Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen der Deutschen Bundesbahn

 

Leitsatz (amtlich)

Die der Deutschen Bundesbahn in einem sozialgerichtlichen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten sind nicht erstattungsfähige Aufwendungen iS von § 193 Abs 4 SGG.

 

Orientierungssatz

Die Deutsche Bundesbahn selbst ist weder eine Körperschaft noch eine (voll rechtsfähige) Anstalt des öffentlichen Rechts, mithin keine juristische Person des öffentlichen Rechts.

 

Normenkette

SGG § 193 Abs 4; GG Art 87 Abs 1 S 1; BBahnG §§ 1, 2 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 15.08.1985; Aktenzeichen L 10 Ar 360/84)

SG Hannover (Entscheidung vom 28.11.1984; Aktenzeichen S 3 Ar 185/84)

 

Gründe

Mit der Klage wandte sich die Klägerin gegen eine von der Beklagten geltend gemachte Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, wofür sich die Beklagte auf die Regelung des § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) berufen hatte. Mit Rücksicht auf die Aufhebung dieser Vorschrift durch das Gesetz vom 21. Juni 1991 (BGBl I 1306) und die gleichzeitig erfolgte Regelung in § 239 Satz 2 AFG haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Dieser Antrag bleibt ohne Erfolg.

Gemäß § 193 Abs 1 Halbs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluß über die Frage, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren - wie hier - anders als durch Urteil beendet wird. Eine Entscheidung nach § 193 Abs 1 Halbs 2 SGG kommt jedoch nur in Betracht, wenn der antragstellende Beteiligte von gesetzeswegen überhaupt berechtigt ist, die Erstattung seiner Aufwendungen von anderen Beteiligten verlangen zu können. Das ist hier nicht der Fall; denn die Klägerin hat schon deshalb keinen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil dem der § 193 Abs 4 SGG entgegensteht. Hiernach sind Aufwendungen der Behörden, der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig.

Die Deutsche Bundesbahn selbst ist zwar weder eine Körperschaft noch eine (voll rechtsfähige) Anstalt des öffentlichen Rechts, mithin keine juristische Person des öffentlichen Rechts (Kunz, Die "Verkehrsanstalt" Deutsche Bundesbahn MDR, 1989, 585, 589). Voll rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts liegen vor, wenn sie eine dem Anstaltsträger wie jedem Dritten gegenüber selbständige rechtliche Zurechnungs-, Zuordnungs-, Vermögens- und Haftungseinheit bilden (Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl, 1987, § 98 II 2a), also rechtlich selbständige Einheiten der unmittelbaren Staatsverwaltung darstellen (Kunz, aaO, S 590). Die Klägerin hingegen wird gemäß Art 87 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) und § 1 Bundesbahngesetz (BbG) unter dem Namen "Deutsche Bundesbahn" als nicht rechtsfähiges Sondervermögen der Bundesrepublik Deutschland in bundeseigener Verwaltung geführt. Nach Maßgabe des § 2 Abs 1 BbG wird sie lediglich insoweit als rechtsfähig behandelt, als sie nach außen, vermögensrechtlich und Dritten gegenüber, selbständig ist und unter ihrem Namen handeln, klagen und verklagt werden kann (vgl Wolff/Bachof/Stober, aaO, § 98 II 2b).

