Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeitsrente und gleichzeitiger Bezug von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1.1.1999 bis zum 31.12.2000. Hinzuverdienst. Bemessungsgrundlage. Zahlbetrag

 

Orientierungssatz

Der 5a. Senat hält an der Rechtsauffassung nicht fest, dass nach dem vom 1.1.1999 bis zum 31.12.2000 maßgebenden Rechtszustand bei einer nach 1998 beginnenden Rente wegen Berufsunfähigkeit und gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld nur dessen Zahlbetrag, nicht jedoch seine Bemessungsgrundlage als Hinzuverdienst berücksichtigt werden darf.

 

Normenkette

SGB 6 § 96a Abs. 3 Fassung: 1995-12-15; SGB 6 § 96a Fassung: 1997-12-16; SGB 6 § 43 Abs. 5 Fassung: 1995-12-15; SGB6uaÄndG Art. 1 Nr. 8 Buchst. c, Art. 17; RRG; RRG 1999

 

Verfahrensgang

BSG (Urteil vom 21.08.2008; Aktenzeichen B 13 RJ 44/05 R)

BSG (Beschluss vom 31.01.2008; Aktenzeichen B 13 RJ 44/05 R)

BSG (Beschluss vom 27.03.2007; Aktenzeichen B 13 RJ 44/05 R)

SG Magdeburg (Gerichtsbescheid vom 15.09.2005; Aktenzeichen S 19 RJ 161/04)

 

Tenor

Der 5a. Senat hält an der Rechtsauffassung nicht fest, dass nach dem vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2000 maßgebenden Rechtszustand bei einer nach 1998 beginnenden Rente wegen Berufsunfähigkeit und gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld nur dessen Zahlbetrag, nicht jedoch seine Bemessungsgrundlage als Hinzuverdienst berücksichtigt werden darf.

 

Gründe

Die auf § 41 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz gestützte Anfrage des 13. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) an den 5a. Senat als Nachfolgesenat des 4. Senats des BSG betrifft die Anwendbarkeit des § 96a Abs 3 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1.1.1999 geltenden Fassung bei der Berechnung von Renten wegen Berufsunfähigkeit (BU) gemäß § 43 Abs 5 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (nachfolgend alter Fassung - aF).

I. Mit Urteil vom 17.12.2002 (B 4 RA 23/02 R - SozR 3-2600 § 96a Nr 1) hat der 4. Senat des BSG entschieden, dass im Zeitraum vom 1.1.1999 bis 31.12.2000 als Hinzuverdienst zu einer Rente wegen BU nur der Geldwert des gleichzeitig bezogenen Arbeitslosengeldes (Alg) und nicht dessen Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden dürfe, weil § 43 Abs 5 SGB VI aF auf § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI idF vom 15.12.1995 (nachfolgend aF) und nicht auf den mit Wirkung zum 1.1.1999 eingefügten § 96a Abs 3 SGB VI verweise. Der 4. Senat hat seine Auffassung im vorgenannten Urteil wie folgt begründet:

