 -, DBlR Nr 3964a zu § 103 AFG). Daß und aus welchen Gründen in der Literatur gegen diese Rechtsprechung ernsthafte Bedenken erhoben worden sind, hat der Kläger nicht dargelegt. Ebensowenig hat er ausgeführt, warum bzw inwieweit die inzwischen weitverbreitete Benutzung eines Funktelefons eine Änderung der Rechtsprechung erforderlich macht, zumal es sich um ausgelaufenes Recht handelt. Soweit der Kläger ausführt, daß sich die Rechtslage durch Inkrafttreten des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB III) und der neuen Erreichbarkeitsanordnung möglicherweise für die Zukunft anders darstelle, hätte er aufzeigen müssen, inwieweit dieser neuen Rechtslage auch für die in der Vergangenheit liegenden Fälle, die nach altem Recht zu beurteilen sind, Bedeutung zukommen könnte. Auch dazu enthält die Beschwerdebegründung nichts.

2. Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist nicht hinreichend dargelegt.

Der Kläger geht davon aus, daß das LSG nicht ausreichend zwischen der Geschäftsführertätigkeit des Klägers und dessen hobbymäßiger privater Beschäftigung differenziere. Aus dem Urteil des BSG vom 25. Januar 1963 (7 RAr 20/62 - SozR Nr 8 zu § 75 AVAVG) entnimmt er den Rechtssatz, daß bei der Berechnung der Arbeitszeit diejenige Ausweitung abzuziehen sei, "die nur dadurch entsteht, daß jemand ... für seine selbständigen Nebentätigkeiten mehr Zeit und Sorgfalt aufwenden kann als unter normalen Umständen. Er kann aus Liebhaberei auch weitere nicht unbedingt erforderliche Arbeiten in seinem Betrieb verrichten, wenn dadurch dessen Charakter, insbesondere die Bewirtschaftungsart und die Verwertung nicht geändert wird" (BSG aaO, Ba 6). Hiermit hätte sich das LSG befassen müssen.

Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, Rz 163 ff; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 160 Rz 13 ff). Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, daß das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte: Die Beschwerdebegründung muß erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz im angezogenen Urteil enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muß aufgezeigt werden, daß auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in dem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zur Divergenzfrage: BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29, 54 und 67; Kummer, aaO, Rz 168).

Der Kläger hat schon nicht den abstrakten Rechtssatz herausgearbeitet, den das BSG seiner Entscheidung vom 25. Januar 1963 zugrunde gelegt hat. Der Kläger hat weiterhin nicht dargelegt, inwiefern das LSG einen Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es bewußt dem BSG widersprochen hat. Er rügt lediglich, daß das LSG sich mit der von ihm angeführten Entscheidung aus dem Jahre 1963 hätte "befassen müssen". Damit rügt der Kläger aber lediglich die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Dieses Vorbringen vermag den Anforderungen an eine formgerechte Divergenzrüge iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht zu genügen. Im übrigen hätte der Kläger auch darlegen müssen, inwieweit die von ihm angeführte Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 1963 zu der Vorschrift des § 75 AVAVG, die bereits 1969 außer Kraft getreten ist, im Rahmen einer Prüfung nach § 102 AFG weiterhin Gültigkeit beanspruchen kann, zumal § 75 Abs 3 AVAVG gerade hinsichtlich des Selbständigen ein völlig anderes Regelungskonzept als dem AFG zugrunde lag (Selbständige galten grundsätzlich nicht als arbeitslos).

3. Schließlich rügt der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs iS des Art 103 GG. Sein Sachvortrag zu der ihm unterstellten groben Fahrlässigkeit sei grundsätzlich unberücksichtigt geblieben. Insbesondere in dem gegen ihn geführten Strafverfahren habe er mehrfach ausgeführt, daß er seine Geschäftsführertätigkeit bei der "t.-s. GmbH" bei der Antragsabgabe im April 1994 zur Sprache gebracht habe. Die Antragsannehmerin habe ihn gefragt, inwieweit er Einkünfte erziele, und auf seine Angabe hin, daß aus der Tätigkeit bei der "t.-s. GmbH" Einkünfte nicht zu erwarten seien, habe die Antragsannehmerin die Fragen nach der Nebentätigkeit etc in dem Antrag selbst ausgefüllt.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Kläger trägt bereits nicht vor, daß eine Beweisaufnahme trotz eines von ihm gestellten Beweisantrages unterblieben ist.

Soweit er sich darauf beruft, daß das LSG seinen Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt habe, hätte er im einzelnen darlegen müssen, inwieweit das LSG den wesentlichen Kern seines Tatsachenvortrages zur Frage der groben Fahrlässigkeit außer acht gelassen hat (vgl hierzu BVerfGE 86, 133). Der bloße Hinweis auf die Beiziehung der Strafakten durch das LSG vermag hierfür nicht zu genügen, da das LSG das Tatbestandsmerkmal der groben Fahrlässigkeit aufgrund eigener richterlicher Überzeugung zu überprüfen hat, ohne hierbei an das Ergebnis des Strafverfahrens gebunden zu sein. Letztlich greift der Kläger lediglich die Beweiswürdigung durch das LSG an, die aber einer revisionsrechtlichen Überprüfung - bis auf eingehend zu substantiierende Ausnahmefälle - nicht zugänglich ist.

Entspricht die Begründung der Beschwerde sonach nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde - ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter - in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; vgl auch BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175822

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