Leitsatz (amtlich)

Ein Ablehnungsgesuch, mit dem ein Kassenarzt jede Mitwirkung von Kassenärzten als Landessozialrichtern in einem Rechtsstreit "in Angelegenheiten der Kassenärzte" (SGG § 12 Abs 3 S 2) ablehnt, ist offensichtlich unzulässig. Über ein solches Ablehnungsgesuch braucht das Gericht nicht ausdrücklich zu entscheiden.

 

Normenkette

SGG § 12 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 41 Fassung: 1950-09-12; SGG § 33 Fassung: 1953-09-03, § 60 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

1) Der Antrag auf Bewilligung des Armenrechts und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht wird abgelehnt.

2) Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 25. März 1960 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

1. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Revision in dem angefochtenen Urteil nicht zugelassen. Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hätte daher in dem vorliegenden Rechtsstreit, der die Honorarfestsetzungen für die kassenärztlichen Leistungen des Klägers im 1. und 2. Vierteljahr 1958 zum Gegenstand hat, nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens mit Erfolg gerügt werden könnte (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-; BSG 1, 150). Dies ist aber nicht der Fall, da die von dem Kläger erhobenen Verfahrensrügen nicht durchgreifen.

2. Der Kläger hat gerügt, das LSG habe über sein Ablehnungsgesuch vom 20. März 1960, in dem er sich gegen die Mitwirkung von Kassenärzten als Landessozialrichtern gewandt habe, nicht entschieden oder - falls dies doch geschehen sei, ohne es in einem Beschluß oder in den Gründen des Urteils zum Ausdruck zu bringen - unter Mitwirkung der abgelehnten. Landessozialrichter entschieden. Es trifft zu, daß der Kläger jede Mitwirkung von Kassenärzten bei der Entscheidung über seinen Rechtsstreit unter ausdrücklicher Berufung auf § 41 Nr. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) mit der Begründung abgelehnt hat, sie seien "Partei", weil die von ihm gegen Grundeinstellung und Arbeitsweise der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erhobener Vorwürfe auch ihre Interessen als Mitglieder der KV stark berührten.

Dieses Ablehnungsgesuch ist unzulässig. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft "Angelegenheiten der Kassenärzte" (§ 12 Abs. 3 Satz 2 SGG). Wären nun in solchen Angelegenheiten Kassenärzte schlechthin, wie der Kläger annimmt, schon deshalb von der Mitwirkung als ehrenamtliche Beisitzer in den Senaten (und Kammern) der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ausgeschlossen, weil die zur Entscheidung stehenden Fragen sie in der Regel auch selbst als Kassenärzte und Mitglieder der KV mehr oder weniger stark berühren, so könnte der zwingenden Vorschrift des SGG (§ 33 Satz 2), daß jeder Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei Landessozialrichtern tätig wird, überhaupt nicht entsprochen werden; denn das Gesetz läßt "in Angelegenheiten der Kassenärzte" als Landessozialrichter nur Kassenärzte zu (§ 33 Satz 2 in Verbindung mit § 12 Abs. 3 Satz 2 SGG). Schon hieraus geht hervor, daß die Verknüpfung der eigenen Interessenlage der Kassenärzte mit den im Rechtsstreit zu entscheidenden Fragen - die, wie der Revision einzuräumen ist, recht weit gehen kann - diese Landessozialrichter nicht zur "Partei" macht oder in das "Verhältnis eines Mitberechtigten" oder "Mitverpflichteten" bringt (vgl. § 41 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG). Das u.U. gegebene eigene Interesse dieser Landessozialrichter an der Sachentscheidung ist in Kauf genommen worden, um der Rechtsprechung die Mitwirkung besonders sachkundiger Beisitzer in Fragen zu sichern, die weitgehend der autonomen Selbstverwaltung der Kassenärzte überlassen sind. Nur wenn Kassenärzte in einem besonderen Verpflichtungsverhältnis zur KV stehen - als Mitglieder des Vorstands (§ 17 Abs. 2 in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 2 SGG) oder als Bedienstete (§ 17 Abs. 3 in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 2 SGG) -, sind sie vom Amt des Landessozialrichters ausgeschlossen. Demnach mußten im vorliegenden Rechtsstreit, wie geschehen, zwei Kassenärzte als Landessozialrichter mitwirken.

