Entscheidungsstichwort (Thema)

Erinnerung gegen die nach § 189 SGG iVm § 130 BRAGebO erteilte Kostenrechnung. Erinnerung gegen die Festsetzung der aus der Bundes- oder Landeskasse zu ersetzenden Vergütung

 

Orientierungssatz

1. Ist die BA verpflichtet einem Beteiligten, dem Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts gewährt wurde, die außergerichtlichen Kosten zu erstatten, so ist eine Erinnerung der BA nur gegen die nach § 189 SGG iVm § 130 BRAGebO erteilte Kostenrechnung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle möglich.

2. Nicht möglich ist eine Erinnerung bereits gegen die Festsetzung der aus der Bundes- oder Landeskasse dem Rechtsanwalt zu erstattenden Vergütung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des BSG.

 

Normenkette

SGG § 189 Abs 1; SGG § 189 Abs 2 S 2; BRAGebO § 130 Abs 1, § 130 Abs 2 S 2, § 128 Abs 3

 

Gründe

Die Beklagte hat gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Arbeitslosengeld an den Kläger Revision eingelegt. Dem Kläger wurde Prozeßkostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Walter Höh, Pirmasens, beigeordnet (Beschluß des Senats vom 25. November 1988). Die Beklagte hat ihre Revision zurückgenommen. Sie hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten (Beschluß des Senats vom 30. April 1990). Die dem Rechtsanwalt aus der Bundeskasse zu erstattende Vergütung wurde vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf 1.073,88 DM festgesetzt (Kostenfestsetzung vom 12. März 1990). Der dem Rechtsanwalt gegen die Beklagte als ersatzpflichtigem Gegner zustehende Vergütungsanspruch wurde vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gemäß § 130 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) in Höhe von 1.073,88 DM geltend gemacht (Kostenrechnung vom 19. Juni 1990).

Die hiergegen erhobene Erinnerung der Beklagten richtet sich formal nur gegen die Kostenrechnung vom 19. Juni 1990. Die Rügen der Beklagten, vor Erlaß der Entscheidung über die dem Prozeßbevollmächtigten vermeintlich zustehende Gebühr sei der Beklagten kein rechtliches Gehör gewährt worden und die Bundeskasse habe dem Rechtsanwalt die gewünschte Gebühr zugesprochen, ohne der Beklagten die Möglichkeit zu geben, hiergegen Einwendungen zu erheben, zeigen jedoch, daß die Beklagte beide Entscheidungen anfechten will.

Die Erinnerung ist nur zulässig, soweit sie sich gegen die Kostenrechnung richtet. Nach § 130 BRAGO geht der Anspruch des Rechtsanwalts wegen seiner Vergütung gegen den ersatzpflichtigen Gegner mit der Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Bundeskasse oder Landeskasse auf diese über. Für die Geltendmachung des Anspruchs gelten die Vorschriften über die Einziehung der Kosten des gerichtlichen Verfahrens sinngemäß (§ 130 Abs 2 BRAGO). Die Einziehung der Kosten des gerichtlichen Verfahrens ist für die Sozialgerichtsbarkeit in § 189 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geregelt. Die im Gerichtskostengesetz (GKG) getroffene Regelung gilt nicht für die Sozialgerichtsbarkeit, sondern nur für die Zivil-, Verwaltungs-, Finanz- und Arbeitsgerichtsbarkeit (vgl § 1 GKG). Nach § 189 Abs 1 SGG werden die Gebühren für die Streitsachen in einem Verzeichnis zusammengestellt (Satz 1). Die Mitteilung eines Auszuges aus diesem Verzeichnis an die Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts gilt als Feststellung der Gebührenschuld und als Aufforderung, den Gebührenbetrag binnen eines Monats an die in der Mitteilung angegebene Stelle zu zahlen (Satz 2). Nach Abs 2 der Vorschrift erfolgt die Feststellung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (Satz 1). Gegen diese Feststellung kann binnen eines Monats nach Mitteilung das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet (Satz 2). Hiermit wird für die Sozialgerichtsbarkeit gegen die Kostenrechnung die befristete Erinnerung eingeräumt, während § 5 Abs 1 GKG eine unbefristete Erinnerung gegen den Kostenansatz vorsieht. Damit gilt § 5 GKG nicht im Verfahren nach dem SGG. Ob bei im SGG fehlenden Regelungen ergänzend auf das GKG trotz fehlender Verweisungsnorm zurückgegriffen werden kann (so zu § 13 GKG hinsichtlich der Wertermittlung BSG SozR 1930 § 8 Nr 5; zu § 6 GKG BSG SozR Nr 1; zu § 114 GKG BSG KOV 1974, 15), ist für die jeweils betroffene Regelung zu beurteilen.

Die auf Pauschgebühren zugeschnittene Regelung in § 189 Abs 1 Satz 2 SGG über die Mitteilung eines Auszuges aus dem Verzeichnis hat der Urkundsbeamte zu Recht in der Weise sinngemäß angewandt, daß er der Beklagten eine spezifizierte Kostenrechnung erteilte, wie dies im übrigen im Verfahren nach dem GKG vorgesehen ist.