§ 43 Abs 5 SGB VI aF sei am 1.1.1996 in Kraft getreten und habe unverändert bis zum Ende des Jahres 2000 gegolten. Die Norm regele die rechtliche Bedeutung der Tatbestandsmerkmale "abhängig vom erzielten Hinzuverdienst" nicht selbst, sondern bediene sich einer (statischen) Verweisung auf den ebenfalls am 1.1.1996 in Kraft getretenen § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI aF. § 43 Abs 5 SGB VI aF habe letztere Vorschrift nicht "in ihrer jeweiligen Fassung" in Bezug genommen, sondern so, wie sie zeitgleich eingeführt worden sei. § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI aF habe die Formel zur Feststellung der Hinzuverdienstgrenzen enthalten. Die rechtliche Bedeutung des Ausdrucks "Hinzuverdienst" sei auch hier nicht festgelegt worden. Auf Grund des Sinnzusammenhangs zwischen der Grundnorm des § 43 Abs 5 SGB VI aF und der diese teilweise ergänzenden Bezugsnorm des § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI aF sei es gerechtfertigt, in erweiternder Auslegung des § 43 Abs 5 SGB VI aF auf § 96a Abs 1 Satz 1 bis 6 SGB VI zurückzugreifen, und zwar in dessen ebenfalls am 1.1.1996 in Kraft getretenen und über das Jahr 2000 hinaus gültig gewesenen Fassung. Aus § 96a Abs 1 Satz 2 bis 6 SGB VI ergebe sich, dass "Hinzuverdienst" der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst sei. Hieran habe sich durch die Einführung des § 96a Abs 3 und 4 SGB VI durch Art 1 Nr 52 Rentenreformgesetz (RRG) 1999 vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) mit Wirkung zum 1.1.1999 nichts geändert. § 43 Abs 5 SGB VI aF sei weder um die Formulierung "erzielter oder gleichgestellter Hinzuverdienst" erweitert worden, noch sei die Klammer in dieser Vorschrift mit dem hierin in Bezug genommenen § 96a Abs 2 Nr 2 gestrichen worden. Für die Jahre 1999 und 2000 sei es im Rahmen einer erweiternden Auslegung des statischen Verweises in dem unverändert gebliebenen § 43 Abs 5 SGB VI aF gerade noch gerechtfertigt, entsprechend dem neu eingeführten § 96a Abs 3 Satz 1 und 2 SGB VI die dort aufgeführten Lohnersatzleistungen als Hinzuverdienst zu berücksichtigen. Eine Anwendbarkeit auch des § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI sei hingegen nicht möglich. Satz 3 bestimme, dass als Hinzuverdienst das der Sozialleistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen sei. Die Norm stelle auf fiktive, tatsächlich nicht erzielte Einkünfte ab und stehe damit im Widerspruch zum Wortlaut des § 43 Abs 5 SGB VI aF, nach dem Rente wegen BU abhängig vom "erzielten" Hinzuverdienst sei.

Mit Beschluss vom 27.3.2007 - B 13 RJ 44/05 R - hat der 13. Senat des BSG beim 4. Senat des BSG angefragt, ob er an dieser Rechtsauffassung festhalte. Der 13. Senat ist der Auffassung, dass § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI idF des RRG 1999 bereits im Zeitraum 1999 und 2000 bei Renten wegen BU anwendbar sei. Er sei an einer sachlichen Entscheidung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit nicht dadurch gehindert, dass der Kammervorsitzende des Sozialgerichts nach Erlass eines Gerichtsbescheids auf Antrag der Beteiligten die Sprungrevision zugelassen habe, und begründet seine materielle Rechtsauffassung wie folgt:

Sehe man in § 43 Abs 5 SGB VI aF einen statischen Verweis auf § 96a Abs 2 Nr 2 in der am 1.1.1996 in Kraft getretenen Fassung, sei im Zeitraum 1999 und 2000 die Behandlung des Bezugs von Alg während einer Rente wegen BU von § 96a SGB VI nicht erfasst. Bis zum 31.12.1998 sei die Anrechnung von Alg auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in § 95 SGB VI geregelt worden. Im Falle des statischen Verweises habe daher in den vorgenannten Jahren § 96a Abs 3 Satz 1 Nr 4 iVm Satz 3 und 4 SGB VI als Nachfolgeregelung zu § 95 SGB VI direkt gegolten. Einer Verweisung auf jene Vorschrift in § 43 SGB VI aF habe es ebenso wenig bedurft, wie in der Zeit vor dem 1.1.1999 auf § 95 SGB VI verwiesen werden musste. Sehe man § 43 Abs 5 SGB VI aF hingegen dynamisch, umfasse der hierin verwendete Begriff "Hinzuverdienst" im streitigen Zeitraum auch den Bezug von Alg, da dieses ab 1.1.1999 in § 96a SGB VI ebenfalls als Hinzuverdienst geregelt sei und zu einer Rentenkürzung führen könne. Dann aber müsse auch der Zusatz "(§ 96a Abs 2 Nr 2)" dynamisch begriffen werden. Da er jedoch nach wie vor auf eine Vorschrift verweise, die lediglich die Hinzuverdienstgrenzen bei einer Rente wegen BU regele, müsse diese durch den weiteren Inhalt des § 96a SGB VI neuer Fassung ergänzt werden; aus diesem ergebe sich dann, in welchen Fällen (zB Arbeitsentgelt: Abs 1, Entgeltersatzleistungen: Abs 3) die Grenzen anzuwenden und in welcher Form die verschiedenen Arten eines Hinzuverdienstes zu berücksichtigen seien. Gegen dieses Verständnis des § 43 Abs 5 SGB VI aF spreche nicht sein unveränderter Wortlaut, der nach wie vor auf den "erzielten" Hinzuverdienst abstelle. Erzielter Hinzuverdienst könne auch rein zeitlich zu verstehen sein, sodass aus ihm lediglich die Forderung nach der zeitlichen Übereinstimmung von Rente und Hinzuverdienst abzuleiten wäre. Selbst wenn ein Widerspruch zwischen beiden Normen bestünde, hätte § 96a Abs 3 SGB VI Vorrang, da themenidentisches späteres Recht in seinem zeitlichen Geltungsbereich das ältere Recht verdränge. Die Berücksichtigung des Bemessungsentgelts der Lohnersatzleistung entspreche auch der Intention des Gesetzgebers des RRG 1999.