Das Ablehnungsgesuch des Klägers richtete sich somit gegen zwingende Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes, die die Zusammensetzung des Gerichts für Rechtsstreitigkeiten der vorliegenden Art regeln. Wird aber die Form des Ablehnungsgesuchs für einen solchen Angriff gewählt, so liegt darin ein Mißbrauch des Ablehnungsrechts, das dem Beteiligten nur eingeräumt ist, um Ablehnungsgründe geltend zu machen, die in der Person einzelner, bestimmter Richter gegeben sind (vgl. § 42 ZPO in Verbindung mit § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG). Ein solches Ablehnungsgesuch ist unzulässig. Die für den Fall eines zulässigen Ablehnungsgesuchs erlassenen Vorschriften gelten jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier - das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig ist. Die abgelehnten Richter sind in diesen Fällen nicht daran gehindert, bei der Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig mitzuwirken. Das Gericht braucht aber auch über ein solches unzulässiges Ablehnungsgesuch - kraft Gewohnheitsrechts, wie Wieczorek (ZPO Bd. 1 Teil 1, § 45 Anm. A II b) annimmt - überhaupt nicht ausdrücklich zu entscheiden (RG in Beschluß vom 26. April 1929 in Warneyers Rechtsprechung des RG 1929 Nr. 5).

Demnach war das LSG nicht genötigt, über das Ablehnungsgesuch des Klägers förmlich zu entscheiden.

3. Weiterhin hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers als Verstoß gegen § 103 SGG geltend gemacht, das LSG habe es unterlassen festzustellen, ob die vom Kläger vorgetragenen Bedenken gegen den wirksamen Erlaß einer Satzung der beklagten KV berechtigt seien, und sich zur näheren Begründung auf Ausführungen des Klägers selbst in einer anderen Sache berufen. Diese Rüge genügt nicht den Erfordernissen des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG. Der Kläger ist in der Revisionsinstanz durch einen Rechtsanwalt vertreten, der sich ohne Rücksicht auf das Ergebnis des Antrags des Klägers auf Bewilligung des Armenrechts zur Vertretung des Klägers in der Revisionsinstanz bereit gefunden hat. Einen solchen Prozeßbevollmächtigten treffen alle mit der Einlegung und Begründung der Revision verbundenen Pflichten (vgl. Beschluß des BSG vom 23. Januar 1957 - 4 RJ 230/56 - in SozR SGG § 67 Bl. Da 7 Nr. 10). Insbesondere hat er der mit der Rüge eines Verfahrensmangels verbundenen Substantiierungspflicht zu genügen (vgl. dazu im einzelnen BSG in SozR SGG § 103 Bl. Da 5 Nr. 14 und SozR SGG § 164 Bl. Da 10 Nr. 28). Dabei kann die unter der eigenen Verantwortung des Prozeßbevollmächtigten vorzutragende Sachdarstellung nicht durch Bezugnahme auf Ausführungen des nicht postulationsfähigen Mandanten in dem vorliegenden oder einem anderen Rechtsstreit - wie im vorliegenden Fall geschehen - ersetzt werden (vgl. BSG in SozR SGG § 164 Bl. Da 9 Nr. 27 und Bl. Da 14 Nr. 40).

Im übrigen ist zu der vom Revisionskläger aufgeworfenen Frage darauf hinzuweisen, daß die - vom Revisionsgericht mangels Statthaftigkeit der Revision nicht nachprüfbaren - Rechtsauffassung des LSG dahin ging, die Honorarverteilung- und Prüfungsbestimmungen seien als autonomes Satzungsrecht von den Selbstverwaltungsorganen der KV zu beschließen, und daß das LSG im Sinne dieser Rechtsmeinung Feststellungen über eine entsprechende ordnungsgemäße Beschlußfassung im Urteil getroffen hat.

4. Schließlich hat der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§§ 62, 128 Abs. 2 SGG) gerügt, das LSG habe von der beklagten KV ein.. Paket mit Unterlagen entgegengenommen und dem Kläger die Einsicht in diese verweigert. Nach der vom Senat eingeholten dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden des Senats, vor dem die mündliche Verhandlung im berufungsgerichtlichen Verfahren stattgefunden hat, ist in dieser Verhandlung vom Vertreter der beklagten KV ein Bündel (oder ein Briefumschlag) mit Unterlagen auf den Richtertisch gelegt worden, das angeblich vom Kläger eingereichte Krankenscheine enthielt. Das Bündel ist zurückgegeben worden, ohne daß der Senat von dem Inhalt Kenntnis nahm, weil diese Unterlagen als für die im vorliegenden Rechtsstreit zu treffende Entscheidung rechtlich unerheblich angesehen wurden.

In der Tat ist das Urteil nicht auf ein Beweisergebnis gestützt worden, das in irgendeiner Weise auf Unterlagen Bezug nimmt, die von der KV vorgelegt worden wären (vgl. § 128 Abs. 2 SGG). Schon aus diesem Grunde ist die Rüge, dem Kläger sei nicht das rechtliche Gehör gewährt worden, unbegründet.

Da die Revision somit keine Aussicht auf Erfolg bietet, ist der Antrag auf Bewilligung des Armenrechts abzulehnen (§167 SGG in Verbindung mit §§ 114, 126 ZPO).

Zugleich ist die Revision aus den dargelegten Gründen als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2291002

JR 1963, 454

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