Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Revision. Abweichung

 

Orientierungssatz

Eine Divergenz liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien - ausdrücklich - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen Abweichung (vgl zuletzt BSG vom 21.4.1978 - 1 BJ 12/78 = SozR 1500 § 160a Nr 29).

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 Fassung: 1993-08-02

 

Verfahrensgang

SG Berlin (Entscheidung vom 25.03.1996; Aktenzeichen S 8 An 7194/95)

LSG Berlin (Entscheidung vom 29.09.1997; Aktenzeichen L 16 An 55/96)

 

Gründe

Zwischen den Beteiligten ist streitig, von welchem Zeitpunkt an die Beklagte der Klägerin aufgrund von nachentrichteten Beiträgen eine Witwenrente zu zahlen hat. Mit Bescheid vom 26. Juni 1995 gewährte die Beklagte die beantragte Rente ab 1. Februar 1995; hierbei ging sie davon aus, daß der Rentenanspruch erst durch die im Januar 1995 erstmals erfolgten Teilzahlungen versicherungsrechtlich begründet worden sei. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe sich bereits im Jahre 1993 zur Nachentrichtung von Beiträgen bereit erklärt; den Bescheid vom 5. Mai 1994, mit dem der Umfang der Nachentrichtungsberechtigung im einzelnen festgelegt worden sei, habe sie nicht erhalten. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1995, Urteil des Sozialgerichts vom 25. März 1996, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 29. September 1997).

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, die sie auf eine Abweichung dieses Urteils von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) stützt.

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat den Zulassungsgrund der Divergenz, nämlich der Abweichung des Berufungsurteils von einer Entscheidung des BSG (§ 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), nicht in der gebotenen Weise bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Eine Divergenz kann nur bei einem Widerspruch in den Rechtssätzen vorliegen, die die jeweiligen Entscheidungen tragen. Der Beschwerdeführer hat daher den tragenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils und den der Entscheidung des BSG, von dem angeblich abgewichen wurde, herauszuarbeiten und deren Unvereinbarkeit darzulegen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Ferner hat er aufzuzeigen, daß der angeblich abweichende Rechtssatz im angefochtenen Urteil und der maßstäbliche Rechtssatz in der Entscheidung des BSG jeweils tragend gewesen sind (BSG SozR 1500 § 160 Nr 61). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht.

Die Klägerin rügt eine Abweichung des Berufungsurteils vom Urteil des BSG vom 11. Dezember 1986 - 12 RK 27/85 - (SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 67). Sinngemäß trägt sie vor, das BSG habe in dieser Entscheidung folgenden Rechtssatz aufgestellt: Ist eine Bekanntgabe des Zulassungsbescheides (zur Nachentrichtung), in dem die Teilzahlungen geregelt worden sind, nicht nachweisbar, kann nicht von einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu dem durch die Beklagte angegebenen Zeitpunkt ausgegangen werden.

Dagegen hat die Klägerin keinen hiervon abweichenden Rechtssatz des LSG aufgezeigt. Sie hat lediglich vorgetragen, das LSG habe sie in dem Berufungsurteil so behandelt, als wenn ihr der Bescheid ordnungsgemäß bekannt gegeben worden wäre. Zugleich hat sie aber auch darauf verwiesen, daß das LSG die Auffassung vertreten habe, es könne im Ergebnis dahinstehen, ob (dem Prozeßbevollmächtigten) der Klägerin der Bescheid tatsächlich zugegangen sei; denn ein Anspruch auf Beginn der Rentenzahlung vor dem 1. Februar 1995 bestände - nach Auffassung des LSG - in keinem Fall. Aus diesem Vorbringen ergibt sich jedenfalls, daß das LSG nicht den Rechtssatz aufgestellt hat, in Fällen, in denen die Bekanntgabe des Zulassungsbescheides nicht nachweisbar sei, sei dennoch von einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe auszugehen.

Letztlich trägt die Klägerin vor, das LSG habe dem genannten Rechtssatz im Urteil des BSG nicht hinreichend Rechnung getragen, diesen also nicht entsprechend in seiner Entscheidungsbegründung umgesetzt. Eine Divergenz liegt jedoch nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien - ausdrücklich - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen Abweichung (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29, 27). Abgesehen davon, daß das LSG nach dem Vorbringen der Klägerin dem Umstand, ob der hier fragliche Bescheid ordnungsgemäß bekannt gegeben worden ist oder nicht, keine rechtliche Bedeutung beigemessen hat, hat die Klägerin in keiner Weise aufgezeigt, daß das LSG einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Schon aus diesem Grund ist die Klägerin nicht ihrer Darlegungspflicht nachgekommen. Der Senat kann daher von einer weiteren Begründung gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG absehen. Die Beschwerdebegründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen, so daß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175592

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