Mit Beschluss vom 26.6.2007 - B 4 R 11/07 S - hat der 4. Senat des BSG an seiner ursprünglichen Rechtsauffassung festgehalten. Dies gelte auch für seine Auffassung, dass die Zulassung der Sprungrevision in einem Gerichtsbescheid einen Verfassungsverstoß darstellen und zur Zurückverweisung führen könne.

Materiell-rechtlich betont er erneut den Widerspruch zwischen § 43 Abs 5 SGB VI aF und § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI, wobei er nunmehr davon ausgeht, dass beide Vorschriften durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998 (BGBl I 3843) mit Wirkung zum 1.1.1999 in Kraft gesetzt worden seien. § 43 Abs 5 SGB VI aF setze einen "erzielten" Hinzuverdienst voraus, § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI stelle dagegen auf ein fiktives, nicht vorhandenes Einkommen ab. Da § 96a SGB VI eine bloße Ergänzungsnorm, § 43 Abs 5 SGB VI dagegen eine Ermächtigungsgrundlage für den Renteneingriff darstelle, sei der Normwiderspruch zu Gunsten des § 43 Abs 5 SGB VI aufzulösen. Allein dies entspreche auch der Intention des 14. Deutschen Bundestages. Dieser habe keine Verschlechterung bei der Rente wegen BU gewollt und den Eingriff in das Renteneigentum selbst nicht geprüft, beraten oder auch nur zur Kenntnis genommen, sodass dem Parlamentsvorbehalt nicht genügt sei. Die lex posterior-Regel sei nicht anwendbar, da keine thematische Normenkonkurrenz zwischen beiden Vorschriften bestehe und es sich nicht um "früheres" und "späteres" Recht handele.

In seinem an den 5a. Senat des BSG gestellten Anfragebeschluss vom 31.1.2008 hat der 13. Senat des BSG zum Antwortbeschluss des 4. Senats des BSG wie folgt Stellung genommen:

Der 4. Senat sei von seiner ursprünglichen Auffassung abgerückt, dass § 96a Abs 3 SGB VI später in Kraft gesetzt worden sei als § 43 Abs 5 SGB VI aF, da er nunmehr die Ansicht vertrete, beide Normen seien für den maßgeblichen Rechtszustand 1999 und 2000 gleichzeitig auf Grund des Gesetzes vom 19.12.1998 in Kraft getreten. Damit trage die ursprüngliche Argumentation einer statischen Verweisung in § 43 Abs 5 SGB VI aF auf den Rechtszustand ab 1.1.1996 nicht mehr.

Entgegen der Ansicht des 4. Senats stelle § 96a auch keine bloße Ergänzungsnorm zu § 43 Abs 5 SGB VI aF dar. Die diesen Standpunkt begründende Argumentation, ausschließlich § 43 Abs 5 SGB VI aF lege fest, in welchen Ausmaß monatliche BU-Zahlungsansprüche zu kürzen seien, sodass allein diese Norm eine Ermächtigungsgrundlage für Rentenkürzungen darstelle, treffe nicht zu. Bis 31.12.1998 sei der Bezug von Alg gemäß § 95 SGB VI aF "anzurechnen gewesen". Außerdem ergebe sich die Möglichkeit einer Rentenkürzung auf Null allein aus § 96a SGB VI, da § 43 Abs 5 SGB VI aF nur eine Kürzung der BU-Rente um ein Drittel oder zwei Drittel erlaube.

Zudem kenne das deutsche Recht nicht den Vorrang einer Norm desselben einfachen Gesetzes vor einer anderen im Sinne einer höherrangigen Ermächtigungsgrundlage und einer nachrangigen Ergänzungsnorm. Bestünde zwischen beiden Normen ein Widerspruch, sei dieser unter Zugrundelegung der lex posterior-Regel aufzulösen.

