Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Urteil vom 03.12.1996; Aktenzeichen L 2 U 89/93)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 3. Dezember 1996 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger ist mit seinem Begehren auf Anerkennung eines grauen Stars am linken Auge als Berufskrankheit (BK) ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 19. Februar 1992 idF des Widerspruchsbescheides vom 9. April 1992; Urteile des Sozialgerichts vom 12. September 1994 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 3. Dezember 1996). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, bei dem beim Kläger bestehenden grauen Star handele es sich nicht um eine der in der Liste der BKen aufgeführte BK. Hinsichtlich der in Frage kommenden BKen der Nrn 1303 und 1304 der Anl 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung aufgrund einer Exposition mit Benzol und seinen Homologen (Toluol und Xylol) bzw Trinitrotoluol sei nicht geklärt, daß der Kläger mit diesen Stoffen in dauernden Kontakt getreten sei. Somit sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gesichert, daß die Augenerkrankung des Klägers auf die Exposition mit den schädigenden Stoffen zurückzuführen sei. Die dazu veranlaßten Ermittlungen hätten keine neuen Erkenntnisse erbracht. Auch ein chemotechnisches Sachverständigengutachten zur Rekonstruktion der Expositionsbedingungen an den Arbeitsplätzen des Klägers lasse keine neuen sachdienlichen Erkenntnisse erwarten.

Mit der hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger als Verfahrensmängel eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht sowie des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs. Das LSG habe den in der Berufungsbegründungsschrift gestellten Antrag, den Zeugen K. K. … zur Exposition mit vielfältigen toxischen Stoffen bei der beruflichen Tätigkeit in der Firma M. … OHG völlig unbeachtet gelassen und sich ausschließlich auf die Ausführungen der Abteilung Arbeitssicherheit der Beklagten gestützt. Weiterhin habe das LSG den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, indem es entgegen dem Antrag im Schriftsatz vom 6. März 1995 unterlassen habe, den Sachverständigen Dr. B. zur Erläuterung seines Gutachtens zur mündlichen Verhandlung zu laden. Die Begründung, von einer nochmaligen Befragung des Sachverständigen Dr. B. seien keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten gewesen, stelle eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar.

Die Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verlangen diese Vorschriften, daß die Nichtzulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Daran fehlt es der Beschwerdebegründung.

Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) kann nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Beschwerdeführer trägt zwar vor, er habe im Berufungsbegründungsschriftsatz den Antrag gestellt, den Zeugen K. K. … zur Exposition mit vielfältigen toxischen Stoffen bei der beruflichen Tätigkeit in der Firma M. … OHG zu vernehmen. Es fehlen für die Zulassung einer Revision wegen des gerügten Verfahrensmangels jedoch schlüssige Ausführungen des Beschwerdeführers, daß dieser Beweisantrag zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG auch noch berücksichtigungsfähig war. Dazu hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß es jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten obliegt, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (vgl ua Beschlüsse des Senats vom 5. September 1996 – 2 BU 181/96 – und vom 11. Dezember 1996 – 2 BU 232/96 – sowie Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 1992 – 1 BvR 1935/91 – = SozR 3-1500 § 160 Nr 6). Es ist der Sinn der erneuten Antragstellung, zum Schluß der mündlichen Verhandlung auch darzustellen, welche Anträge nach dem Ergebnis der für die Entscheidung maßgebenden mündlichen Verhandlung noch abschließend gestellt werden, mit denen sich das LSG dann im Urteil befassen muß, wenn es ihnen nicht folgt. Der Kläger hätte deshalb in der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 1996 einen entsprechenden Beweisantrag zumindest hilfsweise stellen müssen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 3. Dezember 1996 ist dies nicht geschehen.

Der Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes, § 62 SGG) durch das LSG, weil es entgegen dem mit Schriftsatz vom 6. März 1995 gestellten Antrag den Sachverständigen Dr. B. nicht zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens geladen habe, kann hier nicht zur Zulassung der Revision führen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein derartiger Verfahrensmangel durch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorgelegen hat. Denn der Vortrag des Beschwerdeführers genügt schon deshalb nicht für eine schlüssige Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, weil er nicht dargelegt hat, daß eine Heilung des Verfahrensmangels und damit ein Verlust des Rügerechts nicht eingetreten ist. Dazu hätte um so mehr Veranlassung bestanden, weil sein Prozeßbevollmächtigter in der nächsten mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 1996 den Mangel nicht gerügt hat, obgleich er erschienen und ihm der Mangel zumindest bekannt sein mußte (§ 295 Abs 1 der Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫). § 295 ZPO ist über § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 61). Danach kann das Rügerecht durch schuldhaftes Unterlassen seiner Geltendmachung verloren gehen. Zu den Verfahrensmängeln, bei denen ein Verlust des Rügerechts gemäß § 295 Abs 1 ZPO, § 202 SGG eintreten kann, gehört die Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 136; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 200; Bley in GesamtKomm, § 62 SGG, Anm 6a; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl, § 62 RdNr 11). Der Beschwerdeführer hätte folglich in der Beschwerdebegründung aufzeigen müssen, daß er in der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 1996 den Mangel des Berufungsverfahrens, der seinem Prozeßbevollmächtigten zumindest bekannt sein mußte, gerügt und einen entsprechenden förmlichen Vertagungsantrag mit näherer Begründung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gestellt hat oder daß Vorschriften iS des § 295 Abs 2 ZPO verletzt worden seien, auf deren Befolgung wirksam nicht verzichtet werden kann. Da der Kläger in der Beschwerdebegründung sich nicht mit der Frage einer Heilung des gerügten Verfahrensmangels auseinandergesetzt hat, fehlen schlüssige Darlegungen darüber, daß das angefochtene Urteil auf dem Mangel beruht.

Die weitere Rüge des Beschwerdeführers, die Begründung der unterlassenen Ladung des Sachverständigen Dr. B. zur Erläuterung seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung stelle eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen, weil § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG es ausdrücklich ausschließt, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173401

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