Leitsatz (amtlich)

Das Revisionsverfahren vor dem BSG, bei dem die Gebühr für die Tätigkeit des im Armenrecht beigeordneten Rechtsanwalts sich nach BRAGebO § 116 Abs 1 Nr 3 bemißt, ist gebührenrechtlich ein vom vorangegangenen Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde getrennter Rechtszug.

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Gebührenrahmen für die Nichtzulassungsbeschwerde beträgt in Verfahren vor dem BSG, bei denen die Gebühr für die Tätigkeit des Rechtsanwalts nach § 116 Abs 1 Nr 3 BRAGebO zu bemessen ist, die Hälfte des für das Revisionsverfahren vorgesehenen Gebührenrahmens.

 

Normenkette

SGG § 167 Fassung: 1953-09-03; BRAGebO § 116 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1975-08-20, § 121 Fassung: 1957-07-26, § 128 Fassung: 1975-08-20; SGG § 160a Fassung: 1974-07-30; BRAGebO § 114 Abs. 3

 

Tenor

Die der Prozeßbevollmächtigten der Kläger für das Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird auf 720,80 DM festgesetzt.

 

Gründe

Dem Kläger ist für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und das Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) das Armenrecht bewilligt und die Rechtsanwältin R.N. in München zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte beigeordnet worden (Beschlüsse vom 8. September 1977 - 2 BU 73/77 und vom 19. Oktober 1977 - 2 RU 83/77).

Nach Abschluß des Beschwerdeverfahrens hat die Prozeßbevollmächtigte beantragt, die aus der Bundeskasse zu gewährende Vergütung wie folgt festzusetzen:

 Gebühr nach § 116 BRAGO

 400,00 DM

 Postgebühren nach § 26 BRAGO

 30,00 DM

 Schreibauslagen nach § 27 BRAGO

 9,00 DM

 5,5 % Umsatzsteuer

24,15 DM

 463,15 DM

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Vergütung am 26. Oktober 1977 dem Antrag entsprechend festgesetzt.

Nach Abschluß des Revisionsverfahrens beantragte die Prozeßbevollmächtigte, die aus der Bundeskasse zu gewährende Vergütung wie folgt festzusetzen;

 Gebühr nach § 116 BRAGO

 800,00 DM

 3/10 Erhöhung nach § 6 BRAGO

 240,00 DM

 Postgebühren nach § 26 BRAGO

 30,00 DM

 6 % Umsatzsteuer

64,20 DM

 1.134,20 DM

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Vergütung mit Verfügung vom 10. Oktober 1978 wie folgt fest:

 Gebühr nach § 116 BRAGO

 500,00 DM

 3/10 Erhöhung nach § 6 BRAGO

 150,00 DM

 6 % Umsatzsteuer

39,00 DM

 689,00 DM

Zur Begründung führte der Urkundsbeamte aus, daß es sich nach dem Beschluß des 5. Senats des BSG vom 19. Dezember 1975 (SozR 1500 § 184 Nr 1) bei dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde um eine nach § 184 SGG gebührenpflichtige Streitsache handele, wenn die Beschwerde verworfen, zurückgewiesen oder zurückgenommen werde. Aus diesem Beschluß sei zu entnehmen, daß dann, wenn sich an das Beschwerdeverfahren ein Revisionsverfahren anschließe, das Beschwerdeverfahren keine Gebührenpflicht auszulösen vermöge. Was für die von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts nach § 184 SGG zu zahlende Gebühr entschieden sei, müsse entsprechend auch für die Gebührenregelung des § 116 Abs 1 Nr 3 BRAGO gelten. Hiernach sei das Beschwerdeverfahren mit dem anschließenden Revisionsverfahren gebührenrechtlich als eine Einheit anzusehen mit der Folge, daß die beigeordnete Rechtsanwältin höchstens 900,-- DM erhalten dürfe. Darauf sei die im Beschwerdeverfahren festgesetzte Gebühr von 400,-- DM anzurechnen. Der Pauschsatz für die Postgebühren nach § 26 BRAGO könne ebenfalls nicht nochmals festgesetzt werden.

Gegen die am 16. Oktober 1978 zugestellte Verfügung legte die Prozeßbevollmächtigte mit dem am 20. Oktober 1978 bei dem BSG eingegangenen Schriftsatz vom 18. Oktober 1978 Erinnerung ein mit dem Antrag, die Vergütung antragsgemäß festzusetzen. Zur Begründung, trägt sie vor, daß der von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle angeführte Beschluß des 5. Senats des BSG für die Festsetzung ihrer Vergütung keine entsprechende Anwendung finde. Da der Gesetzgeber offenbar übersehen habe, für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG eine Regelung zu treffen, müsse § 114 Abs 3 BRAGO entsprechend angewendet werden, der für die Nichtzulassungsbeschwerde im verwaltungsgerichtlichen und im finanzgerichtlichen Verfahren eine besondere Gebühr vorsehe. Sie rege an, gemäß § 12 Abs 2 BRAGO) von der Rechtsanwaltskammer München ein Gutachten einzuholen.

Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

Die der Prozeßbevollmächtigten der Kläger aus der Bundeskasse zu gewährende Vergütung wird für das Revisionsverfahren wie folgt festgesetzt:

Gebühr nach § 116 BRAGO

500.00 DM

3/10 Erhöhung nach § 6 BRAGO

150.00 DM

Postgebühren nach § 26 BRAGO

30,00 DM

6 % Umsatzsteuer

40,80 DM

720,80 DM

Der im Revisionsverfahren vor dem BSG im Armenrecht beigeordnete Rechtsanwalt erhält gemäß § 121 BRAGO die gesetzlichen Gebühren nach dieser Verordnung aus der Bundeskasse. Die hierfür in § 116 Abs 1 Nr 3 BRAGO vorgesehene (Betrags-) Rahmengebühr beträgt mindestens 75,-- DM und höchstens 900,-- DM. Im Einzelfall ist die Gebühr nach § 12 Abs 1 BRAGO unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die von der Prozeßbevollmächtigten der Kläger in Ansatz gebrachte Gebühr von 800,-- DM ist nicht angemessen. Die im Revisionsverfahren zu entscheidenden Rechtsfragen waren bereits seit Jahren Gegenstand kritischer Stellungnahmen in der Literatur. Auf diese hat sich auch die Prozeßbevollmächtigte in ihrer Revisionsbegründung gestützt. Insoweit bestanden für die Begründung der Revision keine besonderen Schwierigkeiten. Auf eine mündliche Verhandlung hatte die Prozeßbevollmächtigte verzichtet. Obwohl das Revisionsverfahren für die Kläger von erheblicher Bedeutung war, wie dies für alle Streitverfahren zutrifft, bei denen über die Rechtmäßigkeit einer die Existenz sichernden Rente zu entscheiden ist, hält der Senat eine Gebühr von 500,-- DM, die etwa der Mittelgebühr entspricht, für angemessen. Da die Prozeßbevollmächtigte für zwei Kläger tätig gewesen ist, hat sie nach § 6 Abs 1 Satz 3 BRAGO Anspruch auf eine um drei Zehntel (150,-- DM) auf 650,-- DM erhöhte Gebühr. Die Postgebühren sind gemäß § 26 BRAGO mit 30,-- DM in Höhe des Pauschsatzes festzusetzen. Ferner hat die Prozeßbevollmächtigte nach § 25 Abs 2 BRAGO Anspruch auf Ersatz der auf ihre Vergütung entfallenden Umsatzsteuer von gegenwärtig 6 %.

Der Senat ist bei seiner Festsetzung, was allerdings nur in der Gewährung des Pauschbetrages für die Postgebühren nach § 26 BRAGO zum Ausdruck kommt, der Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht gefolgt, daß das Revisionsverfahren mit dem vorangegangenen Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gebührenrechtlich als Einheit anzusehen sei. Die von dem Urkundsbeamten zitierte Entscheidung des 5. Senats des BSG (aaO) begrifft die von den Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts gemäß § 184 SGG für jede Streitsache zu entrichtende Gebühr. Sie enthält keine Ausführungen über die eines Rechtsanwalt nach der BRAGO zu zahlende Vergütung. Von einer verfahrens- und gebührenrechtlichen “Einheit des Rechtszuges„ (so Wilm, SozVers 1978, 169) ist dort nicht die Rede. Der 5. Senat hat in seinem Beschluß ua darauf hingewiesen, daß in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit und in der Finanzgerichtsbarkeit für die Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde keine Gerichtsgebühren erhoben werden, sofern sich ein Revisionsverfahren anschließt. Dennoch erhält der Rechtsanwalt in diesem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 114 Abs 3 BRAGO gesonderte Gebühren, die nicht auf die späteren Gebühren für das durchgeführte Revisionsverfahren angerechnet werden (BT-Drucksache IV/2955 S 9; Schumann/Geißinger, BRAGO, 2. Aufl § 114 Rz 18). Das gleiche dürfte auch für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde in solchen sozialgerichtlichen Verfahren anzunehmen sein, bei denen die Gebühren des Rechtsanwalts gemäß § 116 Abs 2 BRAGO nach dem Gegenstandswert berechnet werden. Die Berechnung der Gebühren nach dem Gegenstandswert ist für bestimmte sozialgerichtliche Verfahren durch Art 3 Nr 61 des Gesetzes zur Änderung des Gerichtskostengesetzes, des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Vorschriften vom 20. August 1975 (BGBl I 2189) neu eingeführt worden. Obwohl es schon seit dem 1. Januar 1975 auch im sozialgerichtlichen Verfahren die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gab (Art I Nr 17, Art VI des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 30. Juli 1974 - BGBl I 1625), hat die BRAGO daraus unmittelbar keine Folgerungen gezogen. Für die in § 116 Abs 2 BRAGO bezeichneten Verfahren gelten jedoch die Vorschriften des Dritten Abschnittes der BRAGO sinngemäß, somit such § 61 Abs 1 Nr 1 BRAGO, wonach der Rechtsanwalt im Beschwerdeverfahren fünf Zehntel der in § 31 BRAGO bestimmten Gebühren erhält. Bereits bevor durch Art I Nr 15 des Gesetzes zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Gesetze vom 30. Juni 1965 (BGBl I 577) in § 114 Abs 3 BRAGO eine besondere Gebühr für die Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor den Gerichten der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit eingefügt wurde, hatte die Rechtsprechung dem Rechtsanwalt für die Nichtzulassungsbeschwerde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Beschwerdegebühr aus § 61 Abs 1 Nr 1 BRAGO zugebilligt (VG Frankfurt NJW 1961, 2036; VGH Mannheim NJW 1964, 836). Mit § 61 Abs 1 Nr 1 BRAGO hat der Gesetzgeber das Beschwerdeverfahren in gebührenrechtlicher Hinsicht von den übrigen Verfahrensarten getrennt und einheitlich als besonderen Rechtszug behandelt (VG Frankfurt aaO). Die Vergütung für eine Nichtzulassungsbeschwerde in sozialgerichtlichen Verfahren der in § 116 Abs 2 SGG bezeichneten Art wäre daher nach § 61 Abs 1 Nr 1 BRAGO zu berechnen, und zwar ohne Anrechnung auf die Gebühr für ein nachfolgendes Revisionsverfahren (aA Wilm aaO).