Die Argumention, der 14. Deutsche Bundestag habe § 96a Abs 3 SGB VI wegen gesetzgebungstechnischer Unübersichtlichkeit des Korrekturgesetzes nicht zur Kenntnis genommen, sei nicht nachvollziehbar, da sich die Einfügung dieser Norm - mit seinem Satz 3 - bereits aus dem im Bundesgesetzblatt verkündeten RRG 1999 verlässlich ergeben habe.

II. Auf die prozessualen Vorfragen, die in dem beim 13. Senat anhängigen Ausgangsverfahren möglicherweise zu beantworten sein werden, geht der Senat nicht ein, weil sie nicht Gegenstand der Anfrage sind.

Bei einer nach dem 31.12.1998 beginnenden Rente wegen BU und gleichzeitigem Bezug von Alg ist in den Jahren 1999 und 2000 als Hinzuverdienst nicht dessen Zahlbetrag, sondern die dieser Leistung zu Grunde liegende Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.

In den Jahren 1999 und 2000 lauteten § 43 Abs 5 und § 96a SGB VI wie folgt:

§ 43 Abs 5 SGB VI:

"Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst (§ 96a Abs. 2 Nr. 2) in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel geleistet."

§ 96a SGB VI:

"(1) Eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit im Monat die in Absatz 2 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Dem Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung steht der Bezug von Vorruhestandsgeld gleich. Mehrere Beschäftigungen und selbständige Tätigkeiten werden zusammengerechnet. Nicht als Arbeitsentgelt gilt das Entgelt, das

1.    

eine Pflegeperson von einem Pflegebedürftigen erhält, wenn es das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld im Sinne des § 37 des Elftes Buches nicht übersteigt, oder

2.    

ein Behinderter von dem Träger einer in § 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Einrichtung erhält.

(2)     

Die Hinzuverdienstgrenze beträgt

1.    

bei einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße,

2.    

bei einer Rente wegen Berufsunfähigkeit

a)    

in Höhe von einem Drittel das 87,5fache,

b)    

in Höhe von zwei Dritteln das 70fache,

c)    

in voller Höhe das 52,5fache

des aktuellen Rentenwerts (§ 68), vervielfältigt mit den Entgeltpunkten (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) des letzten Kalenderjahres vor Eintritt der Berufsunfähigkeit, mindestens jedoch mit 0,5 Entgeltpunkten,

3.    

bei einer Rente für Bergleute

a)    

in Höhe von einem Drittel das 116,7fache,

b)    

in Höhe von zwei Dritteln das 93,3fache,

c)    

in voller Höhe das 70fache

des aktuellen Rentenwerts (§ 68), vervielfältigt mit den Entgeltpunkten (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) des letzten Kalenderjahres vor Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit oder der Erfüllung der Voraussetzungen nach § 45 Abs. 3, mindestens jedoch mit 0,5 Entgeltpunkten.

(3) Bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen Berufsunfähigkeit oder einer Rente für Bergleute erzielt wird, stehen dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gleich der Bezug von

1.    

Krankengeld

a)    

das aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit geleistet wird, die nach dem Beginn der Rente eingetreten ist, oder

b)    

das aufgrund einer stationären Behandlung geleistet wird, die nach dem Beginn der Rente begonnen worden ist,

2.    

Versorgungskrankengeld

a)    

das aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit geleistet wird, die nach dem Beginn der Rente eingetreten ist, oder

b)    

das während einer stationären Behandlungsmaßnahme geleistet wird, wenn diesem ein nach Beginn der Rente erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liegt,

3.    

Übergangsgeld

a)    

dem ein nach Beginn der Rente erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liegt oder

b)    

das aus der gesetzlichen Unfallversicherung geleistet wird, und

4.    

den weiteren in § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Vierten Buches genannten Sozialleistungen.

Bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erzielt wird, steht dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen das für denselben Zeitraum geleistete

1.    

Verletztengeld,

2.    

Übergangsgeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung und

3.    

Arbeitslosengeld, das nicht nur vorläufig bis zur Feststellung der Erwerbsunfähigkeit geleistet wird,

gleich. Als Hinzuverdienst ist das der Sozialleistung zugrundeliegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen. Die Sätze 1 und 2 sind auch für eine Sozialleistung anzuwenden, die aus Gründen ruht, die nicht in dem Rentenbezug liegen. Absatz 1 Satz 4 ist nicht für geringfügiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen anzuwenden, soweit dieses auf die sonstige Sozialleistung angerechnet wird.

