Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Divergenzrüge

 

Orientierungssatz

Die Divergenz zwischen dem Urteil des BSG vom 16.4.1985 - 12 RK 69/82 = SozR 2200 § 520 Nr 3 und der Rechtsprechung des BAG ist nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut kein Revisionszulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 2

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 07.05.1993; Aktenzeichen L 4 Kr 1469/91)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist die Revision nur zuzulassen bei grundsätzlicher Bedeutung (Nr 1), bei Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Nr 2) oder bei einem Verfahrensfehler (Nr 3). Der Zulassungsgrund muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Beschwerde gegen die Nichtzulassung dargelegt bzw bezeichnet werden. Ob die Beschwerdebegründung der Klägerin den vom Gesetz insoweit aufgestellten Anforderungen gerecht wird, braucht nicht entschieden zu werden. Jedenfalls liegt keiner der vorgetragenen Zulassungsgründe vor.

Einen Verfahrensfehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Die behauptete Verletzung von Art 9 und Art 19 des Grundgesetzes (GG) begründet nicht die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits. Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen sind bereits geklärt und damit nicht klärungsbedürftig (zu dieser Voraussetzung BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Wie die Klägerin selbst vorträgt, hängt die behauptete Grundrechtsverletzung davon ab, daß die Beitragsforderung der Beklagten als Forderung aus dem Arbeitsverhältnis aufzufassen ist. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, daß es sich bei der Beitragsschuld des Arbeitgebers nicht um eine privatrechtliche, sondern um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt; die Begründung dafür kann beispielsweise dem Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4. Juni 1974 (BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2) und den Urteilen des Senats vom 27. Januar 1977 und vom 7. Juni 1979 (BSGE 43, 148 = SozR 2200 § 1385 Nr 3; BSGE 48, 195 = SozR 2200 § 394 Nr 1) entnommen werden, auf die der Senat Bezug nimmt. Die Klägerin hat diese Rechtsprechung nicht berücksichtigt, also auch nicht dargelegt, unter welchen Gesichtspunkten sie zu überprüfen wäre. Im angestrebten Revisionsverfahren wäre demnach weiterhin von den darin festgelegten Grundsätzen auszugehen, so daß auch kein Anlaß bestünde, die vom Senat in den Urteilen vom 10. September 1987 und vom 23. Februar 1988 (BSG USK 8790 = NZA 1988, 629; BSG SozR 2100 § 8 Nr 5) bejahte und vom Bundesverfassungsgericht bestätigte (SozR 2100 § 8 Nr 6) Verfassungsmäßigkeit der von der Klägerin angegriffenen Beitragsverpflichtung erneut in Frage zu stellen. Davon abzurücken ist um so weniger geboten, als inzwischen durch § 104 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) in der ab 1. Januar 1990 geltenden Fassung (BGBl I 1989, 1822) eine Pflicht zur Meldung auch aller geringfügig Beschäftigten eingeführt wurde. Die dadurch erleichterte Überwachung wird in Zukunft nachträgliche Beitragserhebungen vermeiden helfen und die auch vom Senat in den genannten Entscheidungen gesehenen und erörterten Bedenken abschwächen.

Die von der Klägerin vorgetragene Divergenz zwischen dem Urteil des Senats vom 16. April 1985 (BSG SozR 2200 § 520 Nr 3) und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut kein Zulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG. Aber auch wenn in diesem Teil der Beschwerdebegründung sinngemäß die Darlegung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage gesehen wird, kann damit die Zulassung der Revision nicht erreicht werden. Denn die Wirkung von tarifvertraglichen Ausschlußfristen auf öffentlich-rechtliche Beitragsforderungen hängt nicht davon ab, ob sie im Zivilrecht den Inhalt des Anspruchs oder nur seine Geltendmachung betreffen; es würde also im angestrebten Revisionsverfahren auf die von der Klägerin erwähnte Rechtsprechung des BAG nicht ankommen.

Die schließlich von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob der nachträglichen Beitragserhebung durch die Krankenkasse der Gesichtspunkt der Verwirkung oder derjenige der positiven Vertragsverletzung entgegensteht, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich nach der ab dem 1. Januar 1990 geltenden Rechtslage anders stellt als vorher. Denn bei der Beurteilung einer Verwirkung oder von Konsequenzen eventueller Pflichtverletzungen spielt die durch § 104 Abs 1 SGB IV eingeführte Meldepflicht eine wesentliche Rolle. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, inwiefern die im angestrebten Revisionsverfahren möglicherweise zu klärenden Fragen auch in Zukunft noch relevant sein werden. Im übrigen ist die Verjährung von Beitragsforderungen in vier Jahren (§ 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV) nach dem bisherigen Recht als abschließende Regelung des unterlassenen Beitragseinzugs anzusehen. Die Auffassung der Klägerin hätte zur Folge, daß Beitragsforderungen ohne irgendein Zutun der Einzugsstelle verwirkt wären, bevor sie verjährt sind. Eine solche Auffassung wäre, wie keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf, unzutreffend.

Mangels Zulassungsgrund ist die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666851

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