Die hieraus folgende Rechtsstellung als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts in bundeseigener Verwaltung (BVerwGE 64, 203, 205) spricht bereits dafür, die Klägerin den in § 193 Abs 4 SGG genannten juristischen Personen gleichzustellen, deren Aufwendungen nicht erstattungsfähig sind. Diese Vorschrift ist nämlich angesichts ihrer Zweckrichtung weit auszulegen, dh sie erfaßt nicht nur Behörden oder Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts im Rechtssinne (vgl BSGE 3, 92, 93; BSGE 23, 105, 118 = SozR Nr 8 zu § 193 SGG; vgl auch Meyer-Ladewig, Komm z SGG, 4. Aufl, RdNr 3 zu § 193). Entscheidend dafür, daß die Klägerin der Regelung des § 193 Abs 4 SGG unterfällt, ist aber jedenfalls die Rechtsstellung des hinter ihr stehenden Rechtsträgers, der Bundesrepublik Deutschland als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts (vgl Bley, SGG, § 193, Stand: Oktober 1987, Anm 6b). Ob aus dem Begriff "bundeseigene Verwaltung" iS von § 87 Abs 1 Satz 1 GG zwingend abzuleiten ist, daß die Klägerin ein ausschließlich in der Hoheit des Bundes stehender Verwaltungszweig sein kann und sie in unmittelbarer Bundesverwaltung zu führen ist (Finger, Die Deutsche Bundesbahn im Spannungsfeld des Grundgesetzes, DÖV 1985, 227, 228) oder der Bund durch die Vorschrift nicht gehindert ist, die bundeseigene Verwaltung auch durch Anstalten und Körperschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit und damit in mittelbarer Staatsverwaltung ausführen zu lassen (vgl Fromm, Bundesbahnautonomie und Grundgesetz, DVBl 1982, 288, 292 mwN), kann offenbleiben; denn § 1 BbG bestimmt, daß die Bundesrepublik Deutschland das Bundeseisenbahnvermögen unter dem Namen "Deutsche Bundesbahn" verwaltet.

Hieraus folgt, daß die Klägerin in ihren Beziehungen zum Bund nichts anderes ist als ein Teil der Bundesverwaltung. So bestimmt denn auch § 6 Abs 2 BbG, daß die Dienststellen der Deutschen Bundesbahn grundsätzlich Bundesbehörden und die Erfüllung der Aufgaben der Deutschen Bundesbahn öffentlicher Dienst ist (§ 6 Abs 3 BbG).

Angesichts dessen ist kein Grund dafür ersichtlich, die Klägerin, die unter ihrem Namen klagen kann, besser zu stellen als ihre Rechtsträgerin, die, klagte sie, keinen Anspruch auf Kostenerstattung hätte. Im übrigen war es der Klägerin, wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat (BSGE 8, 278, 280), freigestellt, sich anwaltlich vertreten zu lassen. Denn auch ihr steht das Vertretungsprivileg des § 166 SGG zur Seite. Wie diese Rechtsstellung die Klägerin für das sozialgerichtliche Verfahren privilegiert, so löst sie andererseits auch die entsprechenden kostenrechtlichen Belastungen aus (BSGE 23, 105, 118 = SozR Nr 8 zu § 193 SGG).

Dem steht nicht entgegen, daß gemäß § 193 Abs 3 SGG die Gebühren und die notwendigen Auslagen ua eines Rechtsanwaltes stets erstattungsfähig sind. Denn diese Vorschrift stellt lediglich klar, daß im Falle einer anwaltlichen Vertretung die Prüfung überflüssig ist, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Einzelfall zweckentsprechend war (§ 193 Abs 2 SGG). Die Vorschrift des § 193 Abs 3 SGG schränkt jedoch nicht die Tragweite des § 193 Abs 4 SGG ein (BSGE 3, 92, 94).

Dem Ausschluß der Kostenerstattung widerspricht weiter nicht, daß die Klägerin den Rechtsstreit in ihrer Funktion als Arbeitgeberin betrieben hat; denn der Wortlaut des § 193 Abs 4 SGG stellt allein auf die Rechtsnatur und nicht auf die Funktion der Verfahrensbeteiligten ab (Bley, aaO, Anm 6b). Endlich kann die Klägerin nicht mit der Erwägung durchdringen, § 28 Abs 1 BbG lege fest, daß die Deutsche Bundesbahn wie ein Wirtschaftsunternehmen zu führen ist und für jedes Geschäftsjahr eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung zu erstellen ist (§ 32 BbG). Denn im Rahmen des § 193 Abs 4 SGG kommt es, wie dargelegt, gerade nicht auf die Funktion des Verfahrensbeteiligten an. Infolgedessen ist es unbeachtlich, daß die Deutsche Bundesbahn in finanzieller Hinsicht, wie die Klägerin meint, eher einer Aktiengesellschaft als einer Behörde oder juristischen Person des öffentlichen Rechts vergleichbar sei.

Steht nach allem einer Kostenerstattung die Vorschrift des § 193 Abs 4 SGG im Wege, muß der Antrag der Klägerin, der Beklagten die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, ohne Erfolg bleiben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662198

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