(4) Absatz 3 wird auch für vergleichbare Leistungen einer Stelle mit Sitz im Ausland angewendet."

1. Im Antwortbeschluss vom 26.6.2007 (RdNr 11, 62 ff) hat der 4. Senat die Rechtsauffassung vertreten, § 43 Abs 5 SGB VI aF und § 96a Abs 3 SGB VI seien zeitgleich mit Wirkung vom 1.1.1999 auf Grund des Gesetzes vom 19.12.1998 (BGBl I 3843) in Kraft getreten. Zutreffend weist der 13. Senat in seinem Anfragebeschluss vom 31.1.2008 (RdNr 13) darauf hin, dass unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung der ursprünglich vom 4. Senat vertretenen Ansicht, der am 1.1.1996 in Kraft getretene § 43 Abs 5 SGB VI aF enthalte eine statische Verweisung auf den zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in Kraft getretenen § 96a SGB VI aF, die Grundlage entzogen sei.

Da die im Antwortbeschluss des 4. Senats vertretene Rechtsauffassung zum gleichzeitigen Inkrafttreten der vorgenannten Normen unzutreffend ist, soll gleichwohl auf das ursprüngliche Normverständnis des 4. Senats eingegangen werden.

§ 43 Abs 5 SGB VI aF ist gemäß Art 17 iVm Art 1 Nr 8 Buchst c des Gesetzes vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) mit Wirkung vom 1.1.1996 in Kraft getreten. Art 1 Nr 19 RRG 1999 vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) hat § 43 SGB VI neu gefasst. Gemäß Art 33 Abs 13 RRG 1999 sollte § 43 SGB VI nF am 1.1.2000 in Kraft treten.

§ 96a Abs 3 SGB VI ist gemäß Art 33 iVm Art 1 Nr 52 RRG 1999 am 1.1.1999 in Kraft getreten. Gemäß Art 33 Abs 13 iVm Art 53 RRG 1999 sollte § 96a SGB VI am 1.1.2000 außer Kraft gesetzt werden.

Art 1 § 1 des Gesetzes vom 19.12.1998 (BGBl I 3843) hat das Inkrafttreten des neu gefassten § 43 SGB VI und das Außerkrafttreten des § 96a SGB VI auf den 1.1.2001 hinausgeschoben.

Für das Jahr 1999 enthält das Gesetz vom 19.12.1998 bezüglich § 43 SGB VI aF und § 96a Abs 3 SGB VI daher überhaupt keine Regelung bzw keinen "Anwendungsbefehl" - so die Terminologie des 4. Senats.

Auch für das Jahr 2000 lässt sich ein zeitgleiches Inkrafttreten der beiden Normen in dem Sinne, dass der 14. Deutsche Bundestag beide ab diesem Zeitpunkt in seinen Willen aufgenommen und ihnen dadurch einen zeitgleichen Rang verliehen hat, nicht begründen.

Dies hat der 13. Senat des BSG zu Recht unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Aufnahme vorkonstitutionellen Rechts in den Willen des Bundesgesetzgebers nach Inkrafttreten des Grundgesetzes verneint (Anfragebeschluss RdNr 22 ff). Das BVerfG (BVerfGE 32, 256, 258, 260) hat hierzu ausgeführt, dass eine Bestätigung vorkonstitutionellen Rechts durch den nachkonstitutionellen Gesetzgeber nicht angenommen werden könne, wenn dieser eine vorkonstitutionelle Norm für eine Übergangszeit nur hinnehme und ihre Aufhebung oder sachliche Änderung vorerst unterlasse. In diesem Fall bleibe die Norm vorkonstitutionelles Recht.

Eine solche Situation hat hier vorgelegen. Der 14. Deutsche Bundestag hat das Inkraftsetzen des § 43 SGB VI nF und die Aufhebung von § 96a SGB VI um ein Jahr hinausgeschoben, um das Recht der Erwerbsminderungsrenten zu einem späteren Zeitpunkt einheitlich neu zu regeln. Er wollte hierdurch Zeit gewinnen, um ua für die Neuordnung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sozial gerechtere Regelungen auszuarbeiten (BT-Drucks 14/45, Erläuterung zu Art 1 § 1, S 18).