Im Verfahren nach dem GKG ist die Kostenrechnung des Kostenbeamten - der Kostenansatz - ein Justizverwaltungsakt (BVerfGE 22, 299, 310). Damit ist verfassungsrechtlich gewährleistet, daß der Betroffene die Rechtmäßigkeit des Kostenanspruchs in vollem Umfang gerichtlich überprüfen lassen kann. Dieser Prüfung dient das im GKG eröffnete Erinnerungsverfahren, das insoweit als besonderer, die Anrufung anderer Gerichte ausschließender Rechtsweg zum Instanzgericht anzusehen ist (BVerfG NJW 1970, 853, 854). Dem zuständigen Gericht steht danach eine umfassende Prüfungskompetenz hinsichtlich aller für den Kostenansatz wesentlicher Punkte zu. Auslagen, die in einem "Forderungsnachweis" anderer Behörden enthalten sind, sind vom Gericht voll zu überprüfen (BVerfG aaO). Macht die Staatskasse den auf sie nach § 130 BRAGO übergegangenen Anspruch gegen den kostenerstattungspflichtigen Gegner geltend, so sind auf die Erinnerung auch die an den Rechtsanwalt gezahlten Gebührensätze zu überprüfen (BGH MDR 1978, 214). All dies gilt auch für die nach § 189 SGG iVm § 130 BRAGO erteilte Kostenrechnung. Der Senat hat daher aufgrund der fristgemäß gegen die Kostenrechnung erhobenen Erinnerung zu prüfen, ob die in der Kostenrechnung angesetzten Rechtsanwaltsgebühren zutreffend berechnet sind.

Nach § 12 BRAGO ist die Rahmengebühr des § 116, die ein Rechtsanwalt für die Vertretung im Verfahren vor Sozialgerichten erhält, unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Der Urkundsbeamte hat die Gebühr auf 900,-- DM und damit geringfügig über der Mittelgebühr von 770,-- DM festgesetzt. Die Beklagte sieht höchstens 500,-- DM als angemessen an, da der Rechtsstreit durch Rücknahme der Revision ohne mündliche Verhandlung beendet wurde und die Rechtssache keine außergewöhnliche Schwierigkeit aufgewiesen habe. Letzteres ist unzutreffend. Die Beklagte ist mit ihrer umfangreich begründeten Revision einer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entgegengetreten. Sie hat die Revision erst zurückgenommen, nachdem der Senat in einer Parallelsache an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten hatte. Der Senat sieht deshalb bei Abwägung aller Umstände die vom Urkundsbeamten in der Kostenrechnung ausgewiesene Gebühr als angemessen an.

Soweit die Beklagte die Festsetzung des Vergütungsanspruchs gegenüber dem Rechtsanwalt (vom 12. März 1990) mit der Erinnerung angreift, weil sie vor der Festsetzung nicht gehört worden sei, ist die Erinnerung unzulässig. Der § 128 Abs 3 BRAGO läßt gegen die Festsetzung nur die Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Bundes- oder Landeskasse zu. Hiernach steht die Erinnerung nicht zu der vertretenen Partei (OLG Oldenburg, Juristisches Büro 1983, 721) und auch nicht dem Gegner (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 10. Aufl, 1989, § 128 RdNr 15). Diese haben die Möglichkeit der Erinnerung erst "bei Einforderung der Armenanwaltsgebühren von der Partei oder dem Gegner durch die Staatskasse" (Schumann/Geißinger, BRAGO, 2. Aufl, 1979, § 128 RdNr 15), also nur gegen die Einforderung. Da die Festsetzung der Vergütung für die spätere Erstattungspflicht keine Bindungswirkung entfaltet, verstößt dies weder gegen den Anspruch auf Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG), noch gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art 103 GG. Da die Festsetzung der Vergütung den späteren Erstattungsanspruch unberührt läßt, besteht auch nicht die Möglichkeit, nach § 13 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) den Prozeßgegner an der Festsetzung zu beteiligen, wie dies Lappe (Tschischgale/Luetgebrune/Lappe, Kostenrechtsprechung, § 130 BRAGO Nr 7) vorschlägt. Eine solche Regelung wäre auch nicht sinnvoll, obgleich sie widersprüchliche Entscheidungen über die Höhe der Rechtsanwaltsgebühr vermeiden kann, da sie in vermeidbarer Weise den Prozeßbevollmächtigten hinsichtlich seines Gebührenanspruchs vom Verhalten des Gegners abhängig macht.

Dahinstehen kann, ob die Beklagte mit ihrem Vorbringen zum rechtlichen Gehör (auch) rügen will, der Urkundsbeamte habe sie vor Übersendung der Kostenrechnung anhören müssen. Die Beklagte hatte im Gerichtsverfahren ausreichend Möglichkeit, ihre Auffassung darzulegen. Dadurch wäre ein etwaiger Mangel geheilt. Die im Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) und im VwVfG über die Nachholung der Anhörung nur bis zur Klageerhebung getroffenen Regelungen (§ 41 Abs 2 SGB X; § 45 Abs 2 VwVfG) sind auf den Justizverwaltungsakt der Kostenrechnung nicht entsprechend anwendbar. Sie sind Ausdruck der Trennung von Verwaltungsverfahren und Gerichtsverfahren. Gerade insoweit liegen beim Justizverwaltungsakt die Verhältnisse anders.

Auch die Rüge der Beklagten, die Kostenrechnung habe keine Rechtsmittelbelehrung aufgewiesen, vermag die ohnehin fristgerechte Erinnerung nicht zu stützen. Im übrigen ist für die Mitteilung nach § 189 SGG eine Rechtsmittelbelehrung nicht vorgeschrieben. Der Umstand, daß § 189 SGG eine befristete Erinnerung vorsieht, während die Erinnerung nach § 5 GKG unbefristet ist, könnte zwar in Ansehung des § 36 SGB X für die Erforderlichkeit einer Rechtsmittelbelehrung angeführt werden. Andererseits sind kostenpflichtig nach § 189 SGG nur Körperschaften des öffentlichen Rechts, so daß eine Rechtsmittelbelehrung entbehrlich ist.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662026

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