Auch in Verfahren, bei denen die Gebühr für die Tätigkeit des Rechtsanwalts, wie in § 116 Abs 1 BRAGO, eine (Betrags-) Rahmengebühr ist, bilden Beschwerdeverfahren und Revisionsverfahren in gebührenrechtlicher Hinsicht keinen einheitlichen Rechtszug. Mit der Rahmengebühr für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Verteidiger in Strafsachen (§§ 83 ff BRAGO) wird zwar grundsätzlich auch seine Tätigkeit in einem Beschwerdeverfahren abgegolten, wobei das Beschwerdeverfahren zu dem Verfahren gehört, aus dem die angefochtene Entscheidung hervorgegangen ist (Schumann/Geißinger aaO § 87 Rz 6). Das Revisionsverfahren (§ 86 BRAGO) ist jedoch in jedem Fall eine weitere Instanz, die den Gebührenanspruch neu erstehen läßt. Dies rechtfertigt nach Auffassung des Senats auch das Revision verfahren vor dem BSG, bei dem die Gebühr für die Tätigkeit des Rechtsanwalts aus § 116 Abs 1 Nr 3 BRAGO zu entnehmen ist, gebührenrechtlich als einen vom Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde getrennten Rechtszug anzusehen.

Der Senat hat bei seiner Entscheidung berücksichtigt, daß mit ihr auch gebührenrechtliche Konsequenzen für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG verbunden sind. Die BRAGO sieht für Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in Verfahren mit (Betrags-) Rahmengebühren allerdings unterschiedliche Regelungen vor. Im ehrengerichtlichen Verfahren nach den §§ 116 ff der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) eröffnet die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Ehrengerichtshofes (§ 145 Abs 3 BRAGO) keine neue Gebühreninstanz (Riedel/Sußbauer BRAGO 4. Aufl § 110 Rz 6). Mit der nach § 110 Abs 1 BRAGO zu bestimmenden Gebühr ist auch die Tätigkeit des Rechtsanwalt im Beschwerdeverfahren abgegolten. Anders dagegen in Disziplinarverfahren. Zwar gelten hier nach § 109 Abs 1 BRAGO sinngemäß die Vorschriften über Gebühren in Strafsachen, jedoch ist in § 109 Abs 6 BRAGO für das Verfahren gegen die Nichtzulassung der Revision eine gesonderte Rahmengebühr festgesetzt. In der Begründung des durch Art 3 Nr 53 des Gesetzes zur Änderung des Gerichtskostengesetzes, des Gesetzes über die Kosten der Gerichtsvollzieher, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Vorschriften vom 20. August 1975 (aaO) neu gefaßten § 109 BRAGO heißt es hierzu (BT-Drucksache 7/2016 S. 104 zu Nr 35), daß mit § 109 Abs 6 BRAGO die Regelung über die Nichtzulassungsbeschwerde in § 81 DRiG berücksichtigt werde. Der Gebührenrahmen betrage entsprechend § 114 Abs 3 BRAGO die Hälfte des Gebührenrahmens für die Revision. Da die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde in jedem Fall eine besondere Sorgfalt erfordert (BT-Drucksache IV/2953 S. 9), neigt der Senat zu der Auffassung, daß in Verfahren vor dem BSG, bei denen die Gebühr für die Tätigkeit des Rechtsanwalts nach § 116 Abs 1 Nr 3 BRAGO zu bemessen ist, der Gebührenrahmen für die Nichtzulassungsbeschwerde gleichfalls die Hälfte des für das Revisionsverfahren vorgesehenen Gebührenrahmens beträgt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663642

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