Demnach ist § 43 Abs 5 SGB VI aF mit Wirkung zum 1.1.1996 und § 96a Abs 3 SGB VI mit Wirkung zum 1.1.1999 in Kraft getreten.

2. Der 4. Senat hat seine ursprüngliche Auffassung einer statischen Verweisung damit begründet, dass § 43 Abs 5 SGB VI nicht auf § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI "in seiner jeweiligen Fassung" Bezug genommen habe und die Vorschrift auch nicht mit Wirkung zum 1.1.1999 etwa durch die Formulierung "erzielter und gleichgestellter Hinzuverdienst" verändert worden sei.

Diese Argumentation überzeugt nicht.

Es ist gesetzestechnisch üblich, dass Vorschriften hinsichtlich von Tatbestandsmerkmalen oder Rechtsfolgen auf andere Gesetzesnormen verweisen. In Anbetracht der vielfältigen Änderungen gerade sozialrechtlicher Vorschriften spricht alles dafür, dass - falls das Gesetz schweigt - auf die verwiesene Norm in ihrer jeweils geltenden Fassung Bezug genommen wird. Ansonsten wäre bei mehrfachen Gesetzesänderungen unklar, welche ältere Fassung anwendbar sein soll. Dies wäre mit dem Gebot der Normenklarheit nur schwer vereinbar.

Abgesehen davon bestand im vorliegenden Fall kein zwingender Anlass, den Wortlaut des § 43 Abs 5 SGB VI aF mit Wirkung zum 1.1.1999 zu ändern.

Der in § 43 Abs 5 SGB VI aF in Bezug genommene § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI definiert die bei einer Rente wegen BU bestehenden Hinzuverdienstgrenzen, ohne anzugeben, was unter Hinzuverdienst zu verstehen ist. § 43 Abs 5 SGB VI aF besagt daher insoweit lediglich, dass die Höhe der BU-Rente sich nach den Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI richtet. Was "Hinzuverdienst" bedeutet, ist hingegen originär § 96a Abs 1 und 3 SGB VI einschließlich dessen Satz 3 zu entnehmen. Dessen Anwendbarkeit steht auch nicht entgegen, dass nach § 43 Abs 5 SGB VI aF die Rente wegen BU vom "erzielten" Hinzuverdienst abhängig ist, während nach § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI als Hinzuverdienst das der Sozialleistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen ist.

Zwar ist dem 4. Senat zuzugestehen, dass schon nach allgemeinem Sprachgebrauch ein erzielter Hinzuverdienst ein tatsächlich geflossener Verdienst ist, während es sich bei der Bemessungsgrundlage einer Sozialleistung gerade nicht um bezogenes Einkommen handelt. Nach § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI gilt jedoch diese als Hinzuverdienst im Sinne der Vorschrift und damit als erzieltes Einkommen. Insoweit besteht kein Widerspruch im Gesetz, sondern eine dem Gesetzgeber mögliche und auch zulässige rechtliche Gleichstellung zweier Sachverhalte, die bei natürlicher Betrachtung unterschiedlich sind.

Die Berücksichtigung des der Sozialleistung zu Grunde liegenden Einkommens entspricht überdies dem Willen des Gesetzgebers. Dieser wollte mit der Einführung des § 96a Abs 3 SGB VI sicherstellen, dass ein Versicherter, dessen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit infolge eines Hinzuverdienstes gekürzt wird, nicht besser gestellt wird, wenn an die Stelle des Arbeitsentgelts oder des Arbeitseinkommens eine kurzfristige Lohnersatzleistung tritt (BT-Drucks 13/8671, S 118, Erläuterung zu Nr 47a neu). Entgegen der Auffassung des 4. Senats ist der 13. Deutsche Bundestag und nicht der 14. Deutsche Bundestag als Gesetzgeber der Vorschrift anzusehen. Wie oben dargelegt, hat dieser im Gesetz vom 19.12.1998 (BGBl I 3843) für das Jahr 1999 bezüglich § 96a SGB VI keine Regelung getroffen und betreffend das Jahr 2000 lediglich das Außerkrafttreten der Vorschrift vom 1.1.2000 auf den 31.12.2000 hinausgeschoben. Die Hinnahme der Vorschrift zu diesem Zeitpunkt für eine Übergangszeit, um ein späteres einheitliches Inkrafttreten der Neuregelung des Rechts der Erwerbsminderungsrenten zu ermöglichen, bedeutet nicht, dass der 14. Deutsche Bundestag § 96a SGB VI inhaltlich bestätigend in seinen Willen aufgenommen hat; er hat insoweit vielmehr lediglich die formelle Weitergeltung dieser Norm vorerst geduldet (noch einmal BVerfGE 32, 256, 258, 260). § 96a Abs 3 SGB VI ist daher auch im Jahre 2000 eine dem 13. Deutschen Bundestag zuzurechnende Norm geblieben.

3. § 96a Abs 3 SGB VI idF vom 1.1.1999 wäre im streitigen Zeitraum selbst dann anwendbar, wenn zwischen dieser Vorschrift und § 43 Abs 5 SGB VI aF ein thematischer Widerspruch dergestalt bestünde, dass § 43 Abs 5 SGB VI aF eine Minderung der BU-Rente nur unter Berücksichtigung eines tatsächlich erzielten Hinzuverdienstes erlaubt, während § 96a Abs 3 SGB VI demgegenüber die Höhe der BU-Rente von der Höhe des der Sozialleistung zu Grunde liegenden Bemessungsentgelts und damit einem nicht erzielten Verdienst abhängig macht.

Dem 13. Senat ist darin zuzustimmen, dass ein etwaiger Konflikt zwischen diesen Normen nach der lex posterior-Regel aufzulösen wäre.

Regeln zwei Rechtssätze derselben Rangstufe denselben hypothetischen Sachverhalt in unterschiedlicher Weise, indem sie miteinander unvereinbare Rechtsfolgen anordnen, setzt die jüngere Norm die widerstreitende ältere außer Kraft, und zwar auch dann, wenn sie diese nicht ausdrücklich aufhebt (vgl hierzu Laubinger, Verwaltungsarchiv Bd 76 ≪1985≫, 201, 209 f; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 10. Aufl 2006, S 40 f).

Da § 43 Abs 5 SGB VI aF und § 96a Abs 3 SGB VI - wie oben dargelegt - nicht zeitgleich erlassen worden sind, wäre ein etwaiger Normenkonflikt nach dieser Regel zu lösen. Andere Kollisionsregeln wie etwa die Regel "lex specialis derogat legi generali" wären demgegenüber nicht anwendbar. Kollisionsregeln dieser Art sind vielmehr dann in Betracht zu ziehen, wenn miteinander konkurrierende Rechtssätze zeitgleich erlassen sind (vgl hierzu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl 1992, S 154 ff).

Auf derartige Konkurrenzregeln will möglicherweise der 4. Senat mit seinen Ausführungen zum Vorrang des § 43 Abs 5 SGB VI aF als "Ermächtigungsgrundlage" gegenüber § 96a SGB VI als "bloße Ergänzungsnorm" abstellen. Dies bedarf indes keiner weiteren Ausführungen, da die lex posterior-Regel als Konfliktlösungsmechanismus vorgeht.

4. Soweit der 4. Senat in seinem Antwortbeschluss (RdNr 64, 78) die Auffassung vertritt, der 14. Deutsche Bundestag habe die durch § 96a Abs 3 SGB VI bewirkten Verschlechterungen bei der BU-Rente nicht gewollt und diesen Eingriff in das Renteneigentum nach Inhalt, Zweck und Ausmaß nicht selbst geprüft, beraten oder auch nur zur Kenntnis genommen, sodass den Anforderungen an den Parlamentsvorbehalt nicht genügt sei, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden.

Diese Auffassung begründet der 4. Senat damit, dass der 14. Deutsche Bundestag die durch § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI bewirkte Verschlechterung nicht habe ersehen können (Antwortbeschluss RdNr 83). Dies ist indes nicht nachvollziehbar. Zu Recht weist der 13. Senat darauf hin, dass § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI bereits 1997 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden ist, sodass eine Quelle zur Verfügung stand, der Inhalt und Folgen dieser Norm verlässlich entnommen werden konnten.

Abgesehen davon hat der 14. Deutsche Bundestag § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI auch nicht durch das Gesetz vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) geändert, mit dem die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit neu geregelt worden sind. Dies spricht gegen die Auffassung des 4. Senats, der 14. Deutsche Bundestag habe keine Verschlechterung der BU-Renten einführen wollen, und den hieraus gezogenen Schluss, er habe Satz 3 nicht zur Kenntnis genommen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI8022033

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